Unter: öer: Krnfenkrone.
Roman von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
12 .
Verstohlen schaute sie in sein verdüstertes Antlitz. ES war entschieden interessanter und geistig bedeutender als das des verstorbenen Bruders."
„Ein jedes muß hiniedcn sein Teil Kummer tragen," nahm Eva dann gelassen das Wort, „Sie kennen sicherlich auch mein Schicksal, Herr Professor. Es ist nicht leicht, dasselbe ruhig hin- zunehmen."
„Frau Gräfin, entschuldigen Sie meine Freimütigkeit, als ich damals in der Kirche Ihr Mädchenantlitz vor mir sah, erkannte ich sogleich, daß es nicht die Liebe war, welche Sie zum Altäre geführt. Damals hätte ich ans den Kniecn stehen mögen, noch in der zwölsten Stunde umzukehren, statt solch' drückende Fesseln anfzunehmen — doch wie durste ich das, ein Fremder!
„Sie haben recht," hauchte die junge Frau mit erblaßten Lippen, „damals beging ich eine Sünde an meinem Herzen. Ich bin durch meine eigene Mutter dazu verleitet worden."
Der Eintritt des Generals brachte glücklicher Weise bald ein anderes Gespräch in Gang; man nahm plaudernd die Mahlzeit ein und begab sich znm Kaffee in der Gräfin allerliebstes Boudoir.
„Eva," rief der alte Herr gemütlich, „möchtest Du mir nicht, wie ich cS liebe, ein Lied singen? Der Herr Professor hört es gewiß auch gerne?"
Die Gräfin lächelte unbefangen, öffnete de» Stutzflügel und srug dann, sich nieder setzend:
„Also Sie erlauben es frenndlichst, mein Herr Professor, doch müssen Sie keine künstlerische Leistung von mir erwarten; ich bin eben nur Dilettantin. Großpapa, was soll ich singen?"
„Zuerst mein Lieblingslicd aus dem Trompeter," entgegnete der alle Mann und gleich darauf klangen weiche, präludierende Akkorde durch das Gemach. Die Gräfin sang:
Das ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei den Rosen gleich die Dornen steh'n . .
Der Professor nahm ein Buch mit Kupferstichen und rückte seine» Sessel so, daß Waldhcim nicht zu sehen vermochte, wie das Lied sein Gemüt erregte.
Es war ja von jeher so gewesen, die schärfsten Dornen standen bei den duftenden Blüten und über manches kaum erstandene Glück sank sofort ein dunkler Tranerflor. Warum erschütterte den starken Mann heute dies Weltgesetz so besonders?
Er schaute nicht ans, aber jener andere nagende Verdacht von vorhin erwachte abermals in seinem Gemüte.
Tieferschüttert laujchtcn die beiden Zuhörer den zitternd Verhallenden Schlußakkorden des Liedes. Schönau hatte die Augen leicht mit der Hand bedeckt und atmete schwer. Phai tasiegcbilde zogen an seiner Seele vorüber, ohne Fleisch und Bein — es war' so schön gewesen! —
„Danke schön, Eva, mein Herz; für solch ein Lied gehe ich sofort noch einmal in den dicksten Kugelregen. Von Musik verstehe ich nicht viel aber wenn Du singst bleiben mir die Augen nie trocken," sagte der General.
„Ich danke Ihnen gleichfalls, gnädigste Gräfin; der Herr General hat recht, es thut wohl, solchen Gesang zu hören, besonders einem Vereinsamten Sonderling wie ich eö bin."
Wieder trafen sich die beide» Nugenpaare in unerklärlicher Sympathie und Eva erhob sich errötend vom Instrument.
„Wer das Leid und den Schmerz kennt, kann auch davon singen," entgegnete sic einfach, „und ich war damals am unglücklichsten, als mir noch die Töne fehlten. Später fand ich mich dann selbst nach und nach wieder."
Die Rothofsbänerin stand im reichsten Festschinncke vor dem Spiegel in ihrem Wohnzimmer, im Begriff eine silberne Haarnadel in den dunklen Haarflechten zu befestigen.
Es war ei» trüber Sommertag, drohende Wolken zogen am Himmel daher und die guten Leute von Suttorf schauten ängstlich „ach denselben, denn sie fürchteten, daß der feierliche Empfang der Schloßherrschaft cinrcgnen möchte.
Die wilde Anna sah recht stattlich aus; der bis zum Knöckel reichente, schwerseidcne rote Nock, das knappe Sammctmieder mit Silber verschnürt, dazu der mit gleiche» Troddeln geschmückte Hut standen ihr vortrefflich.
Inst nn Augenblick als die hübsche Frau vom Spiegel zurücktrat, öffnete Jemand die Thür, und Aloys Stolzner trat ins Zimmer.
Anna stutzte beim Eintritt dieses Mannes einen Augenblick, dann aber zogen sich ihre Augenbrauen finster zusammen.
„Was sticht Ihr heute ans dem Rothof?" frug sie scharf.
„Euch selbst, Anna," gab er düster zurück, „ich muß ein ernstes Wort mit Euch reden, der Herr Professor riet mir gleichfalls dazu."
Heiße Röte färbte Annas bräunliche Wangen, aber sie fuhr dennoch zornig auf: „Was kümmert mich der Herr Professor, ich habe ihn nicht nach seiner Meinung über meine Zukunft gefragt."
Das war der alte, schroffe Ton, den Aloys an der wilden Anna kannte, doch heute ließ er sich von demselben nicht ab- schrecken.
„Ich will meine Sache abmachen bevor die Herrschaft kommt Frau Anna laßt mich reden."
„Thnt's immerhin, Aloys Stolzner!"
„ES bedarf auch nicht vieler Worte. Ihr wißt schon längst, daß ich Euch gut bin und heute bitte ich Euch um Eure Hand. Wollt Ihr mich heiraten?"
lieber dem Gemach lagerte es wie Gewitterschwüle, Frau Anna sah nicht auf und der Freier nestelte nnrnhig an seinem Hute.
Was sollte die Witwe thun? Ihn abweisen wie alle Anderen I Nachgerade begann ihr die Bewirtschaftung ihres großen Besitzes allein lästig zu werden, auch mißfiel Stolzner ihr nicht, den» erließ sich nicht abschrecken durch ihre rauhe Art, zudem hatte der Herr — Professor ihn zu der Werbung ermutigt!
Gab der letztere Grunv den Ansschlag?
Heftig zuckte die Rothofsbänerin zusammen. Seit Jahren wuchs ein Empfinden in ihrer Seele, welches sie sich nicht erklären konnte oder wollte, welches die wilde Anna aber dennoch veredelt hatte.
Neulich erst hatte sie in einer Bücherküste des seligen „studierten" Oheims ein Gedichtbuch gefunden und in demselben eine gar wunderherrliche Stelle gelesen. Seitdem lag es neben dem Gebet- und Rechenbuche der Bäuerin und ein buntes Lesezeichen steckte bei jenen Zeilen.
„Seit ich ihn gesehen,
Glaub' ich blind zu sein Wo ich hin auch blicke,
Seh' ich ihn allein!"
hieß die Stelle des Gedichts. —
So habt Ihr wie es scheint keine Antwort für mich?" frug Aloys Stolzner endlich nach langer Panse bitter; ihn schmerzte ihre Gleichgültigkeit doch mehr als er sich eingestehen wollte.
Sie blickte hinaus zum Fenster, es war so grau und t>übe in der Natur wie in ihrer Seele und am liebsten hätte sie laut anfgescbluchzt; aber das schickte sich doch nicht für die stolze Rothofsbäuerin.
Auch hatte sie eigentlich an dem Freier nichts auszust-tzen. Er war ihr gut, zudem als ein fleißiger, braver Mensch bekannt und obendrein inlerefsirt sich der Herr Professor für ihn!
Langsam wandte sie ihr noch immer gerötetes Antlitz Aloys zu und sagte, diesmal ohne den herben Klang der Stimme:
„Meint Ihr denn, mit mir glücklich zu werden? Man nennt mich wie Ihr wißt die wilde Anna; habt Ihr keinen Anstoß an diesem Namen? Ich sag's Euch auch frei heraus, daß ich Euch — nicht so liebhaben kann — als Ihr mich,"
„Ich hab's mir gedacht, Anna, aber ich bleibe dabei: werdet mein Weib und es soll alles gut sein."
„Noch einmal überlegt Euch meine Worte, Aloys, wenn Ihr morgen noch derselben Ansicht seid — wollen wir zur Weinlese Hochzeit machen."
Die Worte klangen eher gepreßt als heiter, etwas mehr Wärme hätte der Freier ans der Antwort hören mögen. Es schien fast, als werde ein Vertrag zwischen zwei Parteien abgeschlossen.
„Ich will, Anna," sagte er endlich, während die finsteren Falten seiner Stirn sich glätteten, „denn meine Liebe wird mit der Zeii auch die Eure gewinnen. Seht, ich bin durch des Herrn Professors Vorstellungen schon ein anderer Mensch geworden, vernicht mehr flucht und tobt und die Wirtschaft ordentlich hält; wir wolkn immer treu zusammen halten, dann kommt allgemach das Glück! Gehen wir jetzt zur Einholung der Herrschaft?" (Forts, f.)
Redaktion, Druck und «erlag von Bernhard Hofmann in Mldhad.