Die Verschwörung -der Der Maskenball.
Historische Novelle von Ir. v. H'ückler.
Nachdruck verboten.
I.
Es war ein finsterer Dezemberabend, wilde schwarze Wolken lagen am Firmament nnd wenn sich hier und da einmal ein kleines, glänzendes Sternchen sehen ließ, so war es doch bald wieder hinter den unheimlichen dunklen Ncbelgebildcn verschwunden. Ein nirchterlichcr Sturm, brauste über das Land, wie der Vorbote des jün.sten Gerichts. Die kahlen Aeste der Bäume schlugen hin und her, haltlos den rasenden Elementen auheimgegeben.
Trotz der vorgerückten Jahreszeit, die in nördlichen Ländern meistens Schnee bring:, war es in dem Jahre 17llO in Schweden in welchem Lande unsere Erzählung spielt, doch ausnahmsweise noch nicht Winter geworden.
Seufzend schauten die Leute an jedem Morgen hinaus in dies heulende, regendurchpeitschte Unwetter und wünschten sich sehnsüchtig die schimmernde, weiße Schneedecke, ohne welche das schöne, alt hergebrachte Julfest mit seinen Julklapp und Mispelzwcig doch eben nur unvollkommen sein würde.
Ueber die Haide flog ein Reitw daher, tief verhüllt in dunklem Mantel, den Hut in di: Stirne gedrückt; unbarmherzig preßte er dem schweißbedeckten Rosse die scharfen Sporen in die Weichen und ein wilder Fluch klang von den bärtigen Lippen. Jetzt trat der Vollmond einen Augenblick hinter den schwarzen Wolkenmassen hervor und beleuchtete grell das bleiche Antlitz des Reiters. Es war nicht unschön, doch von allen Leidenschaften durchfurcht. Der schwarze Schnurr- und Kuebclbart, das eigentümliche Lächeln um die schmalen Lippen nnd der unheimliche Blick seiner Augen gaben ihm ein diabolisches Aussehen, welches noch durch die Form des Mantels erhöht wurde.
Bei der scharfen Biegung der Landstraße prallte das Pferd laut aufwichernd zur Seite, um dann kerzengerade emporzusteigen. Scharf beleuchtet vom fahlen Mondlicht stand drüben linker Hand ein Galgen und an demselben hicng — eine Menschengestalt! Auch der bleiche Reiter zuckte zusammen und ein dumpfer Laut entrang sich den festgeschlossenen Lippen; im nächsten Augenblick hatte er die Zügel scharf ungezogen und das zitternde Thier zum Stillstehen gebracht. Langsam ritt er näher zu der einsamen Richl- stätte und hielt unweit davon still. Seine eiserne Faust zwang das am ganzen Leibe zitternde nnd bebende Pferd zum Gehorsam, er selbst schaute sinnend in das bleiche, verzerrte Antlitz des Gerichteten.
„Wegen Hochverrat" stand in schwedischer Sprache auf der schwarzen Tafel, die der Gerichtete um den Hals trug; der Fremde strich sich mit der Hand über die Augen; und ein tiefer Athemzug hob seine Brust.
„Da führte auch mein Pfad dicht vorbei," murmelte er düster, „und wer weiß, waS noch in der Zukunft liegt.'Du armer Bursch' da droben, ob sie Dich auch so gequält und gepeinigt haben im Gefängnis? König Gustav's Schergen wissen darin genau Bescheid, und vielleicht warst Du noch dazu ein verfolgter Aristokrat. Ich selbst bin ja nur darum entkommen, weil ich den bürgerlichen Namen des Vaters führte, obwohl auch das edle Blut der Mutter durch meine Ader» rollt. Was Friedrich Adolf zu viel that, das thut fein Sohn zu wenig; Fluch Dir, König Gustav, Fluch I"
Sein Auge blitzte, seine Faust ballte sich drohend und die Windsbraut stimmte Heuleno mit ein in die grausige Verwünschung; eine schwarze Wolke zog über den Mond und wild auflachend gab der bleiche Mann dem Rosse die Sporen.
Wie lange er dahin gejagt, er wußte es wohl kaum, und ein Ausruf des Staunens klang von seinen Lippen, als endlich in der Ferne ein Heller Punkt erschien, ein Haus mit mehreren beleuchteten Fenstern.
Nasch griff er nach einer schwarzen Larve und befestigte'sie vor dem Antlitz; dann zog er eil e Pistole hervor und mäßigte den rasenden Lauf des-Thicreö. Jetzt schlug ei» Hund an, jetzt »och einer und im selben Augei blick feuerte der nächtliche Reiter seine Waffe in die Luft, ein Zeichen für die Bewohner des einsamen Hauses.
Eine Thür wurde geöffnet, eine MänncrMmme rief laut in die Nacht hinaus: „Heil Schweden jetzt und immerdar!" —
„Und Tod allen seinen Feinden!" klang es zurück; dann wurden die Hunde zur Ruhe gewiesen und der späte Ankömmling sprang aus dem Sattel, die Hand seines Wirtes kräftig schüttelnd. —
„Herr von Liljehorn," rief er halblaut, „Ihr habt mir gestattet, diese Nacht als Gast bei Euch zu zubringen, hier bm ich, müde und erschöpft; habt Dank für eure Gastfreundschaft."
Der Angeredcte erwiedertc den Händedruck und sagte dann, halblaut, in französischem Tone:
„Nehmt die Maske ab, Anckarström, hier seid Ihr sicher, Niemand kennt Euch."
Dann rief er dem Diener zu, nach dem Pferde seines Freundes zu sehen, und nahm dessen Arm nnd betrat mit ihm das Haus. —
Der Gastgeber war ein hochgewachsener Mann von vielleicht sechzig Jahren, mit ernstem unbeweglichem Antlitz, dem man an- sah, daß ihm ein Lächeln fremd sei. Er trug dunkle Kleidung, und de- geraden, tadellosen Haltung sah man den Soldaten an. Oberst-Lieutenant von Liljehorn war erst seit wenig Jahren vom Dienste znrückgetreten, angeblich wegen Kränklichkeit; er lebte meist hier auf seinem kleinen Gute dicht bei Stockholm und war von Vornehm und Gering hochgeachtet und geliebt.
„Ihr sollt auf Eurem Zimmer Euch erst ausrn hen, Freund, sagte der alte H:rr zu dem finstern Gaste und zog ihr nach einem hell erleuchteten Gang rechter Hand, wo er auch bcld die Thüre eines freundlichen Gemaches öffnete.
„Ich komme nach cinr halben Stunde, um Euch zu rufen. Hauptmann," meinte Liljehorn, seinem Gaste von Neuem die Hand bietend, „Ihr findet bei mir nur meine Tochter Christine, sowie meines Bruders Witwe mit ihrem kleinen Knaben. Laßt heute alles Ludere bei Seite und erholt Euch in unserem stillen Hanse von dem scharfen Ritt. Morgen komm: dann das ernste Werk daran, von dem unser Wohl und Wehe abhänge."
Er gieng fort, und Anckastrom zog schweigend die Thür zu. Dann riß er Hut und Mantel ab und schleuderte sie achtlos von sich; er selbst sank halbtot in einen neben ihm stehenden weichen Sessel. —
„Zehn Stunden im Sattel ich der Geächtete, beinahe ohne Nahrung! Ach, wäre der Tod mir Elenden zur Hilfe gekommen," murmelte er bitter vor sich hin, es wäre „tausendmal besser, als dies croärmliche Dasein."
Nach einer Weile fuhr er empor; gegenüber hieng ein Spiegel nnd Ankarström schaute in Hellem Lichte sein bleiches, entstelltes Antlitz.
Nach einem spöttischen Lächeln stand er entschlossen auf. „Feig wie ein Weib! Warum sollte mir nicht in der Zukunft ein Heller Stern aufgehen, wie so manch Einem vor mir! Mut Johann! Und nun eilig an das Herrichten des äußeren Menschen gedacht. Fräulein von Liljehorn soll ein schönes liebliches Mädchen sein."
Eine Treppe höher lag das Wohngcmach, und man betrat dasselbe mit einem Gefühl des Wohlbehagens, denn es barg das stille Familienglück.
An dem mächtigen Kaminosen, rötlich angehaucht von dem prasselnden Feuer, saß eine liebliche Mädchenerschcinnng am Spinnrocken ; die schlanke feine Gestalt umgab ein dunkelblaues Hauskleid, am Hals und Handgelenk durch schöne gestickte Leinenstreifen geschlossen, nnd die reichverzierte, blendend weiße Schürze vollendete das Bild der sittsamen Hausfrau. Das feine, liebliche Ge- sichtchen mit den großen blauen Augen, den rosigen Wangen und sorglos lächelnden, frischen Lippen war über das summende Spinnrad geneigt und im Eifer der Arbeit hatte sich einer der üppigen blonden Zöpfe gelöst und hieng seiner Besitzerin in den Nacken herab. Am Tische daneben saß Frau von Liljehorn, eine große Frau mit energischen, fast männlichen Gcsichtözügen, den Strickstrumpf eifrig handhabend, neben ihr der Hausherr, Oöerstlicute- nant von Liljehorn, mit seinem kleinen, erst neunjährigen Neffen spielend.
„Du hast einen Gast herte Nacht, Schwagerfragte die Dame kurz, die Arbeit auf den Tisch sinken lassend.
„Ja, Karin lautete die etwas zögernde Antwcrt, „morgen, werde ich hn nach der Stadt begleiten."
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck nnd Verlag von Bernhard H > s m »ein M -Mildbav.