Zürn
cb' wohl, mein Kind, des Himmels reichster Segen. Mög' in Dein liebes Herz stets niederthauen,
Wenn eine Thräne Deinem Ang', dem blauen, Entquillt, und stille Bitten Deine Brust bewegen.
So lasse mich ein treu' Gedenken pflegen, In kummervoller Stunde aufwärts schauen Und Deiner treuen Liebe mich vertrauen, Dem guten Stern ans meinen Lebenswegen.
Abschied. IHM
Wenn heiße Bitten auf zum Himmel steigen, Vereint, und uns're Seelen sich begegnen, Muß ferne Trennung ihren Flügeln weichen.
Zn tiefer Fülle wird herniederransche»
Ein süßer Friede, ew'ger Liebe eigen,
Und treue Herzen wird sie fürder segnen.
H. Umlaufs.
WeLrogene H3eLrüger-.
Novellettc von M. Heim.
Nachdruck rerboten.
2. Fortsetzung.
Drittes Kapitel.
Glücklicherweise durchbrach am Nachmittag die Sonne die dunklen Wolkenschichtcu. Glücklicherweise für Frau Merbcr, die sich mit ihren beiden jüngsten Kindern. 2 Hutschachteln, 4 Regenschirmen und einem halben Dutzend Umschlagelüchern in dein'envas engen Kabriolet cinrichlcte. Sticht glücklicherweise für Herrn Merbcr, der sich schon geschmeichelt hatte, allein eine gemütliche Spazierfahrt zu machen, und mit seinem Bekannten in V. einen noch gemütlicheren Nachmittag am Spieltisch in einem gewissen Gasthofe zu verleben. Glücklicherweise aber wiederum für Anton Schulze, den Kutscher, dem das Vergnügeu ward, Fränkin Fanny, die im knappen Regenmantel und braunen Hütchen allerliebst anssah, in den Wagen zu heben, daß sie ihren Dank so ganz flüchtig und herablassend sagte und nicht einmal dabei anfblickte, hieß wohl die Verstellung etwas sehr weit treiben.
Er sah doch so stattlich aus in dem betreßten Rock und der großen Mütze. Er schwang sich so kräftig ans seinen Sitz, er hielt so vornehm die Zügel! Fanny's Tante war weniger blind gegen solche Vorzüge. Sic fühlte tief den Vorteil, mit einem Kutscher aus der Residenz zu fahren. Sich elegant in den Wagen zurücklehnend, ließ sic sich hierbei, nach mancherlei Umständen der Hauptstadt zu fragen, die meistens die Toilettengehei,n- nisse der großen Damen betrafen, urd über die ihr ein Kammermädchen jedenfalls besseren Ausschluß hätte geben können als ein Kutscher.
Aber Anton Schulze besaß die Kunst, mit Grazie zu lügen. Er beschrieb die modernen Costüme bis auf die letzte Rockfalbel und sprach über Hutgarnituren wie ein Mirabeau. Er ließ es an verächtlichen Bemerkungen über den „Butiermilchteiut" der Stadtdamen nicht feblen und wußte ganz genau, welchen Ursachen jene ihre zierliche Taille zu danken hatten. Frau Merbcr fand, noch nie sei ihr der Weg zur Stadt so kurz geworden.
Und doch gingen die Räder so tief in dem verweickten Wege, und die Pferde trotteten so langsam Schritt für Schritt. Der Kutscher rächte mit Grauen daran, daß sie heute noch denselben Weg znrückmachen sollten.
Da war man am Ziel der Reise. Jauchzend stürzten ein halbes Dutzend junger Mädchen heraus und hoben Fanny im Triumph aus dem Wagen. Mit Mühe wurde auch die Frau Werber samt ihren Toilettengegenständen hcrausbesördert, nur daß dabei eine große Flasche mit Sahne, die sie unter dem Mantel vor ihrem Manne versteckt gehalten, (denn sie liebte es, bisweilen die leitende Ehefrau zu spielen) hervorfiel und auf dem Steinpflaster zerschlug. Natürlich bekam Herr Werber als der Urheber dieses Malheucrs sogleich eine Strafpredigt, und der Unglückliche vollendete noch sein Sündenregister, indem er Ernst so ungeschickt vom Magen hob, daß sein Lacksmfel am Tritt hängen blieb und er mit dem weißen Strumpf in den Schmutz patsckre. Eugen aber gar nicht seinen Beistand anbot, weshalb dieser genötigt war, von der höchsten und unbequemste» Stelle hcrabzn- springen, am Sitz anznhaken und mit der Stirn zuerst den Boden zu erreichen.
Der arme Mann hob ganz ungestört fein schuldbewußtes Antlitz zu dem Kutscher empor.
— Redaktion, Druck und Verlag von B
Jetzt fahren Sie nach dem Bahnhofe, um einen Herrn Egbert, den zukünftige» Hauslehrer unserer Kinder abzuholni, der mit dem nächsten Zuge ankommen muß," sagte er. „Bringen Sie ihn dann sogleich hierher." —
Ich weiß, daß der Scharfsinn der Leser längst erraten hat, welche Ueberroschung Anton Schulze auf dem Bahnhofe haben sollte! Ich weiß, daß sie gar nicht zweifeln, wer der schmächtige, junge Mann war, der dem Eonps entstieg und seinen Koffer zu dem harrenden Fuhrwerk trage» ließ; daß sie sich die langen Gesichter der beiden Freunde selbst ausmalen, die sich so urplötzlich einander gegenüber sahen.
„Felicia, mein Herz," sagte Anton Schulze endlich gelassen, „habe ich Dir nicht gesagt, Du solltest nicht auf meine Fährte jagen?"
„Don Fernando,-Don Fernando!" rief der Andere. „Cousine Elsa nimmt Dich nie wieder zu Gnaden an."
Ferdinand antwortete darauf nur, indem er ungeduldig seinem schwächlichen Freunde den Koffer aus der Hand riß und murrend auf den Sitz stellte.
„Wenn D» gehofft hast, in dieser falschen Rolle das Herz des schönen Mädchens zu gewinnen," fuhr Felix heftiger fort, „so sollst Du ein betrogener Betrüger sein, dafür laß nur mich sorgen." —
„Dito, dito!" sagte Ferdinande. „Wollen wir jetzt ein- steigeu."
Felix leistete dem Winke Folge, indem er höhnisch hiuzufügte: „Wenigstens bietet meine Stellung mehr Vorteile als die Deine, und ich will sic benützen."
Das konnte Ferdinand freilich nicht leugnen. Stand es doch dem glücklichen Freunde den ganzen Nachmittag frei, sich dem schönen Mädchen angenehm zu machen, hörte er doch mehr als einmal Beider lustiges Lachen in seine Bcdientenstube hinübcr- schallen! Tie eine Gennglhunng hatte er jedoch: Fanny behandelte den Frcunk ebensowohl wie ihn, streng seinem Jncognito gemäß, wie er bei dem Einsteigen zur Rückfahrt beobachten konnte, und nicht das lcisesk Zeichen gab Einem von ihnen die schmeichelhafte Gewißheit, daß er wicdercrkannt sei.
Langsam waren die Pferde herspazicrt, langsam spazierten sie zurück. Es hatte am Nachmittage noch geregnet und was Ferdinand nicht für möglich gehalten, war geschehen: Der Schmutz war noch tiefer geworden. Langsam und langsamer kam man vorwärts und plötzlich — hielt man gänzlich still. Man war stecken geblieben.
Ferdinand stieg ab, ergriff die Pferde beim Zügel und versuchte, sie zu ein paar rettenden Schritten zu bewegen. Allein es war umsonst!
„Gehen Sie zu jener» einzelnstehenden Gehöft," rief Herr Merbcr, welcher ganz richtig ahnte, er werde alsbald als die Ursache dieser Kalamität bezeichnet werden, „es wohnt ein guter Bekannter von mir dort, sagen Sie ihm, ich lasse um Vorspann- pferdc bitten."
Der Pseudo-Kutscher that, wie ihm geheißen. Sein Ritterdienst brachte Beschwerden mit sich, das rm>r nicht zu leugnen. Welche Mühe schon, sich auf dem Hof durch Knechte, Mägde, Hütejungen, denen er jedem einzelnen Bericht von seinen Wünschen abstatten mußte, bis zur Frau des Hauses durchzuschlageu! Sie war etwas schwerhörig und so hatte er Gelegenheit, sein Anliegen zum elften, zwölften und dreizehnten Male vorzutragen.
(Fortsetzung folgt.)
ernhard Ho.smonn VUldbad.