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Amtsblatt für Wildbad Anzeiger und Tagblatt für bas obere Gnztal.

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Echriftl.: Th. Gack, beide in Wtldbad

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Nr. 229

Donnerstag, 6en 9. Oktober 1919

Iskrgsng ZG

Neichsnotopfer und Friedens- Vertrag.

An der Nationalversammlung in Weimar ist unlängs bekanntlich die Frage aufgeworfen worden, weiche Ge währ Deutschland habe, daß nicht die Entente auf da- ganze Neichsnotopfer die Hand legt und den ganzen Ver­such, nrscre Neichsfinanzen wieder in Ordnung zu brin­gen, vereitelt. Von Regierungsseite wurde es getadelt daß der Gegenstand in öffentlicher Sitzung behandelt wur­de, allein die Besorgnis ist, wie dasHamb, Fremdenbl/ zutreffend bemerkt, nicht gerechtfertigt; in kaum eine! anderen Frage ist unbedingt Klarheit so nötig wie hier Wir brauchen die Franzosen usw. nicht erst aufmerksair zu machen auf ein Problem, über dem sie selber wie übe: keinem zweiten brüten, nämlich auf die Frage, wie ba­den t sch e V o l ks v e r m ö g e n und in welchem Um­fang es zur Einlösung des Versailler Vertrags heran­gezogen werden kann, ohne daß dadurch der Schuldner, also das Deutsche Reich und seine Länder, Bankrott machl und infolgedessen seine Zahlungsfähigkeit überhaupt ver­liert, Im Mittelpunkt dieses Problems steht aber ganz selbstverständlich die Frage der Steuern. Tenn was Reich und Länder als solche noch an Vermögen besitzen, ist so geringfügig oder, wie z, B, die Verkehrsanlagen, so unlöslich mit unserem Land verbunden, daß es für die Entente nicht in Betracht kommt, Än sich können wir ja überhaupt nur mit Arbeit zahlen und mir Produkten, für die das Reich dem Inland gegenüber die Pflicht der Bezahlung übernimmt. Unser entwertetes Geld will das Ausland nicht haben. Zur Deckung also der so entste ^ henden neuen Jnlaiidsschulden haben die Steuern zu die­

nen, und so etwa wird sich der große Verrechnungspro- zeß gestalten, der das deutsche Volk nach dem Willen des Friedensvertrags zum Lohnarbeiter des Auslands machen soll. Aber hat deshalb die Entente an unseren Steuern wirklich kein unmittelbares Interesse?

Ter Artikel 248 des Friedensvertrags bestimmt: Alle Vermögenswerte und Einnahmequellen Deutschlands und der deutschen Bundesstaaten haften an erster Steilefür die Bezahlung der Wiederherstel­lung nnv alle anderen Verpflichtungen", die ans dem Friedensvertcag und den Waffenstillstandsaömachungen erwachsen. Hier wird also ausdrücklich von Einnahme­quellen gesprochen, Dazu gehören aber in erster Linie die Stenern. Es hastet also auch das Rcichsnotopfer. Aber selbst wenn eine Haftung als Pfand gemeint ist, so hat sie doch mir einen Sinn, wenn der Gläubiger berech­tigt ist, das Pfand einznziehen. Da aber auf alle Fälle die Entente dem Artikel 248 diejenige Auslegung geben wird, die für sie am vorteilhaftesten ist, so wäre es Leichtsinn, den Kops in den Sand zu stecken und etwa darauf zu vertrauen, daß ja die Entente selber ein In­teresse daran habe, daß wir unsere Finanzen notdürftig in Ordnung bringen, damit wir zahlungsfähig bleiben, Tas Reichsnvtopfer soll zur Tilgung unserer inneren Schulden dienen. Seine Größe aber bringt es mit sich, daß trotz der in Aussicht genommenen dreißigjährigen Abzahlung der jährliche Arbeits- und Einkommensertrag nicht ausreichen wird, sondern daß in vielen und viel­leicht gerade den ertragreichsten Fällen Vermögens­stücke selber ganz oder teilweise in den Besitz desReichs übergehen werden, was wiederum zur stärkeren Beteili­gung des Reichs an den wirtschaftlichen Unternehmun­gen führt und praktisch in der Richtung der Soziali­sierung liegt. Lilles was in den öffentlichen Besitz über­geht, und damit zugleich dem unmittelbaren Zugriff der Entente ausgcllesert wird, und das gilt auch vom Neichs- nowpser, bringt wichtige Vermögen.beflandteiie, die bis« qer als Privateigentum der Entente nicht zugänglich wa­ren, in die Gefahr, von der feindlichen Wiedergutniw ' chungskomnusiion beschlagnahmt zu werde«, sobald das Reich ans Grund des Notopsergefttzes einen Ainpruch aus sie hat. Wenn von Regierungsseite eingewendet wurde, daß die Erhebung des Reichsnotopfers d, h, die Ver­mögensabgabe sogleich eingestellt werde, sobald cs sich zeige, daß die Entente die Hand darauf legen wolle, so ist dagegen zu sagen, daß es nicht ans die Turch- sühr u n g der Vermögensabgabe ankomint, sondern dar­auf, ob das Reich einen gesetzlichen Anspruch auf die Vermögenseinziehung hat. Sobald der gegeben ist, würde die Entente nötigenfalls die Durchführung schon erzwingen, soweit sie ein Interesse daran hat. Mit an

hmchZ» sich darum nicht die Durch- i

) iLhrung der Vermögensabgabe, sondern die Beschuißsas snilg der Nationalversammlung darüber von der vorher zu ermittelnden unzweideutigen Stellungnahme der En­tente abhängig zu machen.

Es muß also eine bestimmte vertraglich bindende Er­klärung, wie die Entente sich zu der durch das Reichs- notopser geplanten Abbürdung der inneren Neichsschuld stellt, herbeigesührt werden. Und zwar muß diese Erklä­rung oder dieser Vertrag mit größter Beschleunigung er­zielt werden, Also wir, brauchen grundsätzlich Gewiß­heit darüber, wie die Entente den Artikel 248 des Frie- densvertrags auslegt. Behält sie sich das Recht vor, Ver­mögenswerte zu beschlagnahmen, auf denen ein steuer­licher Anspruch des Reichs liegt, so fällt damit selbst­verständlich das ganze Reichsnotopfer in seiner bisherigen Form. Darüber hinaus aber muß auf alle Fälle das ^nchsuotopfer eine Form erhalten, die es dem Steuer­zahler ermöglicht, seinen Anteil in flüssigen Zahlungsmit­teln ebzutragen, statt durch Ueberlragnng der Vermögens­werte selber, einerlei, worin sie bestehen, auf das Reich, Denn darüber dürfen wir uns keinesfalls irgend welchen Illusionen hingeben: was einmal aus dem Privatüesitz in den öffentlichen Besitz übergegangen ist, das ist vor dem Zugriff der Entente nur w weit sicher, als sie keine Verwendung dafür hat,

Deutsche Nationalversammlung.

Die große politische Ancsprqche.

Berlin, 7. Okt.

Die Ankündigung der Berliner Blätter, daß mit der Vorstellung der neuen Koalitionsregierung in der Na­tionalversammlung eingroßer Tag" verbunden sein weide, hat die Erwartungen überall hoch geschraubt. Aber es muß gesagt werden: die Erwartungen sind nicht ganz erfüllt worden. Die Nationalversammlung selbst wies viele leere Plätze ans. Reichskanzler Bauer legte das Programm der Regierung dar, das sich allerdings infolge der Umbildung in keinem Punkt geändert hat. Ter Kanzler legte vielmehr Wert daraus zu erklären, daß in dem Betriebsrätegesetz, das bei den Umbildungsver- hcmdlmigeu die meisten Schwierigkeiten geboten hatte, der Rechtsanspruch der Arbeiter zur Erfüllung gelangen soll. Ferner werden ein Gesetz über die Wirtschaftsräte, das pflichtmäßige Schiedsgericht, über den Einstellungs­zwang der Kriegsbeschädigten, ein Reichsheimstättengesetz und eine Arbeitslosenversicherung angekündigt. Tie Wah­len zum -eigentlichen Reichstag werden nicht vor dem Früh­jahr stattfinden, Ter Reichskanzler stellt mit Befrie- gung fest, daß die Arbeitslust sich gehoben habe und daß die wilde Streiklust verraucht sei, aber es werde immer noch viel zu viel gestreikt. Mit ganz besonderer Schärfe wendet sich Bauer gegen die Opposition der Rechten, beson­ders gegen die Teutschuationalen, denen er die Schuld an dem allgemeinen Mißtrauen des Auslands gegen die deut­sche Republik zuschiebt und deren Opposition er geradezu als politische Brimnenvergistnng bezeichnete.

Zu der Darlegung der Reichspolirik im allgemeinen nahmen mm die Vertreter der drei Köalitionsparteien Stellung. Abg. Petersen erklärte, die demokratische Partei sei aus vaterländischen Erwägungen wieder in die Regierungsmehrheit eingetreten, Sic sei bereit, die demokratische Regierung zu unterstützen, aber sie wolle auch ein kräftiges Wort mitreden. Das Kapital solle zu den Lasten henmgezoqen, aber auch soweit geschont weiden, daß'nicht das ^Wirtschaftsleben gestört werde. Auch Petersen wandte sich mit bemerkenswerter Schärfe .gegen die Rechte, Abg, S ch e i d e m a n n behandelte sei­nen Lieblingsgedanken: die Vereinigung der Arbeiterklas­sen gegen die "Rechte, wodurch allein die Unbequemlichkeit einer gemischten bürgerlich-sozialdemorratischen Regierung vermieden werden könne. In der Finge der Reichswehr geht er mit der Regierung und vor ailem mit Noske nicht einig: sie ist ihm verdächtig, da die Offiziere monarchisch und kaiserlich oncifti-'ri se>en. Der Ientrumsabgeorduete Joos, der ans Arbeiterkreisen hervorgegangen ist, hielt eine scharfe Abrechnung mit den Wucherern und Schiebern, die wirtschaftlich und moralisch die größten Schädlinge sind. Tie Koalitionsregierung ist ihm nicht Gesinnungs-, sondern nur Arbeitsgemeinschaft in dem Bestreben, Volk und Vaterland zu reite», Von der deutschnationalen Partei sprach Graf P o s a d o w s k y - W e hn e r, ruhig - und m - - .- 7 -'" ' -

Aek. Er sagt.', es sei

nicht unmögtirb. daß die Monarchie in Temschwland wie­der komme, wenn die Mehrheit es wünsche, aber die neue Monarchie müßte manches aus dem jetzt Bestehenden übernehmen. Jetzt denke man an keinen 18, Brumaire, (Am 48. Brumaire (Nebelmonat des Jahres VIII det französischen Revolution d, h, am 9, November 4733 stürzte Napoleon Bonaparte das Direktorium in Parst» und machte sich zum Ersten Konsul.! Posadowsky will damit sagen, daß m-.n aus der rechten Seite an keine Diktatur denke. Er ivendel sich des weiteren gegen die jüdische Zuwanderung aus dem Osten und gegen das Wei­terbestehen der Zwangswirtschaft, die ja doch an allen Ecken und Enden umgangen werde, Ten Ausweg aus den Schwierigkeiten biete nur da; eigene Sichaufrasfen des Volks aus dem Elend und d e fleißige Arbeit, eilt Ereignis, das Posadowsky einem Wunder gleichstellt.

Reichskanzler Bauer ljoit ahrend): Die gewerk­schaftlichen Grundsätze und »ich: minder die finanzieren Mißverhältnisse des Reichs oec: äugen eine Nmgesta i ng der vielfach mißbrauchten ?! r e> eitslose >, s ü r s v r g e, Ten endgültigen Abbai« der heutigen Zustände -sol. u :S die Arbeitslosenversicherung bringen. Wenn uns nicht eine Steigerung der Ärseft, vor allein in den Eisciibahnwerksiütleu gelingt, dann Manen wir Kohle und Industrie nicht i» einen fruchtbaren Zusammenhang bringen.

Fast überall in der Welt aaßeri-alb unserer Gr nze« ist wieder eine Propaganda gegen uns im Werke, die u»S den Friedenswillen abspricht mW immer Jmverntlrsmns und Vertragsbruch in inneren Handlungen und Einrich­tungen wittert- Den meinen Mißdeutungen ist die mi­litärische Institution der Repnb sk ansgeletzt, die Reichs­wehr. Wir brauchen heute die. Truvpen noch zu zwei Zwecken, l. Um die innere staatliche Ordnung und Rnhe gegen Gewalt ausrecht zu erhallen, und 2, gegen die Vor« Wegnahme von Entscheidungen, die nach dein Friedens« Vertrag in freier und unbeeinslnßter Bo ksabstimmung über das Schicksal deutscher Landestcile erzielt werden sollen. Wir haben heule noch im Innern rund 200099 Mann und last ebenwviet an den öftlichen Grenzen ste­hen, Ein Volks Heer ist mner Ziel, Und aus waS stützt sich nun das Märchen von dem angeblichen deutschen Militarismus? Das Ausland kann ftch nicht so schnell HGesndenken in die Tatsache, daß die immer vorhanden gewesene pazifistische Gesinnung in Deutschland die Füh­rung an sich gerissen hat. Aber das Schlimmere ist, daß voll Deutschland selbst, von rechts und von links, daS Bild der Republik gefälscht wirb, daß von den Deutsch- Nationalen neuerlich der Eindruck des Erstarkens Nationalismus angestreift wird, während die Unabhängi­gen sich nicht genug tun können in Verdächtigung der Regierung, Ich erk üre aber mit alter Deutlichkeit mit allem Nachdruck, es ist unser Bestreben, de« Friedensvertrag mit .Kräften und in allen Zeilen zu halten und zu erfüllen. Im ganz , besonderen Maße gilt dies aber von den mftitärftchen Bedingungen des Vertrags. Wir wollen hinaus aus dem Baltikum mit allen Mitteln, Drei Tage vor Ein­treffen des Ultimatums hatte die Reichsregierung bereits die entscheidenden Maßnahmen getroffen und sie der En­tente mitgekeilt; dennoch kam das Ultimatum mit der fürchterlichen Drohung. Weil außerhalb des Machtbe­reichs der Republik, die mit allen Mitteln militärisch ohnmächtig gemacht wurde, Söldner ihren egoistischen Plänen nächgegangen sind, soll aufs neue der deutschen Frau und dem deutschen Kind das bißchen Fett und Milch abgcdrosselt werden, das unser Vaterland außerhalb der Grenzen kaufen kann. So haben wir uns dseVIera des Völkerbunds nicht gedacht! Ter von dem ganzen Volk so lange ersehnte Rücktransport unserer Kriegsgefangenen hat endlich begonnen. Außerordentlich schmerzlich ist es uns, daß er so geringe Fortschritte gen:acht hat

Ich muß zum Schluß aus den Anteil znrückkommen, de» d e Deutsch-Nationalen an der Weltver- gislnng haben, die uns aus jedem Tritt hemmt und ichädigt. Im Auslände hat man sich jahrzehntelang da­ran gewöhnt, in den Aeußerunqen der Rechten die für die Nelchspolitik maßgebende Stimme zu hören, DaS macht ihre Aeußerungcn, so bedeutungslos sie für den Kurs der Republik auch sind, so überaus gefährlich. Ich srage dir Zerren von der Reckten: Können und «vollen iSie