Amtsblatt für wildbad Anzeiger^ und Tagblatt für das obere Enztal.

Erscheint täglich, ausgenommen Sonn» und Feiertags. Bezugspreis Mk. S.SO vterteljährl., Mk. l.lOmonatl.; durch die Post im OrtS- und Oberamtsverkehr Mk. 3.30, im sonst, inländischen Verkehr Mk. 3.40 u. 30 Pf. Postbestellg.

Anzeigenpreis: die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 18 Pfg., auswärts SO Pfg., Reklamezeilen SO Pfg., bet größeren Aufträgen Rabatt nach Tarif. Schluß der Anzeigenannahme: täglich 8 Uhr vormittags.

Anzeigenannahme in Wtldbad tu der Expedition Wilhelmstraße 90; in Ealmbach Hauptstraße WS. Fernsprecher Nr. SS.

Drnck »nd «Verlag der Wildbader VerlagSdrnckerei

Schrift».: Th. Gack, beide in Wildbad.

llk. 228

Mittxvock, äen 8. Oktober 1919

^abrgsng 83

schuld und Unschuld desKaisers

Auch der frühere Chef der Presseabteiluug des Aus- artigen Amts, Ha mm an», hatErinnerungen" ge­hrieben, die znm Teil wohl starke persönliche Färbung mgen, aber auch viel wichtige Beiträge zur Aufklärung der politische Vorgänge liefern; die sich mehr unter er Oberfläche bewegten. In dein dritten Band, be- iteltUm den Kaiser" (Verlag von Reimar .Hebbing, Berlin), behandelt der Verfasser die Frage der Schuld es Kaisers am Kriege und kommt zu folgendem Schluß:

Für keinen unbefangenen Richter wird sich eine sub- ektive Schuld des Kaisers am. Ausbruch des Kriegs nach- veisen lassen. In seinen menschlichen Gefühlen war er >egen den Krieg. In seinen vielen weltpolitischen Kund­gebungen findet sich von Erobernngswillen und Länder­gier keine Spur. Französische und russische Machthaber gibt es genug, die nicht das gleiche von sich behaupten Annen. Auch kann ich mich nicht erinnern, in seinen sielen Randvermerken auf Zeitungsausschnitten irgend :twas von Eroberungswillen oder Kriegseifer bemerkt zu haben. Eine Verurteilung des Kaisers wegen An- 'tistung des Kriegs wäre ein schmählicher Justizsrevel. Die Machtpolitik, die dein deutschen Kaiserreich unter Wilhelm II. vorgeworfen wird, war Gemeingut aller mropäischen Großmächte, jedoch mit dem Unterschied, saß seine Machtpelitik niemals eine Erlveiterung des Hebiets-Besitzstands in Europa erstrebt hat, wogegen alte französische Rheingelüste, russisches Vordringen nach g Konstantinopel, italienische nationalistische Wünsche seit ^ :inem halben Jahrhundert verborgene und offene Kriegs- rrreger waren.

In den beispiellosen Leiden der Gegenwart ist dem deutschen Volk das Bild verblaßt, das ihm die Person des - Kaisers in den letzten Tagen vor Kriegs - ansbruch darbot. Noch bevor der Kriegszustand erklärt worden war, stand imVorwärts" ein Artikel, der die stete Redlichkeit seines auf ungestörte Bewahrung des euro­päischen Friedens gerichteten Willens unumwunden an­erkannte. Er selbst sprach in seinen beiden, von einem der Balkone des Schlosses herabgehaUenen freien Reden die Hoffnung auf den Sieg aus, wenn es nicht noch in letzter Stunde gelinge, die enormen Opfer an Gut und Blut zu ersparen, und in der ersten fügte er hinzu:Und nun empfehle ich euch Gott, gebt in die Kirche, kniet nieder vor Gott und bittet um Hilfe für unser braves Heer!" Heuchelei und Verstellung hätten in solcher Lage, unter der Wucht seiuer Verantwortlichkeit vor Gott, der Grundauffassung von seiner göttlichen Sendung ganz und gar widersprochen. Es war in seiner Sprache ausgedrückt echtes, frommes, sich keiner Schuld bewußtes Ge'ühl und wurde so von Hoch und Niedrig im ganzen Vo.ke ver­standen.

Seine wirkliche Schuld am Kriege besteht darin, daß er mit seinen vielen prahlerisch-drohenden Kundgebungen von unserer Zukunft auf dem Wasser, dem Dreizack in unserer Faust, von der japanischen Gottesgeißel, vom deutschen Arm, der bis in die entferntesten Teile der Erde langt, usw., desgleichen mit unbedachten Worten in Privatgesprächen unsere Gegner glauben gemacht hat, er sinne auf Eroberungen und wolle den Krieg. Diese Schuld am Krieg besteht aber nur gegenüber seinem eige­nen Volk.

Die tiefste Tragik des einstigen Friedenskaisers in schimmernder Wehr wird darin bestehen, daß er niemals begreifen wird, welchen tatsächlichen, wenn auch unge­wollten Anteil er an der Lage hatte, die zum Kriege führte, und daß er immer glauben wird, keinerlei Schuld zu tragen und bitterstes Unrecht zu leiden.

' Neues vom Tage.

Der Wiederaufbauminister.

Berlin, 7. Okt. Für den Posten eines Wiederauf­bauministers kommen, wie dasBerl. Tagebl." hört, u.

«l. in Betracht: Oberbürgermeister G e ß l e r - Nürnberg Md der badische Minister des Aeußern Tr. Dietrich-

Die Falschmeldung.

Berlin, 7. Okt. Von zuständiger Seite wird mit- «seteilt, daß die Meldung der Petersburger Telegraphen »gentur, General v. d. Goltz sei mit seinem Stab zu den Russen übergegangen, frei erfunden ist- .

Zur Vorgeschichte.

Berlin, 7. Okt. Scheidemann veröffentlicht im Vorwärts"Erinnerungen" an die Zeit vor Ausbruch der Revolution, worin er mittelst, daß er seinerzeit auf die Revolution hingearbeitet und, als sie ausgebwchm war, ihre Niederwerfung verhindert habe.

Ber-ändliche Verfolgung.

Berlin, 7. Okt. Das Kriegsgericht in Lille hat auch demBerl. Tagebl." aus Genf gegen den Grasen Bismarck und sieben andere Deutsche Anklage wegen Mords, Totschlags und fahrlässiger Brandstiftung erho­ben. Graf Bismarck wird beschuldigt, daß er 14 Ein­wohner des Dorfes Vicoigne habe erschießen und zuvor ruspeitschen lassen. (!?) i

Die Friedensanbahnnng im Fahr 1S1§.

Hamburg, 7. Okt. In denHamb. Nachr." stellt Dr. W. Spikernagel auf Grund von Dokumenten fest, -saß die Oberste Heeresleitung nach den deutschen Siegen im Osten veranlaßt habe, daß Rußland ein sehr mnehmbares Friedensangebot gemacht wurde. Der Zar war nicht abgeneigt, er fürchtete sich aber vor den Ver­bündeten. ....... '

Notstandsarbeitszwang unter dem Belagerungszustand.

Münster i. W., 7. Okt. Generalleutnant Freiherr t>. Watier erließ, wie dieVossische Ztg." berichtet, für die unter unn Belag eru ngszustand stehenden Ge­biete eine ^ g, nach der alle männlichen Eiib-

wohner im Altec ^ ... vollendeten 17. bis zum 5,0. Lebeus- - jahr verpflichtet sind, im Bedarfsfall ans Anweisung der Genu iudebebörden N o tsta n ds a r b e i t e u in allen zur Erhaltung der Volkswirtschaft notwendigen Betriebe zu leisten. ,

Akkordarbeit.

Düsseldorf, 7. Okt. Nach einem neu abgeschlosse­nen Tarifvertrag naben sich die Metallarbeiter in Düs­seldorf und Um- ang mit der Einführung der Akkord­arbeit einvsrstan . ?n erklärt.

Rückgang der Arbeitsleistung.

Berlin, 7. Okt. Nach Mitteilungen des preilß. Verkehrsministers sind die Arbeitsleistungen in den Be­triebswerkstatten der preuß. Staatsbahnen im Monat September abermals zurückgegangen und Avar um 20 Prozent. Der Zugsverkehr wird deshalb weiter einge­schränkt werden müssen.

Ans dein besetzten Gebiet.

.Mannheim, 7. Okt. Zwei französische Soldaten, die in Ludwigshafen von einem Straßenbahnschafsncr zu- rechtgcwiesen wurden, weil sie die Fahrkarte zu bezahlen sich weigerten, schlugen den Schaffner blutig. Ein im Wagen sitzender französischer Offizier sah ruhig zu. Schließlich wurde der Schaffner von einer französische» Runde verhaftet. Der Oberkommandierende in der P'olz, General Gerard, führt in den Zeitung"» Beschwer­de daß bei jungen Leuten, besonders b... ,er Schul­jugend. neuerdings eine feindselige Haltung gegen die Franzosen auskomme. Gerard fordert die Lehrer auf, alles zu vermeiden, was zur Verbreitung der feindseligen Stimmung beitragen könnte, da strengste Maßregeln da­gegen e griffen werden.

In verschiedenen Orten der Pfalz sind eine Anzahl Bürger verhaftet worden, weil sie die Umtr-ebe der Fran­zosen zum Abfall der Pfalz von Deutschland zu tadeln sich erlaubt hatten.

Straszbnrg, 7. Okt. Bischof N u ch von Nancy Hai das Bischofsamt in Straßburg übernommen. Sein erster Erlaß bringt zur Kenntnis, daß der Keiligc Stuhl die Studien der elsässjschen Priesterkandidaten in das Semi­nar verlege; die katholisch-theologische Fakultät der Uni­versität Straßburg solle künftig nur noch zu höherem Unterrichr und zur Erwerbung akademischer Grade dienen (d. h. sie wird praktisch außer Kurs gesetzt.)

Paris, 7. Okt. An Stelle des Generals Hirs. sauer soll nach demJntransigeant" als Militärgouverneur von Straßburg General Gourand treten.

Das Finanzabkommen mit Holland.

Amsterdam, 7. Okt. Das Valntaabkommen (das der Reichsfinanzminister bei der Valuta-An'rage in der Nationalversammlung erwähnte. T. Schr.) besteht nach demHandelsblad" in einer Vereinbarung der Batavia- Petro leum-Gesellschaft und der deutschen Petrolcum-Ein-

! ...A »»0.

j kaussgesellschaft sür die. Einfuhr von Petroleum ans Hol­land und die Ausfuhr von Maschinen aus Deutschland. Dabei erhielten die Deutschen einen Kredit von 12 Mil­lionen Gulden. Weitere Kredite von anderer Seite sollen durch Holland vermittelt werden.

Ein norwegisch-deutsches Clearing-Haus?

Kopenhagen, 7. Okt. Zur Abwendung der Bezah­lungsschwierigkeiten im deutsch-norwegischen Handel soll auch in Norwegen der Gedanke au ein norwegisch-deutsches Clearing-House ausgctaucht sein. Nach der norwegischen ZeitungTidens Tegn" schweben bereits Verhandlungen.

Ministerkrisis in Oesterreich.

Wien, 7. Okt. Wie verlautet, wird das jetzige Mi­nisterium demnächst umgebildet werden. Die Christlich- sozialen nehmen an dem radikal-sozialistischen Minister Bauer und seinen Sozialisierungsplänen Anstoß und auch die Vertreter des Verbands dringen auf eine Ent­fernung desBolschewisten" Bauer. Renner wird vor­aussichtlich wieder an der Spitze des neuen Ministeriums stehen. '

Die Judenfrage in Oesterreich.

Wien, 7. Okt. Gestern versammelten sich 5000 Personen und verlangten von der Regierung die unver­zügliche Durchführung der Regierungsanordnung, daß die während des Kriegs aus dem Osten zugezogenen Ju­den wieder abgeschoben werden sollen. Tie Vertreter des Verbands erklärten der Regierung, daß solche Kundgebun­gen nicht geeignet seien, dieSympathien" der Verbün­deten und den Kredit für Oesterreich zu erhalten.

Verba rdstrnppen in Budapest.

Berlin, 7. Okt. In Budapest sind nach demLo­kalanzeiger" 1800 englische Soldaten angekommen, 2000 italienische Soldaten werden erwartet. Diese Truppen sollen nach dem Abmarsch der Rumänen den Polizeidienst verrichten. -t,.: !

Die verschwundene Kiste.

Bern, 7. Okt. Eine aus Lausanne abgesandte Kiste mit 58 000 Bürgeruntcrschristen mit dem Ver­langen nach einer Volksabstimmung über das Gesetz betreffend die Regelung des Arbeitsverhältnisses traf in Bern nicht ein. Sie wird vermißt. Ter Fall erregt Auf­sehen.

Nationaler Block in Fra kreich.

Berlin, 7. Okt. LautLokalauzeiger" meiden Pa­riser Blätter, daß zehn republikanische Gruppen in Pa­ris einen nationalen Block und zwar im Hinblick auf die Wahlen mit einem einheitlichen Programm gegen den Bolschewismus gründeten. ' 0...

König Alfons reist nach Paris.

Daris, 7. Okt. Nach demHomme Libre" wer­den der König und die Königin von Spanien Ende Oktober auf drei bis vier Tage nach Paris kommen.

Las Ende des Eiscnbahnerstreiks.

Berlin, 7. Okt. DemVorwärts" wird aus Kopenhagen berichtet: Londoner Mitteilungen über die Beilegung des Eisw'bahnerstreiks zufolge war es der Führer der Konserve >en, BonarLaw, der die Grund­lage für eine Versst igung der Parteien schuf. Aus der Massenversammlun er Eisenbahner in der A.berthall wurde die Mitteil von der Beendigung des Streiks

von den Eisenbah und' deren Frauen mit Begeiste­

rung begrüßt. M rwartet, daß der König eine Pro­klamation unterst en wird, durch die das Parlament zu einem frühere: jeitpunkt einberufen wird, als ur­sprünglich bestin» worden ist. ' ?

Berlin, 7. Okt. Nach Nachrichten aus Mjtau ist eine russische Westregierung gebildet worden. Zum Gou­verneur für die lettische Provinz ist Oberst Schneidemann, ernannt worden. Er soll die deutschen Truppen im Ein­verständnis mit der deutschen Regierung aus Kurland ent­fernen. Das Programm der Regierung ist ne baldige Einberusung der Nationalversammlung und Bekämpfung der Bolschewisten. ".

Unruhen in Portugal.

Madrid, 7. Okt. Gewerkschaftlich organisierte.Ar­beiter zogen vor das Gefängnis von Limoveiro, um 68 Häftlinge, die wegen Aufruhrs vor Gericht gestellt werden sollen, zu befreien. Tie Militärwache zerstreute du Meuze. Tie Aufschiebung des achtstündigen Arbeitstage bat die Laue verschärft. Tie Eisenbahner in Lissabon