Amtsblatt für wildbad Anzeiger und Tagblatt für das obere Enztal.
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Druck und Verlag der Wildbader VerlagSdruckerei u. Buchhandlung; Schriftl.
Nr. 201
5klM5lklg, öen .6 September 1919
Fernsprecher Nr. SS.
a ck, beide in Wrldvad.
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Svnntagsgedanken.
Trost. F-- . , li
Wenn du recht schwer betrübt bist, daß du kcllr Mensch aiif der Welt könnte dich trösten, jo tue j man d etwas Gutes und gleich wirds besser sein.
Rosegger.
Der Friedeusvertrag von Versailles hat ein würdiges Gegenstück gefunden in dem Frieden von St. Ger- main. Genau 3Vs Monate ließ der Oberste Rat die österreichische Friedensabordnung in St. Germain bei Pa ris warten, bis ihr endlich am Dienstag dieser Wocka der endgültige F-riedensvertrag namens der Verbündeten durch den 'französischeil Gesandten in der
Schweiz, DnLasta, übergeben wurde. Inzwischen war ai- !
lcLdings. der erste Vertrag in einigen Punkten abgeändert - worden. Tie „Republik Oesterreich", wie das neue Staatswesen im Vertrag benannt wird, erhielt noch einen Bezirk zngesprochen und auch einige wirtschaftliche Mi!- ^ dernngen wurden zngestanden. Aber im Hinblick ans die.
Grnndabsicht des Vertrags bedeuten diese „Beweise des j
Wohlwollens" soviel wie nichts, sie werden vielmehr reich- ; llich antgewogkm durch die aus Betreiben Frankreichs ; »en aiifaenouiineue Bestimmung, daß es Oesterreich ver- ! boten ist, sich öhn? "Einwilligung des 'Völkerbunds mit'! Deutschland zu vereinigen. Das ist das Todesurteil « Teuksch-Oesiorreichs. Für sich alein kann es nicht bestehen, nachdem eiwa cksll Millionen Deutsche losgerissen und i den slawischen Staaten im Norden und Süden oder deu f Italienern überantwortet sind. Es muß einen Rückhalt i suchen. Der Weg znm stammverwandten Deutschland ist ; versperrt, was bleibt da anders übrig, als sich an die - berühmte „Touaukvnsödcration" anzusMießen, jene ge-f male Erfindung der Entente, die bestimmt ist, Deutschland j jede Verbindung mit dem Osten, dem Schwarzen Meer, s dem Balkan und Kleinasien abzuschneiden und ihm so für ! alle Seiten jeven Einfluß ini Osten zu nehmen. In dem s von Frankreich Palronis-erten Donanbund wird aber die s ,Mepub!ik Oesterreich" der kleinste unter den beteiligten Staaten sein; Tschechien, Ungarn. Groß-Serbien und Rumänien überragen es an Bevölkernngszahl, militärischer Macht und wirtschaftlicher Entwicklungsfäi rgkeit bei- weiiem. So wird Oesterreich politisch zu vollkommener « Bedeutungslosigkeit verurteilt sein.
So will es der Verband, und so gedachte er es auch mit Deutschland zu machen, nur daß es bei dem einheit- i liehen Reich von 68 Millionen Einwohnern bricht jo ' einfach zu erreichen ist, wie bei der in viele Nationalitäten verwllelteu allen Donaumonarchie. Aber daS Bestreben ' des Verbands zielt offenkundig darauf hin, Deutschland, . nachdem ihm Oberschlesieu, Posen, Westprenßv». Ostpreußen, der größere Teil - von Schleswig «ad Elsaß- Lothringen geraubt sind, ans den Stand vor 1.866 zu bringen und das Reich in Einzelstaaten ohne volätischen Zusammenhang auseinander zu reißen. Sie hch en immernoch c-tne Heidenangst vor den Deutschen mw fürchten — - nanientUch das grosunanüge Frankreich —, eines Tags könnte doch das niedergedrückte Dentschland- /ich ivieder ! erleben und in seiner naiürlicheii Kraft die Festeln sprengen. So haben beim die Franzosen wieder einÄi Putsch i» Pc'r Pfalz ange.zettelt und an dem Airsruhr, der am Freilag left er Woche in Liidwigshafen ansbrach. waren nach.vei.llich sranzöi'sche Soldaten betrilvft ftlver deutsche Beamte wurde» dabei erschossen, mehver« gefangen geseni, weil sie sich unterstanden, das nngegrifstne Pofl- anit -zu verteidigen. Ter Haupt,naehdr, der französische General Gerard, soll ja nun von seinem Post-e„ in der Pfalz abbernfen werden, aber man wird Wohl nur deu Namen ändern,-das System bieibl doch das gleiche. In der zu Oldenburg gehörigen Herrschaft Birke nfeld im Rheinland hat der französische Kommaiidaut auch kurzer Ollinb den Landesausschuß aufgelöst, der sich fiir die unter deu gegenwärtigeil Verhältnissen auf der Hand liegende Vereinigung mit dem preußischen Staat ausLesproche-c Mitte. Es soll nach dein Willen der Enteivte keinen pre»- Paschen Staat im bisherigen Sinn und Umsang mehr geben. Und was die Franzosen im Süden tim, das ar- , beiten die Engländer im Norden, allerdings viel schlauer und vorsichtiger. Aber ihre , Verwaltung" der nördlichen .Rwiiimovinz und ihre Sorge um Hannover« läuft ans -
das gleiche hinanS. Schande genug, daß eS stigen-mnte Deutsche gibt, die da mit den Feinden Hand in Hand gehen. Der berüchtigte Dr. Dorten treibt sein Unwesen wieder ganz ungeniert. Auch in Rh ein Hessen ist die Manlwnrfsarbeit der geheimen Sendtinge ans dem französischen Lager nicht ganz ohne Erfolg geblieben; auch von dort wird berichtet, daß manche Kreise, denen es im Krie^ §.i gut oder zu schlecht gegangen ist, mit dem Erbfeind zu liebäugeln anfanaen, sei es, daß sie ihren neuerworbenen Reichtum in Sicherheit bringen möchten, oder daß ihnen die Lockspeise der französischen Fleischtöpfe zu begehrenswert erscheint. In Baden, Württemberg und Bayern hat das französische Werben nicht verfangen. Man hat deutlich abgewinkt. Wir kennen unsere westlichen Nachbarn und die übrigen Verbündeten zu genau und wissen, was wir von ihnen zu hakten haben. Das schließt aber »ich! ans, daß die Versuche von drüben unentwegt fortgesetzt werden. Es wird verlorene Liebesmüh sein. Haben wir doch soeben ivieder ihre Krallen unter den Sammetpfoten zu fühlen bekommen. Schickt da Herr Clemenceau am Sedanstag eine Note an die ReichMregierung, sie habe binnen 14 Tagen dafür zu sorgen, daß zwei Artikel der neuen Reichs Verfassung außer Kraft gesetzt erden, die vvm Anschluß Tentsch-Oesterreichs an das Deutsche Reich handeln. Es sind dies Artikel 2, der 1ü»tet: - z.z LLwTz lÄihLr.Ow.O
..Das Reichsgebiet besucht aus deu Gebieten der deutschen Länder. 'Andere Gebie : können durch Reichsgeseg in das Reich iULMiwuime» werde», wenn es ihre Bevölkerung Kraft des SeNistdrsuuuuuiigsrechis begehrt."
s Und Artikel 6l Absatz 2 besagt: F'll--
- „Deutsch-Oesterreich erhält . nach seinem Anschluß au das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mit der seiner Bevölkerung entsprechenden Siimmenzahi. Bis dahin haben die Vertreter Deutsch-Oesterreichs beratende Slimme."
^ Diese Artikel, behauptet Clemenceau, stehen im Widerspruch mit Artikel 80 d"s Friedensvertrags-.
..Deutschland erkennt unbedingt die Unabhängigkeit Oester- reichs in den durch d«m gegenwärtigen Vertrag Wgesesften Grenzen an und wird sie als unabänderlich achten, außer in Uebereinstimmung mit dem Rat des Völkerbunds."
Der Oberste Rat der Verbündeten droht, wenn seine Forderung nicht in der gestellten Frist erfüllt werde, so werde er auch das Gebiet rechts des Rheins besetzen lassen. Da liegt der Hase im Pfeffer. Die Artikel 2 und 61 unserer Verfassung könnten dem Verband Lanz bleichgültig sein, denn praktische Bedeutung könnten sie in doch nur erhalten, wenn der „Rat des Völkerbunds" seine Zustimmung zu der Vereinigung der „Republik Oesterreich mit Deutschland geben würde, und daran ist vorläufig nicht zu denken; Dentschland selbst aber hat so schwer an seinem eigenen Sklavenfrieden zu tragen, daß es ihm ganz unmöglich wäre, die mit der Aufnahme oes völlig entkräfteten Oesterreichs natnrnotwendig entstehenden neuen schweren Lasten auf sich zu nehmen. Ueber- vies steht in Artikel 178 der Reichsverfassung ausdrücklich daß die Verfassnngsöestimmnngen die Verpflichtungen des Friedensvertrags in keiner Weise beeinträchtigen sollen. Aber die Gelegenheit war zu günstig, um entweder Dcutschland wieder eine neue Demütigung zuzufügen, oder ben ersehnten Anlaß zu bekommen, em weiteres bedeutendes Stück des Reichs oder wenigstens einige wichlige Slädle unter die unmittelbare Botmäßigkeit zu zwingen. Die Reichsregierung kann übrigens für sich weder eine Abänderung der Verfassung vornehmen, noch einzelne Teile davon für kraftlos erklären; dieses Recht steht null der Nationalversammlung bezw. den: Reichstag zu. Ta aber in der kurzen Frist die Einberufung der Nationalversammlung kann: dutchzuführen sein dürfte) so Hai die Regierung vorbehältlich der ftnstimmnng der- Nationalversammlung, die Befugnis für sich vorweggenommcn und die beanflandeien. Artikel der Verfassung solange für kraft las erklär!, als nicht der Rat des Völkerbunds einer Ab lllfterniig der jqmrsrechtlichen Verhältnisse Dentsch-Oester !ck;s »»stimmt-» In der, am 4. .September erteilten Antwort hat danw.A-fte Recderung mit Fug und Recht noch lemerkt, daß der Oberste Reit zu seinem Vorgehen, zr. mal in der schroffen Form keinen Grund gehabt habe;
e Androhung der Beiewnig 'ei daher Mir als ein tief bedauerlicher Gewaltakt anznsehen. — Da hat nun Herr Elcmeckeean seine 'Nase, und die. schon in der Pfalz neu aufmarfchiereten französischen Regimenter, die sich auf die Ferienkolonie in Mannheim und Frankfurt gefreut hatten, können wieder in ihr schönes Frankreich beunaeben. . ,
Um noch kurz den f e i n d l i ch en V e r n i cht u n g s - willen auch im Vertrag von St. Gennain zu kennzeichnen, so genügt es, auf die im Vertrag festgelegten finanziellen Bestimmungen hinzuweisen. DaS jetzt so kleine Deutsch-Oesterreich mit seinen 6 Millionen. Einwohnern hat von dem Gesamtschuldenstand der ganze., sicheren Monarchie (mit 58 Millionen Einwohnern) in Höhe von 100 Milliarden Kronen Kriegs- und Notenschulden nicht weniger als 45 bis 50 Milliarden zu übernehmen. Der Abmangel im diesjährigen Staatshaushalt beträgt 4 Milliarden Kronen. Für den Zinsen- dienst der vorgenannten großen Schuldübernahme muß es rund eine Milliarde mehr als dauernden Posten in die jährlichen Staatsausgaben einstellen, das Defizit erhöht sich also auf 5 Milliarden. Am Ende des Verwaltungsjahrs 1919/20 wird Deutsch-Oesterreich eine eigene Staatsschuld von mehr als 8 Milliarden haben. Da nun die auch in Oesterreich vorgesehene Vermögensabgabe günstigstenfalls 15 Milliarden ergeben wird, kann )ie Finanzverwaltung gegen die ungeheure Schuldenlast auch mit der Vermögensabgabe nicht anfkommen. Der Vertrag verlangt überdies die sofortige Auflösung der Oesterreichisch-ungarischen Bank, die Notenausgabe uird die Vorschüsse der Bank werden somit allsoaleich aufhören. Da aber eine deutsch-österreichische Notenbank nicht, vorhanden ist, so ist nicht abzusehen, wie der Staat auch nur den dringendsten Bedürfnissen der nächsten Zeit gerecht werden soll, und für Auslandskredite für Lebensmittel — von den Rohstoffen nicht zu reden — benötigt der Staat doch monatlich allein noch 450 Milt. Kronen, ohne daß er, von Holz und Salz abgesehen, über eine ausfuhrfähige Produktion verfügte. Wie der österreichische Finanzminister da den Staatsbankrott aufhalten will, wie er neulich sagte, das ist sein Geheimnis.
Die Bestürzung in Oesterreich ist darum allgemein.
§ Aber auch die Entrüstung über WilsonsVerrat. Von Südtirol haben sich 172 deutsche und ladinische Gemeinden und in Böhmen die unter tschechische Herrschaft gezwängten 3Vs Millionen Deutschen beschwerde- führend — nicht mehr an den Herrn Wilson, sondern an ven über Wilsons Gerissenheit zu Gericht sitzenden amerikanischen Senatansschuß für auswärtige Angelegenheiten gewandt, weit ihnen die von Wilson gegebenen Zusagen gebrochen und das verkündete Selbstbestimmungsrecht verweigert werde. Viele Hoffnung werden sie sich wohl nicht machen dürfen, sowenig als die Aegypter oder die Irländer. Es muß eine neue Zeit und ein neues Geschlecht kommen, das einmal die englische Weltdespotie und den französischen Größenwahn in Trümmer schlägt.
Der Senat in Washington fährt fort, Wilson die Hölle heiß zu mache;., und was der Herr Präsident offen oder verblümt zu hören bekommt, das ist nichts Schmeichelhaftes. Aber so, wie der Senator Knor bat den: Vielgewandten noch keiner die Wahrheit gesagt. Er bezeichnet«: den Vers-'iller Friedensvertrag als ein sinnloses Machwerk, in dem von den berühmten 14 Punkten Wilsons auch keine Spur zu finden sei. Me Ver cinigten Staaten haben gar keinen Grund, vielmehr sec ns ganz gegen ihr Interesse, sich durch einen solchen Ver- .eag des Hasses und der Rache binden zu lassen. Amerika solle den Vertrag Vertrag sein lassen und einen Sonderfrieden mit Deutschland schließen. Man solle doch nicht glauben, daß die Deutschen bei einem Vertrag, den sie gar nicht halten, können, sich beruhigen werden. Sie werden sich mit Rußland und Japan verständigen und das würde der Untergang Europas sein. Ganz und gar- verfehlt sei vollends der Völkerbund, der tatsächlich eiir Bündnis dreier Staaten zur Unterdrückung der Völker sei. Wie denn Wilson dain komme, gegen sein eigenes Programm die chines sche Provinz Shantnng an Japan ausznli.'fernj Einen solchen Vertrag dürsten die Vereinigten Staat«! nicht genehmigen, mindestens müsse er in wichtigen Punkten abgeändert werden. Dem Se- »atansschuß wurde u. a. eine Denkschrift einer Vereinigung, an deren Spitze Cohaiew, Richier am höchsten Ge- richishvf im Staat Neichork, steht, überreicht, in der gesagt wird, 20 Millionen Amerikaner verwerfen den Völkerbund, weil er nicht ein F-riedensbnnd, sondern ein Kriegsbündilis sei, das die amerikanische Freiheit schädige nd die Macht der herrschenden Geldpartei in England g'flige. Wilson sieht sich genötigt, durch eine große Mise im Land für den Friedensvertraq und den Völkerbund Stimmung zu machen. In 50 großen Städten will :r Reden Hallen. Tie Arbeiterpartei suchte er ans seine Seite zu ziehen, indem er allerhand Versprechungen für
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