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Amtsblatt für wildbad Anzeiger und Tagblatt für das obere Gnztal.

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Nr. 198

Mitlnoäi, ^en 3. September Md

1»krs«s- sr

Wieder ein englischer Geheim

Roch hat sich die Erregung in Frankreich über den englisch-persischen Vertrag nicht gelegt, da wird die Welt durch eitle neue Enthüllung über die geheime Arbeir den britischen Diplomatie überrascht. Ed ist ein französistM schweizerisches Blatt, die Genfer,Feilille", die . aM L-H s Errichteter Quelle" von einem geheimen Vertrag zritzsche.f England und der Negierung Liasn nolvs zu berich­ten weiß. Ter frühere russische Minister Liasoiiow ist seit einiger Zeit von der Entente bzm. Großbritannien beanslragt worden, im Nordwesten Rußlands eine Gegen- re.giernng gegen die bplschewistische Negierung in Mos- kan zu errichten und Liasonow wurde die- Unterstützung der Alliierten zngcsagt. Allerdings beschrankte sich diese Hilfe im Wesentlichen ans Geld und Lieferung von Massen und Munition, wogegen die Beteiligung der VerbandS- lruppen an den militärischen Operationen sich in sehr engen Grenzen hielt. Gelegentlich hat allerdings auch die englische Flotte im finnischen Meerbusen eingegrisfen, doch gehen über ihre Erfolge die Meldungen auseinander.

Tie n o rdwe str ussische Regierung Liaso- nolvs, die sich zunächst aus die Länder im Ostseegebiet nüt dein Mittelpunkt Petersburg erstrecken soll, ist aber ohne Zweifel nach den englischen Plänen als die künf­tige Z e n t r a l r e g i e r u n g Rußland oder als die russische Negierung schlechthin gedacht und darum sucht Großbritannien diese seine Schöpfung jetzt schon durch Vertrüge unter seine» politischen und wirtschaftlichen Ein­fluß zu bringen, ungeachtet der besonderen Geheimverträge, die es niit Admiral Koltschak in Sibirien und Ge­neral Te n i k i n in Südrnßland, vielleicht auch mit General Petljura in der Ukraine abgeschlossen hat. Eine geschickte Politik wie die Englands wird Teilung und Zentralisierung i» Rußland je nach Erfordernis stets für sich aiisziinüven wissen.

Ter neue Geheimvertrag, der den Stum; der 4lal- schrioistettherrschast zur Voraussetzung hat, verfolgt »eben der politischen WiederauDichtung Rußlands mit englischer Unterstützung den andern und h a u p t s ä ch l i ch e n Zweck, Rußland für Großbritannien Wirtschaft- l i ch dauernd in B e s ch l a g z n n e h m e n. Angeb­lich soll nur der deutsche Wettbewerb zn Gunsten Englands ansgeschalret und die Ansiedlnng deutscher Sol- dalen im Balieiiland verhindert werden: aber es liegt bei den wirtschaftlichen Verhältnissen Deutschlands ans der Hand, daß es sich um das bißchen Wettbewerb, zu dem das von Rußland ja jetzt auch räumlich gänzlich abge- trennte Tenischland noch allenfalls befähigt wäre, nicht handeln kann, Das Balleuland kommt übrigens nur als Teil des Abkommens in Betracht, wie die Einbeziehung Persiens in diesen Vertrag beweist. England ist es vielmehr darum zn tun, den a meri k a n i s ch e n W e t t- bewrrb in Rußland sich vom Halse zu halten. Wie wollte denn auch England die ^Milliarden monatliche Ausfuhr/ von denen jüngst Minister Geddes sprach und die zn Englands Wiederaufblühen nötig seien, aufbringen, wenn es sich nicht der großen Konkurrenten entledigte. Europa für Großbritannien und frei von Amerika,' das war doch der Sinn der bekannten Unterhausrede des Herrn Geddes. Und er Hai damit nur der berüchtigten M on roedoktrin her Vereinigten Staaten eine nicht mindei anrüchige, aber folge'sichtige Geddes- oder Lloyd George-Toklrin entgegengehalten. Dazu m n ß t e es ein­mal kommen, nur daß Großbritannien den Gedanken viel großartiger entwickelte und gleich vier Erdteile in sein System einbczog. Und das konnte es, nachdem es sein längst vorbereitetes Problem, die einzigmöglichen Widern stäiide in Europa zu stürzen, im Krieg der Welt gegen Deutschland so glänzend gelöst hat. Daß mir Deutschland zugleich Rußland zusammenbrach, ohne daß Großbritannien nur den Finger zu rühren brauchte, sa daß cs jetzt vor aller Welt sich noch als den Erretter Rußlands preisen kann, das ist ein Griff der englischen Diplomatie, der die höchste Bewunderung verdient.

Wenn nun aber so, gegen einen Kaufschilliiig von einer Milliarde Rubel Persien war um das Funfhnn- ^ertsache billiger Nen-Rußland auch unter dieKon- Urolle" Großbritanniens kommt, so wird auch Frank- , eich zu denfbetrübten Lol,geheim gehören, denen die Felle, im Vach sortgeschmvmmen sind. Tie Russen sind

bekanntlich in Frankreich noch mit 24 bG 25 Milliarden! für Kriegsrüftungen vor 1914 angekreider. Das Ka­pital hat man in Frankreich zum Teil wenigstens für »erkoren gegeben, hoffte dagegen wirtschaftliche Psändi.

>»i ausreichendem Maße in den russischen Bergwerken, ' Wäldern, Fabriken usw. zu erhalten. Die Engländer ^ gönnten lächelnd den phantasiebegabten'Franzosen ihre ? Freude und schlossen den Geheimvertrag ab. Es s

wird nun ganz von Großbritannien abhängen, ob die s Franzosen noch etwas von ihrem Gelbe sehen und ob sie wirtschaftliche Pfänder bekommen. Frankreich muß also England gegenüber sich eines sehrloyalen" Verhal­tens befleißigen, wenn es sich 'vor schwerem Schaden bewahren will. Tie französische Negierung diese ist es offenbar, die den Geheimvertrag in dem schweizerischen Blatt enthüllt ist von der neuesten Probe britischer Geschicklichkeit sehr wenig erbaut und sie fühlt immer mehr, daß sie mit allen anderen Verbündeten von England im Weltkrieg und durch den Weltkrieg gründlich übers Ohr gehauen worden ist. Aber Frankreich möge mit seinen siegreichen Leidensgenossin nur Mut fassen: Ter eng­lisch russische Geheimvertrag ist noch nicht die letzte lieber- raschnng, Re Großbritannien seinen Verbündeten bereitet

Nach dem Vertrag verpflichtet sich England: 1.) mu allen Mitteln die Regierung Lianosoms im Kampf gegen den Bolschewismus und vor allem in ihren Bemühungen zur Be­ugung Petersburgs z» unterstützen: 2.) ihr Munition und mo­dernes Kriegsmaterial, wie Tanks. Flugzeuge usw. zu liefern, !>enso besondere Unterstützung für die von der Regierung Dia- N'Nows angeworbcnen Soldaten zu gewähren: 3.) einen Druck uns D e '< t s ch l a n V auozuüben, »m die Rekrutierung der rus­sischen Kriegsgefangenen in Deutschland zu erleichtern: 4.) die mm der BölschemisteicherNchaft geprüften Gebiete zu verpflegen.

Zu diesem Zwecke wird eine von einer gemischten engliich- russischen Kommission besonders feslzusetzende Anzahl von Schis- sen zur aussch'ießlichen Verfügung des russischen Ernährungsinl- i.Piers sichergestellt. 5.) Nach Sturz des Bolschewismus der Regierung einen Spezialkcedit bis zur Hohe von einer Mil­liarde R u b c! zum Ankauf von Maschinen und Rohstoffen für die Wiederherstellung der russischen Industrie einzuräumen

R »bland seinerseits verpflichtet sich: I.) die besonde r eu Interessen Englands im Baltikum anzuerken- nen: Z.j den baltischen Iöndcni 'Gelegenheit zur Ausübung ihres Se!i'stdestimmungsrechts zu geben: 3.) offiziell nach dem Fall Pev.r-burgs sei» Desinie, esseine»! an der persischen Frage zn erklären: 4P alle Schulden der ehemaligen Regierungen anzueräcnnen: 5.) an' jeden bedeutende» Einka u f in Deutsch­land zu verzichten, solange mit England aus Grund des ai'geschlossetteii Berirags Kredite und Lieferungsverträge beste­llen 6.) alle Ber-rage anzuerkennen, die zwischen England auf der einen Seite und K o l l s ch n k - D e n i k i u auf der an­deren Seile abgeschlossen wurden: 7.) eine demokratische Regierung einzusetze». die sich uuf das gleiche Wahlrecht und die tz leithbeiechügung aller Bürger vor. dem Gesetz stützt.

Die Nachnchrenneile desselben Blattes bemerkt, das; alle zwischen England und Koltschak-Denikin abgeschlossenen Ber­ns-e vorläufig noch geheim seien: man versichere jedoch, datz es sich um besondere Vergünstigung handle, dis England im K aukasus und in den Pekrolgebiete n eingsräuim seien

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G rreral Goltz n» seilte Truppe».

Mitau, 1. Sept. Bei einer Parade der Eisernen Division erkl'äcle Gras von der Goltz in einer An- sviache, er müsse die Weiterung der Truppen, ahzufah- ien, mißbilligen. Er könne sich nickst an die Spitze einer Bewegung stellen, die gegen seinen Befehl gehe. Seine Pflicht sei es, auf die Schwierigkeit der An- sicdlnng iiii Bailiknm aufmerksam zn machen.. Erhoffe aber, daß England und Deutschland die Notwendigkeit des Verbleibens der Truppen einiehen werden, im ande­re?! Falle müsse gehorcht werden, um die Welt von der der Truppen zn überzeugen. Wenn alle das Vater­land liebien, werde Oie neue Denlsche Republik ausblühen. AD diesen, Ziele vor Augen hätten die Truppen jedem DDehle Folge m leisten.

Ter Tag vo» Tattnrnbcrg.

Kritische Lage in München.

München, 2. Sept- Die Betriebsräte der Eisen- balpibedicnsteten und -Arbeiter in München haben, laut , Voss. Ztg.", an den bayerischen Verkehrsminister Fraun- dorser die Forderung gerichtet, die Regierungstruppen aus dem Münchener' Hauptbahnhof zu entfernen. Die Ver­trauensleute der bürgerlichen Parteien wollen dem Ge- samtministerium ihr Vertrauen versagen, wenn dieses Ver­langen nicht bedingungslos abgelehnt werde.

Die Geiselmörder vor Gericht.

München, l. Sept. Vor dem Volksgericht Mün­chen begann heute der Prozeß gegen die Personen, die au der Ermordung der Geiseln am 30. April inl Luitpoldgymnasium beteiligt waren. Angeklagt sind ick Personen. Den beiden Häuptangeklagten, Fritz Sei­del, Kaufmann aus Chemnitz und Schickhofer aus München werden je 10 Verbrechen des Mords, 9 wei­teren Angeklagten je 8 Verbrechen des Mords, 2 An­geklagten je 2 Verbrechen des Mords, 3 Angeklagten je 8 Verbrechen der Beihilfe zum Mord zur Last gelegt. Seidel wird von den Rechtsanwälten Dr. Löwenfeld und Liebknecht verteidigt. Aus der Feststellung der Persona­lien geht hervor, daß die meisten Angeklagten erheblich vorbestraft sind, u. a. wegen Diebstahl, Zuhalterei, Er­pressung. Schickhofer wird als Alkoholiker bezeichnet. Nach der Vereidigung der Zeugen, üeren ungefähr 150 geladen sind, wurde zuerst der Hauptschuldige Seidel, der frü­here Kommandant des Luitpoldgymnasiums, vernommen.- Zu einer kleinen erregten Auseinandersetzung kam es im Lause der Vernehmung zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger Dr. Liebknecht, der wiederholt in daS Verhör eingreifen wollte, so daß ihm zuletzt vom Vor­sitzenden eine Ordnungsstrafe angedroht wurde.

Die von den Angeklagten ermordeten Geiseln ge­hörten der nationalen Thule-Gesellschaft judenfeindsicher Richtung an. Besonders roh wurden die Frau Dr. Skauzow, eine geborene Fürstin zu Fürstenberg, und die Gräfin Westarp behandelt. Die Ermordung wurde in nicht wiederzugebender Weise ausgeführt. Seidel gab au, Engelhoser habe die Gefangenen in den Keller schaf­fen lassen. Hausmann, der sich inzwischen erschoß, sei der militärische Kommandant gewesen. Am Tage vor der Ermordung seien Levien, Levine und Axelrod oder Toller ini Keller des Gymnasiums erschienen. Die Er­schießung der 22 Geiseln habe Hausmann auf sich ge­nommen, er (Seidel) habe sich dessen geweigert.

Der Pfälzer Putsch.

M -rchett, 2. Sepl. Die Korrespondenz Hosfmaun me.VN? Wegen der schweren Vorfälle in Ludwigshafen und wegen der außerordentlichen Erregung in der Pfalz ha? Ministerpräsident Hofsinann oen 'Genera! Fayolle- Kaistcslaiuecn, den Porgefey.eil des Generals Gerald, um eine Unlerreoung ecsncht.

Dönigstzc'eft.

repl. Die Gedenkfeier des Siegs

In Ludwigshafen wurde in der vergangene, Nacht ein Flugblatt von französischen Soldaten verbrei­tet, in dem gegen die Unterdrückung der deutschen Re­publik und gegen die weitere Einmischung in Rußland protestiert wird. Die Kameraden werden aufgefordert die Revolution dorthin zu tragen, wo sie noch nicht sei, Das Flugblatt enthält Angriffe gegen Poincare und Ele« meuceau, die als Kriegstreiber bezeichnet werden.

Infolge der Arbeiterbewegung in der oberelsässischerl Kaiiiiidustrie ist der Belagerungszustand über die Be« ziike Mülhausen, Thann und Gebweiler verhängt und Kriegsgerichte eingesetzt worden.

1 Pariser Bezirken, darunter in dem von Motzt*

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gebildet worden sein. Bisch ' " ' '

martre, sollenRäte'

Paris, 2. Sept. Bischof Benzler hat vorgestern M e u verlassen. Er wurde unter militärischer Bedeckung an die preußische Grenze gebracht. , D,

st"! iannenberg nahm einen großartigen Verlaus. Duc; iOiitt,, Mcnülen beteiligten sich an der Feier. An Dud uvura, der ans politischen Gründen nicht erscheinen tounie, und die übrigen Führer in der dreitägigen Be- sieiüi'as-ciil.ich- wurden Begrüßiliig'telegramme abgesandt. > Duck in Höllenstein >Masuren> wurde eine Feier ver- statt ec.

§cU c.IIN S N >1 ch fv lg«! v.

P-.-tiin, 2. SD>i, Für den verst. Abg. l>. Friedrich Ami mann ist Fr!. Dc Luders iDüssildors als Ab- t ordnete in die Nationalversammlung berufen worden.

Dev Streit um die Akkordarbeit.

Braun sch weiß, 2. Sept. In der Angelegenheit der Schließung der Automobilfabrik A. Büssing in Brauiischwcig ist, wie dieBraunschweigische Landeszei- tnng" meldei, jetzt vom staatlichen Schlichtungs- ansschuß ein Schiedsspruch gefällt w.rd n. Dar­nach »oll die Firma Büsilng so lange berechtigt sein, ihren Betrieb still zu legen, wie die Remabilität des Unter­nehmens durch Verweigerung der zeitgemäßen Ak­kordarbeit gesährdei wird. Sobald sich die Arbeiter­schaft zur Eiinührung der Akkordarbeit bereit erkläre.