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Freitag, Ssu 10. Januar 1019
SO Aahrgacs.
» Der Bürgerkrieg.
Die neuesten Nachrichten aus der Reichshauptstad: lauten sehr ernst. Zwar hat sich die Meldung eines Blattes, daß der große Belagerungszustand über Berlir verhängt sei, .nicht, oder noch nicht bestätigt. Die Regierung will ohne Zweifel, ehe sie zu der äußersten Maßregel schreitet, die Wirksamkeit der in großer Zahl voi- auswärts herbeigerufenen Truppen abwarten. In dieser Richtung sollen umfassende Vorkehrungen getroffen sein. Eine starke Matrosenabteilung aus Kiel ist bereits ii Berlin angelangt; es verlautet, daß auch aus Bayern und Baden Hilfe abgesandt werde. Aber es läßt sich nicht verhehlen, daß die Lage in Berlin äußerst kritisch ist. Die Spartakisten und Unabhängigen sind wohl in der Minderheit, aber was ihnen an Zahl gebricht, er setzen sie reichlich durch Entschlossenheit und keckes Draus- gehen. Dabei ist nicht zu verkennen, daß sie gerade deswegen — wie es auch sonst immer zu gehen pflegt — ständigen Zuzug erhalten und ihre anfängliche zahlenmäßige Stärke, die bescheiden genug war, hat sich inzwischen vervielfacht. Die Regierung aber kann trotz der Handgreiflichkeit der Lage zu keinem festen Entschluß kommen. Ihre Bekanntmachungen, Aufrufe usw. bleiben ohne Taten. Gerade fo war es bei der gestürzten alten Regierung, und wohin das schließlich geführt hat, weiß jetzt jedermann. Aber alles drästgt auf die Entschndur—> hin; die Erbitterung auf beiden Seiten hat den höchsten Grad erreicht, es ist jetzt vielleicht noch eine Frage von Stunden, wer die Macht haben soll. Die Bewegung der Spartakisten hat ja schon über Berlin hinausgegriffen und die Putsche in Leipzig, Halle a. S., Brannschweig, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Mannheim, München usw. zeigen deutlich, daß es sich um eine groß.angelegte einheitliche Aktion handelt. Auch in Stuttgart stellt man allen Anzeichen nach vor neuen Ereignissen.
Die Meldungen aus Berlin werden immer dürftiger, da fast alle dortigen Blätter von den Spartakisten besetzt sind, die das Erscheinen der Zeitungen entweder ganz unterdrücken, oder doch nur eine solche Berichterstattung zulassen, die nicht gegen ihre Interessen ist. Das Wolff- sche Telegraphen-Bureau, um das längere Zeit verlustreich gekämpft wurde, hat ihnen bis jetzt noch nicht wieder entrissen werden können. Wenn nicht das Haupttelegraphen- und Fernsprechamt im Besitz der Regierungs- truppen geblieben wäre, so würde inan im Reich von den Vorgängen wohl überhaupt nichts mehr erfahren. So ist es wenigstens noch möglich, die Berichte der Regierung hinauszugebeu, die von Eigenberichten verschiedener Blätter im Reich ergänzt werden können. Ans ihnen ist aber zu entnehmen, daß der Bürgerkrieg vor der Türe steht.
Berlin, 9. Jan. (Franks. Gen.-Anz.) Regierungstreue Truppen haben gestern die „Rote Fahne", das Organ des Spartakusbundes, besetzt. Spartaküsleute hatten sich auf dem Hofe der Druckerei ihres Parteiblattes hinter Papierrollen verbarrikadiert, die mit Maschinengewehren bestückt warern Nach kurzem Kampf konnten die Regiernngstrnppen das Bollwerk nehmen und die Redaktion besetzen. Ferner wurden die Telegraphenverbindungen der Spartaknsfährer abgeschnitien, ebenso auch die Telcphonverbinduttgen Liebknechts und Rosa Luxemburgs.
Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei hat dem Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn, der Mitglied der Unabhängigen ist, heute nacht dringlich nahegelegt, von seinem Amte freiwillig zurückzntreten, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Die Stellungnahme. Eich-' Horns ist noch nicht bekannt.
Wie eine Lokalkorrefpondenz meldet, hat sich die republikanische Svldatenwchr von dem Polizeipräsidenten Eichhorn losgesagt und der Regierung l4 Kompagnien mit 3600 Alaun zur Verfügung gestellt. Es hat eine Versammlung staitgcfunden, in der man Eichhorns Vorgehen mißbilligte und beschlossen hat, eine Deputation in die Reichskanzlei zu entsenden. Auch die Berliner Garnisonen haben sich unter dem Druck der zu erwartenden Frouttruppeu dazu beguemt, ihre neutrale Stellung auf- zugebeu und sind ans die Seite der Regierung getreten. Zu den Kämpfen um das Neichstagsgebände liegen noch folgende Einzelheiten vor: Die Spartakusbünden versuchten,' die im Reichsta'gSgebäude befindlichen Negierungs- trnppen zur Uebergabe zu zwingen. Sie gingen mit Maschitteugei,en, Handgranaten und Gewehren aeaeu
An die Besitzer von Sparkassen-Guthaben.
In Versammlungen und Flugblättern verlangt die
Llnabhängige Sozialdemokratie,
Kriegsanleihen
kur wertlos erklärt werden sollen. Nun ist es Tatsache, däß während des Krieges alle Sparkassen, Lebettöversicberungs-Gesellscbakten usw. für die gemachten Einlagen und Prämienzahlungen nack) Milliarden dafür
Deutsche Kriegsanleihen
erwarben haben. >
Jedes Kind weiß, daß, wmn die Ikriegsanleiken kür wertlos gelten sollen, dann auch alle
Sparkaffen Deutschlands zablungsmrkäblg werden. Alle
Sparkaffeu-Einlagen
würden dann selbstverständlich edenkalls verloren sein. Gewiß sollen reiche Leute und diejenigen, welche während des Krieges grosse Vermögen verdienten, in scbarkster Meise kerangezogen werden, man darf aber nicht kurzerhand alles Eigentum vernichten. Dies ist das Programm der
Deutschen demokratischen Partei;
gebe daher jeder bei den Mablen
am 12. Januar für die württemb. Landesversammlung am 19. Januar für die Deutsche Nationalversammlung
den Stimmzettel ab mit der Ankscdrikt:
„Deutsche demokratische Partei".
oas melchstagsgebände vor. Während des sich entwickelnden Fenergefcchts wurden Handgranaten geworfen. Die Regiernngstrnppen erwiderten lebhaft ans den Fenstern und von dem Balkon des Reichstagsgebäudes. Es gab auf beiden Seiten Tote und Verwundete. Ein Geschütz von der Dvrotheenstraße griff in den .Kampf ein.
Die Tel.-Union meldet, die Arbeiter der Groß- Berlincr Wasserwerke seien in den Ansstand getreten, ein großer Teil der Stadt sei ohne Leitungswasser. In Friedenau stehe auch das Elektrizitätswerk still.
Für die Kühnheit der Sportr,l„sio,,ia ca ^>-
-partakuslcute ist es bezeichnend, daß an den Anschlagsäulen am Mittwoch ein Plakat erscheinen konnte, auf dem man sieht, wie eine erlitterte Volksmasse Scheidemann aufhüngt. Darunter stehen die Worte: Am 10. Januar.
Die „Franks. Nachrichten" melden: Die Lebensmittelversorgung Berlins wird schwierig. Die Verhängung des Belagerungszustands ist nur der Vorläufer weiterer ^militärischer Zwangsmaßnahmen der Regierung. Aus Westdeutschland kommen neue Trnppensendnngm nach Berlin. Gestern mittag ist ein Jägerbataillon am Anhal- -^rbahtthof eingetroffen. Die Spartakisten versuchten, de.
^ ahnhos zn stürmen, um die Ausladung der Truppen zu verhindern. Es kam zn Maschinengewehrkämpfen, wobei es über ckO Tote und 30 Verletzte auf der Seite der Spartakisten gab. Tie Fuiikeustalivn Naue» soll gestern von Spartakisten besetzt worden sein.' Die Reichsdrnckerei' ist von den Regiernngstrnppen znrückerobert worden. Am Lehrterbahnhof wollten Spartakus!eute das HanxOgebäude erstürmen, um ankommende Hilsstruppen ans Kiel ab- znfangen. Die Negicrungstrnppcn eröffncten Maschinen-, gewehrseuer, wobei es Tote und Verwundete gab.
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Berlin, 9. Jan. Die Regierung hat 500 Studenten anqeworben und bewaffnet. .Tie Stndentenkompag- men werden von Frontsssiz ereu geführt. ,Tie Patzt der
Regiernngstrnppen soll gestern "auf 70—80000 Mann angewachsen sein. Erst nach Zusammenziehung der gesamten Al acht ist mit der Entsetzung der von Spartaius besetzten öffentlichen Gebäude zn rechnen. Tie Berliner Garnisonen sind vollständig gefechtsbereit. Jeder Mann hat.50 Patronen erhalten. Hindenburg soll in Berlin sein. Man erwartet schon von seiner bloßen Anwesenheit einen Einfluß auf die regierungstreuen Truppen. Flieger umkreisen seit einiger Zeit die von Spar- tatnslemen besetzten Gebäude, insbesondere den „Vorwärts".
Wie die „Deutsche Tagesztg." meldet, haben die Sui- denten der Technischen Hochschule aus Aufforderung deS Gouverneurs Noske beschlossen, daß sich die Studiesindcii der Regierung zur Verfügung stellen sollen. Die Vorlesungen fallen aus und die Hochschule wird am 10. Januar ganz geschlossen werden.
Tie Zusammenkunft der bundesstaatlichen Finanz- minister in, Reichsschatzamt, die am lO. Januar statt- sinden sollte, ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
W-cu, 9. Jan. Der Journalisten- und Schriftstellerverein Concordia hat der Berliner Presse seine größte Einnistung über die Gewalttaten gegen die Zeitungen ansgedrückt. Die Berufsgenossen aller Länder werden ausgefordert, sich dem Protest anzuschlicßen.
Aufruf der Regierung.
Berlin, 8. Jan. Die Regierung veröffentlicht folgenden Aufruf: Milbürgerl Spartakus kämpft jetzt Um die ganze Macht. Die Regierung, die binnen 10 Tagen die freie Entscheidung des Volks über sein eigenes Schicksal hcrbeiführen will, joll mit Gewalt gestürzt werden. Das Bola soll nicht sprechen dürfen; seine Stimme soll unterdrückt werden. Den Erfolg habt Ihr gesehen. Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Sicherheit aufgehoben, die Presse unterdrückt, der Verkehr lahmgelegt. Teile Berlins sind in Siätten blutigen Kampfes verwandelt, rudere sind schon ohne Woher und Licht. Private Acmlcr werben rellürmt. Die Eriiäüruua der Soldaten und der Zioilbevölke-
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