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Wr. Ä80
Freitag» de« SS. November 1S18
35. Jahrgang.
Das Programm der württ. Zntrumspartci.
Die Zentrumspartei in Württemberg veröffentlicht folgende Kundgebung:
Die politische Entwicklung in Württemberg wie in ganz Deutschland und im benachbarten Deutsch-Oester- reich läßt die Wiederherstellung der Monarchie als ausgeschlossen erscheinen. Jeder Versuch ihrer Wiederherstellung wäre gleichbedeutend mit der Heraufbeschwörung eines verhängnisvollen Bürgerkriegs. Das Gebot der Gegenwart fordert eine Staatsform, welche den Anschauungen der überwiegenden Mehrheit des württ. Volkes entspricht:^ die demokratisch-republikanische staatsform, die in Einer gesetzgebenden Körper- ichaft und einer parlamentarischen Regierung ihren Aus- vruck findet. ^ ^
, zzm einzelnen stellen wir folgende Forderungen aas:
I. Verhältnis. zum Reich.
Wir halten treu zum Reich und zur Heimat. Eine Verwandlung des Reichs in einen Einheitsstaat lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab: Württemberg muß als selbständiger Staat erhalten bleiben. Das System der in Berlin zentralisierten Kriegsgesellschafte u, das während des Kriegs nur allzuviel berechtigte Beschwerden hervo.rgerufen hat, muh so rasch wie möglich verschwinden. : - . V
s ' 2. V e r f a sfu n g s So l i t i k. - -^
Wir verlangen den Aufbau der Landesverfassung auf demokratischer Grundlage im Geiste einer hochsinnig erfaßten staatsbürgerlichen Freiheit und Gleichberechtigung. Allen ohne Unterschied des Geschlechts und ohne Rücksicht auf das politische und religiöse Bekenntnis muß der ungehinderte Ausdruck ihrer Ueberzeugung gleichmäßig gewährleistet werden. Die Diktatur einer einzelnen Partei"oder Parteigruppe oder einer. Gesellschaftsklasse weisen wir aufs schärfste zurück- si
Die Frage der Staats Vereinfachung muß rasch gefördert und die Mitwirkung von Laien auf die höheren VerwaktungDinstanzen ausgedehnt werden-
Für die . Wahl zur La ndesv ersammluug ist
fkün? Deutscher
tVon Otto Ruppius.
Kaumhatte er es'sich bequem gemacht,"A'sVnebeniW rauschte und eine weibliche Gestalt, Len Kopf in daN Gebetbuch gebeugt, dicht an seiner Seite nied'erkniete.1 „Guten Morgen, Sir," klang ihm Harriets leise Stimme' in die Ohren, „Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Rühren Sie den Kopf nicht — ich kenne Sie nur ganz oberflächlich und werde Sie nicht eher beachten,' als bis Sie in unserer Familie eingeführt sind. Jetzt nur das Eine: Sagen Sie morgen dem Mr. Ellis, daß Sie in vierundzwanzig Stunden Gewißheit haben müßten. — Sie haben schon Freunde hier und die Gemeinde wird Sie nicht fort lassen, wenn sie auch Opfer zu bringen hätte. Halten Sie sich aber den Mr. Poung voni Leibe, der neben Ihnen stand,- Sie müssen mir darin auch wieder ohne zu fragen, folgen — Amen!" sagte sie laut nnt der übrigen Gemeinde, „stehen Sie auf, aber sehen Sie mich nicht an!".
Reichardt hatte feinen Platz wieder eingenommen, ohne nur einen Blick nach dem Mädchen getan zu haben; fast wollte es ihm aber scheinen, als erhalte er eine Ahnung von einem der Gründe ihres Handelns, als er Youngs Augen auf: bms Mädchen gerichtet und sich dann mit dem deutlichen AuSdrucke eines erwachenden Verdachtes nach chm wenden sah. Irgend eine Beziehung mußte zwischen Beiden bestehen, sonst Hütte sie sich kaum zn der eigentümlichen Warnung verleiten lassen.
„Sie kennen Miß Burton, Sir?" fragte der junge Amerikaner leise, während er ein aufgeschlagenes Noten blich auf das Org-'lpult legte.' „Ties ist die Melodie, die der Chor für den nächsten Gesang auweudet."
„Ich bin ihr nur ein einzigeSmal flüchtig begegnet," erwiderte Reichardt lässig, eifrig bemüht,, den Worten des Predigers zu folgen. „Wollen Sie aber nicht den ersten Gesang selbst ivielen, damit icch nricst von dem
sie volle Freiheit der Wahlvorbereitung und Stimmabgabe ein wesentliches Erfordernis.
3. Kulturpolitik.
Gesetzgebung und Verwaltung, das ganz« öffentliche LebM muß von dem Geist eines lebendigen Christentums durchdrungen sein. Das einträchtige Zusammenwirken von Staat und Kirche ist heute notwendiger als je. Wir treten deshalb allen Bestrebungen auf Trennung von Staat und Kirche entgegen. Wir fordern die Freiheit und staatliche Gleichberechtigung der Kirchen, auch aller Orden und Kongregationen und der kirchlichen Einrichtungen.
Schutz der Ehe und Familie, Bekämpfung der Ehescheidungen und nachdrückliche Förderung aller Bestrebungen auf Erhaltung des Kindersegens in der Familie, Kampf gegen die sittliche Verwilderung und Verseuchung des Volkes durch Schmutz- und Schundschriften, sowie durch schamlose Theater- und Kinoaufführungen.
Schwere Kümpfe stehen uns auf dem Gebiet der Schule bevor. Maßgebend für uns ist auf diesem Gebiet das elterliche Erziehungsrecht und das Recht der Kirche. Au fr e cht er h a l.tu ng der konfessionellen Volksschule und der Gewährung rechtlicher Garantien für die Freiheit des Privatunterrichts.. Wahrung her landesrechtlichen Zuständigkeit für. Unterricht und Erziehung, auch für die schulentlassene Jugend. Der Aufstieg begabter Volksschüler in höhere Schulen ist durch! staatliche Mittel zu fördern. Das Einjährig-Freiwilligen- System ist abzuschaffen. '
4. Sozialpolitik. ' ?
Die öffentliche Ordnung ist wesentlich bedingt durch
staatliche und gesellschaftliche Wahrung der sozialen Gerechtigkeit. Freiheitlicher Ausbau der Rechtspflege im Sinne fortschreitender sozialer Gerechtigkeit und erhöhten wirtschaftlichen Schutzes gegen Wucher, unlauteren Wettbetverb und Schwindel aller Art; Zuziehung des Laienelements (Schöffen) zu den höheren Gerichten.
Hochherzige Fürsorge für kranke und beschädigte Kriegsteilnehmer, sowie für die Hinterbliebenen «der Gefallenen.
Großzügige Wohnungs- und Siedl ungspoli- tr k. Erhaltung und Stärkung eines lebenskräftigen M it- telstands, der durch den Krieg am meisten gelitten; hat. Für den Handwerkerstand kommt ganz besonders die, Zuweisung von Kapital, Rohstoffen und öffentlichen
srevetten, sowie die Förderung des Lehrlingswesens ^ Betracht. . . . '
^ Für die Landwirtschaft beantragen wir die Ein--,
! führnng einer bernfsständischen Vertretung mit weitgehender Selbständigkeit, Ertüchtigung des landwirtschaftlichen männlichen und weiblichen Nachwuchses, des Vereins-, Ge- nossenschafts- und Kreditwesens, Hebung der landwirtschaftlichen Erzeugung, Parzellierung unwirtschaftlich aus- bvdehnten Großgrundbesitzes unter entsprechender Ent-, ichädigung, sowie wesentliche Einschränkung des Fidei^ kommißrechts. , , >
Der Arbeiter- und Angestelltenstand ist als - gleichberechtigter Faktor in Gesetzgebung, Rechtsprechung and Verwaltung anzuerkennen. Schaffung ausreichender Arbeitsgelegenheit (Notstandsarbeiten), weitherzige Durchführung deer neuen Bestimmungen über Erwerbslosenfürsorge, organischen Ausbau des Arbeitsnachweiswesens, Schutz der einheimischen Arbeiterschaft, Förderung des gewerblichen Einigungswesens, erhöhter Jugendschutz, Be-- ichränkung der gewerbsmäßigen Beschäftigung verheirateter Frauen und Beibehaltung der Wochenhilfe.
Für die staatlichen Beamten und Uuterbeam - ten, sowie für die Leh r,e r, fordern wir eine den Bedürfnissen der Familie Rechnung tragende Besoldungspolitik, zeitgemäße Entwicklung des Dienstrechts, sowie »ine freiheitliche Ausgestaltung des Disziplinarverfahrens und die Einführung von Ausschüssen und Kammern? Die Angestellten und Arbeiter in den Staatsbetrieben ! sollen mit den Arbeitern in Privatbetrieben in arbeitsrechtlicher Beziehung gleichgestellt werden und ein ausreichendes Mitbestimmungsrecht bei der Festsetzung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen erhalten.
5. Finanzpolitik. ' ' '
Ausbau der Steuergesetzgebung, insbesondere des Einkommen- und Vermögenssteuergesetz'es, nach sozialen Gesichtspunkten. . Insbesondere ist die Familie und Kinderzahl noch mehr als bisher zu berücksichtigen. Eine restlose Erfassung der Kriegsgewinne ist schleunigst durchznführen und der Steuerflucht wirksam entgegenzutreten. An der Sicherheit der Kriegsanleihen darf nicht gerüttelt werden. . ^
Können des Chors unterrichten kann?" Er glitt von der Bank herab, die Ponng nach einer augenblicklichen Zögerung sind nur wie durch die Notwendigkeit gedrängt einnahm.
Ter Gesang begann. Reichardt hörte prächtige Stimmen, die aber sämtlich ihren eigenen Launen folgten, bald in der Melodie mitgingen, bald zu begleiten versuchten. Poung an der Orgel gab sich alle Mühe, dennoch war keine Strophe ohne Fehlgriffe, und als Reichardt, um seine Empfindung zu verbergen, den Kops abwandte, traf er auf Harriets Gesicht, in dem der Hohn im vollsten Uebermute spielte; Reichardt fühlte fast Mitleid mit dem unglücklichen Organisten.
„Ich spiele wohl sonst etwas besser," sagte dieser, beim Schluß die Bank verlassend, „aber ich habe nach Ihrer Einleitung den Mut verloren."
„Lassen Sie nur, ich würde in Dingen, worin Sie Meister sind, noch viel schlimmer bestehen," erwiderte Reichardt gutmütig, „übrigens ist es schwierig genug, sich immer nach den Launen Ihres Chors richten zu 'Nüssen."
Poung ließ einen suchenden Blick hinüberschweifen, wo Harriel stand. „Sie werden hier bleiben, Sir?" fragte er wie hingeworfen.
„Kann im Augenblicke noch nichts sagen," erwiderte Reichardt leise.
„Sie waren doch, wie ich höre, hier bereits empfohlen?" erwiderte Ponng anssehend, und derselbe Ausdruck des Mißtrauens, den Reichardt früher bemerkt, machte sich wieder in seinem Auge geltend.
„Ich selbst wohl kaum, Sir," erwiderte Reichardt, den die Sorge des Amerikaners um sein Verhältnis zu Harriel zu interessieren begann, „jedenfalls nur meine musika^ l tischen Fähigkeiten, die zufällig wahrgenominen wurden. Stehen Sie vielleicht MW Burton, die mich empfahl, < näher?"
Poung schien diese Frage zu überhören, hob 'de Kvpj und hörte aufmerksam auf den Geistlichen. „Hier- ist das Gloria" sagte er, auf das Notenbuch deutend, „wir , werden in Kurzem zn beginnen haben l" Als der Prediger geendet, setzte Reichardt in voller Kraft und lebhaft ein, schon nach den ersten Takten den überraschten Chor mit sich fortreißend, bis dieser, als gewinne er neues Leben, das Tempo anfnahm und sich den Tönen anschloß. Als Reichardt am Schlüsse von der Bank glitch traf ihn aus Harriets Augen ein Helles Lächeln; abep auch Uoung schien es bemerkt zn haben, und ein tiefer- Schatten legte sich zwischen seine Augen.
Die Predigt war vorüber, und als Reichardt nach einem „Ausgange", der einen großen Teil der Gemeinde zurückgehalten hatte, den Vorplatz der Kirche betrat? sah er sich von dem Geist!'chcn in Empfang genommen und einigen Kirchenbcsnchern zugesührt. Er hatte wieder vor freundlichen Frauengesichtern wie vor dunkelblitzenden Augen sich zu verbeugen, bis endlich ein hoher Mann an der Seite Harriets ihm entgegentrat. „Ich kenne Sie schon aus meiner Tochter Erzählung," sagte dieser, ihn« die Hand drückend, „und wenn ich auch erst gemeint? das Mädchen habe einen ihrer tollen Streiche begangen,' Sie ohne weiteres hier herunter zu versetzen, so sehe ich doch ein, daß sie dieses Mal klüger gehandet, als ich ihr es zugekrant. Ich hoffe, wir werden Sie hier fcsthnlten können, Sir, und es soll mich freuen, Sie in meinem Hause zu sehen!" I ^
Er nickte ihm freundlich zu und wandte sich nach dem Prediger.
„Sie sind schon mehrere Tage stier, Sir?" fragt» Harrtet, langsam vorwärts gehend; und als Reichardt an ihrer Seite hinschritt: begann sie, ihre Stimme dämpfend: „Was hatten Sie mit Mr. Poung zu verhandeln? Verstanden Sie nicht, was ich Ihnen sagte?"
„Haben Sie Beziehungen zu dem Gentlemen, Miß As erwiderte er in derselben Weile. __^
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