Aus Stadt und Land.

Calw, den 21. August 1922.

Zum 70. Geburtstag von Prälat von Braun.

Am 21. August feiert Prälat a. D. von Braunin Tübingen, seinem Ruhesitz, seinen 80. Geburtstag. In guter körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische darf er auf ein reichgesegnetes Arbeitsleben im Dienst der württ. evang. Kirche zurückblicken. Als Pfarrer in Maulbronn, als Helfer in Calw, als Dekan 'dort und in Tannstatt, und schließlich von 190V1913 als letzter Prälat in Hall hat er sich die dankbare Anhänglichkeit vieler 'Gemeindemitglieder erworben, denen er in Predigt und Seel­sorge sein Bestes gab. Auch dem Sta«t hat er als Bezirksschul­inspektor und später als Mitglied der esten Kammer wertvolle Dienst« geleistet. Zum Zweck der Förderung der beruflichen Tüch­tigkeit der Pfarrer, die ihm besondere am Herzen lag, hat er alljährlich auf derHaller Konferenz" einen weiten Kreis von Theologen um sich gesammelt und ist dadurch vielen ein Helfer geworden in den Schwierigkeiten ihres Amtes. Er hat die Freude, gleichzeitig in diesen Tagen sein goldenes Ehejubiläum feiern zu dürfen mit seiner treuen Mitarbeiterin. Möge beiden noch ein fried- und freudvoller Lebensabend beschieden sein.

Erhöhung der Teuerungszuschtiffe für Militärrentner.

Der Reichstag hat durch Gesetz vom 14. Juli angeordnet, daß den Militärrentnern ab 1. August neue, wesentlich erhöhte Teue- rungszuschüsse gewährt werden. Die Erhöhung beträgt für die einzelnen Kategorien 25 Prozent bis 66^ Prozent, durchschnitt­lich etwa 50 Prozent.

Nahreiseverkehr mit Tirol.

Von zuständiger Seite wird milgeteilt: Mit dem 1. August 1922 ist infolge einer Vereinbarung Württembergs mit der Lan­desregierung für Tirol eine Regelung in Kraft getreten, durch die der im Verhältnis Württembergs südlich der Donau zu Vorarlberg schon länger bestehende sog. Nahreiseverkehr auch auf die Gebiete der württembergischen Oberämter südlich der Donau gegenüber Tirol (ohne den Bezirk Llenz) ausgedehnt wird. Der Nahreiseverkehr unterscheidet sich vom Fernverkehr hauptsächlich dadurch, daß bei elfterem der Einreisesichtvermerk des Ziellan- dcs nicht benötigt wird. Dagegen ist der Besitz eines Reise­passes auch hier erforderlich. Teilnehmer am Nahreistoerkchr sind die seit mindestens 6 Monaten in einem der begü istigten Gebiete ansässigen einwandfrei-» Reichsdeutschen und Deutsch- Lsterreicher. Der Nahrersesichtvermerk berechtigt zum jeweiligen Ittägigen Aufenthalt jenseits der Grenz«, ohne daß eine beson­dere Aufenthaltserlaubnis einzuholen ist. Zuständig für seine Erteilung sind in Württemberg die beteiligten Oberämter und die Hafendirektion Friedrich-Hafen. Die Meinung mit dem 1. Juli seien die besonderen Nahrcisebestimmungen gegenstandslos geworden, ist irrtümlich, weil sie auswärtigen Staaten ein­schließlich Deutsch-Oesterreich bis auf weiteres in dem an die Stelle des Ausreifcsichtverinerks getretenen finanzamtlichen Un­bedenklichkeitsvermerk keinen vollen Ersatz für den bisheri­gen deutschen Ausreisesichtvermerk zu erblicken scheinen. Wenig­stens bestehen sie auf ihrem eigenen Einreisesichtvermerk. Bloße Passe oder' gar von Ortsbehörden ausgestellte Ausweise zum Erenzübertritt auch nach Oesterreich reichen nicht aus.

Wetter für Dienstag und Mittwoch.

Der Hochdruck erhält sich. Auch am Dienstag und Mittwoch ist noch trockenes und warmes Wetter zu erwarten.

Bund gegen Wucher und Teuerung.

(SCB) Stuttgart, 19. Aug. Der Bund gegen Wucher und Teue­rung hielt gestern wieder eine Sitzung ab, in der man aufs neue die Mittel besprach, die man geeignet hält, im Kampf gegen Wucher und Teuemng als Waffen zu dienen. Der Vorschläge, die gemacht wur­den, waren es viele; was nun davon auszuführen möglich ist, soll auf zwei Arten geklärt werden: Einmal will man sich von Fachleuten eingehend über volkswirtschaftliche Gesetze und Zusammenhänge auf­klären lasten und eine Art Arbeitsgemeinschaft mit diesen Fachleuten «ingehen,' zum zweiten möchte man nun endlich die breite Oeffent-

Liebe und Freude.

Wir müssen alles, was schön und schwer ist, in unser Herz hineintun, die Sterne, die Pflanzen, die Wolken, die Steine, da­mit es groß und weit werde von ihnen. Dann können wirs f wieder einmal anderen geben, wenn sie es brauchen, das heißt: sie liebhaben. Ludwig Finkh.

Wißt ihr, wie das ist mit der Liebe? Das ist wie mit dem Apfelbaum im Garten der Frau Holle, der stand und rief: Pflücke mich, pflücke mich, meine Aepfel sind alle miteinander reif", und als das Kind kam und anstieß, da rollte ihm der schwere Segen in den Schoß.

; So schwer von Reichtum und Früchtesegen steht ein liebereiches Herz und wartet, ob nicht irgend eine Leere sei, in .die es seine Fülle gießen könne, und ist noch dankbar und froh, -daß es wieder Raum gewinnt zu neuen Trieben.

Anna Schieber.

Und der, dem du die Freude gabst, ihn drängt's, daß er sie weitergibt, in jedem doppelt sich ihr Wesen.

Und manches Herz steht auf und liebt

und manches kranke kann genesen. Schüler.

Plauderei über Gefälligkeiten.

<i,° Von C. Reich.

Nachdruck verboten.

Was wird nicht alles von vielen Menschen als eine kleine Gefäl­ligkeit ausgenommen! Frau B. schickt z. B. mit der Bitte zu Frau 'L ihr doch den großen Einmachkochtopf zu leihen, der ihrige wäre :zu klein, sie möchte Marmelade kochen.

Nach einigen Tagen, da keine Rückgabe erfolgt, geht sich Frau L. .erkundigen, ob die Marmelade geraten ist und findet ihren sorg»

Lied des munteren Wanderers.

Eh' die Sonn' noch aufgegangeip Streif' ich durch die Fluren schon,

Um mich her ein Frühlingsprangen Und ich sing' mit munterm Ton:

Glücklich, wer dich darf durcheilen,

Dich, du himmlisch-schöne Welt,

Wer bei dir als Gast darf weilen,

Ruhen unterm Blätterzelt!"

Und mit sich'rer Hand ergreife Ich den langen Wanderstab

Weiter durch die Welt ich schweife.

Die uns Gott zum Wandern gab.

Siegfried Guillemet-Hirsau.

lichkeit für den Bund, sein Wesen und seine Arbeit interessieren. Das soll geschehen in einer größeren Versammlung, die demnächst ab­gehalten wird und zu der man weite Kreise, insbesondere auch die wirtschaftspolitischen Organisationen einladen will. Auf die einfachste Formel ist man im Kampf gegen Wucher und Teuerung zwar nicht gekommen, nämlich absolute Beschränkung des persönlichen Ver­brauchs auf das Lebensminimum. Man will aber von Bundes wegen den Kampf führen gegen die Herstellung des Alkohols und seinen Verbrauch mit dem Ziel, das in Amerika schon erreicht ist; man will in möglichst radikaler Form Verarbeitung und Genuß von Tabak beschränken und glaubt zu all diesen und einer ganzen Anzahl an­derer Betätigungen die Mitarbeit der Regierungen sich sichern zu müssen, indem man sie nach Möglichkeit stützt und stärkt. Auch auf bas Ausland soll der Einfluß des Bundesgedankens sich erstrecken, indem man gegen den Versailler Vertrag kämpfend für die Schilde­rung des deutschen Elends Raum in der ausländischen Presse zu ge­winnen sucht. Insgesamt aber ist das Ideal des Bundes, über den Parteien alle guten Geister des Volkes zu gemeinsamer Arbeit zu­sammenzufasten.

(SCB.)Goettelfingen, OA. Horb, 18. Aug. Zu dem Bericht über den tödlichen Blitzschlag, dem die 51 Jahre alte Katharina Weber von hier zum Opfer fiel, wird noch ergänzend mitgeteilt, daß von dem gleichen Blitzschlag eine Magd und ein Schulknabe, die etwa drei Meter von der Getöteten entfernt mit Erntearbeiten beschäftigt waren, getroffen und zu Boden geworfen wurden. Diese kamen aber nach einiger Zeit wieder zu sich und glücklich mit dem Schrecken davon.

(SCB.) Stuttgart, 20. Aug. Die Betricbsräteversammlung der Metallindustrie ergab bei den Wahle» des Zentral- und Grup- penrates sowie der Delegierten zur Generalversammlung der Be­triebsräte einen glatten Sieg der Kommunisten, die alle 39 Sitze er­hielten. Im vorigen Jahre waren 9 von diesen 39 Sitzen noch den Vereinigten Sozialdemokraten und Unabhängigen zugefallen. In einer Resolution wurde der Rücktritt der württ. Regierung und die Auflösung des Landtags gefordert.

(SCB.) Stuttgart, 18. Aug. Nach einer Zusammenstellung des Statistischen Landesamts herrschte nach dem Stande vom 15. August die Maul- und Klauenseuche in insgesamt 8 Oberämtern. Sie ver­teilte sich auf 10 Gemeinden, 22 Gehöfte. Neu hinzugckommen sind 4 Gemeinden, 16 Gehöfte. Die Schafräude ist in 12 Oberämtern in insgesamt 23 Gemeinden und 25 Gehöften, die Pferderäude in 5 Oberämtern mit 5 Gemeinden und 5 Gehöften aufgetreten, während die Kopfkrankheit der Pferde in 14 Oberämtern, 21 Gemeinden. 22 Gehöften und di« ansteckende Blutarmut der Pferde in 16 Ober­ämtern, 20 Gemeinden, 21 Gehöften verbreitet ist. Ferner ist in je 1 Gehöft der Oberämter Crailsheim und Göppingen die Schweine­seuche und Schweinepest ausgebrochen.

(SCB.) Heilbronn, 18. Aug. Da nach einem Voranschlag der Abmangel beim Schauspielbetrieb allein 6 Millionen, bei Schauspiel- und Opernbetrteb 11 Millionen Mark betragen würde, da ferner kein angemessener Staatsbeitrag in Aussicht steht und die finanziellen Ver­hältnisse der Stadt ohnehin mißlich sind, hat der Gemeinderat be­schlossen, den Vertrag mit der Theatcrleitung StengKrauß für die Spielzeit 1922/23 nicht zu emeuem, sondern ihr anheim zu stellen, ob sie den Betrieb auf eigene Rechnung übernehmen wolle.

-faltig gehüteten Fruchttopf mit fettiger Speis« auf der Maschine stehen. Für sie ist er nun wertlos, denn sie weiß, daß fortan darin gekochte Früchte verderben würden. Ach bitte Frau B., leihen Sie mir einen Löfel Mehl, ich habe vergessen, welches mitzubringen und es ist gleich Mittag, ich gebe es Ihnen nachher zurück. Ach Sie erlauben wohl, daß Ihr Mädchen schnell einmal für mich zur Post geht. Was haben Sie da für ein hübsches Buch, Frl. R., es scheint sehr interessant zu sein, das könnten Sie mir ein paar Tage leihen, ich bringe es Ihnen tadellos zurück. Es fleht so trübe aus, ich glaube der Regen wird mich überraschen, würdest Du mir nicht Dei­nen Regenschirm leihen? ich schick« ihn dir noch heute durch unser Mädchen zurück.

Das sind alles Gefälligkeiten, die fast ohne Dank, ja mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hingenommen werden. In was für einer Verfassung befindet sich oft ein ausgeliehcn gewesenes und mit großer Mühe zurückerhaltenes Buch! Wochen vergehen meist, bevor man einen verborgten Schirm wiedersieht. Abgesehen davon, daß das Verleihen Störungen im eigenen Haushalt herbeiführen kann denn seltsamerweise braucht man gerade das am ehesten, was man ausgeliehen hat, kann die öftere Entnahme von Kleinigkeiten wie Mehl, Zwiebeln, Kaffee usw. in einem bescheidenen Haushalt gerade­zu einen Verlust bedeuten.

Sehr beklagenswert ist cs, wenn die Gefälligkeiten in das Er­werbsleben eingreifen. Frau Sch. ist Schneiderin, Witwe mit drei Kindern, sie sitzt gerade bei einer sehr eiligen Arbeit, da kommt Frau H. mit der Bitte:Ach liebe Frau Sch., schneiden Sie mir doch für meine Frieda das Jäckchen zu. Bitte, nähen Sie mir mit Ihrer Maschine die paar Nähte zusammen, es geht ja schnell, für Sie ein Augenblick, passendes Garn? ach, das habe ich nicht, aber Sie haben ja Garn in allen Farben vorrätig und es gehört ja nicht viel dazu. Entschuldigen Sie, liebes Fräulein, daß ich Sie bei Ihrer Arbeit störe, aber ich wollte Sie bitten, niir eine Gratulation zu schreiben, meine Nichte in B. hat Geburtstag, Sie verstehen das so

(SCB.) Eltwange», 19. Äug. In der Nacht zum 1. Januar ds. Js. würbe bekanntlich in Tannhausen das Ehepaar Siippl« mit einer Bombe ins Schlafzimmer beehrt, die mit altem Eisen, wie Nägeln, Schrauben usw. gefüllt war. Der Bauer Johannes Spiegel hatte sie geworfen. Da keine Person verletzt wurde, konnte er vom Landgericht Ellwangen am 4. März nur wegen Sachbeschädigung zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt werden. Gegen dieses Urteil hatte er lt. Jpf- und Jagstztg. Revision eingelegt, die jedoch vom Reichsgericht als unbegründet verworfen wurde.

(SCB.) Hall, 19. Aug. Fahrlässige Tötung. Am 6. Juni wurde auf dem Bahnhof eine verheiratete Fra» von Heilbronn, die bei der Durchreise am Bahnhofbuffet eine Er­frischung zu sich nehmen wollte, infolge verspäteten Wiederein­stetgens überfahren und getötet. Diese Tötung fahrlässig ver­schuldet zu haben, war der den Zug begleitende Oberschaffner B. angeklagt. Während nämlich der Diensttuende Beamte die Frau am Einsteigen in den schon ziemlich stark in Bewegung befind­lichen Zug verhindern wollte, verhälf ihr der Angeklagte, der Vorschrift zuwider, hiezu, wobei die Frau zu Fall und unter die Räder kam. Das Schöffengericht sprach den schon 22 Jahre mit tadelloser Führung, im Dienst befindlichen Angeklagten im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn, unter Berücksichtigung seiner guten Führung, an Stelle von 10 Tagen Gefängnis zu der Geldstrafe von 1000 Mark, sowie zur Tragung der Kosten. Der Vertreter der Anklage hatte 1 Jahr Gefängnis beantragt.

(SCB.) Von der bayerischen Grenz«, 18. Aug. In Stillnau wurde der Knecht Rehm vom Blitz getötet. Auf dem Schwcighof brach, wohl infolge Selbstentzündung von Heu, Großfcuer aus, dem sämtliche Oekonomiegebäude mit den Ernte- und Futtervorräte» und landwirtschaftlichen Maschinen zum Opfer fielen.

(SCB.) Bon der bayerischen Grenze, lg, Aug. Die 21jährige Tochter der Familie Hordegen in Burgheim hatte eine kleine Verletzung an der Ferse. Am nächsten Tage wurde von unbe­rufener Hand Karbollösung in die Wunde gespritzt und hinein­gedrückt. Es entstanden sofort unausstehlich« Schmerzen, dann kam Brand und unter furchtbaren Krämpfen trat der Tod ein. Das 3jährige Söhnchen des Oekonomen Leo Jäger in Scheid­egg stieg im Haus auf den zweiräderigen Milchkarren, auf dem ein Faß mit heißer Molke stand. Der Wagen kippte um und der Inhalt des Fasses ergoß sich über das Kind, wobei es derart ver­brüht wurde, daß es unter schrecklichen Schmerzen starb.

Büchertisch.

Oberdeutschland". Eine Monatsschrift für jeden Deutschen. Herausgegeben von Dr. Georg Schmückte und Hermann Missen­harter. Juliheft Preis -4t 18.. VerlagOberdeutschland" (Strecker und Schröder) G. m. b. H. Stuttgart.

Das 10. Heft dieser Monatsschrift bringt vor allem eine Reihe kritischer Arbeiten, die einen in mancher Frage klarer und rich­tiger sehen lernen. So nimmt Carl Christian Brey Preußen unters Mikroskop und findet, daß das so viel gescholtene Be­amtentum gar nicht so fest mit dem preußischen Volkstum ver­wachsen ist, wie man gemeinhin anzunehmen pflegt. Ueber den unglücklichen Schlußsatz aus Emil ErmatingersGeschichte der Deutschen Lyrik" hält Hans Raithel eineWeltliche Predigt", die er dem stärkenden Glauben an die Macht der Persönlichkeit widmet. Adolf Vögtlin schreibt einen längeren Aufsatz über Gottfried Keller, dem eine Reihe Holzschnitte Bruno Gold- schmidts zu Dichtungen Kellers beigegeben sind. In einem sehr sachkundigen AufsatzRenovierte Kirchen am Bodensee" muß Dr. Otto Grub er, Karlsruhe, leider feststellen, daß bei der Renovation der einzelnen Teile allzuoft das Ganze, die Raum­wirkung unberücksichtigt geblieben und verdorben worden ist. Ein trauriges Bild von der Schwäbischen Heimarbeit entwirft Dr. Albert Aich. Zum literarischen Teil steuern Wilhelm Matt- hiesen, August Köhler, Georg Schmückle Märchen und Gedichte und vor allem Ludwig Thoma eine köstliche Skizze bei. Ein­gehend nimmt A. Friedrich einige elsäßische Neuerscheinungen unter die Lupe, eine Würdigung des Kronprinzen-Buches schließt sich an und ein Gang durch die neue Musikliteraiur und literari­sche Anmerkungen beschließen das sehr lesenswerte-Heft.

gut. Frau B. macht noch verschiedene Bemerkungen darüber und Fräulein E., die Gefällige, muß ihre wichtige und eilige Arbeit bei Seite legen, um die gewünschte Gratulation zu schreiben.

Unzählige Arten von Gefälligkeiten könnten noch angeführt wer­den, doch würde es hier zu weit führen. Es scheint fast, als sei das Ablehnen hier angegebener Gefälligkeiten eine Unart, man muß sich aber unter den Erwerbenden einmal umgeschaut haben, um zu wissen, daß die Häufung solcher Gefälligkeiten sie erbittert, sie müssen mit Zeit und Kraft und mit jedem Pfennig rechnen. Zur Entschuldigung dient, daß Frauen, die nie etwas erwerben, kaum etwas zu berechnen brauchen, nicht die leiseste Ahnung haben, daß sie ein Opfer fordern, sie können sich in eine solche Lag« nicht hineindenken. Sie sagen auch wohl: ich kann Ihnen vielleicht auch mal gefällig sein, oder ich revanchiere mich gelegentlich. Diesgelegentlich" ist oft nur eine Phrase, und wenn nicht, liegt in der Gegengabe selten eine Ehre, weil die Schätzung für geleistete Gefälligkeiten gering ist und das Ge­schenk oft in vollständig wertlosen Sachen besteht. Aber auch dort, wo man sich ordentlich revanchiert, wird das Gleichgewicht nicht her­gestellt. Würde den Erwerbenden nicht der Stolz, die Schüchtern­heit, die Mutlosigkeit den Mund schließen, man würde seltsame Dinge erfahren und fortan jeder Gefälligkeit den Kauf oder di« Bestellung vorziehen. Erbetenen Gefälligkeiten schiebt man unwillkürlich das Motiv unter, Ausgaben zu sparen, und deshalb sind Erwerbende stets in Verlegenheit, falls man nach dem Presse fragt. Anstands­halber geschieht das manchmal.

Gefälligkeiten im persönlichen Verkehr sind wohl das Liebens­werteste, sie verraten Aufmerksamkeit auf das Behagen Anderer und eine freundliche Gesinnung. Gefälligkeiten, die eines dem anderen gelegentlich erweist, erstellen wie duftige Blumen, sie sind ein Zeichen fröhlichen Gedenkens, bereitwilliger Hilfe und liebenswürdigen Ent­gegenkommens. Ohne Gefälligkeiten spielt sich kein Leben ab, >ver sich aber gewöhnt, die Gefälligkett anderer in Nnivruch zu der

vergesse nie, daß es eine Grenze gibt.