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Donnerstag, t»e« SS. Inli 1918.
3S. Jahrgang.
ZUM Tode des
Exzaren Nikolaus i!
Ueber das Drama im Leben des Zaren, das am 14. März des vorigen Jahres mit der erzwungenen Abdankung seinen gewaltsamen Anfang nahm, ist min endlich der Vorhang gefallen. Nikolaus Romanow, der einstige mächtige Selbstherrscher aller Reußen, ist nicht mehr! In Jekaterinenburg auf der Fahrt nach einem neuen ,.sicheren" Aufenthaltsort ist er einer Kugel zum Opfer gefallen. Schon einmal war, wie erinnerlich, vor Monatsfrist das Gerächt von der Ermordung des ehemaligen Zaren zu uns gedrungen. Jetzt ist es zur Gewißheit geworden. Damit hat sich ein Geschick vollendet, das von Größe und Macht eines der glänzendsten Throne dieser Welt über die Verbannungsorte und Gefängnisse von Zarskoje Selo und Tobolsk durch tiefste Erniedrigung zum elenden Tode unaufhaltsam hinab den Weg nahm. Das BW, das der gewesene Zar in der Geschichte uns darbietet, ist wie seine ganze Persönlichkeit und sein Charakter zusammengesetzt aus widersprechenden Cu z ickigen, unter denen krankhafte Schwäche und Brutalität, Größenwahn und Blutdurst, Schüchternheit und Eigendünkel in wirrer, grotesker Abwechslung hervorstachen. Wie kann es da Wunder nehmen, daß dieser unselbständige Charakter im Laufe der Jahre immer mehr und mehr zum Spielball der, wie zweifellos feststeht, unter Englands politischem Einfluß handelnden, ehrgeizigen Großfürstenpartei und der Wohl auch im britischen Sold stehenden Höflingsgesellschaft wurde. Dennoch ist das Schicksal Nikolaus II. nicht unverschuldet. Er hat dadurch, daß er die ein Jahrhundert alten Freundschaftsbande mit dem preußischen Königshaus schmählich zerriß und dem Drängen der großrussischen Kriegstreiber willensschwach nachgab, mit den furchtbaren Weltenbrand entfachen helfen und fein Land an den Rand des Abgrunds gebracht. Er hat das gefährliche Spiel um Szepter und Krone leichtfertig begonnen und — verloren, und mußte es nun. mit feinem Leben bezahlen. ' e.
Wir wollen diesem so überaus kläglichen Schicksal des einst so Mächtigen ein menschliches Mitgefühl nicht vorenthalten. Aber wir dürfen doch nie vergessen, daß «s einmal in seiner Hand gelegen hat, uns und ganz Europa die blutigen Geschehnisse d ieses ungeheuersten Krie
ges aller Zeiten zu ersparen. Dennoch verdammen wir die Hand, die sich an einem wehrlosen „Bürger", als der der Zar seit seinem Sturz ja anzufehen war, vergriff; verdammen die rohen Gewalttaten eines Terrors, dem erst kürzlich unser Gesandter Graf Mirbach zum Opfer fiel; und die Tat erregte mit Recht unseren Abscheu, muß daS Entsetzen der ganzen Welt erregen.
Nur in England scheint man anderer Ansicht zü sein. Man lese nur einmal 'die eigenartig gleichnltigen, ja fast eine, verhaltene Befriedigung ausdrückenden Aeuße- rungen, die dm englische Presse vor knapp einem Mona't beim-ersten Auftreten von dem Gerüchte eines Zarenmordes ihren Lesern vorsetzte. .Es hatte ganz den Anschein, als wollte man dort andeuten, daß ihnen „dieser Mann sehr gelegen starb". Und was hat England -zur Rettung seines Verbündeten, der in seinen Diensten unterging, überhaupt getan? Erst benutzte man den garen als geeignetes Werkzeug und Helfershelfer, um
ie eigene Schuld der Brandstiftung am Weltgebäude von
ich abzuwälzen; dann, als er in Not kam und in Todesangst von seinen einstigen Freunden Hilfe erbat, gab man ihm keine Gelegenheit, das rettende Asyl auf dem Juselreich zu erreichen, obwohl Nikolaus Romanow häufig den Wunsch laut werden ließ, England als „Gast" aufsuchen zu dürfen und seiner Zeit Kerenski sich sogar einmal zu einer „Auslieferung" bereit erklärt haben soll. Jetzt hat -sich das Schicksal des einstmals machtgekrönte' Freundes Albions grausig erfüllt. England, das ih, allein hätte retten können, aus Pflichten der Dankbarkeit .raus hätte retten müssen, hat ihn kaltherzig feine' grausigen Geschick überlassen. '
Eine neue diplomatische Aktion des Kaisers Karl.
WTB. verbreitet folgende Meldung des W. K.-Bur.:
Wie äus dem Haag gemeldet wird, veröffentlicht die in Neuyork erscheinende „Evening Post" den Wortlaut eines angeblich an König Ferdinand von Rumänien gerichteten Privatbriefs Kaiser Karls, der in der zweiten Hälfte des Februar abgesandt worden sei. und ^ie Haltung Rumäniens in der Friedcnsfrage entscheidend oeeinflußt haben soll. Der Brief sei einem Vertreter der amerikanischen „Associated Preß" in Jassy durch Ver- tranensmißbrauch bekannt geworden. - In diesem Brief
habe Kaiser Karl den Mmg Ferdinand mit herzlichen Worten auf die großen Gefahren aufmerksam gemacht, die aus der über den Osten hereinbrechenden sozialistischen Welle für alle monarchistischen Staatswesen hervor- -hen. Kaiser Karl habe dann' die Gefahren geschildeG vre bei der Ausbreitung des Bolschewismus über km russische Grenze für Oesterreich-Ungarn entstünden und die in gleicher Weise das rumänische Königshaus bedrohen würden. Deshalb fei Kaiser Karl in seinem Brief dafür eingetreten, daß der rumänische König sich mit ihm und den anderen Monarchen Europas zum Kampf gegen die Anarchie vereinige. Auch habe der Kaiser versprochen, daß, falls König Ferdinand die Verbündeten verlasse, Oesterreich-Ungarn und Deutschland ihn in der Wahrung seines Thrones unterstützen würden. Kaiser Karl habe in dem Brief därgelegt, daß Rumänien von den Verbündeten verlassen worden sei und habe auf
dessen hilflose Lpge gegenüber den mächtigen zentralen Kaiserreichen h'ngewi ßn. Seinen Brief habe der Kaiser
mit folgendem Satz geschlossen: „Dies ist die Zeit, in der die Könige zusammenstehen müssen".
Die vorstehende Mitteilung über den angeblichen und, wie hier gleich festgestellt sei, in Wirklichkeit nicht existierenden Privatbrief des Kaisers an König Ferdinand von Rumänien ist vielfach unrichtig. Der Sachverhalt ist folgender:
Einem im Einvernehmen mit den Verbündeten gestellten Antrag des Ministers des Aeußern Grafen Czerniu entsprechend, hat Kaiser Karl im Februar ds. Js. einen österreichisch-ungarischen Stabsoffizier beauftragt, dem König von Rumänien auf mündlichem Weege eine Mitteilung zugehen zu lassen. Zu jener Zeit haben die Mächte des Vierbunds bereits ihren Waffenstillstand mit Rumänien abgeschlossen gehabt, der Friedensvertrag mit der Ukraine stand an jenem Zeitpunkt in seinen Grundzügen fest, und die Friedensverhandlungen mit Rußland befanden sich in vollem Gange." Der entsandte Offizier- entledigte sich feines Auftrags dadurch, daß er die für König Ferdinand bestimmte Mitteilung des Kaisers Karl einem das persönliche Vertrauen des Königs von Rumänien genießenden rumänischen Offizier zur Weiterleitung bekannt b. Diese in zwei Unterredungen gemachten mündlicben Mitteilungen, aus denen der 'Berichterstatter der ,.Ass ciated Preß" in Jassy einen Brief des Kaisers au. König Ferdinand von Rumänien aemackt hat, lauteten: .
v38 tteiäeprinxeüeken
Von E. Marlitt - ..si.M
„Dante Christine!" rief ich tief ergriffen.
. „Mein kleiner Engel, gelt. Du glaubst nicht, daß rch eine Verbrecherin bin?" sagte sie, mir sanft das Kinn streichelnd. „Die bösen Menschen, wie Hetzen sie mich mit ihren Verleumdungen durch das Leben!... Und in welcher entsetzlichen Lage bin ich nun, wo Dein strenger Vater mich unerbittlich verstößt! Kind, mit dem letzten Pfennig habe ich K. erreicht — ich wollte ja Dich sehen, Dich, meine kleine Lenore!... Goft im Himmel, nur für einige Tage ein Obdach, dann werde ich mir weiterhelfen!"
Das war eine peinliche Lage für mich! Ohne ein Wort zu sagen, führte ich meine Tante die Treppe hinab und hinaus über den Kiesplatz. Der alte Gärtner Schäfer kam gerade auf uns zu. Das Schweizerhäuschcn war fem Eigentum, und ich wußte, daß er seine bessere Suche öfter an Fremde vermietete. Ich fragte ihn und er war sofort bereit, meine Tante aufzuuehmen. Sie ging s Ort mit dem alten Manne, der sie nach der Tür füh'w zu welcher ich den Schlüssel hatte. Schäfer vermochte kaum, Schritt mit ihr zu halten, so trieb meine Taute vorwärts und ich blieb, trotz aller Bemühungen, eine ziemliche .Strecke hinter ihnen zurück.
Ich fand das Erkerstübchen, in welches uns Schäfer führte, überaus hübsch. Meine Tante warf Hut und Mantel ab und stand in könig-Manem Sammetkleide vor mir. An den Nähten war das Prachtgcwand freilich verblichen und abgeschabt, aber es umschloß einen tanuen- fchlanken Wuchs. Und welch ein Haar! Ueber der Stirn kräuselten sich die blauschwarzen Locken, sie fielen lang und voll über Rücken und Brust hinab.
Diese unverhohlene. Bewunderung las sie jedenfalls auf meinem Gesicht.
„Nun, kleine Lenore, gefällt Dir Deine Tante?" fragte sie schelmisch lächelnd. ^
„Ach, Du bist zu schön!" rief ich enthusiastisch. „Und so jung, so jung — wie ist das nur möglich? Du bist doch drei Jahre älter als mein Vater!"
Ihre Augen fuhren suchend im Zimmer umher und blieben auf dem kleinen Spiegel an der Fensterwand bäugen.
„Ach, das geht wirklich nicht!" fuhr sie ganz erschrocken auf. „In diesem Scherben steht mau ja kaum die Nasenspitze!... Wie soll ich denn Toilette machen? Gelt, Du verschaffst mir ein anständiges Glas, damit ich meine gewohnte Ordnung habe?... Da drüben in dem Schlosse, wo Du augenblicklich wohnst, gibt es gewiß irgend einen überflüssigen Spiegel, Kindchen — im Vertrauen — jede Aufmerksamkeit, die Du mir erzeigst, wird Dir später von einer andern Seite tausendmal gedankt werden.... Lasse getrost herüberschaffen, was ich zur Bequemlichkeit nötig habe — ich werde es verantworten."
„Wie kann ich denn das, Tante?" antwortete ich ganz verdutzt. „Die Möbel in unseren Zimmern gehören ja Herrn Claudius!"
Sie lächelte.
„Ich möchte nicht einen Stuhl anders stellen, als ich ihn gefunden habe," fuhr ich ernstlich protestierend fort. „Aus der Karolinenlust kann ich Dir mit dem besten Willen nichts verschaffen; aber vielleicht gibt die Frau Helldorf, was Du brauchst — wir wollen hinaufgehen."
ES schlug mich sehr nieder, als Frau Helldorf meine schöne Tante mit einem sichtlich befremdeten Blicke empfing, und als ich mit der Bitte um den Spiegel zögernd herausrückte, da wurde meine Freundin noch zurückhaltender, nahm aber den großen Spiegel — ihren einzigen — von der Wand, übergab ihn der schönen Frau und sagte mit unverkennbarem Spott: „Ich kann mich auch so behelfen."
„Seien Sie vorsichtig, Lenore, ich bitte Sie dringend! Ich werde auch wachen," flüsterte sie mir auf dem Vorzimmer zu, während das blaue Sammetkleid im Trevpen- hause vesichwaud. . -. —
Sehr kleinlaut' legte ich drunten meine kleine Börse sauf den Tisch. Ich erhielt dafür einen Kuß und die ' Versicherung, daß mir in kurzer Zeit „alle meine kleinen > Opfer" tausendfache Zinsen eintragen würden. Weil ich den Sinn dieser Worte nicht verstand, kehrte ich mit doppelt schweren! Herzen in die Karoliucnlust zurück.
Die Abenddämmerung brach herein, als ich wieder in die Bibliothek trat. Mein Vater erwähnte die verstoßene Schwester mit keinem Worte — er mochte denken, sie werde feinen Weg nie wieder kreuzen.
„Es ist schon spät" — sagte ich zögernd — „Du hast wohl vergessen, daß die Prinzessin heute kommt, um das große Glashaus auch in Gasbeleuchtung zu sehen?"
„Ach mein Gott, was soll ich im Glashause!" rief er ungeduldig. „Nichts, nichts! — Was geht mich die Prinzessin an, was der Herzog!"
Tief erschrocken suchte ich ihn zu beruhigen. „Ganz wie Tu willst, Vater,si sagte ich. „Ich werde sogleich iu das Vorderhaus schicken und für uns Beide absagen lassen —"
„Nein, nein, Du gehst, Lorchen!" unterbrach er mich milder. „Ich wünsche es um der Prinzessin willen, die Dich lieb hat, und möchte auch gern heute Abend allein sein."
Ich schürte das Feuer im Ofen und machte den Teetisch fertig; dann ging ich beklommenen Herzens hinunter und machte Toilette, das heißt, ich^ nahm zum ersten Male wieder die Perlen meiner Großmutter aus der Schachtel und schlang die lange Schnur durch meine Locken. Weit auffallender als am Halse, lagen die feucht und bläulich schimmernden Tropfen schwer in dem dunklen -Haar — und das wollte ich eben; wer wußte, wann die Prinzessin wieder in das Clandinshaus kam!...
Es war spät geworden, als ich endlich über die Brücke nach dem Glashause schritt. Einen Augenblick blieb ich geblendet stellen: wolun icki sab. streckten sich mir die
und
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eirtgegen.