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Donnerstag, den 2V. Juni 1918

oder die Militärdiktätüv«

TieKöln. Ztg." meldet aus Bern: /

Hinter den Kulissen der Verbandspolitik ssiielen sich gegenwärtig erbitterte Kämpfe ab. Drei Richtungen tre­ten immer schärfer hervor: 1. Poincares und sei­nes Busenfreundes Briaud Feindschaft gegen Clemen- ceau nimmt täglich zu und ist bereits zu offenen Ankla­gen Briands gegen Clemenceau gediehen, dessen auswär­tige Politik er scharf kritisiert und dessen diplomatisches Geschick er lächerlich macht; er findet-dabei ein lebhaftes Echo in einem Teil der englischen Presse und rechnet auf Zuzug aus den Reihen der Linksrepublikaner. Ob letztere Rechnung richtig ist, bleibe dahingestellt. Man darf nicht vergessen, daß die sozialistischen Gruppen Briaud als Verräter betrachten und Poincare anschul­digen, mit der Rechten zu liebäugeln, anderseits fühlen sie sich unter der starken Hand Clemenceaus unbehaglich, -2, Clemenceau steht augenscheinlich in sehr nahen Be Ziehungen zu der französischen Armeeleitung und würde eine Diktatur des Säbels einem Ministerium Briaud vorziehen, Tas Bemerkenswerte dabei ist, daß man in ernsthaften politischen Kreisen Frankreichs zu der Annahme neigt, eine Militärdiktatur würde zu F r i e- d e ns v erh a n d l u n g e n geneigt sein. Tiefer wohl trü­gerische Glaube verschafft der Militärpartei innerhalb des Bürgertums viele Anhänger; diese Kreise sind kriegsmilde und fürchten die rote Revolution, 3, Lloyd George steht sowohl Poineare-Briand wie Clemenceau gleich miß­trauisch und ablehnend gegenüber; die Stimmung zwi­schen seiner und der Regierung Clemenceaus ist mehr als frostig. Die Engländer empfinden es nls bitter, daß sie von der ersten an die dritte Stelle (hinter Ame­rikaner und Franzosen) gerückt sind; es ist daher er­klärlich, daß in England die Opposition gegen den leitenden Staatsmann im Wachsen begriffen ist. Wie verzwickt die Verhältnisse gegenwärtig liegen, geht dar­aus hervor, daß Lloyd George den Sturz Ele­mente aus wünscht, aber gleichzeitig fürchtet, durch einen solchen selbst von der politischen Bühne weggeweht 'n werden.

Aller Micke richten sich hilfesuchend nach Washing­ton. Heute kann Wilson bestimmen, wer in.England

nd in Frankreich Herr sein soll. Er kann befehlen: aber sein Befehl wird nur eine der sich befehdenden Parteien befriedigen und die unterliegenden werden sich nur dann widerspruchslos fügen, wenn Amerika die so nge versprochene Hilfe in solchem Maße liefert, daß sie das Schicksal des Krieges zugunsten des Verbunds' zu wenden verinag. Daran zweifelt man aber diessen« wie jenseit des Kanals, Clemenceau und Lloyd George wissen, daß den letzten die Hunde beißen, und dieses wenig beneidenswerte Schicksal möchte jeder gern dem andern überlassen, Clemenceau hat weithin sichtbare Fehler; ihm mangelt politischer Weitblick, er ist ein blindwütiger Deutschenhasser, aber auch der Gegner wird ihm nicht ab- sprecheu, daß er Patriot ist, daß er einen starken Willen und eine unbeugsame Tatkraft besitzt. Man darf ihm zutrauen, daß er in dem Augenblick, in dem er das für richtig hält, nicht davor zurückschrecken würde, den gor­dischen Knoten zu durchhaüen und die Militärdiktatur in Frankreich zu errichten, die einzige Macht, welche Frankreich auch nach seiner Meinung den Frieden brin­gen, cs vor gänzlichem Untergange bewahren könnte. - -

35. I«hrga«g.

eure Kinder vor dem Sommer! F z

Von Prof. C. T- Noeggerath, '

Direktor der Universitäts-Kinderklinik Freiburg i. B. A Der Sommer scheint diesmal sehr warm zu werden. Da ,-iht's sich vorsehen, daß er neben dem Segen nicht auch Unheil bringt. Denn das vermag er leider. Wissen wir doch.

laß der Sömmerhihe alljährlich viele Zehntausende von Säug-

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liegen zum'Opfer fallen. Im heißen Jahre 1911 waren es fast WO 000! Das sind sehr ernstliche Verluste, zumal sie meist --Lmeidbar sind.

Jeder Erwachsene weiß, daß er sich an schwülen Sommer- wgen schlaff fühlt, daß er keinen rechten Hunger, aber umsomehr Wurst hat. So geht es natürlich auch dem' Säugling. Durch lancherlci Untersuchungen wissen wir, daß die 'Absonderung der Wcrdauungsflüssigkeiten in dem Magen und Dünndarm, die die Aufgabe haben, 'eingefllhrte Nahrungsmittel so zu verändern, daß iie in den Körper ausgenommen und dort verwertet werden können, unter dem Eindruck der Hitze stark zurückgeht. Da­uben verliert der Säugling aber genau wie der Erwachsene - kurch den Schweiß und mit der Atmungsluft sehr viel Wässer.

Lr wird also durstig. Diesem Durst gibt er durch gieriges 'Ver-

"" Was tut

äugen nach der Brust oder dem Schoppen Ausdruck lie Mutter? Sie reicht ihm die Nahrung, ja sie gibt sie ihm Pt und häufiger.und reichlicher als sonst. Ist das richtig? Reinl Das ist sogar sehr gefährlich. Denn die Milch, ?der der Schoppen enthält ja nicht nur Wasser gegen den Durst, andern daneben noch eine vollkommene Mahlzeit, aus Eiweiü,

Fett Zucker, Mehlen und Salzen. Das Kind bekommt KlsS nicht nur mehr Nahrung als an Kühlen Tagen, sondern dies Mehr an Nahrung wird auch noch in einen Magen Darm­kanal hineingegosseu, der zu wenig Berdauungsflüssigkeit enthält, der also weniger leistungsfähig ist, als in Kühlen Tagev.^ Die Verdauungswerkteuge werden natürlich dadurch überlaste»/ -Aber hierbei bleibt es nicht. Denn ebenfalls infolge der Hitze wird der Darm noch anderweitig geschädigt. Jedermann weiß, daß in ihm Millionen von Keimen (Bakterien) leben, die bei der Verdauung der Nahrung Mitwirken. Nun ist es so ein­gerichtet, daß nur gewissen Arten von ihnen und diese wiederum nur bei bestimmter Verbreitung über die einzelnen Abschnitte des Darmrohrs den für die Ernährung günstigen Zustand dar­stellen. Das Organ, -das diese Darmbaktcrien durch geheimnis­volle und noch durchaus ungeklärte Kräfte in Ordnung hält, ist wiederum die Darmwand. / Auch diese keimregelnde Eigenschaft schädigt offenbar die Hitze. Und doch werden auch in dieser Beziehung wicper wenigstens bei der Schoppennahrung an den Darm in der heißen Zeit vermehrte Ansprüche gestellt. Enthält doch im Sommer die Milchnahrung, wenn sie nicht ganz besonders vorsichtig gepflegt wird, bedeutend mehr Kcirmr- äls in kühleren Jahreszeiten. Denn unter dem Einfluß- dr.<- Wärms wuchern die Bakterien in ihr mährend der langen Stun­den, die zwischen dem Melken und Trinken verstreichen aufs üppigste. Selbst wenn man die Milch nachher noch abkocht und so die Keime mehr oder weniger vernichtet, so bleiben dock die vermehrt gebildeten Erzeugnisse ihrer Lebenstätigkeit in bei ' Milch zurück, von denen manche schädlich wirken. '

Wir sehen also, daß die durch die Hitze in ihrer ArbeitÄ Kraft und bakterienbeherrschenden Fähigkeit geschwächter Ernäh- rungswerkzeuge des Säuglings im Sommer ganz)gewöhnlich vor übergroße Arbeit gestellt werden. Kann es da Wunder nehmen, wenn sie versagen und das Kind krank wird?

Kennt man aber diese Zusammenhänge, so ist es ein Leichtes, den Gefahren des Sommers vorzubeugen. An der Spitze der Verhaltungsmaßregeln ist die dringende' Mahnung zu setzen, möglichst jeden Säugling an der Brust der Mutter zu stillen und ihn ja nicht ohne sehr ernste Gründe, nie aber ohne den Rat eines Arztes in der heißen Zeit abzusetzen. Warum? Im Sommer sterben um 1,8 mal mehr Brustkinder, als kn den übrigen Monaten. Bet den Flaschenkindern sind es aber sechsmal so viel. Bedenkt man nun, daß an sich auch sonst fl> sehr viel mehr Flaschenkinder sterben als Brustkinder, so bekommt diese um das sechsfache erhöhte Sommersterblichkeit chre richtige und ernste Bedeutung. ... ^

, ' Schluß folgt.) - ' ', F

' D . .. ^

Der

WDB, Großes Hauptquartier, 26. Juni. (Amtlich.)

Westlicher Kriegsschauplatz:

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:

'Südlich der Scarpe griff der Engländer Lesterm

1)38

V»n E. Marlitt

sie zu unterstützen. Die" Prinzessin raffte sich auf und wies sie mit einer stolzen' Bewegung zurück.

' Fräulein Fliedner kam in diesem Augenblick feier­lich die Treppe herunter und meldete unter einet -tiefen Verbeugung, daß alles aufgeschlossen sei. Das altertümliche Kaufmannshaus interessierte die Prinzes­sin lebhaft, sie wünschte, auch den oberen Stock zu sehen, nachdem ihr Herr Claudius gesagt hatte, daß die Einrich­tung zum größten Test seit langeil Jahren unangetastet geblieben sei_ i

Meine Augen folgten unwillkürlich Herr Claudius, Zals er «eben der fürstlichen Frau langsam die Treppe jhinaufstieg. Charlotte hatte Recht in seiner stolzen 'Zurückhaltung und Würde sahder Krämer" ans, als -Beehre er die hohen Gäste, und mir war es plötzlich, wie -wenn dieser Nimbus ungesnchter Hoheit auch über das alte finstere Haus seiner Väter flösse, über die gewaltigen Steinwölbungen, von denen jedes Wort, jeder Schritt majestätisch widerhallte.

Der strenge Geist echt deutschen Bürgertums, den Zimmer und Wände hier gleichsam gefangen hielten, mochte die Prinzessin wunderlich genug anmuten. Sie trat durch die offene Tür des ersten Salons und ergriff mit.beiden Händen einen silbernen Humpen, ein riesiges Gebilde, das auf einem Eichentisch inmitten des Zimmers funkelte. La­chend versuchte sie ihn an die Lippen zu führen, in s diesem Augenblick stand Herr Claudius mit einem raschen Schritt neben ihr und sing. das schwere Gefäß, auf es war ihren Händen entglitten; sie aber starrte bleichen Angesichts auf das Bild des schönen Lothar.

Mein Gott, mein Gott!" stammelte sie und legte die Hand über die Augen.

Wenn etwas uns rasch die Besonnenheit in peinlichen i Momenten zurückgibt, so ist es der plumpe Ausdruck ! geheuchelter Besorgnis anderer... Fräulein von Wst^en- spring stürzte aus ihre Herrin zu und machte Ansta.:en.

Was fällt Ihnen ein, Constanze?" sagte sie mit leise zitternder Stimme.Darf man nicht beivegt fein, wenn man eine längst abgeschiedene Gestalt plötzlich in solcher Lebendigkeit vor sich sieht?... Im Glashaus muß mein Flakon liegen geblieben fein, es wäre mir lieb, wenn Sie es holen wollten."

Das Hoffräulein und Herr von Wismar verschwände,! sofort. Dagobert und Charlotte zogen sich in eine Fenster­nische hinter die undurchdringlichen Vorhänge zurück, und mein Vater stand bereits iin Nebenzimmer und betrachtete ein geschnitztes Kruzifix. Das Zimmer war für einen Moment scheinbar leer geworden, Tief aufatmend trat die Prinzessin vor das Bild nach einer Pause des lautlosesten Schweigens winkte sie Herrn ^ Claudius neben sich.

Hat Lothar das Bild für Sie malen lassen?" fragte sie mit fliegendem Athen:.

Nein, Hoheit."

Dann wissen Sie auch nicht, wer es einst be­sessen hat?"

Es ist der einzige Gegenstand, den ich aus der ehe­maligen Wohnung meines Bruders an mich genommen habe."

Ah, die Wohnung in der Karolinenlust," atmete sie erleichtert auf;also aus seinen eigenen Zimmern... Wer mag es gemalt haben? Das ist nicht der Pinsel unseres alten, pedantischen Hofmalers Krause der war niemals fähig, so überwältigend die Seele in das Auge zu legen." -

Sie schwieg einen Moment und preßte das Taschen­tuch an die Lippen.

Es kann nicht lange vor seinem Heinigang ge­malt sein," fuhr sie in vibrierenden Tönen fort.Ties Silb-rßerochen, das da zwischen seinen anderen Orden

hervorsieht, hat meine Schwester Sidonie zwei Jahre vor ihrem Tode auf einer Landpartie in übermütiger Laune gestiftet es trug die DeviseTreu und verschwie­gen" und hatte für die Dekorierten keinen anderen Wert, als die Erinnerung an einen froh verlebten Augen­blick."...

Abermals Totenstille, die nur ein schwaches Rau­schen der Seidenvorhänge unterbrach.

Seltsam," fuhr dis Prinzessin plötzlich empor, Claudius trug nie Ringe, man sagte ihm nach, aus Eitelkeit, damit die unvergleichlich schöne Form seiner Hand nicht beeinträchtigt werde, und da da sehen Sie doch den Streifen am Goldfinger der linken Hand... ich habe diese Hand genau gekannt, ich habe sie oft gesehen, aber bis zu jenem unseligen Augenblick stets ohne diesen eigentümlichen einfachen Reifen was soll er hier? Er sieht aus wie ein Trauring."

Herr Claudius antwortete mit keinem Laut seine feinen Lippen, die sich stets fest aneinanderschlossen, wie man dies häufig bei tief nachdenkenden Naturen findet, bildeten eine noch schärfere Linie als sonst; ob er wohl, gleich mir, Charlottens Augen bemerkte, die förmlich glühend an seinem Gesicht hingen?

Mein Gott, wohin versteigt sich meine Phantasie.'" sagte die Prinzessin nach einer kurzen Pause mit einem melancholischen Lächeln.Er war ja nicht einmal vcr-. lobt nein, nie, die ganze Welt weiß das... Gleich­wohl, sagen Sie mir aufrichtig, hat wirklich niemand das Bild nach seinem Tode verlangt?"

Hoheit, es existiert niemand außer mir, der irgend welchen Anspruch auf Lothars Nachlaß hätte."

Was war das?... Tie Antwort war so vollkom­men unbefangen und trug so unverkennbar das Gepräge strenger Wahrhaftigkeit, daß ein Zweifel undenkbar schien. Charlotte fuhr mit bleichem Gesicht und allen Zeichen eines tätlichen Schreckens unter der Gardine her-wr sie.hatte offenbar denselben Eindruck empfangen wie ich.

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