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Uv. 198
Sonntagsgedanken.
Sonntag.
Ter Mensch, wie sehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tausend Erscheinungen, hebt doch den Blick sehneni zürn Himmel auf, der sich in unermessenen Räumen über ihn wölbt, weil er tief und klar in sich fühlt, daß er ein Burger jenes geistigen Reiches sei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen und aufzugeben vermögen.
Goethe.
Ich fühle, wie sich eine Hand - . .
segnend über mich breitet; O-D
tote mich aus Sturm und Feuersbrand .? Liebe sicher geleitet, s
wie ein fernes blühendes Land ^
Auge und Seele weitet. —
Jcb fühle wie sich eine Hand
segnend über mich breitet. C. Lange.
Wochenrundschau.
Die Erklärung des Reichskanzlers zu der Friedensnote des Papstes in der Dienstag-Sitzung des .Hauptausschusses hat wohl manche Erwartungen enttä-s ^ t, die durch die etwas breitspurige Ankündigung seiner Rede gehegt worden sein mochten. Aber in dem Augenblick konnte der Reichskanzler unmöglich sich präziser ausdrücken, als ;r es getan hat: die Note, die der eigensten Entschlie- sung des Papstes entsprang, ist von Deutschland wegen der darin bekundeten Bemühung, den Frieden anbahnen zu helfen, mit Sympathie ausgenommen worden. Wir werden sie nach Absprache mit unseren Bundesgenossen demnächst beantworten. Aus der sympathischen Aufnahme .'ann man aber noch nicht den Schluß ziehen, daß der Reichskanzler auch mit dem Inhalt der Note einver- 'tanden wäre. Er geht auf den Inhalt gar nicht ein, chon deshalb nicht, weil er der freien Willensmeinung o-->r Bundesgenossen, mit denen Verhandlungen über die offizielle Stellungnahme zur Friedensnote schweben, loya- 'erweise nicht vorgreifeu will. Aber das steht ihm fest: solange unsere Feinde am Bernichtungswillen festhalten, st es für uns nicht möglich, mit einem Friedensangebot
Samstag, de« SS. Anglist 191V.
34. Jahrgang
hervorzutreten. Tie Feinde erheben Ansprüche, wie wenn sie die Sieger wären. Demgegenüber weist der Reichskanzler auf die Faktoren hin, auf denen unsere Stärke beruht: Unerschütterlichteit des Bündnisses, Einhcitlichke^ der Kriegführung, Wirksamkeit des Tauchbootkrieges nun günstige Stellung auf den Kriegsschauplätzen, trefflich belegt durch den Bericht Hindenburgs. In solcher Lage läßt sich kein Reich darauf ein, Teile seines Besitzstandes hinzugeben und ans die politische, militärische und wirtschaftliche Sicherung seiner Zukunft zu verzichten. Recht wirkungsvoll zeigt endlich der Reichskanzler, auf welcher Seite die Hindernisse für einen möglichen Frieden liegen, indem er Enthüllungen macht über einen weiteren Ge heim vertrag vom 4. März 1915 zwischen Rußland, Frankreich und England, dem ohne Zweifel später auch Italien beigetreten ist. Dieser Vertrag bezweckt nichts anderes, als die Vernichtung der Türkei und die Aufteilung ihres Gebiets unter die vier Vertragsstaaten. Tas Eroberungsprogramm der russischen Kadettenpartei, von Miljukow am Vorabend der Revolution verkündet, soll erfüllt werden: Rußland erhält die europäische Türkei und fast die ganze Landschaft Bilhynien im Norden Kleinasiens, dazu Armenien; Italien will das südlich oavon gelegene kleinasiatische Küstenland mit den ägäi- schen Inseln; Frankreich sichert sich die Südküste mit Syrien, und England begnügt sich mit dem Hanptstück: dein Zweistromland, Palästina und Arabien kommen als besonderer Staatenbund unter englische Oberhoheit. Was noch übrig ist, ein kleines Stück Binnenland in Klein- asien, mag vorläufig den Türken verbleiben, denselben Türken, die in diesem Krieg bewiesen haben, ein welch lebenskräftiges und tüchtiges Volk sie sind. Dieser schändliche Vertrag ist bis heute noch nicht widerrufen worden, er besteht also noch. Es wäre Verrat, wenn Deutschland einen treuen Bundesgenossen im Stiche ließe, auch wenn es selbst die größten Vorteile gewänne. Ter Reichskanzler fand daher ungeteilte Zustimmung, als er er- . klärte, solange solche Absichten bei unseren Feinden be- > ständen, sei ein Frieden unmöglich. Wir sind zum Frieden ! bereit, aber, wenn nötig, zur Fortsetzung des Kampfes entschlossen.
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Reichskanzler und dem Hauptausschnß des Reichstags ist am zweiten Verhandlungstag dc§ Ausschusses (Mittwochs
ausgebrochen. Den Zankapfel hat wieder der Abgeordnete Erzberger in die Runde der Reichstagsgötter geworfen. Er bemängelte es, daß Reichskanzler Tr. Michaelis in seiner Reichstagsrede vom 19. Juli, in der er zu der bekannten Friedensentschließung der gegenwärtigen Reichstagsmehrheit Stellung nahm, seine Zustimmung zu der Entschließung durch die Worte einschränkte: „so wie ich sie auffasse". Erzberger sprach dem Reichskanzler das Recht der eigenen Austastung ab; er habe die Entschließung hinzunehmen, wie sie von der Mehrheit gegeben sei, und sie so zum Vollzug zu bringen. Der Reichskanzler wies demgegenüber darauf hin, daß er schon in der Vorbesprechung mit den Vertretern der Mehrherts- parteien keinen Zweifel darüber gelassen habe, daß er in der Auslegung der Entschließung, über die innerhalb der Mehrheitsparteien selbst abweichende Ansichten beständen, seine eigene Meinung sich Vorbehalte. Dagegen verwahrten sich die im Hauptausschuß vertretenen Mehr- peitsparteien und sie bestritten in einer ziemlich schroE gehaltenen gemeinsamen Erklärung, 1. daß ihre Vertreter in der Vorbesprechung mit dem Reichskanzler den Eindruck gewonnen hätten, als vb dieser nicht durchaus üuf dem Boden der Friedensentschließung (Berzichtfrieden) stunde, und 2. daß innerhalb der Mehrheitspartcten irgendwelche Schattierungen" in der Auffassung über die Kriegsziele vorhanden seien «oder gewesen seien. De«. .Reichskanzler betonte, er gehe von seiner im Reichstag '' abgegebenen Erklärung nicht ab, er wolle aber den Nachdruck mehr auf das Gemeinsame der Auffassung, als auf seinen Vorbehalt legen. Darauf zogen die Ausschußmitglieder der Mehrheit den ersten Teil ihrer Gegenerklärung zurück. — Tier Streit scheint auf den ersten Blick willkürlich vom Zaun gebrochen zu sein; er hat aber in Wirklichkeit tiefer liegende Ursachen und ist nicht ohne Zusammenhang. Das zeigt die weitere Entwicklung der Dinge. — Nach der Mittagssitzung des Hauptausschusses am Mittwoch begab sich der Abgeordnete vvn Payer zum Reichskanzler und stellte an ihn in der Form eines Ultimatums die Forderung, daß er sich bedingungslos -auf den Boden der Friedensentschließung zu stellen habe, wenn er weiter mit dem „Vertrauen" der Mehrheitsparteien (denen nach neuerlichem Fraktionsbeschluß nunmehr auch die Nationalliberalen beigetreten sind) rechnen wolle. Der Reichskanzler erklärte sich dazu schließlich bereit. Abends fand sodann beim Reichskanzler,eine
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Roman von Friedrich G e r st ä ck e r. " (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Mr. Hewes hatte indessen den jungen Mann schweigend beobachtet, und daß dieser auch keine Ahnung davon gehabt, die frühere Geliebte hier als verheiratete Frau anzntreffen, war unverkennbar. Die Lady war ihm aber doch ein wenig zu früh erschienen, er selber hatte Halay darauf vorbereiten wollen, weil er ein anderes Resultat einer solchen unerwarteten Begegnung fürchtete. Jetzt aber, da alles so glücklich abgelaufen, schien er auch damit zufrieden und ein leises Lächeln spielte sogar um seine Lippen, dem sich aber doch ein bitteres Gefühl beimischte. Wirre, wunderliche Gedanken waren es, die auch ihm durch den Sinn zuckten. Endlich sagte er:
„Nehmen Sie ihren Stuhl wieder, Halay, meine Frau hat uns gestört und erschien eigentlich ein wenig zu früh, mehr alls Titelbild wie als Illustration zu meiner Erzählung. Bitte, setzen Sie sich, und lassen Sie uns noch ein Glas Wein nehmen, wir werden auch jetzt nicht werter gestört werden. Ihre Zigarre ist Ihnen ausgegangen, wre?"
George sah ihn noch immer wie im Traum an- H wes aber, ihm ruhig Zeit lassend, sich zu sammeln, füll sein Glas wreder, schob es ihm hin und sagte dann:
. "Sie hatten keine Ahnung, daß Miß Jenny Woc meine Frau geworden?"
„Nein," erwiderte der junge Mann, indem er de rhm gebotene Glas fast mechanisch annahm und leert „und ich fasse das Ganze nicht." ^
„Die Sache kam etwas rasch." - i '
„Ich begreife jetzt noch nicht, wie es möglich ij Sre müßte sich ja unmittelbar nach meinem Verschwinde verheiratet haben, und ich glaubte,4-..; . - .
„Daß sie Ihnen treu bleiben würde," fügte Hewes fast mehr mit sich selber redend hinzu, „doch, Sie dürfen sie deshalb nicht zu hart tadeln, sie glaubte sich von Ihnen böslich verlassen."
„Und wie konnte sie das? derzeit mußte sie mich doch kennen, wenn sie mir ihr Leben anvertranen wollte".
Hewes schwieg eine Weile, endlich fuhr er langsam
fort:
„Es sprach manches gegen Sie. Ich kam am nächsten Tag in Geschäften nach Newyork zurück und hörte den Vorfall besprechen. Sie hatten einen kleinen Zank mit ihr gehabt, ein nicht unmögliches Ding, denn Jenny ist ein wenig reizbar, und verließen unmittelbar danach das Hans. Im nächsten Tag kehrten sie nicht zurück. Tie Trauung war angesetzt, die Gäste hatte man schon geladen, und als der Hochzeitstag erschien, fehlte der Bräutigam. Von Ihren Eltern wie von Woods aus wurden jetzt Nachforschungen angestellt, aber cs ergab sich nichts daraus, als daß Sie, niemand konnte ahnen weshalb, ein Bündel mit Ihren gewöhnlichen Kleidern in Ihre Wohnung geschickt hätten. Natürlich mußten Sie sich irgendwo einen andern Anzug gekauft haben, aber zu welchem Zweck, wenn Sie nicht ungekannt sein wollten?
Jenny war außer sich; alle Damen ihrer Bekanntschaft kamen unter dem Vorwand zu gratulieren, in Wirklichkeit aber um das Nähere über Ihr rätselhaftes Verschwinden zu erfahren. Daß Sie verunglückt sein könnten, schien nicht glaubhaft, denn das Wechseln der Kleider deutete mehr auf eine vorberechnete Handlung hin. Sie wissen, Mr. Halay, daß ich mich früher ebenfalls um Miß Wood beworben hatte; ich nahm noch immer das regste Interesse an ihrem Schicksal und suchte ihr (väterliches Haus wieder auf, denn ich muß Ihnen gestehen, daß ich damals selber glaubte, Sie hätten sich der Verbindung, ans mir freilich unerklärlichen Gründen, entzogen. Ich fand Jenny weniger aufgeklärt in Schmerz, als aufs tiefste gekränkt und in ihrem Stolz beleidigt.
An ihrem angesetzten Hochzeitstage bekam sie hestigl Krämpfe und mußte drei Tage das Bett hüten, aber ju erholte sich bald wieder, und schien von da an schöner und lebendiger als je."
Hewes schwieg eine kurze Weile — es war fast, als ob ec ein Kapitel berühre, über das er selber am liebsten weggegangen wäre; aber es ließ sich eben nicht umgehen und mußte besprochen werden, und er fuhr endlick fort:
„Ich muß Ihnen gestehen, Halay, daß die alte Neigung zu dem jungen Mädchen noch immer in meinem Herzen sortlebte. Ich war bis über die Obren verliebt und dadurch geblendet. Jenny erklärte mir bei einer Zusammenkunft, daß Sie — unverantwortlich an ihr gehandelt hätten und sie nie im Leben die Ihre werden wolle. Ich — ließ mich Hinreißen und bat sie, die Meine zu sein — sie willigte ein, und da ich in derselben Woche diese Stellung in Chile erhielt, die für mich eine neue Carrier« eröffnete, wurde unsere Verbindung kaum 14 Tage nach Ihrem Verschwinden schon in ihres Vaters Hause gefeiert. Ich war glücklich" — setzte Hewes nach'einer kleine» Pause hinzu, „und bedachte nicht, daß ihrem raschen Jawort vielleicht mehr beleidigter Stolz als wirkliche Liebe zu mir znm Grund gelegen."
George hatte ihm, während er svrach, vollkommen ruhig und leidenschaftslos zugehört. Sein Auge haftete dabei auch nicht ans dem Redenden, sondern schweifte durch das Fenster hinaus, nach dem weit n Horizont des Meeres hinüber, und wunderliche Bilder waren es, die vor seinem inneren Blick heransstiegen. Nur als Hewes schwieg, drehte er ihm langsam sein Antlitz zu und sagte leise:
„Und sind Sie glücklich in Jennys Besitz geworden?" l Z . (Fortsetzung folgt.) ^ .