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Ur. 117
Donnerstag, den 18. Mai 1916.
33. Iahrg.
Der Status quo ante bellum.
Man mag die Engländer nach den verschiedensten Gesichtspunkten so tief einschätzen, als man will, eines wird man ihnen zugestehen müssen: in der Verfolgung eines Vorgesetzten Zieles sind sie groß. Das engl s>he Ziel s eit mehr als 20 Jahren war: D e u t s ch l a n d m u ß vernichtet werden. Und wenn man die engü-ste Politik ungefähr im letzten Vierteljahrhundert ausmnck- jam verfolgt, fo muß man staunend anerkennen, daß alle scheinbar noch so fernliegenden Aeußerungen dieser Politik nur dem einen Zwecke dienen: Deutschland muß vernichtet werden. Tie diplomatische Kunst j» Ma- chiavellistischem Sinne ist in England zu vollendeter Ausbildung gelangt und sie wird von einer dem Engländer in Fleisch und Blut übergegangenen unbeugsamen Willensstärke getragen, so daß der englische Glaubenssatz! begreiflich wird: Mögen die Deutschen zehnmal auf den Schlachtfeldern siegen, Deutschland wird von unserer Diplomatie doch niedergezwuugen werden.
Der ganze Kriegsplan der Engländer, der, nachdem in jahrzehntelanger unverdrossener Arbeit die Vorbereitungen betrieben waren, im Frühjahr 1914 mit Frankreich! vereinbart worden ist, beruht auf dem Wirtschaftskrieg, der Deutschland für immer das Rückgrat brechen soll. Der Kriegsplan hat in manchen Punkten nachträglich einige Abänderungen erfahren müssen, da man die gewaltige militärische Macht Deutschlands und diejenige seiner Verbündeten zu nieder eingeschätzt hatte, in seinem Angelpunkt aber ist er aufrecht erhalten worden und er hat durch die amerikanische Bundesgenofsen- schaft eine wesentliche Stütze erhalten.
Ter englische Minister Grey, einer'der gehässigsten Feinde Deutschlands, hat jüngst bei Erörterung etwaiger F-riedensmöglichkeiten mit der Miene des Biedermanns sich dahin ausgesprochen, auf Grund des Status quo an e bellum, d. h. des Standes, wie er vor dem Kriege war, könnte ein Friede möglich sein. Deutschland müßte das Bollwerk Belgien herausgeben und Belgien müßte wieder sein, was es vor dem Kriege war — nämlich ein Bollwerk Englands gegen Deutschland. Serbien und Montenegro müßten wiederhergestellt werden — nämlich damit sie wie seither Deutschland und Oesterreich-
Ungarn den Weg nach der Türkei und Kleinasien versperrten. Auf der Herausgabe von Elsaß-Lothringen würde England wahrscheinlich nicht bestehen. England hat ja ein lebhaftes Interesse daran, daß zwischen Deutschland und Frankreich eine Reibungsfläche bestehen bleibt, an der sich nach Bedarf ein Brand entzünden läßt. In dem so harmlos klingenden Ausdruck des Status quo ante bellum liegt also tatsächlich die größte Gefahr für Deutschland, Beweis schon, daß Grey ihn gebraucht hat; denn was Grey sinnt und tut, gipfelt in dem einen: Deutschland muß vernichtet werden. De.r englischen Politik, die genau damit rechnet, daß sie militärisch mit Deutschland nicht fertig werden kann, kommt
es darauf an, Deutschland' der stetigen Verarmung und wirtschaftlichen. Verkümmerung entgegenzutreiben, denn dann hört dessen politische und militärische Macht - " von Grey „militärische Tyrannei" genannt, eben weil man mit ihr nicht fertig werden kann — von selber auf. Das beste Mittel dazu ist der „Status quo ante bellum". Dieses heuchlerische Wort hat noch den Vorzug, daß die Engländer sagen können: Alle Welt ist unser Zeuge, das; wir Deutschland nichts nehmen und es bloß zwingen wollen, das wieder herauszugeben, was es andern genommen hat. (Früher, als man noch von dem „Spaziergang nach Berlin" träumte, sah das englische Kriegsziel allerdings ganz anders aus.) Aber nach all dem Geschehenen, nach den unerhörten Opfern an Gut und Blut, -wäre der Status quo ante die Erdrosselung Deutschlands, wie von England mit dem größten Wohlwollen durch seinen schon angekündigten Krieg nach dem Kriege, den „friedlichen" Handelskrieg, verwirklicht würde.
Diese Politik entspricht aber auch dem wirtschaftlichen Interesse der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Ob und inwieweit die europäischen Festlandverbündeten Großbritanniens sich an dem wirtschaftlichen Erdrosselungsfeldzuge beteiligen wollen, können oder müssen, läßt sich gerade auf diesem vielgestaltigen Gebiete nicht sagen. Vor allem wird es aber auch davon abhängen, in welchem Zustande Deutschland aus diesem -Kriege hervorgeht und unter welchen unbestreitbaren realen Bedingungen es Frieden schließen wird Für die Bemessung der hier einschlägigen Faktoren genügt es sicherlich nicht, mit harmloser Gutgläubigkeit an
die'Sache heranzugehen und zu sagen, wie man heute bisweilen in Deutschland hören kann: em Volk, welche ^ Großes geleistet habe, werde unter allen Umstande,c sich feinen Platz und seine Zukunft in der Welt erkämpfen und sichern.
Wenn ein Reich und eine Macht, wie Großbritannien und das britische Weltreich, sich das Ziel gesetzt hat, den deutschen Außenhandel,zu zerstören, womöglich i" der Wurzel zu vernichten, so ist das unter allen Umständen eine ernste Sache. Mit welcher Gründlichkeit die Briten in ihren Kolonien und in anderen Marktgebieten, so in den südamerikanischen, Vorgehen, darüber wird hoffentlich bald einmal das deutsche Volk wahrheitsgetreu und gründlich aufgeklärt werden. Auch die Behandlung der Ausländsdeutschen gehört in dieses Kapitel, und es wäre notwendig, wenn auch hierüber viel mehr in die Oes - « fentlichkeit gelangte und ausgiebig behandelt würde. Dann erst würde wenigstens der größte Teil des deutschen Volkes erkennen, in welchem Sinne und zu welchen Zwecken Großbritannien diesen Krieg gegen uns führt, und daun würden sehr viele Deutsche wirklich sich überzeugen lassen, was für eine Art von Feind die Briten sind. Es handelt sich überall da nicht um einzelne oder häufige Fälle von „völkerrechtswidrigem Vorgehen", von Willkür und Grausamkeit, sondern um ein System: das System der Ausrottung aller wirtschaftlichen deutschen Fußpunkte,woman sie immer erreichen kann. Das geht, um nur ein Beispiel zu nennen, so weit, daß überseeische Firmen neutraler Staaten durch die englischen Firmen und Konsulate usw. bedroht und boykottiert werden, wenn sie einen deutschen Angestellten beschäftigen.
Großbritannien bemüht sich also, überaus reale Garantien gegen ein weltwirtschaftliches Wiedererstarken des Deutschen Reiches zu schaffen. Je mehr das gelingt, desto stärker wird die Stellung Großbritanniens, seiner jetzigen und seiner späteren Bundesgenossen für einen zukün t gen Wirtschaftskrieg. Desto notwendiger umgekehrt stellt es sich für das Deutsche Reich und Volk dar, seine europäische Festlandgrundlage militärisch, politisch und w rt- schaftlich fest und breit genug anfzubauen — wozu auch eine Freiheit der Meere aus eigener Kraft gehört —, damit diese Kraftquelle stark genug ist, ungehindert fl e- sei: kann und ausreicht, um Deutschlands Industrie wieder den Erdball umspannen zu lassen. ' - std s
Pulver unck Qolck.
Von Levin Schücking
Nachdruck verboten.
„Jch kann Sie darüber beruhigen," sagte ich; „oder richtiger gesprochen, ich muß Sie leider mit der Erklärung beunruhigen, daß ich voraussetzen darf, unser Aufenthalt hier wird ganz fo lange währen, um in vollkommener Ruhe einmal den Faust, den ersten wie den zweiten Teil, durchzulesen, und auch, ihn ein wenig zu studieren — denn ein kleines Studium erfordert er freilich, namentlich für eine Dame, ein junges Mädchen."
Meine Antwort machte die Züge des Geistlichen nicht Heller. Seine Frage war offenbar geschehen, um eine Andeutung über die Dauer unseres Aufenthalts zu erhalten. Doch fuhr er sogleich fort:
„Ist es für junge Mädchen geschrieben?"
„Für eins wie Fräulein Mhn — weshalb nicht?"
„Sie haben Recht versetzte der Geistliche. „Meine Kusine hat sich das Privilegium genommen, fo ziemlich alles zu lesen! Mein Gott, was ist dagegen zu machen! Man kann ihr die Bibliothek nicht verschließen. Und sie ist so allein hier; wegen der Mutter auch die langen Wintermonate hindurch. Wenn sie wenigstens die Musik hätte zu ihrer Beschäftigung! Mer sie behauptet, sie habe kein Talent dafür. Sie ist eine vortreffliche Haushälterin — das ganze Hauswesen steht unter ihrer Leitung; sie bea 'chtigt auch die Verwaltung des Gutes, hat ihre Kramen und Armen, nimmt sich mit Rat und Tat der Gemeindeangelegenheiten an — unser Verwalter hier ist der Bürgermeister der Gemeinde und so macht sich das gleichsam wie von selbst; aber das alles füllt ihre Zeit'nicht aus, die Winterabende nicht; sie hat immer noch ganze Stunden, um sich einer Lektüre hinzugeben, die uns nicht >er macht."
„Wenn sie belehrt, macht sie auch besser!"
__ «Das was Lbre AniLauuna jein, die meine ist es
nicht, mein !ä wr! Wer da Sie ein halber Gelehrter sind und, wie Sie eben versicherten, Ihr Aufenthalt hier eine Dauer haben kann, die Ihnen wünschenswert machen muß, eine Unterhaltung zu haben, so erlauben Sie mir, Ihnen die Bibliothek zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie mich begleiten wollen, so will ich sie Ihnen zeigen."
Er stand auf und ich folgte ihm. Während wir 'den Salon verließen, sagte er:
„Die Bibliothek stö' an unsere eigentlichen Fremdenzimmer — ich will ^.ynen auch diese zeigen, überzeugt, daß Sie vorziehen werden, sich da einzuguartieren, wo Sie die beste Unterhaltung so dicht zur Hand haben. Die Zimmer sind wohl ausgestattet und sehr freundlich; Sie werden da nicht allein wie unten den Ausblick auf den vorderen Hof, wo Sie Ihre Leute beobachten können, sondern auch nach xder anderen Seite eine reizende Aussicht aus den Garten, den Park und das ganze schöne Oignontal haben. Eine Kammer für Ihren Burschen findet sich da . . ."
„Ich bin Ihnen sehr verbunden," unterbrach ich ihn, „aber ich danke für Ihre Güte; ich will Sie hier oben nicht belästigen."
„Das tun Sie nicht, gewiß nicht," fiel er eifrig ein; „ich werde Ihnen die Zimmer zeigen und ich bin überzeugt . . ."
„Ich habe meine Gründe, das Quartier unten vorzuziehen."
„Ihre Gründe?" rief er aus, indem er mir, wie um in meinen Zügen zu lesen, das Gesicht zuwandte.
Offenbar hatte meine Aeußerung etwas, das ihn stutzig oder betroffen machte.
„Ich bin unten der Haustür und meinen Leuten näher und ziehe das vor," sagte ich.
„So, so ... es steht ganz bei Ihnen!" erwiderte er, eine Flügeltür vor mir öffnend.: sie führte in einen
Hellen schönen Saal, der Der Eingangstür gegenüber ein großes mit farbigen, gemalten Scheiben verglastes Fenster hatte. Unter diesem Fenster stand ein mächtiger Zunder Tisch und an diesem Tische, über eine aufgeschlagene Mappe gebeugt, stand Fräulein-Kühn. Die Sonne warf eine Fülle vollbunten Lichts Lurch die farbigen Scheiben aus ihre in graue Seide gekleidete Gestalt — sie war in der Tat eine -,blendende Erscheinung" in diesem Augenblick, und dies kann die einzige Entschuldigung für die plötzliche Betroffenheit und Verwirrung sein, m die ich geriet, als ich sie so unerwartet vor mir sah. st .!
Sie konnte nicht anders, als dies wahrnehmen; meine Anrede war zu stockend hervorgestottert — ich hatte meinen Faust völlig vergessen und ja auch im Salon liegen lassen; es war sehr liebenswürdig von ihr, so rasch . 'einer Verlegenheit durch ihre Worte ein Ende zu machen:
„Sie verschmähen also nicht, unserer kleinen Büchersammlung einen Besuch zu machen, obwohl Sie hier in's Herz Frankreichs gelangen? Dies alles rundum sind französische Bücher.." sie deutete auf die dunklen Eichenholzschränke an den Wänden — „das Herz Frank- reichs ist nicht Paris, sondern es ist da, wo die Gedanken der c Pen Geister unseres Landes in ihren besten Werken vereinigt sind. Sie können Paris nehmen, aber auf dieses Herz Frankreichs können Sie die Hand nicht legen; es wird immer mit derselben Kraft und Wärme schlagen, durch alle Zeit und Zukunft, wie der Pendel an der Weltenuhr, deren Zeiger den Völkern zeigt, wann . e Stunde einer neuen großen Entwicklung zum Schönen, eines neuen mächtigen Fortschritts zur Freiheit gekommen!"
Ich mußte sie Wohl mit einem eigentümlichen Minenspich angesehen haben; anfangs imponier ch. mir ihre Worte im nächsten Augenblick mußte ich auslachen.
Sie sah mit einem bitterbösen Blick zu mir aus. ^