TggeS-Nachrichte«.
Eßlingen, 16. Nov. Erstochen. Der in der Nacht vom 31. Oktober auf 1. November durch Messerstiche verletzte 24jährige Heizer Richard Hentsch aus Feuerbach ist heute früh 4 Uhr im neuen Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Vor Jahresfrist mußte ein Bruder des Verstorbenen auf gleiche Weise das Leben lassen.
Ulm, 16. Nov. Der Tierhändler Jul. Mohr hier hat vom Kaiser von Rußland den Auftrag zur Lieferung von Fasanen im Wert von 1800 Mark erhalten.
Ravensburg, 16. Nov. Ueberfall. Der 62 Jahre alte Schweizer Friedrich Anberle von Etishofen, welcher am vorigen Freitag den hiesigen Jahrmarkt besucht hatte, ist abends auf dein Heimweg von der Station Niederbiegen aus in der Nähe der Kenzacher Mühle von einem etwa 25 Jahre alten Burschen überfallen und beraubt worden. Der Räuber nahm dem Anberle seinen Geldbeutel mit 85 Mk. Inhalt weg. Man ist dem Täter auf der Spur.
Konstanz, 14. Nov. Die Hinrichtung des 65jährigen Witwers Gottfried Brenner von Rippolingen (A. Säckingen), der am 31. Mai 1902 mit Hilfe seines 18 jährigen Sohnes Fridolin seine 15 jährige Tochter Agathe er- würgte und dafür am 29. Juli 1903 durch das Schwurgericht Konstanz zum Tode verurteilt wurde, fand heute Vormittag 7 Uhr unter dem Läuten des Armensünderglöckchens im Hofe des GerichtSgefängnisfes hinter dem Amtsgerichte statt. Gegen 7 Uhr versammelten sich, lt. „Konst. Ztg.", im vorderen Gefängnishofe die zu dem traurigen Akt geladenen, darunter die zwölf Urkundspersonen aus dem Kreis des Stadtrats und Bürgerausschusses, einige Aerzte und Stabsärzte, sowie- die Vertreter der Presse, im ganzen etwa 35 Personen. Im Hinteren Gefängnishof, der im Viereck durch eine etwa 10 Meter hohe Wand aus Latten und Packleinwand gegen jeden unberufenen Blick abgesperrt war, stand die Guillotine; sie war schon vor mehreren Tagen durch den Scharfrichter Karl Burkart aus Endingen und dessen Gehülfen Franz Gerber von Endingen und G. Müller von Ladenburg nach Konstanz verbracht, und am Ort der Hinrichtung aufgebaut worden. Gegenüber der Guillotine war ein erhöhtes Podium für die Mitglieder des Gerichts und
Der 28. Parteitag der Deutschen Voltspartei.
Heilbronn, 16. November.
Die Heilbronner Tagung der Deutschen Volkspartei ist von der Bedeutung gewesen, die wir vermutet haben. Diese Bedeutung berührt auch die Parteien außerhalb der Deutschen Volkspartei, zunächst freilich deren nächste Nachbarn, die Freisinnige Vvlkspartei (Eugen Richter) und die Freisinnige Vereinigung (Barth-Naumann), sodann aber auch weiterhin die National- liberalen und die Sozialdemokraten. Denn um eine Abgrenzung der sogenannten bürgerlichen ! Linken nach den verschiedenen Seiten handelte es sich bei der Beratung des Gedankens eines Zusammenschlusses des Gesamtliberalismus.
Wir werden später noch auf die politische Idee eines Gesamtliberalismus zu sprechen kommen.
Im Mittelpunkt der Verhandlungen des > zweiten Tages stand die Erörterung der Mittel- < standsfrage. Wenn auch die Grundstellung der ^ Volkspartei zu den verschiedenen Reformvor- ^ schlügen von vornherein fixiert war, so gewannen wir doch aus den Debatten den Eindruck, daß ! diese erste Beschäftigung eines demokratischen ' Parteitages mit dieser wichtigen Frage nicht ' die letzte sein wird.
Der Parteitag selbst war gut besucht. Der > kleine Harmoniesaal war stets voll. Schwarz- rot-goldene Banner und die Farben des Reichs i und der Bundesstaaten waren angebracht, sowie s die Bildnisse von Ludwig Pfau und Georg ! Härle. An Parlamentariern bemerkten wir i U. a. die vier württembergischen Reichstagsab- i eordneten Payer, Konrad Haußmann, Schwei!- : ardt und Storz, sowie eine Reihe Landtags- 1 übäeordneter, so von Württemberg Cleß, Galler, i Hcchnle, Friedrich Haußmann, Henning, Liesching, ' Schmidt-Maulbronn und Schickhardt, von Preußen Oeser-Frankfurt a. M., von Bayern !
«die 12 Urkundspersonen errichtet; die übrigen rl Geladenen stellten sich vor dem Podium auf. . Kurz nach 7 Uhr erschien der Delinquent Gott- r fried Brenner laut betend in einem schwarzen, ) kuttenartigen Gewand, geleitet von Pfarrver- r weser Martin und gefolgt von zwei Gendarmen, r In der rechten Hand trug Brenner das silberne r Kruzifix, das die Großherzogin den zum Tode Verurteilten zu senden pflegt. Vor dem Podium . stehend vernahm Brenner den Urteilsspruch des i Schwurgerichts und die Verwerfung des Gnaden- t gesuchs, welche Staatsanwalt Eschbacher von Waldshut verlas. Hierauf brach Staatsanwalt . Eschbacher den Stab über Brenner mit den - Worten: „Euer Leben ist verwirkt! Gott sei i Eurer Seele gnädig." . . . „Scharfrichter, s waltet Eures Amtes." Nachdem hierauf dem i Delinquenten die Augen verbunden worden i waren, wurde derselbe zur Guillotine geführt.
, Während des kurzen Gebetes, welches der Geist- i liche sprach, betete Brenner laut mit, bekreuzte ; sich und küßte das Kruzifix; er erschien reu- mütig und gefaßt, sagte aber sonst nichts. Nun ^ wurde Gottfried Brenner auf die Guillotine ^ geschnallt, worauf das Fallbeil fiel. Der ganze Hinrichtungsakt dauerte von der Vorführung Brenners bis zur Sühne seiner Untat nicht ganz 4 Minuten. Nach der Hinrichtung sprach der Geistliche das Vaterunser und empfahl die Seele des Sünders der Gnade des himmlischen Richters. Die Leiche des Enthaupteten wurde in einen bereitstehenden Sarg gelegt, um auf dem Friedhofe in aller Stille beerdigt zu werden.
Radolfzell, 15. Nov. Dieser Abende fand eine Versammlung behufs Gründung einer Gesellschaft, für Einführung eines Automobilverkehrs von Radolfzell in die Höri statt. Es erklärten sofort 31 Herren ihren Beitritt. Es soll eine Gesellschaft m. b. H. gegründet werden. Das Kapital beträgt 40000 Mark und sollen vorerst 3 Automobilwagen angeschafft werden. Die seit 14 Tagen verkehrenden Probefahrten mit solchen Wagen sollen sich gut bewährt haben. Der Verkehr war ein sehr lebhafter.
Straßburg, Elß. Nov. Der Bezirkstag des Ober-Elsaß schloß sich in seiner Schluß-, sitzung dem Wunsche des Bezirksratsmitgliedes Ritzenthaler an, daß in Zukunft von der deutschen Regierung das Möglichste geschehen soll, um einen eventl. Krieg zu verhüten und daß
Köht-Würzburg und von Baden Müser-Offen-
burg und Venedey-Konstanz. Auch einige Frauen waren anwesend.
Die Verhandlungen begannen Samstag Nachmittag 5 Uhr.
Ueber die Verhandlungen selbst wird unS berichtet:
1. Tag.
Der Vorsitzende des engeren Ausschusses Dr. Rößler begrüßte die Versammlung, indem er betonte: Wir haben noch nie einen wichtigeren Parteitag abgehalten wie den heutigen. Was wir hier verhandeln, findet in werten Kreisen über die Partei hinaus Beachtung; ja die Augen des ganzen Vaterlandes sind heute auf uns gerichtet. Mögen die Verhandlungen zum Segen der Partei und des ganzen Vaterlandes dienen.
In das Bureau wurden sodann als 1. Vorsitzender Landtagsabgeordneter Betz-Heilbronn, als 2. Vorsitzender Professor Osthoff-Heidelberg, als 1. Schriftführer Reichstagsabgeordneter Schweikhardt-Tübingen und als 2. Schriftführer Rieth-Aschaffenburg gewählt.
Landtagsabgeordneter Betz-Heilbronn begrüßte die Gäste aus den Nachbarländern und wünschte den Parteifreunden von Frankfurt und von Baden zu ihren Erfolgen bei den Wahlen Glück. Er verlas ein Schreiben von L. Sonnemann-Frankfurt, daS sagt:
Hoffentlich werden die Beschlüsse den allgemeinen Erwartungen auf engeren Zusammen- schluß der Linken vorerst unter Aufrechthaltung der Selbständigkeit der Partei voll und ganz entsprechen. Ein gemeinsamer Aktionsausschuß wird in den meisten wirtschaftlichen, handelspolitischen, sozialen und vor allem in den Kultur- fragen Uebereinstimmung erzielen können; damit wäre schon viel gewonnen. Möge nichts versäumt werden, um diesem Ziel entgegeuzukommett.
Der Parteibericht wurde von Dr. S. Gold- schmiedt-Frankfurt a. M. erstattet; er gab einen
i vorher die Lösung von vorkommenden Streit- . fragen zwischen Deutschland und anderen - Nationen dem internationalen Schiedsgericht im , Haag unterbreitet werden. (Frkf. Ztg.)
' Die Tochter des Großherzogs von Hessen ch.
Darmstadt, 16. Nov. Nach einer aus Skierniewice heute Vormittag an die „Darmstädter Zeitung" gelangten Nachricht ist Prinzessin Elisabeth, Tochter des Großherzogs, heute morgen verstorben. Die Prinzessin war am 11. März 1895 zu Darmstadt geboren, als das einzig» Kind aus der seit 1901 geschiedenen Ehe des Großherzogs Mt der Prinzessin Viktoria Melitta von Sachsen-Coburg und Gotha.
Nürnberg. Das Schwurgericht verurteilte den Weißgerber Schweigert aus Erlangen, der den München-Berliner Schnellzug durch Niederlegen von Schwellen auf die Eisenbahnschienen gefährdet und die Lokomotive zur Entgleisung gebracht hatte, zu 7 Jahre Zuchthaus.
Güstrow, 15. Nov. Steckbrieflich verfolgt wird der Amtsrichter Beselin wegen Veruntreuung ihm anvertrauter Erbpachtgelder. Dem Vernehmen nach handelt es sich um 30000 Mark.
Marienwerder, 16. Nov. Die Fischerfrau Witt aus Grenzdorf stürzte sich und zwei Kinder in die Elbingerweichsel. Die Mutter und ein Kind sind ertrunken, das andere Kind wurde gerettet. Die Mutter hat die Tat wahr- scheinlich in einem Anfall geistiger Störung be- gangen.
Schweiz.
Die ehemalige Kronprinzessin Luise von Sachsen wird am 16. Nov. Schloß Ronno verlassen und sich mit ihrer Tochter nach Ventnor (Insel Wight) begeben. Eine Verlängerung ihres Aufenthalts in Ronno bis in die Wintermonate hinein erwies sich als undurchführbar. Der Gesundheitszustand der Tochter läßt es wünschenswert erscheinen, daß der Winter in einem milderen Klima zugebracht wird. Die Prinzessin Luise ist dann entschlossen, der Aufforderung einer befreundeten englischen Freundin, die in Ventnor eine Besitzung hat, Folge zu leisten. Die Eltern der Prinzessin billigten diesen Entschluß. Die Großherzogin von Toskana verweilt gegenwärtig besuchs- weise bei ihrer Tochter. Der Aufenthalt in
Ueberblick über die Arbeiten des engeren Ausschusses.
Der Kassenbericht, erstattet von M. W. Hohenemfer-Frankfurt a. M-, zeigt in Ein- nahmen 15071 Mk., in Ausgaben 13545 Mk., sodaß sich ei» Ueberschuß von 1526,90 Mk. ergibt.
In der Bruchsaler Resolution bezüglich den Zusammenschluß der bürgerlicheu Linken erstattet Landtagsabgeordneter Oeser-Frankfurt a. M. daS Referat.
Er führte aus: Der Wortlant der Resolution ist bekannt; sie besagt:
Der Parteitag erklärt es angesichts der immer mächtiger anwachsenden Reaktion für eine zwingende Notwendigkeit, daß die Gruppen der bürgerlichen Linken zur energischen Bekämpfung der rückschrittlichen Bewegung einen engeren Zusammenschluß suchen. Er erklärt sich namens der Deutschen Volkspartei bereit, zu einem solchen Versuch nach Kräften mitzuwirken.
Der Beschluß des weiteren Ausschusses ist einstimmig gefaßt worden. Der Geburtstag dieser Resolution ist der 6. Mai 1893, der Tag, an dem die Sezession der freisinnigen Vereinigung wegen Differenzen in der Militärvorlage stattfaud. Friedrich Payer und Eugen Richter erließen damals den gemeinsamen Wahlaufruf. Die rückschrittliche Bewegung hat ein immer schnelleres Tempo eingeschlagen, und ebenso ist die bürgerliche Linke zurückgedrängt worden, sodaß sie mit nur 37 Mandaten aus den letzten ReichStagswahlen hervvrgegangen ist. DaS ist die SituattvN, die uns veranlaßt hat, die Resolution zu verfassen. Die Gründe, dis zu diesem Rückgänge der liberalen Bewegung geführt haben, sind ja bekannt. ES ist nicht etwa der Eingriff der Regierung gewesen; diese ist bei der letzten Wahl verhältnismäßig neutral geblieben. Die Gründe liegen im wesentlichen in der ganzen Zeitrichtung, vor allem in dem Zurücktreten der rein geistigen Fragen und in dem Ueberwiegen der wirtschaftlichen Fragen.
(Fortsetzung folgt.)