Und Frieden auf Erden.
Weihnachts-Erzählung von Helene Voigt.
1) (Nachdruck verboten.)
Dicht und immer dichter rieselten die weichen weißen Schneeflocken hernieder auf die Erde, um sie einzuhüllcn in das Festkleid für Weihnachten, das nun wieder herangekommen war voll Freude und Friede und jubelnder Kinderglückseligkeit. Freilich, der einsame Mann, der dort durch die blendend Hellen Straßen der Residenz schritt, sah nichts weniger als glücklich oder auch nur zufrieden aus. Es war eine hochgcwachsene, stattliche Gestalt mit großen dunklen, schwermütigen Augen, dunkelblondem Haar und Schnurrbart, aber festgeschlofsenem Munde, eines Lächeln anscheinend ganz ungewohnt. Mit verschränkt!« Armen stand er vor einem Pfefselkuchenladen still und blickte sinnend auf einige Kinder, welche jubelnd das verlockende Pfefferkuchenhäuschen bewunderten, aus der die böse Hexe grollend nach Hänsel und Gretel ousschaute, dann aber zuckte eS urplötzlich schmerzhaft um seine Lippen, er wandte sich jäh ab und wollte weitrrgehen, als sich ihm ganz unversehens eine Hand auf dir Schulter legte und eine herzliche Stimme an sein Ohr schlug:
„Richard Möller bist du es denn wirklich? Welche große, große Freude, Dich just an Weihnachten aus der Straße wieder zu finden."
„HanS Belling!" ries der Fremde erschüttert, „Du hier, alter Junge und Du hast mich nicht vergessen."
„DaS wäre kein rechter Freund, der das thäte," entgegnete der kleinere, etwas untersetzte Mann, und schob ohne weiteres seine Hand in den Arm des Fremden; „aber nun laß uns bei einem Glase Grog unsere beiderseitigen Schicksale austauschen. DaS Fest verlebst Du selbstverständlich bei uns."
„Du bist verheiratet, Hans?*
„Ja und — sehr glücklich, Alterchen! Rate aber einmal mit wem?"
„Wie sollte ich! Du weist, ich habe Europa vor zehn Jahren »erlassen.*
„Nun, mit meiner Cousine Bertha, die Du ja auch kennst."
Möller zuckte jäh zusammen. Sein Freund bemerkte eS und lächelte leise vor sich hin. Dann traten sie in ein hell erleuchtetes Rc- staurationSlokal und nahmen an einem ziemlich abseits gelegenen Tische Platz. Möller hatte sich soweit gefaßt, um seinen Freund anzureden.
„Hans, ich muß Dir, ehe wir noch länger beisammensitzen, eine Beichte ablegen."
„Weshalb, mein Junge?" Laß die Vergangenheit ruhen und mit ihr alle trüben Stunden."
„Nein, Hans, ich will Dir frei inS Ge« sicht sehen können; weißt Du auch, daß ich nur deshalb damals Europa verließ, weil Bertha, Deine jetzige Frau, mir einen Korb gab?"
„Ich weiß es, Richard," nickte Belling gleichmütig, „mein Weib hat vor mir keinerlei Geheimnisse. Sie liebte mich schon lange, ehe Du um sie warbst, aber sie hat Dir dennoch ein freundschaftliches Gedenken bewahrt , und wird sich von Herzen freuen, wenn sie Dich unterm WethnachtSbaum morgen wieder daheim begrüße» darf."
„Ich kann nicht, HanS l Ich habe Schweres erlebt, seit ich damals nach Cuba
ging, und meine Seele krankt noch immer an dem damals empfangenen Schlage."
„Sprich, alter Freund," ermunterte Belling in warmem, herzlichen Tone; „wir feiern ja morgen das Fest der Liebe und Versöhnung, und da muß auch Dein Gemüt frei werden von allem Schmerz vergangener Tage. Also komm, laß uns an« stoßen zum Willkommen und zum Wiedersehen und dann sprich; Du weißt, daß ich nur aus reiner, herzlicher Teilnahme frage."
Die Gläser klangen hell aneinander, die Cigarren wurden in Brand gesetzt, und Möller begann nachdenklich: „Ich war in Hamburg im Geschäft meines Vormundes schon bis zum Buchhalter vorgerückt, hatte guten Gehalt und besaß das Vertrauen meines Prinzipals, der oftmals durchblicken ließ, er würde sich freuen, wenn ich dereinst die Liebe seiner Bertha gewänne. Bertha war ein schönes, geistvolles Mädchen und ich eitel genug, um mir einzubilden, sie interessiere sich für mich, obwohl sie damals schon nur nach Dir, dem schmucken Einjährigen, ausschaute. Aber ich war Thor genug, eS bis zu einer Aussprache einem richtigen Korbe kommen zu losten, den sie mir grlgrntlich eines Maskenballes im Hause ihres Vaters, freundlich aber entschieden erteilte. Damals haßte ich Dich, Hans, denn nun bemerkte ich sogleich, daß sie Dich liebte. Ich eilte aus Verzweiflung aus dem Ballsaale fort, um Dich zur Rechenschaft zu ziehen. Doch Du warst nicht in Deiner Wohnung und bis zum andern Tage kühlte sich mein Zorn ab, doch in das Bel- lingsche Haus kehrte ich nicht mehr zurück. Ich schrieb meinem Vormund, daß ich ein geschäftliches Anerbieten auf Cuba angenommen habe, dankte ihm für seine mir bewiesene Güte und reiste schon zwei Tage später ab, ohne Bertha oder Dich wiedergesehen zu haben."
„Ich weiß," lächelte Belling, „daß ich zuerst sehr erstaunt und entrüstet war, aber, als nach unserer Verlobung Berlha mir alles mitteilte, Dich aufs lebhafteste bedauerte.*
„Und ich langte auf Cuba an, wo ich zum Glück sehr bald eine Stelle als Buchhalter bei einem reichen spanischen Kaufherrn fand, der mich nicht allein mit großer Freundlichkeit ausnahm, sondern auch bei seiner Tochter Jnana etnführte. Das junge Mädchen empfing mich, den Fremden, mit größter Freundlichkeit und nur zu bald bemerkte ich, daß sie sich für mich interesstierte. Ich versuchte mich zurückzuziehen, doch eS gelang mir nicht, denn auch mein Prinzipal wurde nicht müde, mich immer von neuem einzuladen und mir sein Wohlwollen zu bezeigen.
Ich kämpfte lange mit mir, denn ich liebte Juana nicht und eS erschien mir feig und ehrlos, sic an mich zu fesseln, nnr der äußeren Vorteile halber, aber dann kam die Stunde, wo sie sich mir mit der ganzen Leidenschaft der Spanierin, in die Arme warf und erklärte, daß sie ohne mich nicht mehr leben könne und sich töten werde, wenn ich ihre Liebe verschmähte. Mein Herz aber war einsam, die alte Wunde noch nicht vernarbt, und so schien es mir köstlich, mich lieben zu losten, ein Weib au meiner Seite zu haben, das für mich lebte und waltete.
Unser Brautstand dauerte nicht lange» schon nach wenig Monden, just als daheim das Christfest begangen wurde, gab unö des Priesters Hand zusammen fürs Leben. Eine
alte Mestizin, die schon JuanaS Mutter gewartet, wollte die junge Herrin hochzeitlich schmücken mit einem wunderseinen Brautschleier , den man direkt von Paris hatte kommen losten. Da — als die Alle den Karton öffnete, indem sich die Spitzen befanden , ringelte sich zischend eine Schlange darus hervor und die arme Juana fiel mit einem lauten Aufschrei in Ohnmacht. Wie das giftige Reptil in den Harten gekommen, hat man nie ergründet, aber düster schüttelte die abergläubische Mestizin das Haupt.
„Das bedeutet Unglück, Sennor," warnte sie mich, „gebt meinem Engelchen Euer Wort zurück, sie wird sonst sterben — sterben" — (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein Rekrut — als Großvater dürfte wohl der höchste Reccord auf dem Gebiete des HeiratswesenS sein. Dieser glückliche Rekrut genügt gegenwärtig bei der ersten Batterie des 1. Badischen Feld-Artillerie-Re- gimentS Nr. 14 in GotteSaue seiner Militärpflicht. Er stammt aus Walldürn und ehelichte vor Eintritt in daS Heer eine Wiwe, welche ihm mehrere verheiratete, zum Teil mit Nachkommen beglückte Kinder in die Ehe brachte.
— Ein Millionär als Brandstifter. Große Aufregung hat — wie aus Newyork berichtet wird — in der plutokratischen Gesellschaft von Manhattan die Entdeckung hervorgerufen , daß die während des letzten Sommers in dem nahen Badeort Newyort sich so häufig ereignenden umfangreichen Brände, deren Entstehung man sich bisher gar nicht erklären konnte, von einem dcS berühmten Arztes und Multimillionärs Dcnniston Bell angelegt worden sind. Der junge Mensch gesteht ein, die Gebäude in Brand gesteckt zu haben, um daS Schauspiel der emporlodernten Flammen zu genießen und den Lärm der vorbeiraffelnden Feuerwehrwehr zu hören. Er selbst rvar auch immer die erste Person, die Asarm schlug. Man hat den für derartige Sensationen schwärmenden Millionärssohn zur Beobachtung seines Geisteszustandes vorläufig in einer Irrenanstalt untergebracht. Der Vater deS jugendlichen BrandstifierS ist vollkommen nievergeschmettert.
(Auf der Sekundiirbaha.) Fremder: „Ein Billel dritter Klaffe nach Ringelheim l" Billeteur: „Zum MitsPeben oder nicht Mitschieben?" Fremder: „Wie verstehe ich daS ?* Billeteur: „Ja wissen Sie, unterwegs ist nämlich eine kleine Steigung und wer da nicht mitschieben will, zahlt zwanzig Pfennig mehr l*
(Stoffwechsel.) „Sehen Sie, ich trinke nur noch hiesiges Bier und lege bei jedem Glas die acht Pfennig, die eS weniger kostet als das Münchener Bier, als Ersparnis zurück." „Und was fangen Sie denn mit dem Ersparten an?" „Wenn ich einen gewissen Betrag beisammen habe, reise ich nach München und lege es wieder in Münchener Bier an."
.'. (Worauf es aukommt) Onkel: Hier schenke ich Dir zu Deinem Geburtstage ein schönes juchtenledrrnerneS Portemanaie, August! — (Nach einer Weile) Nun, Du bedankst Dich ja nicht einmal!" N<ffe: Ich habe ja noch gar nicht hineingesehen, Onkel!"
Aedaktton, Druck und Verlag von Beruh. Hosmauu in Mldbad.