Hung-TsLang erhalteine Depesche vom kaiserlichen Hofe, worin der Hof sein? Ein» will'gung gab, daßJuehsten, der Gouverneur von Scheust, enthauptet oder sonstwie hingerichtet wird. UntergebeneLi-Kung-Tschangs sogen, der Kaiser werde Juchsten wahrscheinlich eine s Iteve Schnur übersenden, die bekannte Aufforderung, sich zu hängen.
London, 3. Dez. Der „Standard" meldet aus Schanghai vom 2. Dez. Der Vize- könig von Wutschu erhielt eine Depesche ouS Singanfu, worin die Einstellung der Entsendung von Lebensmitteln nach Scheust angeordnet wird. Es geht das Gerücht, der Kaiser werde unverzüglich nach Peking zurückkehren. Ferner wird gemeldet: Die Kaiserin-Witwe werde ihm folgen, wenn der Empfang ein derartiger sei, daß cS nicht beunruhigen würde. Das Gerücht hat seinen Ursprung darin, daß die am Hofe lebenden P-rsönlichkeiten seitens der Konsuln aufgefordert wurden, der Kaiserinwitwe vorzu- stell-n, daß eS das ratsamste sei, nach Peking zurückzukehren.
Peking, 2. Dez. Waldersee ist abgereist, um den Minggräbern einen Besuch abzu- stattrn.
t Tientsin, 2. Dez. Die Bahnlinie Schan- haikwan—Peking soll am 1. Dezember alten Stils den Deutschen übergeben werden.
Rundschau.
— Am 5. Dezember, als am Tage der allgemeinen Landtagswahlen, ist die Benützung der Arbeiterkarten (Wochenkarten und Arbeiterrückfahrkarten) auf den Linien der würlt. StaatSeisenbahnen auch in der Zeit von 9 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags ziigelassen. Arbeiterrückfahrkarten werden an die zum Bezug solcher Karten berechtigten Personen auch am Mittwoch, den 5. Dez-mber; sowie am darauffolgenden Tag ausgegeben. An den Tagen der Stichwahlen finden diese Bestimmungen für die ii Betracht kommenden Bezirke ebenfalls entsprechende Anwendung.
Ellwangen, 1. Dez. Bei der heutigen Wahl der riiterschastlichen Abgeordneten deS Jagstkreises wurden die bisherigen Vertreter wiedergcwählt: Frhr. Georg V. Wöllwarth- Hohenroden; L.G.R. Frhr. v. Seckendorff- Gutend, Urach und Graf Uxkull, Forstrat a. D-, Kirchheim u. T.
— Richter Lynch io Nordhausen. Aus Nordhaujcu wird geschrieben: Ein schier unglaubliches Vorkommnis hat sich hier zu- gelragen. Vor einigen Tagen ertränkte sich hier die Arbeiterfrau Cuntrak aus Gram darüber, daß ihr Mann mit einem anderen Mädchen ein Verhältnis angeknüpft hatte. Bei dem Begräbnis der Frau ereigneten sich tumuituarische Seinen. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge war nach dem Friedhof geeilt. Kaum hatte der Geistliche den Segen gesprochen und kaum war der Sarg mit der Leiche in die Gruft gesenkt, als ein ungeheurer Tumult entstand. Die über dir Handlungsweise des Mannes, der am Grabe stand, empörte Menschenmenge warf mit Steinen und anderen Gegenständen nach ihm, bedrohte ihn mit Knütteln, so daß er schleunigst Schutz in der Wohnung des Friedhofswärters suchen mußte. Auf Umwegen suchte er dann seine Wohnung zu erreichen, verfolgt von der Menge. Vor seiner Wohnung sammelten sich dann abermals die Verfolger, bombardierten die Thüren und
warfen die Fenster ein. Erst durch daS Einschreiten der Polizei wurde dem Tumult ein Ende gemacht.
— Oie Stadt Frankfurt a. Oder hat vor einigen Wochen ein Reiterdenkmal Kaiser Wilhelm I. enthüllt, dessen Schöpfer Professor Unger ist. DaS Denkmal steht auf dem Wilhelmsplatze in schmuckloser und unschöner Umgebung. I tzt hat der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau, der in Frankfurt a. Oder erscheint, einen Ehrenpreis von 1000 Mark ausgesetzt für den besten Entwurf zur gärtnerischen Ausschmückung dieses WilhelmSplatzeS und wird der preisgekrönte Entwurf vom praktischen Ratgeber der Stadtgemeinde Frankfurt a. Oder zur Ausführung überlassen werden. Die Kosten dürfen etwa 30 000 Mark betragen. Der Stadt Frankfurt a. Oder ist außerdem das Recht Vorbehalten, weitere Pläne für 400 Mark anzukaufen. Den Ehrenvorsitz im Preisgericht führt Oberbürgermeister vr. zur. Adolph, das Preis- rlchteramt haben u. a. übernommen der bekannte königliche Garteninspektor Fintelmann in Berlin, der Vorsitzende des Vereins deutscher Gartenkünstler, der Landschaftsgärtner Biodcrsen in Berlin, und der Gartendirektor Trip in Hannover. Die näheren Unterlagen zu der ehrenvollen Aufgabe, an der sich gewiß viele deutsche Gartenkünstler beteiligen werden, sind kostenfrei von der Redaktion des praktischen Ratgebers in Frankfurt a. Oder zu beziehen.
Köln, 2. Dez. Nachdem Präsident Krüger heute durch den aus Luxemburg hier ein getroffenen Gesandten Tachirfchky Boegm- dorf in Kenntnis gesetzt wurde, daß der Kaiser zu seinem Bedauern nach seinen bereits getroffenen Dispositionen jetzt nicht in der Lage ist, ihn zu empfangen, beschloß er, von einem Besuch in Berlin Abstand zu nehmen. Er wird sich zunächst von hier nach Holland begeben.
Köln, 2. Dez. Das Domhotel und die Häuser in der Nähe deS Bahnhofs sind beflaggt. Präsident Krüger mußte nach seiner Ankunft eine Viertelstunde im Wagen warten, weil die Menge zu dicht an seinen Wagen vordrang. Der Bahnhofvorstand und die Polizeiofsiziere suchten den Präsidenten auf einem Umweg zum Ausgang zu begleiten, aber auch hier war eS nicht möglich, einen geordneten Weg zu schaffen. Der Bahnhofoberinspektor Lauer führte den Präsidenten mit Unterstützung einiger anderer Herrn in sein Dienstzimmcr, wo Krüger eine halbe Stunde verblieb, sodann seinen Wagen bestieg und zum Domhotel fuhr.
— Der Mann mit den zwei Frauen. Die Nichtigkeit einer romanhaften Ehe konnte dieser Tage noch langen Schwierigkeiten von dem Landgericht Müchen ausgesprochen werden. Im Januar 1889 tauchte in München ein angeblicher Fabrikbesitzer aus Belleville in Amerika auf, der bald in die beste Gesellschaft Zutritt fand. Er verliebte sich als angeblicher Witwer in die 18jährige Tochter eines Kaufmannes, die er auch heiratete. Um den DispenS deS Aufgebotes in seiner Heimat zu erlangen, beschwor er auf dem amerikanischen Konsulat zu München, daß seine erste Frau im Jahre 1888 gestorben sei. Nach geschloffener Che begab sich das Paar au? eine kurze Hochzeitsreise und hierauf nach Amerika. Als man kaum in Belleville an- gelommen war, stellte sich die angeblich ver
storbene erste Frau ein. Der Mann verlor seine Ruhe hierüber nicht, sondern erklärte beiden Frauen, er lasse sie beide allein, damit sie in Ruhe die Sache auseinandersetzen könnten. Sprachs und entfernte sich. Natürlich kehrte die Münchnerin nunmehr sofort zu ihren Eltern zurück. Die „erste" Gattin ließ sich von ihrem Manne bald scheiden. Ter Deutschen gelang dies nicht, weil der Dcppelehemann inzwischen spurlos verschwunden war. Erst die am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Novelle zur Zivilprozeßordnung ermöglichte die Nichtigkeitserklärung der Ehe.
— Ein Schlauer. In den großen Städten ist es oft schwer, für eine kinderreiche Familie ein Unterkommen zu finden. Es giebt Hauswirte, die an solche grund- sächlich nicht vermieten. Originell ist die Methode, mit deren Hilfe kürzlich ein Arbeiter in Hamburg seinen Hauswirt hineinlegte. Er bejahte gewissenhaft die Frage, ob er Kinder habe, und fügte seufzend hinzu: „Aber sie sind alle auf dem Kirchhofe I" Darauf wurde ihm die gewünschte Wohnung vermietet. Man stelle sich nun das Entsetzen vor, das der Hauswirt empfand, als sein neuer Mieter mit nicht weniger als sieben lebendigen Kindern einzog. Es gab einen „Mordskrach". Der Wirt berief sich auf die Erklärung deS Mieters, daß dessen Kinder alle gestorben seien, aber der schlaue Mieter erwiderte lachend, ihm sei solche Aeußerung im Traume nicht eingefallen. »Ich sagt« Ihnen nur die Wahrheit; zu jener Zeit, als wir den Kontrakt unterschrieben , befanden sich alle meine Kinder auf dem Kirchhofe, um das Grab ihrer Großeltern zu besuchen l" Der wütende Wirt strengte die Räumungsklage an, wurde aber abgewiesen und brauchte im übrigen für den Spott nicht zu sorgen.
— Angst vor der Freiheit. Merkwürdige Scenen haben sich bei der letzten Generalamnestie in Italien in zahlreichen Galeeren und Zuchthäusern abgespielt. Eine ganze Reihe von Sträflingen, darunter solche, die fast ihr halbes Leben an der Kette zugebracht haben, weigerten sich ganz entschieden, ihr bisheriges Heim zu verlassen und den Straferlaß anzunehmev! Im Zuchthause von Portoferrajo, dem härtesten auf der ganzen HUbinsel, brach der Sträfling Beltramo, der dort bereits 22 Jahre gefangen saß, in Thränen aus, als der Direktor ihm seine Freilassung eröffnete. Um trotzdem dort bleiben zu können, gab er vor, noch zwei schwere Verbrechen begangen zu haben, die noch nicht verjährt seien. Als man ihn trotzdem vor die Thür setzte und die Kette losschmiedete, drohte er, sich inS Meer zu werfen, da er die schöne Zeit, welche er in der Galeere verbracht, hienteden niemals wieder haben werde. In Bologna hat sich ein wieder Willen entlassener Sträfling sogar vor den Augen der Polizisten aus der dritten Eiage deS Polizeipräsidiums gestürzt mit den bezeichnenden Worten: „DaS überlebe ich nicht!" Das Elend in Italien ist ebensehr groß und die Aussicht auf Arbeit so gering, daß viele Leute thatsächlich die berüchtigten „vaterländischen Galeeren" mit ihrer Hungerkost und dem mittelalterlichen Reglement dem höchsten Gut der Menschheit, der Freiheit, vorziesen.
Hiezu 3 Belage«. "ZSK