Erlöst.

Kriminal-Novelle von Carl Cassau.

4) (Nachdruck verboten.)

Es war kurz nach Neujahr, als nach Uebernahme von Gut Sültow Herr Pächter Ekkard eine große Treibjagd abhielt. Sein Forst grenzte an den Bütow'schen. An der Grenze trafen sich beide Herren unvermutet. Bei Ekkard war der Pächter Giesebrecht als Begleiter.

Ah", bemerkte Ekkard sogleich giftig, da sind Sie ja, sie verdienten, daß ich Sie nicderschösse wie einen rcudigen Hund."

Bah," gab Benno zurück,Hunde, die bellen, beißen nicht. Verlangen Sie eine Erklärung? Hier ist sie: ein Mensch, der die Frauen so niedrig achtet, wie Sie, muß um eine Küchenmagd onhalten, aber nicht um ein adeliges Fräulein I Sie wollten mich niederschießen? Pah, als ob ich mein Ge­wehr nur zum Spielen hätte."

Damit ging er. Giesebrecht, dem die Sache sehr fatal war, hielt Ekkard zurück, als er zum Gewehr griff. Dann war Benno von Bütow außer Sicht.

Ein Stunde später fanden die Jäger deS zweiten Treibens Ekkard mit durchschossener Brust tot an einer Weide an der Grenze des Bülowschen Forstes. Benno ward in der Nähe gesehen.

Am Nachmittage war die Gerichtökom- misston bereits an Ort und Stelle. Der Thatbestand ward angegeben die Wunde ge­messen. Giesebrecht war als Zeuge ver­nommen. Seine Aussage belastete Benno von Bütow mit schwerem V-rdachte, nun errinnerte sich der mitgebrachte Gendarm Ltepe auch des Umstandes, daß sich Ekkard und Baron Benno vor kurzem gezankt und daß der Baron drohend, wie es schien, gerufen: Nehmen Sie sich in acht!"

Abends ward Benno verhaftet. Auf Bütow herrschte große Bestürzung, Frau Rosa und Julia weinten heiße Thränen, aber Benno sagte feierlich:

Ich bin bei Gott unschuldig, der Höchste wird meine Unschuld schon an den Tag bringen."

Das Jagdgewehr Benno'S ward konfis­ziert.

Im Februar fand die Sitzung vor den Geschworenen statt.

Die Belastungszeugen Giesebrecht und Liepe konnten wohl zunächst in den Augen der Laien den Baron Benno verdächtig machen, aber schon Giesebrechl's Angabe, daß Ekkard den Streit provolierd, brach der Anklage die Spitze ab. Die Liepe'schc Aussage wurde durch Benno'S Erklärung entkräftet, daß er Ekkard vor Meißner gewarnt habe. Nach Meißner war schon gefragt worden, aber eS hieß, er sei über die Grenze nach Pommern verzogen. Den Hauptentlastungsbeweis aber erbrachte der Umstand, daß die aus EkkardS Leichnam herauSgeholte Kugel viel zu groß sür Benno'S Gewehr, erfunden ward. Er ward unter dem Jubel der Zuhörer freige- sprochen.

So kam er heim, so empfing ihn Julia weinend, denn wie hatte die G-fängnisluft den jungen Mann zugerichtet. Aber er redete ihr tiöstend zu:

Sei ruhig, Geliebte, unter Deiner Pflege als Dein Gatte werde ich bald gesunden."

Die Hochzeit fand in aller Stille statt,

denn aus den Büiow*S lastete eS wie ein Fluch.

Viele sagten: «Er ist unschuldig!" Manche aber, und das war die Mehrheit, erklärten:Man konnte es nur nicht be­weisen, und so kam er frei."

Julia litt am meisten unter diesem Ver­dacht und unter solchen Gerüchten.

» *

ES war wieder Winter geworden. Aus dem Schlöffe wurde in einer stürmischen Nacht ein neuer Erbe geboren.

Während Frau Baronin von Bütow ihre Schwiegertochter küßte und beglückwünschte, sagte Benno leuchtenden Auges:

Er soll Kurt heißen, wie Du, Papa."

O, ich danke Dir sür diese Ehre mein Junge."

Am Morgen desselben TageS begrub man die arme Annadört Meißner, die die ganze Zeit über gekränkelt, auf dem Kirch­hofe ihrer Heimat, wohin sie der Vater be­stimmt hatte, wieder zu ziehen. Meißner schwankte hinter dem Sarge her. Als Alles vorbei war, ging der gebrochene Mann mit Claus Harms heim. Am Nachmittage ward ihm wiederholt schlecht.

Hole den Pfarrer", bat er den Freund. Ich muß sterben."

HarmS glaubte es zwar nicht, aber den Prediger holte er doch.

Als der geistliche Herr erschien, hatte sich Meißner, der einst so starke, jetzt völlig gebrochene Mann, in den Lehnstuhl gesetzt und stöhnte laut.

Was haben Sie?" fragte der Geist­liche. Wollen Ihr Herz erleichtern, Meiß­ner, oder was ist eS? Soll ich Ihnen geistlichen Zuspruch reichen?

Nein," stöhnte Jener und warf sich unruhig hin und her,ich will etwas beichten."

Dann gehe ich!" meinte Harm«.

Nein.-bleidt Alle, daß der

Herr Pastor Zeugen hat! Ich will nicht, daß Unschuldige unter falschem Verdachte leiden!"

Wieso, Meißner?" fragte der Pastor den Leidenden.Sie sind krank! HarmS, haben Sie nicht etwas Branntwein im Hause?

Ja, Herr Pastor I"

Er holte davon und Meißner trank einen Schluck, dann richtete er sich mühsam aus und sagte mit wiedererlangtem Sprechvermögen sehr rasch und deutlich:

Ich habe Ekkard totgeschoffen, weil er meine Annadört in'S Verderben ge- bracht hat!"

Ein Blutstrvm entrang sich dem Munde, der Kranke stöhnte noch einmal laut auf und war todt.

Die Sache ward dem Gericht unter­breitet, welches eine dahinzielende Bekannt­machung erließ. Jetzt wollte ein jeder durch sein Benehmen den Bütow'S den häßlichen Verdacht abbitten, aber Benno sagte:

»Ich gebe nichts darauf, nur die treue Liebe deö Weibes, das Herz der sorg-nden Mutter, das Vertrauen des Vaters haben mich in dieser schweren Zeit wieder aufge­richtet I"

Aber Julia, eine wunderbar blühende junge Frau, rief jubelnd:

Erlöst, erlöst vom schweren Bann! Kurt, Kurt, nun kann ich Dich mit Freuden taufen laffan, denn der häßliche Verdacht ist

von Deines Vaters Haupt genommen! Er­löst, erlöst!"

Und der Großvater sagte laut:Amen!" Ende.

Verschiedenes.

Familienschutz im Gastwirtsgewerbe. Durch den Umstand, daß der kürzlich ver­storbene Gastwirt Fr. Rapp, Knittlingen, Mitglied der Sterbekaffe des Bundes Deutscher Gastwirte (jur. Person, Sitz in DarmSstadt) war, wurde durch den Ortsrchrechner für den Bezirk, Herrn G. Schurr, Knittlingen die ansehnliche Sterberente im Betrage von Mk. 1214 an die Hinterliebenen aus's promp­teste ausbezahlt. Es giebt sich hieraus, wie wohlthätig die Mitgliedschaft eines so für­sorgenden Instituts für die Familie ist. Diese Kaffe hat in den 7'/r Jahren ihres Bestehens über 1,200,000 Mk. an deutsche Gastwirtsfamilien (ca. Mk. 1100. pro Familie) ausbezahlt, wohl der beste Beweis für die Leistungsfähigkeiten dieses segens­reichen Instituts. In Folge der besonderen Vorzüge und der niedrigen Beitrüge sind denn auch, trotz des verhältnismäßig kurzen Be­stehens der Kaffe, bereits mehr als 10000 Beitritte erfolgt. Die deutsche» Gastwirte und deren Frauen erkennen immer mehr den hohen Wert dieses Institutes und den Schutz, den die Mitgliedschaft ihren Familien bietet, so daß das Gedeihen dieser Kaffe als ein sehr gutes bezeichnet werden kann, was im Interesse des humanen Zweckes derselben nur freudig zu begrüßen ist.

Ein bisher noch nicht bekanntes Ge­dicht, welches der Kaiser Friedrich von seinem Krankenlager aus telegraphisch an seine Ge­mahlin richtete, als sie am 9. April 1888 nach Posen eilte, um der überschwemmten Stadt die kaiserliche Teilnahme zu bekunden, teilen diePosen. N. N." mit. Das Tele­gramm lautet wörtlich:

Selbst im Leid des Trosts begehrend, Eilst Du fremdem Leide wehrend,

Treues Vorbild der Ergebung Bringst Du Trost und Mut Belebung. Wo Du weilst, ist Hoffnung nah,

Sei gegrüßteViktoria"' Friedrich."

." Kindermund. Der dreijährige Willy, der schon in zarter Jugend von seinen Eltern daS Renomieren angenommen hat, kommt zu seinem gleichaltrigen Freunde ins Nachbar­haus. Als er hier die Wanduhr sieht, sagt er voll Eifer: Ihr hänt bloß eine Uhr, aber mir hänt zwei Uhren und mein Voller hat noch «ine in der Westentasch." Er fährt fort:Ihr hänt bloß einen Ofen, aber mir hänt drei! I bin am Chrtsttag geboren, aber Du bist gar net geboren." Der Haus­herr, der gerade damit beschäftigt ist, seine Kanarienvögel zu füttern, fragt den kleinen Willy:Gelt, Ihr habt auch einen Kanarien­vogel?" worauf der Junge prompt antwortete: Nein, ober mit hänt recht viel MäuS l" (Kulturstudie.) Hofmeister (zum Prin­zen, den er in einem kleinen Gasthause über­rascht):Hier finde ich Durchlaucht?!" Prinz:Ich wollte mich einmal überzeugen, was einSchweinshoxel" ist!"

.'. (Frech.) Zuchthausdirektor:Hören Sie mal, die Wolle ist aber sehr schlecht gezupft, das müssen Sie bester machen. Sträfling:Na, wissen Se, wenn Ihnen meine Arbeit nicht paßt, dann kann ik ja jehen!"

Bebakst»», Druck und Verlag von Beruh. H o f m « u u in Wildisb.