Erlöst.
Kriminal-Novelle von Earl Cassau.
8) (Nachdruck verboten.)
„Der Bube! Er ist weithin bekannt."
„Glaub's wohl! Na Gottes Hand wird ihn schon noch erreichen."
„Gewiß. Kommst Du morgen zur Arbeit ?"
„Ja, ich komme."
„Das ist gut l Lebe wohl!"
«AdjüS!"
Harms ging, gleich nach ihm verließ auch Meißner sein HauS und schlug die Straße nach dem Gute ein.-
Julia von Schönau saß beim Kaffee mit Frau von Bütow im Park, Benno leistete ihnen Gesellschaft.
„Ich habe noch keinen so üppigen Rosenstar gesehen wie Heuer und gerade hier," meinte Julia, „jetzt ist es aber damit wohl vorbei."
„Astern und Malven, nebst Georginen treten nun ihre Herrschaft an," warf Benno ein.
„Haben Sie wohl mal darüber nachgedacht," fragte da Julie, „daß die Monate der schönen Jahreszeit ihre charakteristischen Blumen erzeugen?"
„Eigentlich nein!"
„So hören Siel Der Frühling glänzt vorzüglich in Perigonblüten, wie Tulpen, Maiglöckchen, daun in Kelchblüten wie SchmetterltngSblüten und Laevcnblüten; der Sommer in rosenartigen Kelchblüten, der Herbst in Dolden und Composilen l"
„Das ist wahr!"
„Man kann daraus einen förmlichen Blüt'nkalender zusammensetzcn."
»Ich glaube!"
„Ganz gewiß. UebrigenS liegt der feinste Blütenduft außer in der Rose doch wohl in der Blüte des WcinstockeS."
„DaS werde ich beachten. Doch, apropos, gestern begegnete ich auf der Jagd einem halben Wunder!
„Nun?"
„Ich fand einen Schwarzdorn, der blühte. Zum zweiten Male natürlich."
„Wirklich?"
„Sicher."
„Das ist etwas höchst Seltenes. Pardon, lieben Sie die Jagd so sehr?"
„Nein, das Töten von Tieren macht mir keine Freude, man bleibt eben bei der alten Mode, das Jagdwild würde sonst auch unsere Felder schwer heimsuchen."
„DaS glaube ich. Aber ich danke Ihnen, ich bin auch eine Ticrfrrundin."
Benno warf ihr einen warmen Blick zu. Der Papa unterbrach das Gespräch dieser Gesellschaft, er trug ein offenes Telegramm in der Hand:
„Erschrecken Sie nicht so sehr, liebes Kind," sagte er weich zu Julia, „Ihr Papa ist erkrankt, wir müssen gleich aufbrechen."
Julia erschrock dennoch sehr.
„Bitte, sagen Sie mir alles, Herr von Bütow," flehte sie.
„Nun, Papa hat einen Schlaganfall erlitten. Da, lesen Sie selbst."
„J°. schnell Herr von Bütow."
„Und ich fahre Sie," erklärte Benno.
Eine halbe Stunde später fuhr der Wagen ab.
Inspektor Ekkard sah ihm vom Per- walterhavse aus nach und murmelte:
„Weiß Gott, sie ist schön. Die oder keine I"
Da stand wie aus der Erde gewachsen der Tagelöhner Meißner vor ihm:
„Ich hätte mit Ihnen zu reden, Herr."
„Herr Inspektor heißt es."
„Für mich nicht mehr. Ich bin gekommen — l"
„Erst eintreten!"
Meißner schüttelte den Kopf:
„Nein hier, wo wir gleiche Rechte haben I Ich bin gekommen, Sie zu fragen, ob Sie der Annadört ihren ehrlichen Namen wieder geben wollen, indem Sic sie ehelichen?"
„Wie?"
„Ich sagte ehelichen."
„Sie sind verrückt, Meißner."
„Ich bin eS nicht, aber ich könnte es werden."
„Ich gebe ihr 500 Mark, damit basta."
Meißner schüttelte wieder den Kops:
„Ist das ihr letztes Wort?"
„Ganz gewiß."
Meißner sah den Gecken mit einem »n- auSsprechltchen Blick der Verachtung an, dann ging er ohne einen Wort von dannen.
Am anderen Tage berichtete HarmS dem Verwalter Bruns, Meißner habe sein Haus und sein Land an den Anbauer Pcrthas verkauft, seine Einrichtung erhalte dessen Sohn, Meißner habe Bütow bereits verlassen.
Alles bedauerte den schwerg'prüften Mann.
» »
Der November mit seinen Stürmen war herbeigekvmmen.
Julia von Schönau ging in Trauerkleidern einher, ihr Papa war tot, Kurl von Bütow war ihr Vormund geworden, kein Wunder, daß sie ganz hierher übergestedelt. Gut Schönau ward tn ihrem Namen geschickt verwaltet.
Als Benno Julia wiedersah, war die Liebe bereits zur Hellen Flamme emporge- schlagen. In dieser Lage aber mochte er seine Bewerbung um ihre Hand nicht Vorbringen, er verschob sie auf eine günstigere Zeit.
Um so eiliger hatte es Ekkard gehabt, ihr seine Gefühle nahe zu legen. Als er ihr am Nachmittage Hühnerfuler verabfolgte — sie versah den Hühnerhof mit ganzem Eifer — begann er plötzlich:
„Wie bedaure ich Frl. von Schönau, daß Sie dieses Schicksal betroffen."
Julia nickte schweigend.
„Wissen Sie, daß ich Sültow gepachtet habe?"
„Nein l So, jetzt ist es Korn genug."
„Sültow ist schön. Aber mir fehlt die Herrin."
„Adieu!"
„Einen Augenblick, gnädiges Fräulein!"
Sie richtete sich hoch auf und blickte ihn strenge an.
„Werden Sie — meine Gattin!"
„Unverschämter!" brauste hier Benno, der unbeachtet in die Kornkammer etngetreten war, auf, und rascher, ehe es sich aussprechen läßt, hatte der Inspektor zwei Schläge ins Gesicht erhalten, daß es dunkelrot ward.
Dann faßte Benno Juliens Hand und zog die Halbbetäubte ins Freie.
Die Fütterung der Hühner befahl er
hier einer Magd, dann folgte er der welnin- den Julia ins Wohnzimmer, wo er dem Papa und der Mama die volle Wahrheit sagte. An Julia aber wandte er sich und gestand:
„Teure Julia, vergeben Sie mir die rasche That, aber der Unverschämte hat die Strafe verdient. In ihrem Leid mochte ich Sir nicht davon in Kenntnis setzen, wie sehr mein Herz für Sie schlägt, aber jetzt muß es gesagt sein, daß ich Ihnen vom ersten Augenblicke an gut war. Julia, darf ich Ihnen Vater, Mutter und Bruder zugleich sein?"
Sie sank an seine Brust, sie schluchzte an seinem Halse, und die Eltern gaben ihren Segen dazu.
„Den Ekkard entlaste ich sogleich," flüsterte Herr Kurt von Bütow dem Sohne zu, „aber was wird Julia zu der Obristentochter sagen ?"
Er lachte, Benno aber ward rot und gab leise zurück:
„Sage ihr davon — nichts!"
„Nein!" lachte der alte Herr und ging hinaus.
Er brachte die Angelegenheit mit Ekkard sofort ins Reine, doch stieß derselbe beim Scheiden Drohungen gegen Benno aus.
Er reiste sofort ab.
Auf Bütow gab eS in den nächsten Tagen eine flotte Verlobung, auch ward die Hochzeit auf das Frühjahr festgesetzt.
(Schluß folgt.)
Verschiedenes.
— (Acht Söhne in einem Regiment ) Acht Söhne in einem und demselben Regie ment der deutschen Armee zu haben, ist unstreitig der höchste Rekord, der bisher auf diesem Gebiet erreicht worden ist. Die jungen Vaterlandsverteidiger, Söhne des Tabakfabrikanten I. C. Martens tn Hamburg, dienen der Reihe nach seit dem Jahre 1885 bei dem 8. Hanseatischen Infanterieregiment Nr. 76 und haben sich in dienstlicher Hinsicht nichts zu Schulden kommen lassen.
(Bo» der Schmiere.) Direktor (zur Liebhaberin): „Aber ich btleSie, mit diesem altmodischen Mantel können Sie in dem modernen Stück doch nicht auftreten l Schauen Sie hinaus in die Zuschauer-Garderobe, ob nicht vielleicht eine Dame etwas Passendes abgegeben hat!"
Ueber 1700 fallsüchtige Kranke und eine nicht viel kleinere Zahl anderer armer Weihnachtsgäste: Geisteskranke, Schwindsüchtige, Blöd', Heimatlose, Alte, Sieche und sehr viele kleine kranke oder verwaiste Kindlein in unseren Anstalten Bethel, Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf, die meist Niemand haben, der ihrer zu Weihnachten in Liebe gedenkt, hoffen auch in diesem Jahre auf eine Weihnachtsfreude.
Zu unseren bisherigen Anstalten der Bamherzigkeit kommen in diesem Jahre noch die beiden Häuser „Freistatt" und „Moorstatt" im Wietingsmoor für gefährdete Jünglinge und schiffbrüchige Männer aller Art hinzu, denen Wilhelmsdorf keine genügende Arbeit mehr bieten konnte.
Jede kleinste Gabe in Geld oder in natura, nimmt mit innigem Dank entgegen.
Bethel, bei Bielefeld, Weihnachten 1900.
F. v. Bodelschwingh,
Pastor.
Drdattton, Druck und «erlag von «er uh. Hosmsnn ln MldbaL.