Seimtiche Liebe
Roman von Helene Voigt.
22) (Nachdruck verboten.)
Zn seinem Zimmer schrittt der Senator währenddem unruhig auf und nieder, ein angefangener Brief lag auf seinem Schreibtische, aber er konnte ihn noch immer nicht beenden. Dort auf dem Fensterbrett stand der elegante eingelegte Pistolenkasten geöffnet, Albrecht nahm seine Lieblingswaffe heraus» einen amerikanischen sechslSufigen Revolver, und spannte den Hahn, die Waffe war allerdings nicht geladen, doch schon das unheimliche Knacken machte ihn ernst. In wenigen Stunden stand er seinem Feinde gegenüber Ange in Auge, und wer am besten traf, räumte den andren beiseite. Würde Nora wohl den Mörder ihres Gemahls noch immer lieben, ihm vielleicht später wohl gar die Hand reichen ? Der Gedanke war ein fürchterlicher. Ban der Huylen knirrschte mit den Zähnen, seine Fäuste ballten sich und klirrend warf er den Revolver beiseite.
Und- wenn nun er den Hauptmonn erschoß ? Was wurde dann aus ihnen beiden? Nora ging zur Mutter und er blieb im allen, öden Senatorenhause zurück, einsam und freudlos und nur in der Errinnerung lebend?
Wo mochte sie gewesen sein, als er sie jetzt beim Heimkommen getroffen ? Sie schien erschrocken, das kummervolle Gefichtchen ward kreidebleich und er meinte sogar, Thränen in ihren Augen bemerkt zu haben.
„Arme Nora," murmelte er sehr ernst, „sie liebt mich nicht und meint doch, durch Fesseln der Dankbarkeit an mich gebunden zu sein. Aber Geduld I Sobald Lothar gesund und das Duell vorüber ist, reist sie zur Mutter — und alles wird wie zuvor. Niemand empfindet dabei einen Schmerz, als nur der kalte, rechnende Kaufmann, dessen Herz eigentlich eine Addiertafel ist!"
Langsam setzte er sich an den Schreibtisch , nahm den begonnenen Brief in die Höhe, überlaS das Geschriebene und fuhr dann fort, ihn zu beendigen.
„Meine liebe Nora I Fast möchte ich Dich heute um Entschuldigung bitten, nochmals diese vertrauliche Anrede zu gebrauchen, indes sie kommt mir unwillkürlich auf die Lippen — sie gehört noch zur Vergangenheit und muh abgestreift werden, wie alles, was an die Zeit unserer kurzen Ehe erinnert. Mir schien sie kurz, Dir, armes Kind, gewiß unerträglich lang und ich müßte Deiner Mutter eigentlich Dank wissen, daß sie mich aufklärte über den traurigen Zustand Deines Gemütes. Daß ich heute demjenigen mit der Waffe in der Hand gegenüber trete, welcher, wie Deine Mutter mir gleichfalls milteilte, Dein Herz besitzt, geschieht, um Deiner Ehre zu genügen, denn ich bin kein Engel, welcher steht, wie ein andrer die Liebe des Weibes erringt, welches er selbst — aber nein, von meinen eignen Gefühlen will ich schweigen. Er oder ich — Gott mag richten. Mein Testament habe ich gemacht, nimm daS, was ich für Dich darin bestimmt, als Andenken für den Toten, dem Du alles gewesen bist! DaS Scheiden vom Leben fällt mir nicht schwer, ich verliere nichts, denn ich besitze nichts, hoffe nur allein
auf Gottes Gnade. DaS Jahr an Deiner Seite war mein schönstes, Nora, und Du wirst mir nicht zürnen, wenn ich es in dieser Stunde Dir sage. Auch Lothar und seine Braut soll freundlich an mich denken, vielleicht hoben sie manchmal ein Paar Blumen für das Grab des armen Senators, der so wenig auf Erden genoß.
Es wird spät, Kind, ich will noch ein wenig ruhen, ehe der Morgen graut, damit meine Hand nicht zittert; so lebe wohl, Gott behüte Dich, Nora, und wenn ein einziger Gedanke an denjenigen, den die Welt einst Deinen Gatten nannte, zu mir in ein bessres Jenseits fliegt, so sei gesegnet dafür. Albrecht."
Der Brief war beendet, adressiert und das Couvert geschlossen, van der Huylen hatte neben dem Namen seiner Gemahlin noch die Bemerkung angegeben : „nach meinem Tode zu lesen." Noch ein letztes mal preßte er ihn an die Lippen, dann legte er ihn neben das gleichfalls versiegelte Testament und rin für den Buchhalter Winkler bestimmtes Schreiben.
Tiefaufseufzend trat er zum Fenster und öffnete den einen Flügel; draußen war's still und milde, die Sterne blitzten und flimmerten, kein Lüftchen rührte sich, kein Laut drang zu dem einsamen Manne am Fenster.
Der letzte Abend vielleicht im Leben, morgen tot und kalt» wenn des Gegners Waffe richtig traf! Es war doch ein seltsames Empfinden, das van der Huylen ergriff, bei dem Gedanken I Es war nicht Feigheit im gewöhnlichen Sinne des Wortes, cs war Bedauern, nicht länger mehr wie bisher in voller Kraft wirken und schaffen zu können; hätte Nora an seiner Seite gestanden, ihre kleine Hand in der seinen, dann meinte er, wäre der Kampf nicht so furchtbar und trostlos gewesen.
Plötzlich fuhr der Senator aus seinem Träumrm auf, trat vom Fenster zurück und schloß dasselbe; es pochte leise an der Thür und er rief: „Herein."
Sein alter Diener trat auf den Zehen ins Zimmer winkle Albrecht und flüsterte: „Die gnädige Frau schläft, aber der Herr Assessor läßt bitten."
„Ich komme," winkte van der Huylen, „Gott sei Dank, daß der arme Lothar wieder besser ist!"
Der Kranke hatte sich im Bett aufgesetzt, sein Gescht war farblos, das Auge trübe und wehmütig drückte er des Schwagers Hand, als dieser zu ihm trat.
„Armer Lothar," sagte dieser mit gedämpfter Stimme und zog sich geräuschlos einen Stuhl an das Lager, „Du hast uns alle so erschreckt durch Deinen Fieberanfall; wie kamst Du dazu, hast Du Dich erregt?"
Der Diener zog sich zurück und Trah- low erwiderte, nachdem er nach dem Nebenzimmer gehorcht: O, Albrecht, ich hatte Nora das Wort abgenommen, Dir nichts zu sagen von all' dem Unheil, aber es drängt mich, zu reden, Dir noch in dieser Nacht alles zu erzählen."
„WaS hast Du, lieber Schwager, Du stehst so verstört aus: ich kenne Dich kaum wieder?"
„Van der Huylen, Du kennst das Gefühl nicht, welches einen Sohn erfüllt, wenn er sagen muß, solange seine Mutter noch
lebt: „Ich habe keine Mutter!" ES ist furchtbar, aber der Mensch kann es auch überleben — Du stehst es an mir "
„Lothar, Du sprichst im Fieber." —
O nein, ich war noch nie so bei Bewußtsein , als eben in diesem Augenblick. Hast Du Zeit die ganze empörende Geschichte anzuhören ?"
„Ja ich habe viel Zeit," nickte jener düster; es war ja gleichgültig, ob er die letzten wenigen Lebensstunden verschlief oder« wachend zubrachtc.
„Nun denn so höre! Frau von Trah- low, welche wir bisher Mutter genannt, — ist— o Gott, wie soll ich'S Dir sagen!" —
„Rege Dich nicht auf, Lothar — hier nimm einen Schluck Wasser." —
Laß mich, Albrecht, Du mußt es wissen, Du, den sie aus Hochmut so abfallend behandelt! Sie hält eine Spielhölle in Wiesbaden, sie ruiniert die jungen Leute."
„Allmächtiger Himmel, ist eS möglich!"
„Ja", lachte der Assessor Hitler auf, „daS habe ich auch gesagt und dennoch — hatte ich den greifbaren Gegenstand in Händen, welcher die Wahrheit deü Gesagten bewies. Aber das — ist noch nicht alles I"
„Arme Nora, armer Lothar," murmelte der Senator und drückte teilnehmend die Hand des Kranken, „daher also jener rätselhafte Luxus, die außerordentliche Eleganz im Auftreten — der Dame."
„Jawohl, aber Gott sei Dank, daß wir, ihre Kinder, nichts davon mitgenoffcn haben, es kleben Thränen an dem Golde, Albrecht, blutige Thränen."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Die adhaltende Haltung, die manche Leute gegen „Malzkaffee" noch einnehmen, mag den vielen Fabrikaten gegenüber, die gar nichts anderes sind als geröstetes Malz, oder gar nur gebrannte Gerste, vollauf berechtigt sein. Kathreiners Malzkaffee aber muß unter einem ganz anderen Gesichtspunkte betrachtet werden, denn dieses Fabrikat ist nach einem eigenartigen, patentierten Verfahren mit Geschmack und Aroma des Bohnenkaffees versehen, so daß es als vollständiger Ersatz des Bohnenkaffees gelten kann. Daß ein derartiger Malzkaffe« auch als Zusatz vorzügliche Dienste leistet, versteht sich demnach von selbst. Kalhreiner'S Malzkaffee kommt zum Schutze seines feinen Aromas nur in plombierten Packeten zum Verkauf, worauf die Hausfrauen achten sollten.
.'. (Gut gegeben.) Baurat: „Ja, ja, Herr Schulinfpektor, jetzt sind wir Beide alte Leute. Früher waren wir in Amt und Würden, und jetzt beide emeritirt."
Schulinfpektor: „Stimmt, mein lieber Baurat. Zwischen uns ist aber doch ein kleiner Unterschied. Sie sind emeritirt, weil Ihnen alles einfällt, — ich dagegen, weil mir Nichts mehr einsällt."
.-. (Der glückliche Zahn.) Frau: „Ich habe mir einen Zahn ziehen lassen." — Mann (seufzend): „Der glückliche Zahn! Er ist jetzt ganz aus dem Bereiche Deiner Zunge."
(Schmeichelhaft.) Georg: „Glaubst Du, daß Dein Vater seine Einwilligung gicbt?" — Elsa: „Er ist immer so gut gegen mich. Von jeher hat er selbst meine dümmsten Wünsche erfüllt."
Akdakitou, Druck und Verlag von Ber nh. Hofmauut« Wldhad.