wo die Wartbergflraße Ist, dort ist meine Wohnung", — und auf die Mauer, die daS Rauchsche Anwesen einschließend, deutend, fragte der luftig Gekleidete weiter, „ob daS nicht die Mauer vom alten Friedhof sei." Als ihm dies verneint wurde, bekam er eine Gänsehaut, daß ihm die Haare zu Berg standen. Bei der großen Dunkelheit waren seine Kleider, denen er stch entledigt hatte, absolut nicht zu finden, und somit trat das Kleeblatt ciue Wanderung an, die einzig dastehen dürfte: „Prophete rechts, Prophete links, daS Welt- klnd in der Milten", so zogen sie ans die Polizeiwache nach dem Marktplatz, wo die dort anwesenden Schutzleute ihre sonst so ernsten Mienen in ein fröhliches Lachen verwandelten. Der seltsame Kauz wurde in Teppiche gewickelt, bis man für denselben Kleider zur Stelle schaffen konnte. Dem Dialekt nach war der „Geist" einer der Herren aus Norddeutschland, die unsere N'ckar- wetne oft als „Aeppclwetn" betrachten und trinken, bis die oben geschilderte Wirkung etntrilt.
Aalen, 28. Okt. Ein freches Stückchen leistete gestern em Handwerksbursche hier. Derselbe verlangte im Hotel »Harmonie" in betrunkenem Zustande ein GlaS Bier, und als ihm hier die Thüre gewiesen wurde, schlug er von außen mit dem Stock 7 Fensterflügel in Scherben. Nachdem ihm hierauf in nicht zu sanfter Art daS Ungeziemende seiner Handlungsweise klar gelegt worden war, wurde er in Haft genommen.
Tübingen, 30. Okt. Ein stchzenjähriger Mörder in der Person des Maurergesellen K. Müller von Dettenhausen wurde gestern von der Strafkammer zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Der betreffende hat den 19 Jahre allen Steinhauer K. A. Bauer, der ihn wiederholt ins Gesicht geschlagen hatte, durch einen Messerstich in daS Herz getötet. Dem Angeklagten, der kurz vor der Thal 1Flaschen Bier und 4 Glas Freibier getrunken haben will, ohne dies besonders gespürt zu haben, wurden mildernde Umstände zugebilligt. Seitens der Staatsanwaltschaft waren 2 Jahre beantragt worden.
Oberndorf, 2. Nov. Ein gräßliches Unglück hat stch heute vormittag auf dem Schießplast der Mauserichen Waffenfabrik ereignet. Der etwa 45 Jahre alle Fabrikarbeiter Co- pai, wohnhaft in Altoberndoef, ein gebürtiger Italiener, wurde in dem Moment, als er die Unvorsichtigkeit beging, die Sicherheitsgrenze dcS Schießplatzes zu überschreiten, während auf letzterem Schießversuche ange- strllt wurden, von 2 Kugel» in das Gesicht getroffen und war wenige Minuten darauf eine Leiche. Der Bedauernswerte hintcrläßt eine kranke Frau und 6 unmündige Kinder.
Ulm, 31. Okt. Heute früh verunglückte auf dem hiesigen Bahnhof der Ankuppler Wöhrle von Langenau, der erst seit Herbst vom Militär entlassen und seit 4 Wochen im Etsenbahndicnst ist, beim Ueberschreiten des Geleises blieb er mit dem Stiefel an einer Wetchenzunge hängen, in demselben Augenblick kam eiu von der Rangiermaschine abgestoßener Wagen heran und drückte ihm den Fuß am Knie ab. Er wurde in Spital verbracht, wo ihm der Fuß abgenommen werden mußte.
Friedrichshasen, 31. Okt. Nachdem dieser Tage das Gerücht umging, der Zeppelin'sche Ballon werde an die preußische Militärverwaltung verkauft und nach Berlin verbracht.
verlautet jetzt, daß 16 Arbeiter beibehalten und im kommenden Frühjahr die Probefahrten fortg-sitzt werden. Die Ballonhalle selbst ist durch Wettercinflüffe mitgenommrn, ebenso die Pontons derart zugerichtet, daß Wasser eindringt und dieselben daher reparaturbedürftig sind.
Friedrichshasen. Die Frage: „Warum fährt Graf Zeppelin nicht mehr? beantwortet Engen Wolf in der „Münch. Allg. Ztg.": „Weil der Graf ganz fertig ist, mit seinem Geld nämlich. Er hat so viel von seinem Vermögen in diese epochemachende Arbeit hineingesteckt, daß er weitere Opser nicht bringen kann und darauf angewiesen ist, daß ihm deutsches Kapital und der Staat ent- gegenkommen, um ihm zu ermöglichen, sein Werk bis anS Ende, bis zum vollkommenen Erfolg, durchzuführen. Ich prophezeie, daß Graf Z ppelin nicht allein mit Personen, sondern auch mit Frachten durch die Luft fahren wird; das sehe ich klar und deutlich kommen. Notwendig ist es in erster Linie, daß S. M. der Kaiser, Deutschlands Fürsten, der Staat und auch das deutsche Volk ihre schützende Hand auf Graf Zeppelins großartiges Unternehmen, an dem er unentwegt wettergearbeitet hat, legen, damit wir eS unS einst nicht zur Schande anrechnen müssen, am Vorabend des Gelingens nichts für ein solch' epochemachendes Werk übrig gehabt zu haben, als billige Kritik."
Pforzheim, 1. Nov. Ein verheirateter Mann mußte gestern auf dem Marktplätze vor seinem Weibe flüchten, das ihn mit einem langen Küchenmeffer verfolgte. Erst die Räume eines nahen Geschäftshauses boten dem Bedrängten Hilfe vor den Anfeindungen seiner besseren Hälfte.
Karlsruhe» 31. Okt. Der Antrag des Rechtsanwalt Dr. Frühauf, den Eiscnbahn- rxpedienten Wilpert gegen eine Kaution von 3000 ^ auS der Untersuchungshaft zu entlassen, wurde vom Heidelberger Landgericht abgelehnt.
— Die Eröffnung des Reichstages wird am 14. k. Mts. im Weißen Saale des Königlichen Schlosses durch den Kaiser erfolgen.
— Für den Kronprinzen Wilhelm, der im nächsten Sommer die rheinische Hech- schule bezieht, ist vom Kaiser die ehemalige Billa König in Bonn für 450 000 ^ gekauft worden. Sir wird jetzt noch von ihrem letzten Besitzer, Professor Finkler, bewohnt und am 1. Mai zur Aufnahme des Kronprinzen bereit sein. Nur einige geringe Abänderungen sind vorgesehen, so u. a. der Bau einer Wagenhalle für fünf Equipagen und einer Sattclkammer.
Berlin, 30. Okt. Das „Berliner Tageblatt" meldet: Der Magistrat beschloß eine Stiftung von 1 Million Mark zur Linderung der Wohnungsnot in Berlin als „König Friedrichstiftung" zum Andenken an die 200- Jahrfeier der Gründung deö Königreichs Preußen. Der Zweck der Stiftung ist mittel- und obdachlos gewordenen Berliner Familien billige und gesunde Wohnungen zu verschaffen. Die diesbezügliche Vorlage geht ungesäumt den Stadtverordneten zu.
— Wie die „Nationalztg." erfährt, ist der Leutnant Prinz Arenberg, der wegen Tötung eines Eingeborenen in Südwestafrika zur Untersuchung gezogen war, zu 18 Jahren Fcstungsarrest verurteilt und bereits zur Verbüßung dieser Strafe abgesührt worden.
— Fürst Hohenlohe wird nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Süddeutschland , Meran und Oberitalien, dauernde Wohnung in Berlin nehmen.
Floreuz, 26. Okt. (Blutrache.) In dem Dorfe Capradossa wurde gestern der Pfarrer Don Augusto Floridi, als er eben die Frühmesse gelesen hatte, vor der Kirche erschossen. Der Mörder ist ein junger Mann Namens Nunziati, dessen Schwester der Pfarrer verführt hatte. Bruder und Schwester wurden verhaftet. Aus ihrem Geständnisse erhellt, daß die Verführte von dem Pfarrer ein Kind gehabt hatte. Das arme Kind wurde im Keller des Pfarrhauses geboren, von dem Pfarrer sogleich ermordet und im Keller begraben. Einige Monate später fand der Pfarrer für seine Geliebte einen Mann, einen Auswanderer, der kurz vorher auS Kairo zurückgekehrt war. Don Augusto Floridi selber traute das junge Paar. Er stellte aber darnach noch immer seiner ehemaligen G liebten nach', so daß stch diese in ihrer Verzweiflung ihrem Bruder entdeckte, der dann Rache übte.
— Ein waadtländischer Weinbauer wollte in einem Lotltch Trauben, welche bereits in Gärung übergegangen waren, zusammentreten. Da stel er, von der entströmenden Kohlensäure betäubt, um. Sein Böttcher, Zeuge des Unfalls, wollte dem Bauer zu Hilfe eilen. Kaum aber hatte er stch über den Bottich, in dem der Bauer bewußtlos lag, gebeugt, als auch er betäubt hinfiel. Ein Milchmann, der stch zufällig in dem Hause befand, wo das Unglück begegnete, sprang hinzu und versuchte die beiden zu retten. Allein auch er ward von der Kohlensäure betäubt, Erst gegen Abend war es möglich, die drei Personen herauszuschaffen ; sie waren sämtlich tot.
— Grauenhafter Selbstmord. Wie d-r „Corr. Hung." aus Dobsinga (Ungarn) gemeldet wird, hat daselbst ein Grubenarbeiter Namens Johann Kocsts auf schreckliche Weise seinem Leben ein Ende gesetzt. Er band stch Dynamitpatronen um seinen Körper und zündete dieselben an. Das explodierende Dynamit zerriß den Körper des Selbstmörders in tausend Stücke. Die Explosion war eine so heftige, daß die Zimmerwändc barsten und der Fußboden aufgcrissen wurde. DaS Motiv der That waren Familienzwistigkeiten.
London, 30. Okt. Bei dem Marsch der aus Südafrika zurückkchrenden Freiwilligen durch die Stadt wurden im Gedränge 4 Personen getötet und 140 verletzt.
— Die entmündigte Millionärin. Die Frau des französischen Grafen Castellane, Tochter des amerikanischen Millionärs Gould, wurde auf Anträgen ihrer Familie unter Kuratel gestellt. Als Vormund wurde ihr Bruder bestellt. Offenbar richtet stch die Maßregel gegen den Grafen Castellane, für den seine Frau nach Ergebnis der Gerichtsverhandlung in 4 Jahren 23 Millionen ausgab. Wie viel davon zur Unterstützung nationalistischer Manifestationen verwandt wurde, enihüllte die Verhandlung nicht.
— Die vereinigten Staaten von Nordamerika haben nach der soeben beendeten Volkszählung eine Gesamtbevölkerung von 76 295 220.
(Muttersorgen.) Mutter: „So, nun habe ich auch meine letzte Tochter unter die Haube gebracht, nun gilt es noch, meinen Sohn unter den Pantoffel zn bringen."