in Unschuld, obwohl sie selbst die Krisis ge­schaffen hätten.

Berlin, 15. Juli. Eine amtliche Depesche des Gouverneurs in Shangtung besagt: Die Geschähe der Chinesen legten am 7. Juli eine Bresche in die Mauern der Gefand- schaften in Peking. Nach heroischer Ver­teidigung und nachdem die Munition er­schöpft war, wurden alle Ausländer getötet.

Damit war nun wieder ein seit längerer Zeit schon verbreitetes Gerücht zur schreck­lichen Gewißheit geworden. Es handelt sich um die englischen, russischen, italienischen und amerikanischen Gesandtschaften, in welcher mehr als 600 Personen Zuflucht gefunden hatten. Angesichts dieser neuesten Nachrich­ten erscheint ein einmütiges Vorgehen der Mächte dringend geboten. Aber schon ver­lautet auch, daß ein solches eine schwierige Aufgabe sein werde. Wiederum scheint Eng­land den Friedensstörer spielen zu wollen.

London, 16. Juli. (Die Kämpfe von Tientsin.) Es sind amtliche Depeschen von Eeymour aus Tienfln eingegangen. Die erste, datiert vom 9. Juli, besagt: Wir griffen die feindliche Stellung südwestlich von denFrem- denniederlassungen heute früh um 4 Uhr an. Die Japaner vertrieben den Feind durch einen Flankenangriff und nahmen 4 Geschütze. Die Kavallerie verfolgte den Feind und ver­vollständigte die Niederlage. Es wurden viele Soldaten und Boxer gelötet. Die Verbün­deten bombardierten und nahmen das west­liche Arsenal, erbeuteten 2 Geschütze und ver­brannten das Arsenal, da sie eS nicht halten können. Der Feind verlor 350 Tote. Die Verbündeten hatten geringe Verluste.

Die zweite Depesche, datiert vom 12. Juli lautet: Die Chinesen griffen gestern früh 3 Uhr energisch die Bahnstation mit großer Stärke an, wurden aber schließlich gegen 6 Uhr zurückgeworfen. Die Verbündeten ver­loren aber 150 Tote und Verwundete. Die Verluste der Chinesen sind unbekannt, doch glaubt man, daß sie schwer seien. Nachmit­tags wurden die Forts von den Engländern und Franzosen bombardiert. Ein Fort und eine als Signalturm gebrauchte Pagode wurde zerstört. Es sind 1500 Amerikaner ringe- troffen. Das Wolffsche Bureau erfährt aus Tschifu vom 13.: Die Telegraphenlinien sind wlederhergestellt.

London, 16. Juli.Daily Expreß« meldet aus Schangei vom 15..: Alle Fremden in der Provinz Schikiang sind hierher geflohen. 2000 chinesische Christen ln den Provinzen Huku und Honan sind in den letzten Tagen unter den furchtbarsten Martern hingemordet worden. Tausende von Boxern rücken auf Weihaiwei vor. Die Bewegung macht im ganzen Lande reißende Fortschritte.

Rundschau.

Dem Forflwart und provisorischen Forstamtsdiener Knapp in Tübingen (frü­her in Wildbad) wurde aus Anlaß seiner Zuruhesetzung die Verdienstmedaille deö Fried­richsordens verliehen.

Bei der kürzlich vorgenommenen 1. Prüfung für den höheren Justizdienst ist u. a. Otto Holzer von Rothenbach für be­fähigt erkannt worden.

Stuttgart, 14. Juli. Gestern ist hier der älteste RechtSauwalt Stuttgarts, Herr Adolf Niethammer, im Alter von 98 Jahren

gestorben. Die Leiche wird nach Heidelberg überführt.

Eßlingen, 14. Juli. Die hiesige Gütcr- beförderungsstelle, welche durch den Rücktritt! des H. Luidhardt aus Gesundheitsrücksichten erledigt war, wurde dem Güterbeförderer Blocher aus Wildbad (früher in Horb) übertragen. Derselbe hat auch das tote und lebende Inventar des seitherigen Güterbeförderers um den Preis von 70000

übernommen. Die hiesige Stadt hatte auch zahlreiche Bewerber für diese Stelle.

Nürtingen, 14. Juli. Heute nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr wurde auf der Straße von hier nach Frickenhausen an einem Knaben und einem Mädchen im Alter von 6 und 8 Jahren ein Lustmordvcrsuch verübt. Das Mädchen ist schwer verletzt und wurde in die Klinik nach Tübingen verbracht» während der Knabe sich hier in ärztlicher Behandlung befindet. Der Thäter scheint ein 20jähriger Mensch zu sei» und hat, nachdem Leute da­zukamen, die Flucht ergriffen. Beide Kinder gehören einem hiesigen Korbmacher, namens Sperr, Da die That ganz nahe bei der Stadt geschah, ist die ganze Einwohnerschaft in begreiflicher Aufregung.

Ein konsequenter Hausherr. Ein Witwer, der in München in der Nähe der Altstadt zwei Häuser sein eigen nennt, duldet in diesen nur solche Mieter, die nicht mehr als zwei Kinder besitzen. Da nun seine einzige Tochter, die seit ihrer Vermählung in einem der Häuser ihres Vaters eine Wohnung inne hat, ihren Mann mit dem dritten Sprossen erfreute, wurde ihr gekündigt. Alle Gegenvorstellungen des jungen Ehe­paares prallten an der erzumpanzerten Brust des HauSgewaltigen ab, der an seinem Prin­zip unerschütterlich festhält und so bleibt den Leutchen nichts übrig, als sich um eine andere Wohnung umzusehen.

Der Unverkaufte Hauptgewinn. Die lktzhin gezogene Weimarer Lotterte ist von einem merkwürdigen Zufalle betroffen worden. Der Hauptgewinn derselben im Werte von 15 000 ist nämlich auf die Nummer 168 56?) in die Kollekte von Karl Feller in Danzig gefallen. Die Glücksnummer blieb jedoch bis nach beendigter Ziehung un­verkauft und befand sich als Reklame im Schaufenster des Kollekteurs. Der glück­liche Gewiner des Haupttreffers ist demnach der genannte Kollekteur selbst.

Die Firma Krupp hat, wie Ant- wcrpener Blätter melden, in Merrem in Belgien eine große Landstrecke angekauft in der Ab­sicht, dort eine Geschützgießerei zu errichten. Die Arbeiten sollen sofort begonnen werden. Der Firma, die bekanntlich viel für das Ausland arbeitet, scheint daran gelegen zu sein, einen Teil ihrer Lieferungen der Ueber- wachung durch den Staat zu entziehen.

Aus Ungarn, 10. Juli. Bet dem furcht­baren Wirbetsturm, der neulich über ver­schiedene Gegenden Ungarns raste, wurde in einer österreichischen Provinzialstadt auch ein vollbesetzter Zirkus getroffen. Die Wirkung war schauerltch. Das Dach wurde abgedcckt und stürzte zum Teil auf das Publikum, welches in Schreckensverwirrungen geriet und Hals über Kopf nach den Ausgängen drängte, Schwere Verwundungen und auch Todes­fälle find vorgekommen. Namentlich gerieten viele Frauen und Mädchen unter die Füße der Menge.

Paris, 12. Juli. DerNew-Hork He­

rold« meldet, daß eine Brieftaube, die am 10. Juli um 4 Uhr 30 Minuten morgens in Bordeaux ausgelassen wurde, um 8 Uhr 20 Minuten abends des gleichen Tages in ihrem Schlage bei Liverpool eingetroffen sei. Der geflügelte Bote hatte in 16 Stunden 585 Meilen zurückgelegt. Es wird behauptet, daß dies die größte Schnelligkeit sei, welche je von einer Brieftaube geleistet worden sei.

Ein neues Goldland. Große Auf­regung herrscht wie aus San FranclSko be­richtet wird, dort infolge der Berichte von einemneuen Klondyke«, das in Nieder- Kalifornien entdeckt worden ist. Drei Gold­gräber sind soeben mit Goldstaub im Werte vor. 800 000 ^ angekommen, die sie in wenigen Monaten auf den Goldfeldern ge­funden haben. Ein Mexikaner Josä Jbarro brachte Gold im Werte von 400 000 mit, das er im Laufe eines Jahres gewonnen hat. Die Goldfelder umfassen ein Gebiet von 250 000 Acres. Es giebt bisher nur wenige Goldgräber am Platze, und alle er­werben sich in kürzester Zeit ein Vermögen.

Kapstadt, 12. Juli. Man glaubt zu wissen, daß nach dem Kriege Bloemfontetn das Hauptquartier deS Oberbefehlshabers in Südafrika sowie Sitz deS südafrikanischen Appellgerichtshofes und zukünftige BundeS- haupstadt werden wird.

Der Sarg im Walde. Folgende Begebenheit wird dem Wiener Extrablatt von einem Mitarbeiter erzählt:Vor kurzer Zeit kam ich mit ein paar Kollegen in das schöne Snlzkammergut. Unter anderem be­suchten wir auch das reizende Traunkirchen, von wo aus wir eine Fußpartie nach Ebensee machten. Der Tag war schwül und der einstündige Marsch in der Sonnenhitze hatte uns allen tüchtig Durst gemacht. Nachdem wir uns tüchtig gestärkt und erfrischt hatten, besahen wir noch das großartige Salzsud­werk und nahmen dann den Rückweg über das Gebirge durch den Wald. Kaum hatten wir den Wald betreten, erhob sich ein Ge­witter und der Regen floß in Strömen herab, so daß wir uns unter einen Baum stellen mußten, um halbwegs vor dem Regen ge­schützt zu sein. Als wir so dastanden, sahen wir plötzlich unweit von uns einen aufrecht­stehenden Sarg, der an einen Baum ange­lehnt war. Wir versuchten uns zu erklären, was das zu bedeuten habe, da sahen wir zu unserem Entsetzen, wie sich der Sargdeckel bewegte, eine Hand zum Vorschein kam und wieder veschwand. Dies wiederholte sich mehrere Male. Wir beschlossen nun, zu warten, bis der Regen etwas nachgelassen habe, um dann hinzugehen und das Rätsel zu lösen. Als der Regen aufhörte und wir eben auf den Sarg loSgehen wollten, sahen wir auf einmal, wie sich der Sargdeckel öff« nete, ein junger Mann heraustrat, den Sarg auf den Rücken nahm und weiter trabte. Das Rätsel war gelöst. Ein Sargtischler hatte einen Sarg in einen Ort jenseits des Waldes zu schicken gehabt. Der Knecht» der ihn taug, war vom Regen überrascht worden und hatte sich zum Schutze hineingestellt. Von Zeit zu Zeit halte er die Hand heraus- gestreckt, um sich zu überzeugen, ob eS noch regne. Ich kann sie versichern, daß dieser Zwischenfall, bevor sich seine harmlose Auf­lösung ergeben, auf uns einen so unheim­lichen Eindruck gemacht hat, wie Freunde von Gespenstergeschichten sich ihn nur irgend wünschen können.«