Treppe erfogt sei, sei gänzlich auhgeschlossen. Die Ermordung des FaaS sei an der Stelle erfolgt wo man ihn gefunden habe, was die Bluispuren an der Wand genügend beweisen. Die Angeklagte müsse zur Zeit der That in allernächster Nähe von dem Ermordeten gestanden sein, was aus der Lage und der Beschaffenheit der an ihren Kleidern Vorge­fundenen Blutspritzer mit Sicherheit zu ent- nehmnn sei. Die Entstehung der Blut­flecken an dem blauen Unterrvck durch Nasen- bluten fei ausgeschlossen, desgleichen durch die Beschäftigung der Angeklagten mit dem Erschlagenen nach seiner Auffindung; da- gegen sei mit aller Wahrscheinlichkeist onzu- »ehmen, daß die Blutspritzer an dem Unter­rock der Angeklagten durch Ausschlagen aus den schon blutenden Kopf deS Faas ent­standen seien. Die Geschworenen bejahten die an sie gestellte Frage auf gemeinschaft­lichen Mord, sodann wurde die Angeklagte vom Gericht zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Das Urteil wurde gestern abend '/,8 Uhr ver­kündigt und von der Angeklagten ohne sicht­liche Erregung entgegengenommcn. Die An­klage vertrat Oberstaatsanwalt Fetzer; Bahn- direktvr Lev von Urach war Obmann der Geschworenen. Dem Prozeß wohnte ein Vertreter des Justizministeriums bei.

Ulm, 22. Juni. Gestern wurden bei den beiden hiesigen Feldartillerieregimentern Freiwillige nach China aufgerufen. Vom Art.-R'gt. König Karl Nr. 13 melden sich 2 Olfiziere, 4 Fahrer und 20 Kanoniere, beim Art.-Regt. Nr. 49 etwa die doppelte Zahl. ES wird von diesem Angebot natür­lich nur in sehr beschränkter Zahl Gebrauch gemacht, da es sich nur um die Errichtung einer einzigen Batterie handelt, aber immer­hin zeigt der Vorgang, daß in unserem Schwabenvolk noch ein starker Trieb in die Ferne und viel patriotische Unternehmungs­lust steckt.

Friedrichshafen, 22. Juni. Ein eifriger Gehilfe des Grafen Zeppelin bei seinen Luftschifffahrtversuchen ist der ehemalige Schuhmachermeister Rub von Ulm. Der­selbe hat bekanntlich schon vor 15 Jahren in Ulm neben dem Sttefelsohlen auch das Luftschiffen betrieben und hat sich einen eigenen Ballon gebaut, mit dem er mehrere Fahrten machte. Später war er in Nimphen- burg am Ballcnc^ptif und dann in München in einer Velozipedfabrik. Jetzt ist er vom Grafen Zeppelin angestellt und hat eine eigene Werkstätte, wo er eben an einer Flug­maschine, aus einem Zweirad und einem Drachen bestehend arbeitet. Auch hat er ein Boot erfunden, dessen Schraube von einem Windflügelrad getrieben wird.

Pforzheim, 23. Juni. Der 14jährige Gymnasiast Essiich, Sohn des Gutsbesitzers Esstch aus dem Wartberg, der seinerzeit das 7jährige Bübchen des Bijoutier Geisel in Eutingen mit einem Böller durch Unvor­sichtigkeit erschossen hat, erhielt bei der heutigen Schöffengerichtsverhandlung eine Ge­fängnisstrafe von 3 Wochen.

In Ettlingen sah eine MetzgerSfrau, daß ihr Mann sich geschnittten hatte und stark blutete. Trotzdem Metzgersfrauen doch an den Anblick von Blut gewöhnt sind, er­schrak die Frau so sehr, daß sie bewustlos umfiel und nicht wieder zum Leben erwachte.

, Der bekannte Generalstabs-Osfizier der 11. Division Major Freiherr von Reitzen­

stein, der seinen Urlaub benutzt hatte, um im Lager der Buren den Kämpfen in Süd­afrika beizuwohnen, ist vom Kriegsgericht zu sechs Wochen Festungshaft verurteilt worden, die er gegenwärtig in Glatz verbüßt. Die von verschiedenen Blättern an das Urteil geknüpfte Mutmaßung, daß Freiherr von Reitzenstein wegen seiner Parteinahme für die Buren bestraft worden sei ist unzu­treffend. Freiherr von Reitzenstein ist ver­urteilt, weil er gegen eine Kabinets-Ordre des Kaisers verstoßen hatte, die die Teilnahme am Kriege in Südafrika ver­bot. Es handelt sich also lediglich um einen die militärische Disziplin betreffenden Vor­gang, der zu politischen Betrachtungen nicht den geringsten Anlaß bietet.

Der neue Großherzog Friedrich August von Oldenburg hielt an die höheren Beamten des Landes, die er um sich ver- sammmelte, eine Ansprache, in der folgende bemerkenswerte Stelle vorkommt:

»Ich betrachte mich als den ersten Diener meiner Oldenburger nnd hoffe, daß die Beamten mit mir wie ich mit ihnen für das Volk arbeiten und mich in meinem Be­streben, das Wohl des Landes zu fördern, nach Kräften unterstütze» werden. Besonders empfehle ich Ihnen, möglichst viel in direkten persönlichen Verkehr mit der Bevölkerung des Landes zu treten und deren Wünsche kennen zu lernen. Dabei mögen Sie stets bedenken, daß Sie der Bevölkerung wegen da sind und nicht die Bevölkerung Ihret­wegen. In nächster Zeit werde ich, soweit ich Muße dazu finde, voraussichtlich viel im Lande herumkvmmen. Ich würde wich sehr freuen, wenn die Leute zu mir kämen, wünsche aber keine besonderen Empfänge und Fest­lichkeiten mit kostspieligen Aufwendungen.

Vergiftung einer ganzen Familie durch Mehl? Eine Vergiftung, deren Ursache noch nicht ganz aufgeklärt ist, sind in Rostock zwei Menschenleben zum Opfer gefallen. Die Frau deS Heizers W. Meyer hatte für ihre Familie eine Mehlsuppe zu­recht gemacht. Von der Suppe aßen der Mann, die Frau und die beiden Kinder, ein 9jähriger Knabe und ein 7jähriges Mädchen. In der folgenden Nacht erkrankten alle an Vergiftungöerscheinungen. Meyer ging am Morgen noch zur Arbeit, mußte aber bald in seine Wohnung zurückkehren, da sich sein Zustand sehr verschlimmerte. Im Lauf« des Tages nahmen dir Erschein­ungen höchst bedenkliche Formen an. Drei Aerzte stellten fest, daß es sich um eine be­reits stark fortgeschrittene Vergiftung handelte. Die sofort angewandten Gegenmittel hatten bei dem Manne keinen Erfolg mehr; er starb noch im Laufe des Vormittags. Ihm folgte am selben Abend das 7jährige Töchterchen im Tode. Die Mutter und der Knabe wurden durch die Bemühungen der Aerzte am Lebm erhallen und befinden sich auf dem Wege der Besserung. Die gerichtliche Sektion der Leichen ist angeordnet, und der Rest der vergifteten Mchlsuppe zur chemischen Untersuchung überwiesen worden. Festgestellt ist bereits, daß eine Schuld dritter Personen weder aus Vorsatz, noch aus Fahrlässigkeit, in Betracht kommt.

Berlin, 23. Juni. Der hies. chinesische Gesandte teilte heute dem Auswärtigen Amt mit, daß er soeben vom Vizekönig in Nan­king ein Telegramm erhielt, mit dem In­halt, daß Li-Hung-Tschang telegraphisch be-

ordet sei, sofort nach Peking zu kommen, um die Vermittlerrolle zu übernehmen. Li- Hung Tschang beabsichtigt, zunächst den Boxeraufstand zu unterdrücken und dann die Verhandlungen mit den Mächten aufzu­nehmen.

Schanghai, 23. Juni. Die Konsuln richteten an den chinesischen Admiral ein Note, er möge seine Schiffe von hier weg­dringen. Infolge dessen laufen zwei Schiffe heute bei Eintritt der Flut aus, die übrigen morgen.

London, 23. Juni. Den Abendblättern wird aus Schanghai gemeldet: Fast alle Fremdenkonzesstonen in Weihaiwei wurden von den Boxers verbrannt. Dem Reuter- schen Burean liegt hierüber nichts vor. (Diese Nachricht klingt sehr unwahrscheinlich, da Weihaiwei doch englisch ist.)

Schanghai, 24. Juni. Der Korrespon­dent des Reuterschen Bureaus erfährt ferner aus amtlicher Quelle, daß die Kaiserin Be­fehle erließ, alle Fremden in China auSzu» rotten. Aus Norden treffen zahlreiche Ein­geborene ein; die Fremden flüchten nach Schanghai.

Der Guerillakrieg der Buren gegen die Engländer dauert fort. Zwar hatte Feldmarschall Roberts den General Louis Botha zur Ergebung behufs Vermeidung weiterer Blutvergießens aufgefordert, da Ro­berts aber die von dem genannten Buren­befehlshaber erbetene fünftägige Waffenruhe ablehntc, so ging der Kampf weiter. Des Ferneren wird über verschiedene kleinere Er­folge der Generäle Methuen, Hunter und Huton belichtet; anderseits wurde das eng­lische Lager bei Ficksburg von den Buren beschossen. In Laurenzo-Marquez ist der amerikanische Hauptmann Loosberg eilige» troffen, der bis jetzt Dienst bei der Buren- Artillerie that. Er teilt mit, daß General Dewet 6000 Orangeburen, Botha 2500 Transvaalburen unter sich habe; außerdem feien 1500 Mann in kleine Abteilungen ge­teilt.

Kapstadt, 25. Juni. Der Ausstand in der Kapkoloni nördlich vom Oranjefluß ist beendet. Das Kommando Devilliers, be­stehend aus 220 Mann, 280 Pferden, 18 Wagen und 260 Gewehren mit über 100000 Kugeln kam in Blickfonlein an und über­gab sich Warrcn. Im Kommando befinden sich 16 Führer der Aufständischen. De­villiers selbst ging mit einer kleinen Abteil­ung ostwärts.

Ein militiirisches Kuriosum wird aus Saarlouis berichtet. Dort wurde ein Haupt­mann der Artillerie an die öffentliche Fern- sprechstelle gerufen, weil man ihn von aus­wärts zu sprechen wünschte. Erwartungs­voll begab sich der Offizier an den Apparat, um zu hören, was man von ihm wolle. Man kann sich leicht das Gesicht des Offiziers auS- malen, als dieser aus dem Gespräch zu seinem Erstaunen hörte, daß ein auf Urlaub befindlicher Soldat seiner Abteilung ihn tele­phonisch um Gewährung eines Nachurlaubes von einigen Tagen ersuchte. Das Gespräch soll darauf einen ziemlich kurzen militärischen Abschluß gefunden haben. Der telephon­lustige Jünger des Mars wird wohl bei seiner Rückkehr in die Garnison darüber be­lehrt werden, daß der Fernsprecher in diesem Sinne keine militärische Einricht­ung ist.