Die Schachemühle.

Eine bayerische Dorfgeschichte von Fr. Dolch

S) (Nachdruck verboten.)

Nach wenigen Minuten schon standen die Beiden vor dem Pfarrhause.Ich mein', Walpi," sagte die Müllerin,eSwär g'scheider, wenn ich allein hineingeh'n thät zum hoch- würdigen Herrn Pfarrer. Er wird jetzt wohl g'rad' beim Kaffeetrinken sein, und da iS 'S ihm vielleicht gar net recht, wenn ich a fremd'S Leut' mitbring', Du kannst ja derweil'n in die Peterskirch'n hiueinschau'n, und wenn ich fertig bin, komm ich nach, Sollt' 's aber recht lang dauern, nachher gehst halt voraus und wart'st beim Dögner drum' auf mich. Zum Dreibrod komm'ich schon. Also geh' zu und laß Dir die Zeit net lang werd'n derweil!"

Sie verschwand im Hause. Walpi blieb noch einige Augenblicke stehen und blickte scheu zu den Fenstern empor, dann wandte sie sich ab und trat in die gegenüberliegende Kirche. Nachdem sie ein paar alte Weibleio die neben dem Wnhwosserbecken standen, be­schenkt, sitzte sie sich tn einen Kirchenstuhl und zog ein abgegriffenes Gebetbuch aus der Tasche. Sie öffnete es und versuchte zu lesen, aber sie war zu zerstreut und unruhig, und mit einem tiefen Seufzer schob sie da­her da» Buch wieder in die Tasche.

Ein paar Stunden waren vergangen. Walpi saß noch immer im Kirchenstuhlc und blickte häufig nach der Thürr, aber ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Jetzt verdrießt mich aber 's Warten schon," sagte sie endlich ausstehend.Weiß unser lieber Herrgott, was die Mutter für eine Abhaltung Hai! Der geistliche Herr wird sie halt zu einer Schal'n Kofsee eingeladen haben und sie über allerhand auSfratscheln (aitSfvrschen). Da wird's am gescheitesten sein, wenn tch zum Böaner hinunterschau und in der WirlhSstub'n auf sie wart'. Vielleicht sitzt sie gar schon drum' und hat's vergessen, daß 's mich hält adhvlen sollen in der Kirch'."

Rasch verließ sie das Gotteshaus, und eilte durch den Rathausbogen hinunter ins Thal. Schüchtern trat sie in die Gaststube de« Bignerbräuhause», aber auch hier befand sich die Gesuchte nicht, und enttäuscht ließ sie sich an einem Tische, der hart am Fenster stand, nieder. Die Kellnerin brachte einen Krug Bier und suchte ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen, aber Walpi war wortkarg und griff nach einer Zeitung, die auf dem Tische lag. Die Kellnerin entfernte sich daher bald wieder und gesellte sich zu einer lustigen Ge­sellschaft, die in einer Ecke ihre Epäsfe trieb.

Glkichgiltig blätterte Walpi eine Weile in der Zeitung und warf dann wieder einen Blick nach der Thüre oder durch's Fenster auf die Straße. Plötzlich zukie sie zusammen, ihre Augen öffneten sich weit und Schrecken und Entsetzen mallen sich in ihren Zügen. Ja, iS 'S denn möglich?" stammelte sie erbleichend. "Träum ich denn oder bin ich wirklich wach? Da stehr's ja in der Zeitung, daß Räuber die WallfahrlSk>rch' in Herrgotts­ruh' ausgeraubt und dem Dechanten Geld

gestohlen haben. Das kann doch net-

Herr Hott im Himmel, was is das für ein Gedanken, der mir da auf einmal in den Sin« kommt! Ja, is 's denn möglich, daß

mich die Mutter auf eine solche Weis' hat hintergeh'n können? Jetzt wird'S Licht in mir, jetzt weiß ich, warum mich die Mutter binuntergefchickt hat zu der Bas' noch Jn- derStvrf. St« haben mich auf die Seit räumen Wvll n, damit ich ihnen nix in den Weg Hab legen können, und während ich bei der Bas' gewesen bin, haben sie die Schandthat auSgeführt. O Mutter, Mutter, meiner Lebtag' hält' ichs net geglaubt, daß Du so gut umgehen könntest mit Lug und Trug! Warum sie aber nur in die Münchncr- stadt herein iS? Ich glaub' jetzt fest, daß sie wir die Geschichl' mit 'm Pfarrer von St. Peter auch nur vorgemacht hat, und daß sic gar net in den Pfarrhof gegangen is."

In diesem Augenblicke erhob sich draußen auf der Straße ein gewaltiger Lärm. Ein Auflauf entstand, Kinder rannten schreiend umher, Hunde bellten, nnd aus den Fenstern blickten Leute auf die Straße nieder. Gäste und Kellnerinnen eilten neugierig vor die Thüre, um sich nach der Ursache des Tu­multes zu erkundigen. Jetzt wurden zwei Gendarmen in der Menge sichtbar, und ein stämmige« Weib, das mit wnlhsnnkelnden Angcn auf die Neugierigen starrte und mit schäumendem Munde wilde Schmähreden auS- stieß. Mit einem Aufschrei war Walpi auf die Bank zurückgesunken. »Jesus die Mutter," murmelte sie mit erlöschender Stimme, wäh­rend Leichenblässe ihre Wangen überzog. Die Mutter zwischen zwei Schandarm! J-tzt weiß ich, warum sie in die Stadt herein ist. Geraubte Sachen hat sie heimlich verkaufen wollen, und dabei iS sie aufmährig gemacht (verathen) worden. Maria, steh' mir bei, das iS mei' sttzt's End'I"

Sie verbarg das Gesicht in den Händen, fuhr aber sogleich wieder empor und sah sich mit scheuen Blicken um. Rasch zog sie rann, als sie bemerkte, daß die Stube leer war, einige Nickclmünzen aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Hierauf ent­fernte sie sich hastig durch eine Seitrnthüre und eilte auf die Straße hinaus.

Halb bewußtlos, von tausend Gedanken bestürmt, folgte Walpi in einiger Entfernung der Menge. »Heilige Jungfrau, was soll ich thun?" flüsterte sie immer und immer wieder vor sich hin, während ihre Blicke hilfesuchend umherirrten.Ich kann der Mutter net beisteh'n, und wenn ich mich seh'n lasten thät, thäter.'S mich g'wiß auch hinter Schloß und Rigel setzen. Es bleibt mir mx ander'« übrig, als mich auf der Stell' aus'n Weg z'machen und die Unglücks­nachricht heimz'onngen. Am liebsten lhät ich mich freilich in den Erdboden verkriechen oder fortgeh'n tn die weite Welt,» stieß sie schluchzend hervor,aber mein' unglücklichen Vater kann ich net im Stich lassen I"

Sie raffte sich auf und eilte durch die Straßen, immer weiter. Die Stadt war längst hinter ihr im Dunst versunken, die Abendschatten breiteten sich über die Gegend, aber sie schleppte sich fort, bis ihr die müden Füße den Dienst versagten und sie erschöpft am Wege niedersank.

Am Abend desselben TagcS saßen im Sommerhaus? der Oedenhausener Dvrfschenke drei Burschen, die den Bterkrügen so wacker zuiprachen, daß die Kellnerin, eine derbe, rothrvangige Dirne, soft nicht von dem Tische

weg kam. Die Drei mochten auch schon Ansehnliches geleistet haben, denn dir Köpfe waren bereits geröihet und die Zungen etwas schwer geworden. Echerzreden und Neckereien flogen hin und her, lärmender Gesang er­scholl und ausgelassenes Gelächter tönte da­zwischen. Der G-sang, von den Tönen einer Mundharmonika begleitet, war nicht eben lieblich anzuhören, denn die nicht sehr abwechselnden Melodien wurden von den Burschen einstimmig und in widerlich hoher Tonlage abgeleiert.

Jetzt dürfen wir aber 's Singen bald aufgeben," rief der Jüngste und warf lachend die Mundharmonika auf den Tisch. »Der Hans kann ja nimmer Pap sagen, und Du, Hiesl, hast auch schon den Zungenschlag. Ich glaub', es iS Zeit, daß wir unS auf den Heimweg mach'n sonst kriegt der Vater Weillang nach uns. Wir müssen beinahe ja doch schon 12 Maß Bier haben mit einander"

(Fortsetzung folgt.) ,

«Nächtlich am Tugela lispeln. . ." Eine wohlgelungene Nachbildung des be­kannten GedichtesNächtlich am Busen«» lisp ln . . ." geht der deutschen Zeitung aus ihrem Leserkreise zu. Sie nimmt Bezug auf die Ereignisse am Tugela:

C o l e n f o:

Nächtlich am Tugela lispeln bei Colenso dumpfe Lieder

In den Waffen schallt es Antwort und tn Wirbeln klingt eS wieder Und den Strom hinauf, hinunter, ziehn die Schatten taps'rer Briten,

Die von sicheren Burenkvgeln den Soldaten« tod erlitten.

Allzu früh und fern der Hrimat mußte man sie hier begraben,

Während noch die Jugrndlocken ihre Schul­tern blond umgaben,

Und eS sang der Chor der Buren: Schlaft in Euren Heldenehren,

Eurem todeskühnen Ringen soll man nicht das Lob verwehren,

Fluch nur denen, die gesendet Euch um schnöden GvideS willen,

Um die wohlgesüllte Börse mehr und immer mehr zu füllen,

Die mit der Verleumdung Glfte erst versuchet uns zu ächten,

Um den Vorwand so zu finden, unser freie« Volk zu knechten.

Die gehofft, die Macht des Geldes könnte unser Land verderben,

Wo für Recht und Freiheit jeder, selbst der Knabe weiß zu sterben,

Wissen sollt Jhrs, daß die Freiheit hier noch eine Burg gefunden,

Bis das Herz des lrtzten BurgherS blutet unter Todeswunden!

Und es hallet von den Bergen und es rau­schet von den Klüften

Und eS dröhnt das Lied der Buren wir ein Donner in den Lüften:

Wir, ein kleines Volk von Hirten, trotzen Euren Millionen,

Die in allen Erdenteilen als der Völker Herrscher thronen,

Fest wie unsere Felsen stehen unsere Flagge, unsere Ehre I

SangenS und des Stromes Welle trug eS fort von Meer zu Meere.

Skdakits». Druck und Anlag van Bernh, Ho fm » n n in AÄHal».