beladene Güterwagen, die zum Teil zertrümmert wurden und zum Teil den Bahndamm hinabfielen. Vom Personal wurde ein Mann leicht verletzt. Mit großer Verspätung kam der Zug in Etilingen an.
Kaiserslautern, 12. Sept. Eine tragische Fügung des Schicksals ist cs, daß ein Vetter des vorgestern zu Grabe getragenen Kammer- zienratS Karl Karcher, Kaufmann I. Herber von Eltville a. Rhein, der hierher gekommen war, um seinem Vetter die letzte Ehrt zu erweisen, gestern früh ebenfalls an einem Schlaganfall gestorben ist. Herr Herber wurde nachmittags auf dem Friedhof plötzlich unwohl und v-rfchied nach kurzer Z-it.
— Die Gesundheit des Papstes scheint gegenwärtig wieder nicht zum Besten zu sein. Die vatikanischen Kreise befinden sich in großer Aufregung.
— In Hessen tritt das Gesetz über die Feuerbestattung am 23. September in Kraft. Die in Hessen zu rrrichtenoen Krematorien müssen nach den noch zu ertastenden ort»- statutarischen Bestimmungen erbaut und geleitet werden.
— Zum deutschen Weindaukongreß, der nächster Tage in Würzbnrg stattfindrt, sind bereits über 300 Anmeldungen eingeloufcn. Zur Kostp'vbe sind 2550 Flaschen Franken- weinr in 170 Sorten eingelrosten.
— Auch ein Grund. Zn Essen ist ein Zournalist spurlos verschwunden, AlsGrund werden vielfach verlorene Welten, dir er aus DreyfuS' Freisprechung abschloß, angeführt.
— Eine leichte Person. Zn der evang. Blödenanstalt zu Bischweiler im Elsaß starb dieser Tage ein 27jähriger Pflegling, dessen Körpergewicht nur 22 Pfund betrug.
— Eine furchtbare Dynamit-Explosiv« fand in der Kohlengrube Nuvsa bet EoS- nowice statt. Zwei Bergleute wurden in Stücke gerissen, drei schrecklich verstümmelt und getötet, mehrere schwer verletzt.
München, 14. Seplbr. Die königliche Polizeidirektion macht bekannt: Heule Nacht fit infolge Wehrbruchs der Zsar der Pfeiler der Flüthbrücke bei Kilometer 65,9 zwischen Rohrbach und Mühldorf nnterspült worden. Der Zug Nummer 977 ist an dieser Stelle abgestürzt. Derselbe steht ungefähr drei Meter tief im Wasser. Das Zu-p-rsonal, mit Ausnahme des Wagenwärters Neuhäuser, welcher angab, daß sich keine Reisende im Zuge befanden, ist verunglückt. Als Beamte befanden sich bei dem Zuge; Führer Lechner, Heizer Obermaier, Hilfsheizer Breudet, Zugführer Wallbrunn und die Schaffner Zahn u. Lutz, sämtlich ayS Roser' heim. Der strömende Regen hat fett heute srüh nachgelassen. — Vom Gebirge wird gemeldet, daß in der letzten Nacht neun Wolkenbrüche niedergingen und daher weiteres Steigen des Hochwassers zu befürchten ist.
Salzburg, 14. Septbr. Ein Teil der Stadt und mehrere Orte der Umgegend sind überschwemmt. Ueberall ist Militär zur Hilfeleistung eingetroffen. Alle Bahnverbindungen find unterbrochen. Heute heitert -sich da» Wetter auf, daö Wasser fällt.
Wien, 14 Sept. Zufolge Hochwasser» stürzte heute Nacht in Payerbach die steinerne Brücke ein, wobei drei Personen ertranken. Die Leiche des GemeinderalS GölleS wurde geborgen. Ein Feuerwehrmann und ein Taglöhner werden noch vermißt. Heute hat sich da» Wetter aufgehritert. Der Verkehr
!von und nach Süddeutschland ist dermalen nur über die Franz-Jnsephs-Bahn (über Budweis-Eger) offen.
Paris, l3. Sept. Die Begnadigung des Hauptmanns Driyfus scheint thaisächlich erfolgen zu sollen, und was wir schon staunend festst,llen, die meisten französischen Blätter halten sie für den gangbarsten Ausweg und die beste Lösung der Krise. Cornöly macht Kehrt und schreibt im „Figaro": Die ganze Affaire wird mit der Begnadigung des Drey- sus' enden UI d mit dem großen Schwamme. Da« wäre die beste Lösung der Krise. Man wirb in den nächsten Tagen hören, daß Drey- fuS die Stadt Renne», die für ihn zu einem zweiien Golgatha geworden ist, verlassen hat nnd daß er seiner Frau uud seinen Kindern zurückgegtben worden ist. Wir werden uns dann bemühen, ihm das Leben, das vielleicht bald zu Ende geht, so erträglich wie möglich zu machen. Die „Lanterne* schreibt: Es ist für niemand zweifelhaft, daß Dreyfu» begnadigt wird. Die Begnadigung ist nur noch eine Frage von Stunden. Wir hoffen, führt die „Lanterne* fort, daß nicht ein einziger Franzose gegen die Begnadigung Ein- sprach erheben wird. Dir Begnadigung ist nicht ein Akt des Mitleids, sondern der Gerechtigkeit. Der „Rappel* schreibt: Waldeck Rousseau u. Loutet haben die Pflicht, Drey- suS zu begnadigen. Sie müssen dies lhun, um den Kaffationshof gegen die Beleidigung des Kriegsgerichts in Renne» zu rächen. Sir müssen eS thun, weil die öffentliche Meinung das Urteil der Kriegsrichter als ungerecht und gehässig bezeichnet. Sie müsse« es thun, weil die gesamte gesittete Welt es fordert und weil die Ehre Frankreichs davon abhängt. Der „TempS* schreibt : Im Auslände fällt man ein strenges Urteil über den Richterspruch in RenneS. Die Feinde Frankreichs werden sich nicht ändern. Die unbefangen Denkenden, die Frankreich nicht hassen, jedoL aufrichtig glauben, Frankreich sei entehrt worden, werden bald wieder zu einer zutriffin- den Würdigung der Dinge kommen. Deshalb wollen wir im Frieden Arbeiten, und schließlich werden uns die Sympathien der Ausländer wieder und zwar in gesteigertem Maße zuteil werden.
— Die Koste» des DreyfnSprozesseS. In Bezug ans die Kosten des Dr,yfuepro> zesse« erklärt ein Advokat am ApellotionS- gerichtshof, daß diese sich auf etwa rund 240 000 ^ inkl. der Zeugen- und Sach verständigen'Gebühren belaufen dürfen. Hiezu kämen die Honorare für Demange u. Labori und deren Sekretäre und die kleine« Ausgaben derselben. Was die beiten RechlSan- wälte erhalten, ist nicht bekannt, aber man will wissen, daß einschließlich der Aurlagen für beide Advokaten und deren Sekretäre 480 000 ^ zu rechnen sind. Diese Summe ist von DreyfuS und seiner Familie aufzu- bringrn, sofern er nicht doch noch fretge- sprochen wird, in welchem Falle der Staat die Kosten zu tragen hätte. Die Kosten vor dem KassationShof werden auf 160 000 ^ laxiert, und der DreyfuS-Handel im ganzen dürfte im Laufe der letzten 12 Monate 1 200 000 kosten.
— Die Kinder des Verurteilten. lieber
die Kinder des Kapitän DreyfuS weiß, wie die Tägliche Rundschau mittelst, ein englisches Blatt Interessantes zu berichten. Sie sind in Paris zurückgeblieben und erwarten mit großer Spannung die Rückkehr ihre»
Vater». Eie haben keine Ahnung von dem Trauerspiel, da» ihren Namen der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Als der Kapitän seiner Zeit verhaftet wurde, sagte man ihnen, ihr Vater sei dienstlich für lange Zeit verreist und er hätte sich so rasch zur Reise entschließen müssen, daß er sich nicht einmal von ihnen hätte verabschieden können. Für fünf Jahre blieb er sür die Kinder in einem fernen Lande, in dem er, wie Madame DreyfuS ihren Kindern erzählte, eine schwere und wichtige Aufgabe zu lösen hatte, die ihn für lange, lange Zeit vom Hause sirnhalte. Endlich, als er zurückkam, wurde ihnen nesagt, daß er wieder in Frankreich sri. Pierre ist jetzt acht, seine Schwester Jeanne sechs Zahre alt. Der Knabe steht seinem Onkel Mathieu DriyfuS ähnlich, während das Mädchen das Ebenbild des Vaters sein soll. Die zwei Kinder, die von Frau Dr-yfuS in Liebe zu ihrem abwesenden Vaier erzogen wurden, waren freudig erregt, al» jie von der Rückkehr ihres Vaters nach Frankreich Hirten. Ihre Freude wurde dadurch gedämpft, daß man ihnen sagte, sie könnten ihren Vater noch nicht sehen. Er hätte sür den Minister einen langen Bericht über seine Reise zu verfassen, mit dem er gleich nach seiner Landung begonnen hätte. Da er von der weiten Reise sehr ermüdet sei, wolle die Mutter Pierre und Jeanne verlassen und so lange beim Vater bleiben, b>s er seinen Bericht vollendet hätte. Na. lürlich würden sie sehr oft von ihren Eltern hören, und sie selbst müßten ebenfalls schreiben. So schrieben denn Pierre und Jeanne jeden Tag an ihren Vater und baten ihn rasch zu kommen. Jeanne'» Stil ist noch ziemlich unbeholfen, aber Pierre schreibt ichon ganz gut und sandte seinem Vater lange Briefe, in denen er ihm wegen seinelangen Ausbleibens Vorwürfe macht. Unlängst verlor Pierre vollständig die Geduld und Jeanne war ebenso ungehalten, wie er, weil der V-ter sie Beide trotz ihrer ost- maligen dringenden Bitten, nicht besuchen wollte. „Da der Vater nun schon so lange weg ist,* schrieb Pierre seiner Mutter, „so bitte ich wenigstens, daß er sich für zwei Tage frei machen soll und zu uns nach Paris kommt." Der aufgeweckte Knabe deutele in einem Briefe an, daß ihm irgend etwa» nicht ganz richtig vorkomme. Der Kriegsminister müsse doch einem Offizier, der ÄllcS brav gethan habe, auch Urlaub geben.
London, 14. September. Esterhazy wiederholte einem Redakteur, daß er das Vordere«» und alle sonstigen Dokumente auf Befehl seiner Vorgesetzten geschrieben habe, das Borderau aber auf Befehl des General Mercier.
Kalisch, 14. Septbr. In der Synagoge zu Lenlschitza entstand bei dem heutigen Gottesdienst durch Herabfallen einer Lampe eine Schreckensverwirrung, bei der 32 Frauen und Kinder totgedrückt und viele verwundet wurden.
Andermatt, 15 Sept. In der ganzen Furka wü'et ein furchtbarer Schneesturm.
— Willkommene Regengüsse haben die ErnteauSstchien im Westen Indiens verbessert. Im südlichen Deccan verspricht die zweite Kornernte sehr gut auszufallen, so vaß die Furcht vor einer drohenden Hungersnot unbegründet ist. Nach den metoro- logischen Berichten ist weiterer Regenfall zu erwarten.