Die Ehre -es Hauses.
Novelle.
Originalbearbeitung nach dem Englischen von Klara Rheinau.
6) (Nachdruck verboten.)
„Ich muß es, Adelheid/versetzte die Frau, fest den forschenden Blick der andern auShaltend. „Ich glaube, ihn selbst zweimal gesehen zu haben; aber er sah so schäbig aus, und ich hatte gerade nur genug für mich allein, daß ich es für das Klügste hielt, einem Wiederkenncn auszuweichrn."
Frau Mervyn glitt zu Boden, eine tiefe Ohnmacht hielt die Sinne der armen Frau umfangen.
Etwa eine halbe Stunde später stürmte Lilly in das Speisezimmer. ,O Mama! hier sitzest Dn ganz allein und ohne Feuer, wir wußten gar nicht, was aus Dir geworden sei. Wie bleich Du aussiehst! Soll ich Dir Lau äs OolvAns holen?*
Als einzige Antwort umschlang Frau Mervyn die Tochter mit beiden Armen, und mit dem klagenden Ruf: ,O mein Liebling — mein armer, armer Liebling!" brach stein einen Strom vonThränen aus.
Die geängstigte L>vy bot Alles auf, um die geliebte Müller zu beruhigen. Als ihr dleS nicht gelingen wollte, suchte sie sich aus den sic umlchlingendcn Armen loSzu- machen, um ihren Vater herdeizuführen. Aber Frau Mervyn faßte sich nun gewaltsam :
„Rufe Niemanden, Lilly," sagte sie; „mein Angegriffcnsein ist nur die Folge des heute erlebten Schreckens. Entschuldige mich bei unfern Gästen, so will ich mein Zimmer aufsuchen."
„Soll ich nicht lieber nach Dr. Bolton schicken?" fragte Lilly besorgt. ,O bitte, Mama, erlaube eS mir."
„Er könnte mir keine Erleichterung bringen, Kind," versetzte Frau Mervyn mit bebenden Lippen. „Ich wünschte, er könnte e«! Aber laß mich setzt allein, Lilly; bis morgen werde ich mich wieder erholt haben. Sprich bei P-pa und Rosa nichts von meinen thörichten Thränen, es würde sie nur betrüben."
,O mein Gott," murmelte die Unglück- lichr, als die zärtliche Tochter sich endlich entfernt hatte, „wie weit wertvoller noch als seither erscheint mir die Liebe meines Gatten, die Achtung mein r Kinder jetzt, wo ich deren Besitz nicht unhr so sicher bin; aber koste eS, waS es wolle: nach außenhin will ich tapfer scheinen, wenn auch das Herz mir bricht. Mit welchem Schauder sehe ich die Stunde herannahen, die meine Schmach bekannt machen wird. Und keine Hilfe! Kein Entrinnen! O Reginald, Reginald, hätte Ich Dich lieber durch ein aufrichtiges Bekenntnis verloren, als jetzt unter dem schweren Verdacht der Lüge hier stehen zu müssen!"
4. Kapitel.
Mehrere Wochen vergingen, ohne daß Frau Mervyn weiteren Belästigungen von PeiScilla Fullon auSgesetzt gewesen wäre. Mit furchtbarer Selbstüberwindung gelang es ihr, die Qualen, dir ihr Inneres zerrissen, vor den Augen ihrer Angehörigen zu verbergen, aber ihre Stimmung blieb gedrückt zur größten Bet-übniS der lebhaften Lilly,
die stets nur fröhliche Gesichter um sich zu sehen wünschte. Rosa bemerkte weniger die Verstimmung der Mutter, da ihre Person, lichen Angelegenheiten ihre Gedanken vollständig in Anspruch nahmen. Walter Tufton hatte ihr gesagt, daß ihm eine vorteilhafte Stellung in Indien angeboten worden sei, zu deren Annahme der Oberst Ihm dringend rate. „Und nun befinde ich mich in einem Zwiespalt zwischen meinem Ehrgeiz und dem Verlangen, in Ihrer Nähe zu bleiben, liebe Rosa," schloß er seine Rede. „Entscheiden Sie nun für mich, geliebteste Rosa."
Alle Farbe war aus Rosas Wangen gewichen, bei der Nachricht, daß Walter, den sie wahr und innig liebte, möglicherweise England verlassen würde. Aber dann machte sie sich bittere Selbstvorwürfe und redete ihm ernstlich zu, das Glück, das sich ihm biete, nicht von der Hand zu weisen. „Ich glaube sonst, daß Sie an meiner Treue zweifeln, Walter", fügte sie mit thränenden Augen bei.
„Darauf würde ich felsenfest vertrauen, geliebte Rosa," versetzte Walter, „aber wer kann sagen, welche Versuchungen an Sie heranlreien würden? Doch lassen wir dies; mil Ihrer Zustimmung werde ich schon in den nächsten Tagen kühn vor ihren Vater hintreten und ihm meine Wünsche und Hoffnungen darlegen. Schlimmsten Falles wird er mich mit Geduld und Nachsicht an hören.
„Thun Sie das Walter; eS machte mich schon unglücklich, daß ich vor meinem gütigen Vater ein Geheimnis habe," sagte Rosa, neue Hoffnung fassend. „Und besteht er dann immer noch auf Ihrem Weggehen, so wollen wir freudig der Stunde Ihrer glücklichen Rückkehr in die Heimat entgegensehen."
So standen die Dinge, als an einem herrlichen Frühlingstage der Oberst mit Gemahlin und Töchtern, sowie einigen nahen Freunden und Bekannten einen Ausflug nach dem botanischen Garten in Kew unternahm. Das Wetter war prachtvoll, die Luft so süß und milde, daß selbst Frau Mervyn sich dem Einfluß des schönen Tages nicht entziehen konnte und heiter an der Unterhaltung der Gesellschaft teilnahm.
Sie halten die Palmenhäuser durchwandert und gedachten nun, der Viktoria Regia einen Besuch abzustatten. Als sie das Glashaus dieser Wunderblume erreichten, umschritt ein Herr, dessen gelbliche Gesichtsfarbe und pelzbesetzter Ueberrock die kürzlich« Rückkehr aus wärmerem Klima anzeigten, das Bassin, in welchem die tropische Pflanze sich befand, trat aber artig bei Seite, um den zahlreichen Neuankommenden nicht den Platz zu versperren. Da fiel sein Blick zufällig auf Frau Mervyn, und wie ein Blitz des Er- kennens ging eS über seine Züge. Forschend betrachtete er die Dame eine Weile, leicht mit der Hand über seine Stirn fahrend, wie um sich zu vergewissern, daß sein Gedächtnis ihn nicht täusche.
Unangenehm berührt, der Gegenstand solcher Aufmerksamkeit zu s'in, wollte Frau Mervyn gerade unter dem Vergeben, die schwüle Luft beenge sie sosehr, das Glashaus verlassen, als der Fremde vorlrat und den Oberst anredete.
„Verzeihen Sie, wenn ich mich irren
sollte, mein Herr", begann er höflich; »aber die Dame an Ihrem Arm ist oder war doch Fräulein Adelheid Orden, die Schutzbefohlene meiner Cousine, Frau Mordaunt von Millbrook, in der Nähe von Southampton?"
Der Oberst bejahte die Frage, während seine Gemahlin wie erschreckt zurückwich und fast alle Farbe aus ihrem Gesichte verlor.
»Ich sehe, daß Sie meiner ganz vergessen haben," bemerkte der Fremde lächelnd, „die Jahre haben mir auch härter mitgespielt als Ihnen. Erinnern Sie sich unter Frau Mordaunts Besuchern nicht eines Mannes, Namens HolliS, der nach einem kurzen Aufenthalt in Indien nach England zurückkehrte, um ein geliebtes Wesen heimzuführen? Ah, jetzt geht Ihnen rin Licht auf, nicht wahr? Sie erinnern sich de» Todes der mir so Theuern, meiner Rückkehr nach Indien, um in einem thätigcn Leben meinen schweren Kummer zu verg-ssen?"
Frau Mervyn sank auf eine Bank nieder, ihre bloö geflüsterte Antwort war kaum verständlich.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Auch eine Kasernenhosblüle. Ein heiterer Vorfall spielte sich, wie Berliner Blätter berichten, auf dem Hofe zu Wiesbaden ab. Diezur Uebung eingerückte Landwehr war damit beschäftigt, die Kleider zu passen. Plötzlich erscheint ein strammes Weib aus der Bittfläche, geht an den Gliedern vorbei und mustert jeden einzelnen Wehrmann. Bei einem, der —versehen mit Helm, Militärhose und Civilrock — damit beschäftigt war, die Schnürschuhe anzuziehen, macht die Frau Halt, faßt ihn an der Brust, zieht ihn vor die Front und macht ihm bittere Vorwürfe darüber, daß er den ganzen Wochenlohn mitgenommen und ihr gar kein Geld zurückgelassen habe. Bei dem Hervorzerren vor die Front war aber auch die Frau dem Mann schon in die Hosentasche geraten und hatte den Geldbeutel samt Wochenlohn triumphierend herausgezogen. Der Mann, seiner ganzen Barschaft beraubt, bricht in den drastischen Ruf aus: „Dann mach' Du auch die Uebung mit!" Gerührt durch diese Worte öffnet die Frau den Beutel, gicbt dem Manne einen Teil des Geldes zurück und verläßt hoch erhobenen Hauptes den Kasernenhof.
— Die Freude an einem Lotteriegewinn von 25 000 war geringer als der Haß^ den der Bäckermeister Probst in Bocum gegen seine Frau h-gte. Er ging zur Lotterirzahl» stelle, erhob das Geld und lief dann in den nahen Wald, wo er den Schatz vergrub. Sodann erhängte er sich. Seine Frau kam so um den Besitz der großen Summe und ärgerte sich, was der Zweck de« Selbstmorde» war.
v (Militärisches.) (General (an die Mannschaft Fragen stellend) : „Nun, sag' Du mir, mein Sohn : Was denkst Du Dir wohl, wenn Du einmal im Felde so Deine Fahne flattern stehst?" Rekrut: „Daß der Wind geht, H-rc General!"
(Ein Sittenprediger.) Räuber (bei der Durchsuchung des Angefallenen): „Den Ehering tragen Sie in der Westentasche? Pfui, schämen Sic sich!"
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad.