Durch Kumps zum Glück.
Roman von I. Pia.
(Nachdruck verboten.)
17 .
Aber eine Viertelstunde nach der andern verstrich, und ihr Gatte kam noch immer nicht. Als die Uhr langsam ausholte um die fünfte Stunde zu verkündigen, da bemächtigte sich Rosas leise Angst, es könne ihm etwas zngestoßen sein. Endlich hörte sie Schritte auf dem Corridor, die sich ihrem Zimmer näherten, rasch sprang sie auf und eilte der Thüre zu, ihm entgegen. Doch nein, das war nicht sein Schritt — man klopfte, der Kellner trat ein und reichte ihr eine Karte.
„Hauptmann Karsten" las Rosa. Halb verwirrt, halb verlegen glitt sie mit der Hand über die Stirn, als sie den Gast bitten ließ, näher zu treten.
„Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen," begrüßte sie Karsten, indem sie ihm ruhig die Hand reichte, „ich glaubte Sie in der Residenz."
„Ich bin auch erst vor wenigen Stunden hier etngetrosfen."
„Es thut mir leid, daß mein Mann noch nicht hier ist, aber ich erwarte ihn jeden Augenblick. — Sie haben doch wohl seit Ihrem Besuch auf Schloß Dorneck nichts von ihm gehört?"
„V doch; ich erhielt gestern ein Telegramm von ihm."
»Ein Telegramm von meinem Mann?" wiederholte Rosa erschrocken. „Wie soll ich daS verstehen?"
„Er telegraphierte mir, falls ich bis heute Abend nichts von ihm hörte, bäte er mich, baldigst herzukommen. Doch wartete ich nicht so lange, sondern benutzte den ersten Zug und traf vor zwei Stunden hier ein."
„Was wollte mein Mann von Ihnen?" stieß Rosa angstvoll hervor.
„Mich bitten, wenn es nötig sei, Sie über etwas aufzuklären. Ich hatte gehofft, eS werde nicht dazu kommen, aber"
Er stockte, Rosa versuchte zu sprechen, aber das Wort erstarb ihr auf den Lippen, und auf ein Zeichen, weiter zu reden, fuhr Karsten fort:
„Ich kam zu spät. Ich — Rosa, können Sir schlimme Nachrichten hören?" setzte er hinzu, nicht mehr bemüht, seine Aufregung zu verbergen; „eS kann Ihnen doch nicht verborgen bleiben. Richard wird nicht heimkommen, er hatte um zwölf Uhr mit Horst von Malten, welcher der Familie der Dorn- eckS eine schwere Beleidigung zugefügt, ein Duell — und fiel rötlich verwundet.
Eine Minute lang herrschte banges Schweigen.
Krampshast bewegten sich Rosas Lippen, ober kein Laut kam aus ihrem Munde hervor, ein heftiger Schauder ergriff, ihre Gestalt und besinnungslos sank sie zu Karstens Füßen nieder.
18 .
Tagelang befand sich die arme Rosa in Folge der schrecklichen Nachricht über das unglückselige Duell ihres Gatten in einem Zustand der Betäubung und fieberhaften Wahnsinnes. Mit offenen Augen tag sie da, aber sie sah nicht, was um sie herum vorging, sie konnte sich kaum bewegen, konnte
keinen Gedanke» fasten. Am sechsten Tage ging es ihr so viel bester, daß sie sich von ihrem Lager aufrichten und sich von ihrer Pflegerin erzählen lassen konnte, was inzwischen vorgefallen war. Karsten hatte während ihrer Krankheit alles für sie besorgt und bei seiner Abreise einen Brief an sie zurückgelassen. Er bedauerte, daß seine Pflichten ihn so bald wieder in die Residenz zurückriefcn; doch so viel in seinen Kräften läge, wolle er ihr auch fernerhin jegliche Sorge abnehmen. Er habe mit einem tüchtigen Advokaten Rücksprache genommen, demselben, bis Rosa sich kräftig genug fühle, selbst alles zu besorgen, die nötigen Papiere übergeben, um ihr mit Rat und That beizustehen. „Wie Sie von dem Rechtsanwalt Doktor Reinhold erfahren werden," hieß eS in dem Briefe weiter, „hat ihr verstorbener Galle Sie laut Testament zur Universalerbin seines seiner Zeit von der Großmutter ererbten bedeutenden Vermögens gemacht. Dasselbe überbebt Sie für alle Zeiten jeglicher Nahrungssorgen. Besorgt, das unruhig Hotelleben könne Ihnen lästig sein, habe ich mir in ruhiger Gegend in der Seestraße eine reizende kleine Villa angesehen, die Ihnen auf Ihren Wunsch sofort zur Verfügung steht. Ziehen Sie aber eine andere Wohnung vor, oder hegen Sie irgend noch besondere Wünsche, so bitte ich nur, sich damit an Dr. Reinhold zu wenden."
Aber Rosa hegte keinen anderen Wunsch ; sie war zufrieden damit, andere für sich denken und sorgen zu lassen.
Nach wenigen Tagen bezog sie die für sie gemietete Villa und lebte hier das ganze Frühjahr so still und zurückgezogen, als habe die ganze Welt keinen Reiz mehr für sie. Aber dann regten sich neue Gedanken und Gefühle in ihr, die sie mit neuer Hoffnung, mit neuem Lebensmut erfüllten. Wenn diese Hoffnung sich verwirklichte, würde ein neues Band sie an das Leben fesseln, sie würde, wenn auch nicht glücklich sein, doch einen Schutz gegen Verzweiflung besitzen.
Die Zeit verstrich, der Sommer kam, der Sommer schwand, und als der Herbst kam und das Laub der Bäume sich golden färbte, da schloß die junge Mutter ein zartes, wachsbleiches Knäblein in ihre Arme. Aber cs war nur ein kurzer Traum, nur ein Schatten der süßen Hoffnung, welche die junge Witwe während der letzten traurigen Monate aufrecht erhalten hatte. Kein einziger Atem zug kam über die bleichen Lippen deS neugeborenen Knäbleins, das sie jetzt so leidenschaftlich küßte, kein Strahl aus den Augen, auf die jetzt Rosas heiße Thränen sielen. DaS zarte Kind war gleich bei seiner Geburt tot. Die Hände deS kleinen Wesens waren kalt und steif, alles an ihm war tot, ohne je L>ben gehabt zu haben. Die arme unglückliche junge Witwe hatte nur für einen Schatten, einen Traum, einen leb- u. seelenlosen Körper gelebt, gebetet, gehofft, geliebt und gelitten. Der Traum war zu Ende, die Hoffnung vorbei.
19 .
Was sollte die Verlassene nun beginnen ? — So mochte Rosa nicht weiter leben. Sie mußte Pflichten, mußte irgend etwas haben, das ihrem Dasein auf dieser Welt doch noch einiges Interesse gab. Sie gedachte ihrer Tante in Sebendorf. — Was mochte aus ihr
geworden sein, nachdem beide Nichten sie verlassen hatten? — Zu ihr wollte sie zurückkehren, um durch doppelte Liebe und Fürsorge die derselben zugefüglen Sorgen wieder gut zu machen. War die alle grämliche Frau ihr auch stets nur mit Strenge und wenig Verständnis begegnet, so hatte sie sich doch einst der beiden Waisen angenommen und denselben ein schützendes Dach in ihrem Hause geboten, bis diese selbst sich ihrer sorgenden Hand entzogen.
Wenige Tage bevor Rosa ihre Absicht, nach Sebendorf zurückzukehren, ausführte, erhielt sie einen unerwarteten Besuch — das erste Lebenszeichen von der Dorneckschen Familie seit jener unseligen Katastrophe, wo der älteste Sohn in Groll und Zorn aus dem Vaterhause geschieden war — es war Marie von Dorneck, die plötzlich eintraf.
In dunklen Trauerkleidern trat sie bei Rosa ein. Schmerzlich zuckte eS über Rosas Gesicht, als jene den Schleier zurückschlug.
— Welcher Gram, welcher Kummer, sprach aus diesen bleichen Zügen! Den Bruder verloren — durch die Hand dessen, der ihr einst das Liebste auf der Welt gewesen wart
Mehrere Minuten lang hielten sie sich
— beide keines Wortes mächtig, innig umschlungen.
„Ich konnte die Heimat nicht verlassen, ohne Sie noch einmal gesehen zu haben, Rosa," Hub Marie endlich an. Und auf deren weiteres Befragen erzählte Marie von Dorneck, daß ihre Mutter, schon seit längerer Zeit leidend, vom Arzte nach dem Süden geschickt werde. „Mir wird der Aufenthalt in Italien auch gut thun," setzte sie mit wehmütigem Lächeln Hinz». — »Ihren jüngeren Geschwistern," berichtete Marie weiter, „ginge es gut, ja, der brave Kerl habe in letzter Zeit geistig wie körperlich solche Fortschritte gemacht, daß man wohl mit Recht volle Hoffnung hege, er werde allmälig den verlorenen Bruder ersetzen. Wenn sich diese Hoffnung erfüllt," seufzte sie, „wird vielleicht auch der Vater wieder etwas froher, zugänglicher, etwas empfänglicher für die Außenwelt werden."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
- Der Genuß von Apseln vor oder nach der Mahlzeit übt einen sehr günstigen Einfluß auf die Verdauung aus. Ein berühmter französischer Arzt schreibt die Abnahme der Verdauungsbeschwerden undGallen- krankheiten in Paris dem vermehrten Genuß von Obst, besonders Aepfeln, zu. Wer rohe Acpfel nicht verträgt, wähle gebratene Aepfel, die auch der schwächste Magen in der Regel vertragen kann.
.'. (Ein braver Bräutigam.) Bankier (zum Bräutigam seiner Tochter): „Ich bin leider plötzlich ruiniert I" — Bräutigam: „O machen Sie sich darum meinetwegen keine Sorgen, ich finde schon wieder eine andere Partiei"
(Im Trödlerladen.) „Was kostet die Hose?" — „Acht Mark." — „Wo denken Sie hin ? Ich würde Ihnen höchstens zwei Mark dafür geben. — „Nu, geben Se her I"
(Pariert.) „Lieber Emil, du mußt mir ein Dutzend Handschuhe kaufen I" — „Aber Kind, weshalb willst du die reizenden Händchen verbergen?"
Redaktion, Druck und^Berlag von Beruh. Hvfmaun in Mlbhab,