Dünkte Mächte.
Novelle von H. von Limpurg.
Nachdruck verboten.
9.
„Vater, Deine strenge Ehrenhaftigkeit kennt kein Mitleid für den eigenen Sohn?" flehte Arihur.
„Ich weiß nicht, weshalb Gottes Heimsuchung mich so furchtbar trifft, daß ich in meinem Sohne einen — Verbrecher sehen muß," sagte der alte Herr mit Thränen in den Augen und ging stumm davon.
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Es währte lange Zeit, ehe Gräfin Therese die Augen aufschlug und, noch halb im Traume um sich blickte. DaS war ihr Schlafzimmer mi> dem ln den Park hinausgehenden Fenster, der weißverhangene Toilettentisch ver Spiegel, alles wie sonst — und dennoch kam es ihr vor, als sei ihr Alles fremd ringsum. Sie richtete sich auf. In den Kleidern hatte sie auf dem Bette gelegen und weshalb? Verwundert schüttelte sie den Hopf, ein schwerer Druck, ei» dumpfes Gefühl preßte ihre Stirn zusammen und benahm ihr fast den Atem, so daß sic die feinen Finger an die Schläfen drückte, um den Kopfschmerz zu mildern.
„Bin ich denn krank," murmelte sie vor sich hi», „oder was soll dies Schmerzgefühl bedeuten? Ich habe doch heute früh gemalt. — Was ist denn nur mit mir geschehen?"
Einige Male schritt sic im Zimmer auf und nieder, dann blieb sie am geöffneten Fenster stehen. „Was wollte ich nur eigentlich thun," srug sie sich von Neuem und schüttelte den Kopf, „es fällt mir nur im Augenblick nicht ein, aber jedenfalls ist es etwas Wichtiges gewesen."
ES pochte leise an der Thür und Gräfin Weilern trat ein.
„Wie geht es Dir, mein armes Kind?" frug sie, angstvoll zu dem jungen Mädchen hineilend, die wie paralysiert am Fenster lehnt?; „hast Du Dich erholt von dem Ohn- machisansall."
„So war ich ohnmächtig?" frug Therese verwundert, „das wußte ich nicht. Aber Mama, weshalb siehst Du so erschrocken aus, es ist doch nichts vorgefallen?"
„Nein, o nein, mein treuer Liebling," schluchzte die Gräfin, deren Selbstbeherrschung sie verließ, „aber Du lhust mir so unbeschreiblich leid und ich bin machtlos dem Willen Deines Vaters gegenüber."
„Oh," nickte die Gräfin seltsam, „nun weiß ich, was mir vorhin entfallen war; ich muß zum Papa, um ihm zu sagen, daß ich den Fürsten Sereco heiraten will —"
Die Gräfin prallle wie vor einem Ge- spenste zurück bei diesen ruhigen, unbewegten Worten Theresens, deren Antlitz sich nicht veränderte und deren Lippen nicht bebten.
„Therese, mein Kind/' rief sie außer sich, „und das sagst Du so ruhig I Ich dachte, Du liebtest Arthur Fels, und es würde Dir schwer zu entsagen.''
Eine feine, jähe Nöte stieg in des Mädchens Wangen, sie hob leise abwehrend die Hand. „Nenne ihn nicht, Mama, ich liebe ihn wohl, aber dennoch — will ich des Fürsten G>mahlin werden und ihm treu sein. Ich will, hörst Du, ich — kann nicht anders, ich will, ich muß ihn heiraten."
Noch nie halte die Gräfin ihre Tochter
so seltsam sprechen hören. Unbewegt wie im Traum fielen die Worte von Theresens Lippen, und es war fast ein Grauen, womit die Gräfin sich abwandtc. „Thue Deine Pflicht, mein Kind, und Gott segne Dich, daß Du Dich bezwungen hast, Papas Wunsch zu erfüllen," sagte sic dann.
„Es mußte ja wohl sein!" hauchte Therese, mit der Hand an die Schläfen fassend, in denen es wild pochte und hämmerte; „der Fürst ist reich, sehr reich und deshalb will mich Papa an ihn — verkaufen. Aber ich thue es ja freiwillig und ich thue es gern."
Ein Beben überrieselte ihren zarten Körper, ein Seufzer hob unwillkürlich ihre Brust, dann wandte sie sich zum Toilettentisch. „Ich werde erst andere Toiletten machen, Mama, ehe ich dem Papa meinen Entschluß mitteile. Meinst Du, daß ich mein graues Seidenkleid anziehen soll oder das Helle mit dem Veilchenmuster?"
Müde, wie geschäftsmäßig fielen die Worte von Theresens Lippen; sie empfand es wie eine Sehnsucht, weinen zu können, aber ihre Augen blieben trocken.
„Kind, Kind," sagte die Mutter beim Hinausgehen, „Du bist sicherlich krank. Ich kenne Dich nicht wieder, so ist Dein Wesen verändert."
„Und ich kenne mich auch nicht," flüsterte das junge Mädchen als sic sich allein befand, „mir ist, als stehe eine fremde Person statt meiner hier — deren Herz von Stein ist."
Ruhig, fast mechanisch machte sie ihr wirres Haar zurecht, steckte eine veilchen- tarbene Schleife hinein, legte das Helle Kleid mit denselben Blümchen gemustert an, und blieb dann noch eine geraume Weile vor dem Spiegel stehen, in tiefe Gedanken versunken, doch ohne ihr liebliches Bild zu sehen, welches ihr aus dem Glase entgegenschaute.
„Weshalb muß ich eigentlich noch leben," sagte sie ganz laut vor sich hin, „mir ist es als ob das Beste hier in der Brust tot sei und nur der Körper noch mechanisch sich bewegte. Wenn ich nur Weinen könnte, aber es schmerzt nur im Auge und brennt — Thränen kommen nicht hervor!" Nun verstehe ich das Nürnberger Wälpi, welches seine Thränen verkaufte und dann so elend wurde. Hätte ich sie denn auch verkauft?"
„Aber worüber klage ich eigentlich? Die Menschen werden mich beneiden als Fürstin Sereco, wenn ich an der Seite meines Gemahls in Reichtum und Glanz dahin lebe. Ich werde nur noch seidene Kleider, Juwelen, Spitzen und alles das haben, was sich gewöhnlich ein junges Mädchen wünscht
— nur Eines nicht. Ich kann den Fürsten nicht lieben I Ich — liebe — einen Anderen. Aber still der Name darf nicht mehr über die L'ppen des Mädchens, welches im Begriff ist, sich durch daS feierliche „Ja" einem anderen Manne zu verloben. Ich will ja auch gehorsam sein, mich zwingt Niemand
— Niemand!"
Sie schritt vorwärts, aber ihre Knicen wankten und kraftlos sank sie auf das Sopha nieder, während ein nervöses Zucken über ihr Antlitz glitt. Dann aber raffte sie sich sogleich auf und hob energisch das blonde Köpfchen.
„Thörin," murmelte sie vor sich hin, „was fällt Dir ein! Nur vorwäits, nimm die goldene Fessel auf — es zwingt Dich ja Niemand!"
Vor der Thür von des VaterS Zimmer blieb Therese stehen. Todenblässe überzog ihr Gesicht, als sie drinnen Stimmen vernahm und des Fürsten fatales Lachen an ihr Ohr drang. Rasch entschlossen ging sie in die Dienerstube und befahl ruhig dem ganz erstaunten Bedienten, sie,bei ihrem Vater zu melden.
I Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein Zweikampf mit Rohrstöcken wurde in Görlitz eines 14jährigen Mädchen« wegen von zwei 15 Jahre alten „Kavalieren" in einer Sandgrube in der Nähe der Stadt ausgefochten. Der Kampf wurde derart zum AuStrag gebracht, daß nach je einer Minute gegenseitigen Klopfens mit den Stöcken eine Pause von fünf Minuten eintrat. Trotz der Ungefährlichkeit der Waffen waren die Duellanten mit Schwielen bedeckt. Der Rohr- stvck des Vaters hat bei einem der Kämpfer noch ein kleines Nachspiel gefeiert, weil dieser seine Tasch-nuhr nicht genügend vor den Hieben seines Gegners gedckt hatte, die infolge dessen zerschlagen wurde.
Welche Vorsicht beim Telegraphieren geboten ist, lehrt folgende Familiengeschichte, die dem „Fr. Rhät." aus dem Oberhalbstein (Graubünden) mitgetcili wird. Bekam da ein glückliches Paar an der Julia einen munteren Sprossen. Der Vater lies s»sort auf die Telegraphenstation, die frohe Kunde aus» wärtigen Verwandten mitzuteilen. Bei seiner Rückkehr traf er auf einen Boten, der ihm meldete, dem Knäblcin sei sofort ein Mädchen gefolgt, und als er die zweite Depesche kaum abgefaßt hatte, wurde er benachrichtigt, daß noch ein weiteres Mädchen da sei. Da stellte er denn doch das Telegraphieren ein und lief schnell nach Hause, um sich von seiner Ueberraschung zu erholen.
.'. (Nachklänge zu den bayerischen Manö- veitagen.) In einem großen Bauernhaus waren laut „J.-Z." 12 Mann einquartiert nebst einem Lieutenant. Die Bäuerin rust am Morgen zum Kaffee, jeder Mann hat seinen Löffel vorgelegt und es wird, wie «S auf dem Lande üblich ist, eine große Schüssel dampfenden Kaffees aufgctragen, aus welcher gemeinsam zu essen ist. Die Soldaten sitzen schon rings um den Tisch, der Herr Lieutenant aber steht bei Seite und schüttelt den Kopf. Kurz entschlossen frägt die Bäuerin: „No, magst ebba Du koan Kaffee?" Lieutenant: „Ja, Kaffee mag ich wohl, aber ich würde bitten, mir denselben in einer Tasse aufzutragen." Darauf die Bäuerin erwidert: „No woaßt, weg'n Oan tusch'n ma nöt lang uma: wennst mit dö andern nöt mitcff'n magst, no kannst as a bleibjn lassen." Die Herrin im Hause wollte absolut von einer eigenen Bedienung nichts wissen, machte dazu auch keinerlei Vorbereitung. DaS war dem Herrn Lieutenant etwas zu bunt; er dachte, „der Geschcidtere giebt nach", ließ seine sieben Sachen packen und nahm in einem anderen Hause Quartier.
.'. (Anzeige.) Um meinen zahlreichen Patienten entgegen zu kommen, teile ich hierdurch mit, daß ich vom heutigen Tage in die Nähe des Lmsenkirchhofs verzogen bin.
(Zweideutig.) Schulz (im Spcise- saal): Herr Wirt: Welches ist denn dort an dem Tisch der Herr Rendant? Wirt: Der mit dem Kalbsgehirn I
Druck und Verlag van Berich. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hofmann).