Die Wallfahrt nach Kzenstachau.

Roman von Johanna Berger.

Nachdruck verboten.

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Da« Mädchen sah ihn mit leuchtenden Augen an, denn wie eine Verheißung klangen seine Worte in ihr verzweifelnde« Herz. Und nun wandte sie sich rasch zum Gehen. In der Thür bliev sie noch einmal stehen und schaute zurück.Vater, ich bitte Dich, ver­giß mein Kleinod nicht," bat sie. Im näch­sten Augenblick war sie verschwunden.

Der Lieutenant sank stöhnend in seinen Sessel zurück, er schloß die Augen u. kämpfte schwer, denn das Trennungsweh überwältigte ihn mit furchtbarer Gewalt.

Und gegen die trüben Scheiben peitschte der Regen und der Abendwind klagte um das Haus. Die alle bunte Wanduhr sang wieder ihr dünnes, eintönigesTick, Tack", und der Kuckuck darauf rief die Stunden­zahl mit heiserer Stimme ab. Es war neun Uhr; die Rächt breitete sich über bas niedrige, stille G-mach und mit ihr kam die Ruhe und

der Frieden.

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Das H.rrenhaus von Lygotta war an dem tcr schwaiz-n Maeouna geweihten Tage leer und Melassen. Die Dienerschaft hatte schon vor Tagesgraueu alle.Arbeit vollbracht, um nur ja nicht die Kncheusiier, Len Bitt­gang und vor Allem die Prozession zu ver­säumen. Nur Mtchalina, die alle Köchin war daheim geblieben, um das Haus zu hüten. Am Nachmittag stand sie sonntäglich geputzt, mit dem Slnckstrumpf vor HauSthür, um dem Glockengeläut und der aus der Ferne herüber schallenden Musik zu lauschen. Von Zeit zu Zeit blickte sie zum Himmel empor, an d,m sich langsam liefounkeles rcgenschwe- res Gewölk oufthürmte.

Das fehlte gerade," brummte sie vor sich hin,daß wir heule noch etwas Nasses b-kommen. Wo sollten dann die armen Pltg.r blciveu, die schon seil gestern im Freie» campiere». Ach Du Herrgolichen, das wäre 'ne Ichöne Peostemahlzeit. AVer ich dachte eS mir gleich, als Len ganzen Morgen die Hähne krähten und rer Tara« Graö fraß! Na, die Madonna wild schon ein Einsehen haben und den Regen verhüten, denn heute kann sie Alles, was sie will I" Michalina wurde plötzlich durch ein zischendes und prasselndes Geräusch, das aus der Küche kam, in ihren Reflectivuen unterbrochen. Heiliges Kreuz, meine Braten!" rief sie aus und nun lief sie zankend und polternd in'« Haus zurück.

Bald darauf rasselte die Britschka mit Frau von Bülinöka und ihren Gästen auf den Edelhof. Roman fehlte; er war gleich nach dem Hochamt aus ein entferntes Vor­werk geritten, das zum Gute gehörte. Die Herrschaften waren müde und abgespannt von der Hitze und dem vielen Trubel. Sie zogen sich nach dem Diner sefort in ihre kühlen Zimmer zurück, um eine lustige Toi­lette zu machen und sich von den Strapazen dieses Tages zu erholen.

lieber dem Herrenhause brütete eine heiße unbewegliche Lust. Im Garten wogte be­täubender Blumenduft und die Vöglein saßen still und iräumend auf den Bäumen. Nur

die Jnsicten gaukelten summend umher und die Eidechsen sonnten sich im Grase. Weit und breit war kein Mensch zu sehen und zu hören, denn das Dorf und die Felder lagen heute einsam und verödet da.

Die Herrin von Lygotta halte sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen. Dort lag sie mit gelösten Haaren, die Füße bequem von sich gestreckt, im Zwanglosesten Neglige auf dem Diwan, indem sie bald ein GlaS Hiinbeerlimonade schlürfte, bald aus einer »eben ihr stehenden Bonbonniere Confcct naschte. Ihre Kammerfrauj, eine ziemlich dumm aussehende Person, wehte ihr mit einem großen Papierfächer Kühlung zu. Hin und wieder unterbrach sie diese Beschäftigung, um den Fächer mit der Fliegeuklappe zu ver­tauschen und die lästigen Jnsccten ohne Um­stände auf den Möbeln und den tapezierten Wänden zu erschlagen.

In dem ziemlich großen Gemach herrschte eine grenzenlose Unordnung. Tische uud Stühle waren mit Carlons, Hüten und Kleidern bedeckt. Auf dem Kamin standen »eben einem Bilde der sixlinischen Madonna eine Flasche Ungarwein, mehrere Schachteln mit candierten Früchten und ein Paar neue Stiefelette». BoubonSpapiere lagen verstreut auf dem fadenscheinigen Teppich umher und ei», augenscheinlich in größter Hast abge- streiftes Seidenkleid ruhte friedlich daneben. Alle Schiebladen uud Fächer der Csmmode waren weit g'öffnel und Jedermann mar ein Einblick in ein wunderlichen Chaos von Bän­dern, Kragen, Handschuhen und tausenderlei anderm Krimskrams gestattet.

Frau von Bielinska wälzte sich unbehag­lich auf dem Diwan von einer Seile zur andern.Gieb mir mein Riechfläschchen, Bronislawa," seufzte sic,aber rasch, ich ersticke I Diese Hitze ist unerträglich. Was habe ich heule ausgistanden bei der Proces- sion, es ist nicht zu beschreib-lr, und wenn ich darüber jammerte, lächle mich die Gräfin aus.Ja, die hat Nerven, ich sage Dir, Nerven wie Bindfaden so stark, und nichts, nichts kann diese Frau derangieren. Sie war wie von Stahl und Eisen, während mir übel und schwindlig wurde. Aber ich mußte mit, immer mit durch den himmelhohen Staub, durch das dichte Mcnschengetümmcl; Jesus Maria, es war gräßlich I"

Die Kammerfrau nickte zustimmend und seufzte mit. Da hörte man plötzlich eine Thür i»'s Schloß fallen und ein leichter Schritt erschallte im Hausgang. Wie elek- trisirl fuhr die Evelfrau empor, ihre Augen strahlten förmlich auf.Das ist die Com- teß," sagte sie lächelnd,und weißt Du, Bronischka, der süße Engel wird in Kurzem meines Sohnes Frau. Aber sperre doch Deinen Mund nicht so gewaltig auf, Du Gans, es ist wahr, und zu verwundern giebt es darüber nichts. Ja, Ja, dann wird in Lygotta ein herrliches Leben sein. Schmul werden wir los und das Rechnen ».Sparen hat ein Ende. Ich kann dann meine Toi­letten direct aus Paris beziehen, denn wir w.rd-n natürlich alle Jahre eine Reise in's Ausland machen. Ach ja, Paris will ich sehen, das herrliche Paris, und mein Sohn muß mir schwören, daß ich von dem Tage seiner Hochzeit an meine Odeurs und Co», siiüren aus dem unübertrefflichen Frankreich verschreiben darf I Himmlische Mari», wäre eS nur erst so weit!"

Die kleine kugeliche Dame blickte vergnügt um sich her, dehnte sich behaglich und ließ sich von Bronislawa einen großen Bonbon in den Mund st-cken. Dann schloß sie die Augen, um halb wachend, halb schla'ead von Reisen, Toiletten, Eonsiiüren und Wohlleben zu träumen.

ES war schon gegen Abend, als Roman wieder auf dem Edelhose anlangle. Pavel sprang herzu, hals ihm beim Absteigen und nahm sein Pferd in Empfang, um e« in den Stall zu führen. Als er nach seiner Mut­ter fragte, erhielt er den Bescheid, die gnädige Frau sei schon vor zwei Stunden mit den fremden Gästen von Czenstochau zurückgekehlt, die Herrschaften hätten Mittagbrot gegessen und befänden sich nun in ihren Zimmern, um zu ruhen. Roman zuckle die Schultern und blickte in den Regen hinaus. Sein Ge­sicht war blaß und um den Mund lag ein müder Zug. Er stand eine Weile beweg­ungslos, dann nahm er den Hut vom Kopfe und stäubte die nassen Tropfen davon ab, roch gleich darauf preßte er beide Hände an die Schläfen, als fühle er dort einen Schmerz.

Hinter ihm im Hausgange erschallte» Schritte und das Rasseln eine« Schlüssel­bundes. Als er sich umwandte: stand Mi­chalina vor ihm. Sie blickte besorgt auf ihn Hw- »Jesus, Pan Roman," sagte sie,wie sehen Sic aus, Sie sind ja plalschnaß wie ein Fisch. Kommen Sie rasch in die Stube herein, es zieht hier im Flur und Sie er­kälten sich!"

Er nickte zerstreut, aber antwortete nicht. Langsam schritt er an ihr vorüber in's Trep­penhaus.

Die alte Köchin trippelte plaudernd neben ihm her.Die Herrschaften haben eine Weile mit dem Diner auf Sie gewartet, Pan Roman I Sie waren totmüde, als wolle ver Schlag sie rühren, so puterrot war sie und so verärgert. Jetzt liegen sie Alle auf ihren Kanapees und schlafen wie die Mur­meln. Möchten Sie nicht ein Bischen essen, Pan Roma? Ich habe Ihr Lieblings- gerichl warm gestellt, Schleie mit Petersilie und Butter. Ich will in die Küche springen und Ihnen das Essen schnell auftischen I" (Fortsetzung folgt.)

Ein altes Lied.

Sie hieß Rest,

Robert er;

Sie war Köchin,

Er Flaneur,

Sie war heiß Und er war kalt;

Er war jung Und sie war alt,

Sie war brav Er war ein Lump;

Sie zahlt bar,

Er nahm auf Pump;

Sie trank Wasser,

Er trank Wein;

Sic hat acht Und sie hat neun Hundert Gulden

Schulden er,

Sie erspartes;

Ohl Malheur I Er sah sie Und sie sah ihn;

Ihr Erspartes

War schon hin.

Druck und Verlag von Vernh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hofmann.)