Im Banne des Bösen.
Novelle von C- Western.
(Nachdruck verboten.)
1 .
Aus dem Gewirr und Getöse der Hauptstadt flüchten wir in den stillsten nördlichen Teil derselben, wo zwischen Baumgrün und im Kranze lieblicher Gärten sich elegante Villenbautcn erheben. Dort die kleine einfache Villa mit dem von wildem Wein umrankten Gartenpförtchen ist es, welcher wir zusteuern. Wir lesen an der Pforte schon auf zwei Porzellanschildchcn die Namen: „Doktor Ernst Pfeil, Professor der Chemie" und „Oberst a. D. von Linven." Der Oberst bewohnte das obere, der Professor das untere Stock des Hauses.
Der Professor, ein Mann ungefähr dreißig Jahren, weilte in seinem Wohnzimmer. Dasselbe war elegant hergerichtet und mit wahrem Schönheitssinn ausgestattet; das bewiesen die Gemälde, Statuetten, Reliefs und Nippsachen, sowie die Vorhänge und die Möbel, welche die Wohnräume zierten. Wenn etwas unter diesen Gegenständen der Kunst hervorstach, so durste als solches ein übertriebener FrauenkuttuS genannt werden, denn überall stieß daS Auge auf Uriypen der weiblichen Schönheit, von der Nachahmung der Venus von Milo bis zu den drei Grazien. — Der Professor Pfeil selbst, eine elegant gekleidete, schlanke Erscheinung, hätte auf das P.ädikal „schön" Anspruch zu machen gehabt, wenn nicht sein scharfes, graues Auge einen Ausdruck von Unstäligkeit gehabt hätte, der sehr gegen ihn einnehmen mußte. Haar und Bart des Professors waren blond und schwach, das Gesicht dagegen edel gebildet.
Professor Pfeil überblickte jetzt das Zimmer, ließ durch seinen Diener Fritz kalte Küche aufsetzen und eine Flasche Champag- ncn im Silberlübel mit Eis placieren, dann sagte er zu Fritz:
„Du hast heute obend bis zehn Uhr Urlaub ; ich brauche Dich jetzt nicht mehr, geh I"
Fritz ging fort, murmelte aber dabei:
„Besuch von drn Schauspielern? Ich möchte wissen, warum der Professor mit diesen Schauspielern so eins Geheimthuerei macht."
Der Professor aber stand vor dem Spiegel und flüsterte:
„Wie sehe ich denn auS? — Hm, passabel I Ich experimentiere mein Geld fort, am Tage im Laboratorium des Erdgeschosses, Abends mit lusttgen Schallspielern bei Spiel Und Wein im Salon; ah bah, ich glaube, ich halte mir selbst eine Moralpredigt! Ei was, wenn ich am Ende bin, so —! Freilich, wäre mir das Malheur mit dem Dekan nicht passiert, so hätte ich noch meinen Lehrstuhl an der Universität und eine gesicherte Zukunft! Dock zum Teufel mit der Engherzigkeit der Philister! Ich glaube, ich gehöre zur philosophischen Fakultät und habe so etwas von der Faustnatur in mir I"
Er lachte höhnisch und sang dann leise: „Wer nicht liebt Wein Weib u. Gesang Der bleibt ein Narr sein Leben lang!"
„Jetzt wird aber gleich der lustige Astaro auf dem KieSsande des Gärtchens schnellen Schrittes daher kommen I" fuhr der Professor in seinem Selbstgespräche fort. „Wird wohl wieder Neuigkeiten mitbringen!"
Nach einem Weilchen schlüpfte eine zierliche Männergestalt inS Zimmer, die mit einem „guten Abend, Ernst!" den Professor stürmisch umschlang.
„Guten Abend, Astaro! Freut mich, daß Du so pünktlich bist I" rief der Professor. „Ich habe den Diener fortgeschickl, mein Junge; denn ich wollte mit Dir eine Weile allein sein I"
Er nickte, drehte sich auf den Hacken seiner Lackstiefeln herum und rief aus:
„Wie aufmerksam von Dir, daß Du mir ganz besonders Dein Vertrauen schenkst, Professor.»
Hiermit löste er seinen Mantel, den Professor Pfeil behend dem Freunde abnahm, indem er sagte:
„Setze Dich, Astaro! Ich habe mit Dir zu reden."
Während Astaro, der lustigste Schauspieler des Residenztheaters, sich setzte und ungeniert von dem kalten Abendbrvde zulangte, indes der Professor die Gläser füllte, fuhr der letztere ernst und leise fort:
„Zwei Fragen habe ich an Dich zu richten, Astaro. Ich bin vorgestern Abend im weiteren Freundeskreise vielleicht etwas iudis- cret in Bezug auf meine wichtigsten Pläne gewesen. Habe ich in der Weinlaune etwa mein Erfinbungsprojekt verraten?"
„Gott bewahre," erwiderte der Schauspieler mit einer beteuernden Miene, „Du hast Deine Epoche machende E>flnduug kaum angedeutek, und außerdem ist jenen Herren die Chemie doch auch eine mit sieben Siegeln verschloss-ne Wissenschaft, daß sie gar nicht verstehen können, was Du mit Deinen chemischen Formeln meinst."
„O, in dieser Hinsicht kann man nie vorsichtig genug sein," entgegnele der Professor, „denn auf dem Gebiete der wissen schastlichen Entdeckungen wiid mehr gestohlen als man glaubt und ein einziges unbedachtes Wort könnte meine Erfindung zur Unzeit verraten. Aber Deine Zusicherung soll mich beruhigen. Nun aber »och eine Frage: Wer halte denn den langweiligen Hauplmann von Bach mit in unseren Klub gebracht?"
s„Nun wer anders als der Baro» von Güldener, der ein Vetter des Hauptmanns ist. Was hast Du denn gegen Herrn von Bach? Ich denke, Du bist selbst mit ihm befreundet I"
„Ich habe gar nichts gegen diesen biederen Gamaschenknopf, Astaro, denn er ist als Freund treu wie Gold. Aber bemerktest Du nicht, wie wenig es ihm in unserer Gesellschaft behagte, er sinkt nicht, er spielt nicht und scheint auch ein Weiberfeind zu sein. Was soll ein solcher Philister in unserem Klub ? — Diese Sonderbarkeiten des Hauptmanns wären aber noch nicht das Schlimmste, wenn er nur nicht oben bei dem Oberst als Hausfreund fast täglich aus und einginge und in der Einfalt seines Herzens meinen ganzen Plan verderben könnte."
„Deinen ganze» Plan verderben?" frug der Schauspieler gedehnt. „Wie soll der biedere Hauplmann dazu kommen?"
„Ach so, Du kennst diesen meinen — H-rzensplan nicht," erwiderte der junge Professor leise und ein leichtes Not färbte auf einige Augenblicke seine blassen Wangen. „Astaro, junger Freund, ich bin ernstlich verliebt und zwar in des Obersten einzige Tochter, die vor Kurzem in das elterliche
Haus aus dem Pensionat zurückkehrte. Astaro, ich sage Dir, dieses Mädchen ist Inno an Schönheit, eine Minerva an Geist und eine Vestalin an Keuschheit und Unnahbarkeit. Wenn ich sic besitzen könnte, würde ich einer der glücklichsten Sterblichen auf riese», Erdball, denn der alte kränkliche Oberst hinterläßt allem Anscheine nach feiner einzigen Tochter auch ein nahmhaftes Vermögen.
„Alle Wetter!" rief halblaut der Schauspieler mit halbkomischem Erstaunen in seinen Blicken. „Das ist viel auf einmal, was Du da eben entdeckt hast, Professor, Schönheit, Geist, Tugend und Reichtum und diese Herrlichkeiten alle in einem jungen Mädchen vereint I Täuschst Du Dich auch nicht, alter Weiberverspölter?"
„Ich täusche mich nicht," antwortete der Professor und mit einem Seufzer fuhr er fort: „Astaro, glaube mir, an diesem Mädchen, an Ruth von Linden ist meine ganze Spottsucht über die Frauen zu Schanden geworden. Sie erscheint mir wie ein Gebild aus Himmelshöhcn und ich werde unglücklich, wenn ich Ruth nicht besitzen sollte. Ich genieße das vollständige Vertrauen des Obersten und seiner Gemahlin und könnte auf dieser Grundlage viel erreichen, aber durch Hauptmann von Bach, der fast täglich mit dem Obeist verkehrt, könnte dieses Vertrauen, welches man mir in der Familie von Linden schenkt, erschüttert werden, Herr von Bach braucht nur einmal ganz zufällig anzndeuten, daß ich in dem Klub verkehre. Der Oberst urteilt nämlich über Spiel und Trunk und andere Passionen junger Lebemänner sehr streng, fast pedantisch. Ich verlöre alles Vertrauen bei ihm und seiner Frau, wenn der Hauptmann einmal über unseren Klub plaudern sollte."
„O, das wird Herr von Bach nicht thun," bemerkte der Schauspieler beschwichtigend, „denn er ist kein Intrigant, sondern eine offene, ehrliche Natur I"
„Ja gerade diese übertriebene Offenherzigkeit fürchte ich am meist-n an ihm," lief der Professor fast laut aus, „er kann mich verraten, ohne es zu ahnen."
„Aber sei doch nicht zu ängstlich, Professor," entgegncte der Schauspieler, „Du bist bis über die Ohren verliebt und wie alle Verliebten mißtrauisch und aufgeregt. Ueberlege die Angelegenheit mit Ruhe und ziehe nötigenfalls den Hauptmann von Bach in Dein.Geheimnis, Herr von Bach ist ein echter Edelmann."
„Nun, ich will mir diesen Vorschlag Überiegen," sagte Professor Pfeil beruhigt. „Du kennst ja jetzl hinlänglich meine Lage, Astaro, und wirst einsehen, daß bis ans Weiteres hier in meiner Wohnung auch unter dem Sieget des Geheimnisses keine vergnügte Abend mehr stattfinden können, denn der Oberst soll nicht wissen, daß ich das lustige Leben liebe. Teile daS den Freunden so geschickt wie möglich mit."
„Werde das bestens besorgen, Ernst!" entgegnele Astaro und schenkte sich ein neues Glas Wein ein.
«Fortsetzung folgt)
MerkH.
Nur mii starkem Selbstvertrauen
Läßt sich Schönes auferbauen:
Zweiset macht den Arm erschlaffen,
Kleinmut kann nickt Großes schaffen I
Druck und Verlag von Bcrnh. Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hosinann.)