Im Banne des Blutes.

Roman von H. von Ziegler.

Nachdruck verboten.

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Gnädiges Fräulein,' begann Egon, der bei dem metallnen Klange der sonst so weichen Stimme erbebte wie vor der Po­saune des jüngsten Gerichts, doch Ruth wandte ihm voll kühner Verachtung den Rücken, um ihm das Lucken ihrer Lippen zu verbergen, und so mußte er denn das Treibhaus ver­lassen, da auch die Gräfin ihn völlig über­sah. Nur Olgas wilde Leidenschaft bäumte hoch auf; so durfte er nicht davon kommen, er sollte erfahren, was es hieß, sie zu hin- tergehen, und mit einer andren zu ccquet- tieren.

Als beide gegangen, da brach Ruths müh­sam bewahrte Fassung zusammen ; schluchzend sank sie vor der Bank nieder, auf welcher sie vor kurzem erst so süß geträumt vor­über, vorüber war ihr geträumtes Herzens- gtück I Ja, es war eben alles nur ein Traum gewesen. O, könnte sie doch bei dem Groß­vater im stillen Norderhof sein, könnte sie austöschcn jene ganze Zeit, da sie Egon ge­kannt I

Heftig, fassungslos schluchzte sie, wie bit­tere Ironie flutete die rosige Seide um sie her und aus dem Kranze löste sich eine Rose nach der anderen. Gräfin Ueilsch, die sonst so Harle, stolze Frau merkte wie ihr Auge sich feuchtete und ihr Herz in warmem Mit­gefühl für das junge Mädchen schmolz. Es war ja ihr eigen Fleisch und Blut, welches da kämpfte, Ruth halte nicht Vater noch Mutter und mußte mutterseelen allein zum ersten Mate durchleben, was es heißt: einen Menschen zu «erachten, an dem die Seele voll une ganz hing.

Ruth, mein Liebling, mein arme« Kind,' bat die Gräfin innig und legte beide Arme um die Schultern de« bebenden Mädchens, beruhige Dich, erzähle mir alles; denke, Du gehörtest zu mir ich sei Deine Groß­mutter."

DaS dunkle Leckenköpfchen sank an ihre Schulter und Ruth begann von Neuem zu schluchzen, aber es war doch jemand bei ihr, der sie bedauerte und nicht mit Ver­achtung behandelte I

Ich will fort," stieß sic außer sich her­vor,noch heule! O wäre ich doch nie von Großpapa gegangen ; Arnold halte Recht, eS ist nur Elend aus dieser Reise gekommen. Ich will ihm tclegaphieren er soll mich nach Hause holen, wo sie mich lieb haben."

Und nun erzählte sie alles I Wie sie Egon bei dem Manöver zuerst kennen ge­lernt und ihn von Anbeginn geliebt habe, wie er ihr de» Hof gemacht und ihr endlich heute in dem Briefe, ten sie ihm zurückge- geben, seine Liebe gestanden. O, sie Halle gedacht, nun sei alles gut; nun er werbe bei dun Großvater um sie werben und sie heimführen als sein Weib! Ader, daß er einer Anderen gehöre, Olga, die sie stets im­mer gehaßt habe, wie tief sie unter ihr stehe hätte Ruth nicht geahnt.

Komm mit mir, meine arme Ruth, wir wollen fort von hier," schmeichelte Gräfin Aeltsch, die Thränen des armen Mädchens trocknend,er ist ein Eiender, der Deines reinen Herzens gar nicht wert ist. Er wirbt um Olga, weil er meint, sie sei meine Er­

bin, und wenn er eine- Tages merkt, daß er sich getäuscht, dann kommt die Strafe und wehe dann beiden I Du wirst am besten gerächt sein durch das Elend, welches sich die heuchlerischen Seelen selbst bereiteten >"

Nein, Frau Gräfin, ich kann nicht bei Ihnen bleiben, flehte Rntb und ein unsäg­lich jammervoller Blick ihrer Augen traf die alte Dame,ich kann noch nicht in die große Welt mit dem wunden Herzen hin­ausgehen, ich muß erst genesen auf dem stillen Nsrderhof. Lassen Sie mich an Arnold telegraphieren I"

Nicht an ihn," wandte die Gräfin ein, er haßt mich und uns alle, um einer Sache aus der Vergangenheit willen.'

Aber Arnold ist edel und vorurteilsfrei," beteuerte Ruth, sich aufrichtend,und wenn ich ihn rufe, so kommt er ohne Zögern."

Mein Kind, meine Ruth," rief die Dame außer sich,nein, ich kann dich nicht lassen I Du bist mein mein Enkelkind!"

Ich habe keine Großmutter," sagte Ruth wehmütig und die furchtbare Wirkung dieser wenigen Worte nickt ahnend. Dir Gräfin laumelle zurück, als habe ein Keulenschlag sie getrosten und schrie jammernd auf.

Als gleich danach auf Ruths Klingeln die Kammerfrau hercinstürzle, lag die Gräfin bewußtlos und man mußle sie sogleich zu Bett schaffen. Ruth aber saß in ihrem Zim­mer, den schmerzend«» Kopf in die Hand gestützt; da« Telegramm war abgesand, mor­gen Mittag kam Arnold sic abzuholen! O wenn doch die Zeit Flügel hätte, wie bleiern sie heute dem jungen Mädchen däuchte I Forl von hier I Die Liebe, welche so plötzlich in ihr erwackt, war nun ebenso rasch gestorben für immer I Sie konnte den Mann nicht mehr lieben, den sie so tief verachten gelernt

Wenn nur Arnold da wäre, dachte immer und immer wieder das Unglückliche Mädchen. Und er kam.

Als man Arnold das Telegramm brachte, welches die wenigen Wone enthielt:Komme, bin sehr unglücklich, Rulh," da sprang er auf, als habe ihn ein Dolchstoß verwundet, bleich wie der Tod eilte er auf den Hof und befahl den Wagen anzuspannen.

Der Großvaler stand ruhig im Hofe und wandte sich dem Enkel zu, der ihm das soeben erhaltene Telegramm Ruths zeigte.

Ich muß sie holensagte der Mann tonlos,das arme Mädchen bedarf eines Be­schützers."

Friedrich Berger laS wiederholt die wenigen Worte des Telegramms und schüi- lelte dann sorgenvoll das graue Haupt. Meine arme Rulh I" flüsterte der Gr>iS dann.Was ist Dir gefchihen? Ja, hole sie zurück, Arnold. Wir wollen sie schützen mit unserer Liebe."

O, Großvaler," seufzte Arnold, dessen Antlitz ein Schallen überflog, wenn ich ein Reckt hätte sie mit diesen meinen Armen zu sckützen vor allem Leiden und Weh ich wollte glücklich, glücklich sein I"

Ich weiß es, mein Junge; denke nicht, daß Dein alter Großvater, auch wenn er ein einfacher Mann ist, nicht Bescheid wüßte in Herzenssachen. Wir alten waren auch einst jung und liebten und litte» wie Ihr. Aber höre, ich will gleich meine rechte Hand ins Feuer legen, wenn nicht jener feine Lieute­nant vom Manöver hinter dem Unglück Rulhs steckt."

So soll er meine Waffe spüren; auch ein schlüchter Kaufmann darf Beleidigungen rächen I"

Gemach, Arnold, Du weißt noch nicht, was vorgefaUen ist. Auch Halle ich bei der Charakiersnlage Ruths, die Sache für nickt gar so schlimm. Es wird hoffentlich nur' eine Prüfung für Sie sein, welche sie leicht bestehen wird, wenn wir sie schonend be­handeln."

Ich fürchtete schon immer, daß von jener Seite einstmals Unheil über uns kom­men müßte," gab der ernste Mann zurück. Wäre c« nach meinem Willen gegangen, dann hätte Ruth niemals mit jenen hoch­mütigen Leuten zusammen sein dürfen. Nun, wir werden sie zu trösten suchen, und cS wird hoffentlich slUS noch gut werden.

Eine halbe Stunde darauf fuhr Arnold ab, und der Kutscher mußte die Pferde wie­derholt zur Eile antreiben, damit Arnold den Anschluß an den Expreßzug nicht ver­säume.

Finster lehnt? Arnold Berger in der Wagenecke und blickte hinaus in den thau« frisch n Oktobermorgen, doch ohne dessen Schönheiten zu gewahren. Baum u. Strauch, Feld und Wiese flog an ihm vorbei, er merkte es kaum, er hörte nur immer im Geist eine traurige Mädchenstimme nach ihm rufen:Komme, ich bin sehr unglücklich" und sah ein liebes Antlitz thränenvo zu sich gewandt.

Rulh, ich komme," murmelte Arnold, als er in den Eisenbahnwagen stieg und ein Seufzer erleichterte seine Brust. Nun kam er bald zu ihr, sie sollte nicht länger allein sein.

Wenige Stunden darauf stieg vor der Villa des Barons von Hohenstein ein hoch- gewachsener, ernster Mann aus, der den diensteifrig herbcigeeilten Diener nach Fräulein Berger frug und eine Karte zu ihr hinein­sandte.

< Fortsetzung folgt )

Vermischtes. (Bequemlichkeit.)He, Jörge, wo willst Du denn hin ? Du hast ja Dein Sonn- tagsgewandl an."Ick muß auf das Ge­richt, ich habe Termen."Wozu nimmst Du denn da den Schiebkarrcn mit?"Nu, s is nur, daß mer waö in der Hand hat."

(Aerzlliche Praxis). Ein Arzt erhält spät am Abend die Karte eines Kollegen: Komm doch noch kindischen in die Kneipe, uns fehlt der dritte Mann zum Skat!" Liebe Emilie," jagt er nun zu seiner Frau, ich werke nochmals fortgerufe»."Ist es denn so wichtig?'Ach, ein schwieriger Fall," anlwmtelc er,zwei Aerztc sind schon da!"

>'. (Eine Kleinigkeit.) Ein Herr will einen ihm befreundeten Schaufpuler inS Re­staurant abhotcn und trifft ihn hinter den Kulissen.Einen Moment," ruft der Mime eilig,ich muß nur noch schnell sttrben dann komm' ich gleich I"

(Zuvorkommend.)Wenn ich um 10 Uhr nicht zu Hause bin, liebe Frau, brauchst Du nicht mehr auf mich zu warten!" Fällt mir auch gar nicht ein! . - - Wenn Du um 9 Uhr nicht da bist, hol' ich Dich!"

«rrssttwortlrchrr Redakteur r Bernhard HSf »«, nn.) Dmck und Pertag xon P xrnhard Hofmann in Wushah