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(Enztalbote)

^ Amtsblatt für Wildbab. Chronik> Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleituug: Th. Gack tu Wildbad.

tlummer Z03

Fernmf 179.

Miiäbsä, Mittwock, äen 29. veLember 1920

Fernruf 179.

54. ^akl-gsng

Amerila und der Kredit für Europa.

In Neuhork werden seit einiger Zeit Verhandlungen über die Gewährung eines Kredits an Deutschland ge­führt. Die Beteiligten halten sich vorläufig im Hin­tergrund. Einzelne Gruppen, wie Harriman und Gug- genheim, sind schon im deutschen Geschäft, z. B. durch das Abkommen mit der Hamburg-Amenka-Linie und die Uebernahme eines Aktienblocks der Berliner Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (A.E.G.). Zu allen diesen ha­ben sich neuerdings noch Gruppen gesellt, die erkennen, daß sie in Deutschland einen Kunden verloren ha­ben, den sie als Käufer ihrer sonst zwecklos aufgesta­pelten und ins Riesenhafte anwachsenden Erzeugnisse nötig haben. Das sind hauptsächlich die Baumwvll- händler, die vor lauter Ware nicht ein noch aus wissen. Diesen Leuten könnte nichts willkommener sei» als die Gelegenheit, bis zu einer Milliarde Dollar Baum­wolle an Deutschland zu liefern, weil sie dadurch ihre Preise Hochhalten könnten. Es muß bemerkt werden, daß die beteiligten Kreise keineswegs von menschen­freundlichen Gefühlen oder der Pflicht, selbstlos an der Errettung der Menschheit und dem Wiederaufbau der Welt zu helfen, geleitet werden, sondern für sie die ganze Anleihe reine Geschäftssache ist, die ihnen Nutzen bringen soll. Bisher stand der Anleihe der noch bestehende Kriegszustand und die demokratische Regie­rung im Weg. Der durch die amerikanischen Neuwahlen herbeigeführte Regierungswechsel tritt zwar erst im März ein, aber das Hindernis kann als beseitigt gelten. Auf alle Fälle ist der Widerstand der Wilsonschen Regierung stark geschwächt. Die Beendigung des Kriegszustands ist eine der ersten Aufgaben, die im Frühjahr gelöst werden.

Darüber darf man aber nicht die Schattenseiten ver­gessen. Der geschäftliche Druck in den Vereinigten Staa­ten ist ungemein schwer. Auf dem Markt fehlt s jede Kauflust, viele Fabriken schließen wegen Man- gels an Aufträgen, die verfügbaren Vorräte sind bedeu­tend höher als die Bestände um die gleiche Zeit des Borjährs, während die Bestellungen gegen damals um ein Fünftel zurückgegangen sind. Banken und Börsen­kreise müssen ihre ganze Kunst aufbieten, das Schwan­kende zu stützen und einen langsamen Abbau herbeizu­führen, um einen vollständigen Niederbruch aufzuhalten, der, plötzlich eintretend, zur Panik werden könnte. Ruck­weise hochgeschleuderte Werte kriechen langsam, aber si­cher, auf einen festeren Tiefstand zurück. Im Außen­handel sind schwere Stockungen eingetreten, und dies gilt besonders für Mittel-und Südamerika, wo Län­der wie Kuba und Kolumbien in der goldenen Zeit him­melhoher Preise mit Waren überschwemmt wurden, durch die Preisrückgänge des Zuckers und Kaffees ihre Zahl­kraft dann verloren, jetzt Millionenwerte in ihren Hä­fen aufgestapelt haben, ohne sie unterzubringen und be­zahlen zu können. Nur von Peru und Mexiko kann gesagt werden, daß der Handel mit ihnen einigermaßen fest geblieben ist. Unter diesen Umständen ist man mehr auf die eigene Sicherung bedacht und nicht in der Stim­mung, Kredit zu gewähren, zumal die Erfahrungen, die Amerika mit seinen an die Verbündeten verpumpten Milliarden gemacht hat, keineswegs ermutigen.

Auch die Behauptung, daß das beschlagnahmte deutsche Eigentum im Wert von über 600 Millio­nen Dollar zur Sicherung der Anleihe dienen würde, darf nicht ohne weiteres als selbstverständlich hingenom- .men werden. Das Beschlagnahmegesetz verfügt aller­dings nur die Aneignung der Bestände, ohne die end­gültige Verwendung zu bestimmen, und demnach ist der Weg zu einer Frei- und Rückgabe noch offen, aber viele Bestände sind so gründlich verschachert, daß die Wieder­erlangung der ursprünglichen Werte zweifslhaft ist.

Auch die Zustände in Deu tschland sind für die Kreditfrage maßgebend. Es ist erfreulich, daß das ame­rikanische Vertrauen auf die Stärke der deutschen Indu­strie und den Fleiß des deutschen Volks größer ist, als man nach einer zweijährigen Frist von Ausständen, Re­gierungswechseln, Strcikkrawallen und Schiebertum er­warten könnte. Trotzdem ist man in Amerika keines­wegs so zuversichtlich, anzunehmen, die deutsche Lei­denszeit sei zu Ende und schwere Erschütterungen seien nicht mehr zu erwarten- Aber die Befürchtungen sind nicht so stark, daß sie von einer Kapitalanlage in Deutsch­

land abschrecken würden. Gerade in diesem Punkt hat Deutschland über andere Länder einen Vorteil, den eS dadurch ausbeuten kann, daß es sich durch schaffenssreu- dige Arbeit aus der Not emporrafft.

Wer aus der Darlegung die Hoffnung nblciten will, daß eine Anleihe zustande kommen werde, mag es ge­trost tun, Geld genug ist in den Vereinigten Staaten vorhanden, um eine Anleihe von etlichen hundert Mil­lionen Dollar durchzusetzen. Es kommt aber zuletzt mir darauf an, welche Äirteile sich daraus für Amerika bieten.

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DieChicago Tribüne" meldet aus Washington, Wil- s o n werde sein versafsungsmäßigcs Einspruchsrecht geltend machen, falls der amerikanische Kongreß den An trag annehme, Deutschland eine Anleihe von einer Milliarde Dollar zu bewilligen.'

Neues vom Tage.

Der Reichstag arbeitsunfähig?

Berlin, 28. Dez. Der Reichstag, der nach dem neuen Wahlgesetz 425 Mitglieder zählt, soll, wie dieTägl. Rundschau" schreibt, verringert werden, da durch die letzten parlamentarischen Wochen der Beweis erbracht sei, daß die großen Parlamente über 400 Mitglieder nicht arbeitsfähig s.wn, es werde nur noch geredet. Für die nächsten Rcichstagswahlen sei deshalb beabsich­tigt, daß. nicht aus 60 000, sondern aus 75 000 Stim­men ein Abgeordneter entfallen soll, wodurch sich die Zähl der Reichstagsmitglieder auf etwa 360 erw""^e. Ob ein diesbezüglicher Gesetzentwurf schon in reitung ist, ist nicht bekannt.

Die Bcamtenräte.

Berlin, 28. Dez. Nach Beratungen mit den Ver­tretern des Deutschen Beamtenbunds hat die Reichsregie­rung einen Entwurf für ein Beamtenrätegesetz ausge­arbeitet. Demzufolge soll bei jeder Reichs-, Staats­und Gemeindebehörde, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die mindestens 10 Beamte haben, ein Beamtenrat gebildet werden^, bei geringerer Zahl ist ein Vertrauensmann zu wählen. Auch Gemeindebetriebe von Gemeinden über 100 000 Einwohnern wählen einen Beamtenrat. Bei Behörden von 1050 Beamten be­steht der Rat aus drei, von 50100 aus 5 Mitgliedern. Für jedes weitere Hundert erhöht sich die Zahl um ein Mitglied, bis zur Höchstzahl von 20.

Arbeitsgerichte.

Berlin, 28. Dez. Wie bereits kurz mitgeteilt, ist der Gesetzentwurf für Arbeitsgerichte für Arbeitnehmer aller Art, auch der Angestellten, fertiggestellt. Die Gerichte haben in Streitfragen über Einstellung und Entlassung Einhaltung der Tarifabkommen und Versicherungsvor­schriften, Ausstellung von Zeugnissen usw. Entscheidun­gen zu treffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen in den Gerichten durch die gleiche Zahl von Beisitzern vertreten sein.

Der Beamtenstreik unzulässig.

Berlin, 28. Dez. In einem Erlaß an die Eisen­bahndirektion stellt Reichsverkehrsminister Gröner in Uebereinstimmung mit der Kundgebung der Reichsregie­rung vom 7. Dezember d. I. folgende Richtlinien über das von den Beamtengewerkschasten verlangte Streik­recht fest: 1. Mit den Bea mtenpfli chten ist eine Streiktreibereitätigkeit in und außerhalb des Dienstes Unvereinbar. 2. Streikwerbung in­nerhalb der Dienst stunden und Diensträume ist unzulässig. Anschläge auf allen Bahngeländcn, die zum Streik auffordern, sind zu verhindern. Ebenso die Verteilung von Druckschriften zum Zweck der Streik- Werbung. 3. Es soll alles getan werden zur Bekämp­fung des Streikfiebers unter der Beamtenschaft durch Aufklärung über die schweren Folgen für die ge­samte Beamtenschaft, für ihre Stellung im Staat und für die politische und wirtschaftliche Entwicklung überhaupt. 4. Die Reichsregierung und das Parlament haben bisher die Not der Beamten durch die im Dezem­ber, getroffenen Maßnahmen anerkannt und werden auch weiterhin auf eine Milderung dieser Notlage hinwirken. Dem stehen jedoch die unbesonnenen fortgesetzten Streik­drohungen entgegen.

Am Mittwoch oder Donnerstag sollen Verhandlungen mit dem zuständigen Minister stattfinden, die mehrere Tage dauern dürsten.

! Ueberschichten.

, Esse», 28. Dez. Der Betriebsausschuß der Haniel- : scheu Gewerkschaft Neumühl in Hamborn hat eine ! Ueberschicht von einem Viertel beschlossen. Die Ar- ' beiter sind damit nicht einverstanden.

Nach der Einwohnerwehr die Sicherheitspolizei.

Frankfurt a. M., 28. Dez. DieFranks. Ztg." meldet, der Verband habe in einer neuen scharfen Note nun auch die Entwaffnung und Auflösung der Sicher­heitspolizei verlangt. (Nach dem PariserTemps" sollen die Verbündeten, erbost über die Ablehnung der deutschen Reichsregierung, für die Entwaffnung der Ein­wohnerwehren in Bayern und Ostpreußen eine Frist 31. Januar festgesetzt haben, nach deren Ablauf die in Spa vorgesehenen Zwangsmaßregeln, d. h. die Besetzung weiterer Reichsgebiete, zur' Anwendung kom­men.)

Teurere Kohlen.

Beuthen, 28. Dez. Die oberschlesischen Bergwerke erhöhen mit Zustimmung der Verbandskommission vom 1. Januar ab die Kohlenpreise um 20 Mark für die Tonne.

Fiume eingenommen.

Rom, 28. Dez. General Caviglia ist in Fiume eingerückt. Eine Kompagnie Alpenjäger wurde von Freischärlern Annunzios, die Vorgaben, sich ergeben zu wollen, in einen Hinterhalt gelockt und nach Kampf gefangen genommen. Ein Torpedozerstvrer ist im Hafen in Brand gesteckt worden. Gegen Banden, die in der Stadt Widerstand leisten, wird strengstens vvrgegangen. In der Umgebung werden die italienischen Truppen als Befreier begrüßt.

Für Abänderung des Friedensvertrags.

London, 28. Dez. DieMorning Post" berichtet, Senator Knox habe im amerikanischen Senat gefordert, daß die Vereinigten Staaten in Europa eingreisen, um die Friedensverträge mit der wirklichen Leistungsfähig­keit der besiegten Staaten in Einklang zu bringen. Der neue Präsident habe volle Freiheit itn Verhältnis zu den Verbündeten und den Mittelmächten, da die Vereinig­ten Staaten den Friedensverträgen nicht beigetreten seien.

Bafel, 28. Dez. Nach griechischen Blättern haben England und Frankreich ihre Gesandten aus Athen nicht abberufen; die Gesandtschaftsposten sollen aber durch andere Persönlichkeiten ersetzt werden. Das wäre wieder eine neue Wendung in der verwickelten Griechenfrage.

Paris, 28. Dez. DemJournal des Debats" zufolg« will eine italienische Bank Griechenland eine Anleihe von 100 Millionen Drachmen geben gegen Verpfändung von Bergwerksaus tu . tung.

Ei» bedenkliches Mißverständnis.

Berlin, 28. Dez. Zu der feindlichen Forderung der Auflösung der Sicherheitspolizei wird halb­amtlich durch WTB. etwas schüchtern erklärt: Die Ueberwachungskommission des Verbands habe in einer Note vom 23. Dezember sich von der Umbildung der Polizeinicht befriedigt" erklärt. Da aber diese Umbildung nach einem im Einvernehmen mit der Ueberwachungskommission aufgestellten Plan durchgeführt worden sei, so könne nur angenommen werden, daß einMißverständnis" vorlicge. Das Auswärtige Amt sei damit beschäftigt, das Mißverständnis aufznklären.

Paris» 28. Dez. General Noll et, der gegen­wärtig in Paris weilt, wird in den ersten Tagen des Januar nach Berlin zurückkehren.

Senator Cormick auf Reisen.

Berlin, 28. Dez. Der amerikanische Senator Cor­mick stattete dem hiesigen Amerika-Institut einen Be­such ab. Er äußerte sich, für eine Wiederannäherung Deutschlands und der Vereinigten Staaten würde ein gegenseitiger Besuch der Hochschulen durch die Studenten wichtig sein. In Amerika müsse man den Deutschen mehr entgegenkommen, etwa durch Dollarstipendien. Cormick ist nach Koblenz abgereist, wo er mit den amerikanischen Besatzungsbehörden und den Komman­deuren lange Unterredungen hatte.

Streikbewegung.

Magdeburg» 28. Dez. Die Belegschaft des Kupfer­werks in Jlsenburg a. Harz, etwa 2000 Mann, ist