gen Apparat, der immer nme Konferenzen nötig macffe, ohne daß man vom Fleck komme. Der Völkerbund sei gar nicht berechtigt, von sich aus solche „Organisationen" zu schaffen, die nur den europäischen Staaten gegenüber den amerikanischen ein Ilebergewicht schaffen sollen. Millen-Australien unterstützte Rowell, der Franzose Ha- notaux sprach in großer Erregung gegen ihn. Ador (Schweiz) suchte zu vermitteln.
Paris, 9. Dez. Der „Matin" erfährt aus London, der amerikanische Staatssekretär habe die Einladung des Völkerbunds, sich in der Kommission für die Abrüstungsfrage vertreten zu lassen, abgelehnt.
Buenos Aires, 9. Dez. Der Gesandte der Vereinigten Staaten sprach dem argentinischen Minister des Aeußern seinen Glückwunsch aus zu der Haltung des Vertreters im Völkerbund Die Vereinigten Staaten seien der gleichen Ansicht.
Englisch-französisches Bündnis'?
London, 9. Dez. Während der frühere englische- Botschafter in Paris, Lord Derby eifrig für ein englisch-französischen Bündnis wirbt, erklärte Lloyd George, die britische Regierung führe keinerlei Verhandlungen mit Frankreich über einen Militärvertrag.
Eingestelltes Strafverfahren.
Leipzig, 9. Dez. In der Strafsache gegen Kapp und Gen. wegen Hochverrats hat das Reichsgericht,
1. Strafsenat, in nichtöffentlicher Sitzung vom 23. November beschlossen: das Verfahren gegen Geh. Regierungsrat Tr. Boye ans Berlin und gegen den sächsischen Oberfinanzrat Tr. Bank aus Dresden wird eingestellt und die Beschlagnahme des Vermögens der Angeschuldigten aufgehoben, da nach den Ergebnissen der Voruntersuchung die Voraussetzung der Straf- ! freihekt gegeben erscheint. !
Ein päpstlicher Gesandter im Abstimmungsgebiet, j
Rom, 9. Dez. Infolge der Bewegung, die inner- i halb der polnischen Geistlichkeit im Zusammenhang s mit der Kundgebung des Fürstbischofs Bertram an die > Geistlichkeit entstanden ist, hat sich der Vatikan ent- ' schlossen, nach Oberschleschn den Wiener Geschäftsträger ! des Heiligen Stuhls, Msgr. Ogno, zu entsenden. Ogno, der heute hier erwartet wird, wird nach Besprechungen mit dem Papst und dem Kardinal-Staatssekretär nach Oberschlesien abreisen und bis zum Schluß der Volksabstimmung dort verbleiben.
Vom Völkerbund.
Genf, 9. Dez. In der heutigen Sitzung wies der Vorsitzende darauf hin, daß noch eine Menge Gegenstände zu besprechen sei. Zu den Vormittagssitzungen werden noch Nachmittagssitzungen kommen müssen und vielleicht müsse die Redezeit eingeschränkt werden. — lieber die „technischen Organisationen" berichtete H a- notaux (Frankreich). Diese sollen, um Kanada entgegenzukommen, im wesentlichen beratenden Charakter haben . Tie von der Finanz- und Wirtschaftskonferenz ! zu schaffenden Organisationen werden für 1921 einen ! Aufwand von 2 Millionen Franken verursachen.
Der Vertreter Japans, Baron Hayaschi, erhielt von seiner Regierung den Auftrag, sich der Au fn a hm e Deutschlands in den Völkerbund zu wider- setzen.
Wie verlautet, sollen die Sitzungen am 23. Dezember unterbrochen und Anfang Januar wieder ausgenommen werden.
Arbeitslosigkeit in England.
London, 9. Dez. Nach dem „Matin" beträgt die Zahl der im englischen Arbeitsministerium eingeschriebenen Arbeitslosen Ende November 252 000. l
Arbeitslose haben die städtische Badeanstalt in Ae- s ton, einer Vorstadt Londons, besetzt. Entlassene Sol- ! baten besetzten 5 leerstehende Häuser in Swansea, j Tie Polizei verhinderte die Besetzung von 5 weiteren ! Häusern. Ter Bund der englischen Postbeamten be- j schloß, Geld für einen Streik zu sammeln.
Reichstag.
Berlin,- S. Dez.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs betr. Teurungszuschlag zu den Kinderzuschlägen mit Wirkung ab 1. Oktober 1920 für die Ortsklasse ^ mit 125 Prozent,- Ortsklasse 6 mit 100 Prozent und Ortsklasse L mit 75 Prozent.
Der Ausschuss beantragt Erhöhung für Ortsklasse ^ auf 150 Prozent,- L auf 125' Prozent, L auf 100 Prozent, sowie für O auf 75 Prozent. Außerplanmäßige Beamte,- die bisher nur 80 Prozent des Ortszuschlags beziehen,- sollen hierzu noch die übrigen 20 Prozent und außerdem noch einen Zuschlag von 50 Prozent erhalten. — Die Deutschnationalen beantragen eine Erhöhung der Teurungszulagen im allgemeinen um 60 Proz. und außerdem 15 Proz. Kinderzulage. — Die Demokraten und das Zentrum beantragen, daß bei den Städten, die in eine höhere Ortsklasse kommen sollen,- schon seht den Beamten die Differenz zur Anrechnung gelangt. —- Die Sozialdemokraien fordern Hinaufsetzung des 'Teurungszuschlags bei Grundgehältern bis 8100 Mk. auf 60 Proz. — Die Unabhängigen beantragen Festsetzung der Tenrungszulagcn für alle Reichsbeamte» agf 10 000' Mk.,- ferner Erhöhung der Kinderzulage, einheitlich »für alle Kinder bis zum vollendeten 21. Lebensjahr und halbjährliche Nachprüfung der Teurungszulagen.
Finanzministcr Wirth: Wir müssen uns erst mit den stänkern einigen. Wir habe» das Sperrgesetz erlassen und das hat zu den leidenschaftlichsten P-oiesten der Beamtenschaft,' namentlich aus Bayern,- geführt. Das Reich kann nicht von heute auf morgen einen «Schritt von unübersehbarer Tragweite tun. berauch die Städte und Gemeinden verpflichtet. Die Finanzminister der Länder baben einmütig erklärt, sie hätten keine Mittel, um zu zahlen. Jeder neue Antrag verzögert nur die Auszahlung. Die Regierung ist jedoch bereit,- mit Rücksicht auf die Notlage der Benmtenschaft Anordnungen zu treffen,- daß den Beamten die am 1. Januar fälligen Dienstbezüge möglichst bald,- jedenfalls noch vor Weihnachten,- ausbezahlt werden. Die meisten Anträge sind aus finanziellen Gründen unannehmbar. Dem Kompromißantrag der Demokraten,- des Zentrums und der Deutschen Bolkspartei' wollen wir enigegenkommen. Im übrigen hält die Regierung an ihrer Vorlage fest. In Regierungskreisen hat keine Absicht bestanden, das deutsche Volk noch vor Weihnachten in eine Krise zu stürzen.
Landtag.
Stuttgart, 9. Dez.
In der 27. Sitzung wurde die förmliche Anfrage der Frauen- nbacordncten des Landtags betr. die schwarze Schmach behandelt.
Frln. Abg. Planck '(D.d.P.) begründet die Anfrage betr' die schwarze Schmach. Die Redncrin schildert die Not der Deutschen im besetzten Gebiet. Die französische Regierung be- strcilet all dies, «was offenkundig vor der Welt steht. Alc das, was dort geschieht, ist eine bewußte Absicht der französischen Regierung. Sie will die Deutschen links des Rheins körperlich und seelisch zu Grunde richten. Es ist die Wetterführung des Kriegs im angeblichen Fricdenszustanü. Wir haben kein Vertrauen zum Völkerbund.
Staatspräsident Dr. Hieber: Wir teilen alle die Gefühle der Entrüstung. Vom Auswärtigen Amt ist auf Anfrage folgender Bescheid eingetroffen:
„Es ist Vorsorge getroffen, daß die Fälle von Ausschreitungen farbiger f'ranzüsiicher Soldaten unverzüglich zur Kenntnis der deutschen Behörden gebracht werde», die ihrerseits eine eidliche Vernehmung der Betreffenden veranlassen. Die Protokolle werden an die Reichszcntralstclle weitergebeitet, um dann deutschen dip'omatischrn Vertretungen im Ausland übermittelt zu werden. Diese sind mit Weisungen
versehen, die gewährleisten, daß das Material gegenüber den betreffenden Regierungen nachdriicklichst zur Geltung gebracht wird und die empörenden Folgen der Anwesenheit farbiger Truppen im besetzten Gebiet unter schärfster Verwahrung gegen deren Verwendung immer -wieder eindringlich in Erinnerung gerüfen werden. — Entsprechend übermittelt der Neichskom-
misfar in Koblenz der interalliierte» Rheinlandkommission wei- sungsgemüß in allen schweren Fällen von Ausschreitungen farbiger Truppen die Bernchmungsprotokolle, erhebt dabei Protest,- fordert Bestrafung der Schuldigen und weist auf die allgemeine Bedrückung der rhcinländischen Bevölkerung durch die farbigen Truppen hin. Wesentlich unterstützt werden die amtlichen Schritte der Reichsregicrung durch den starken Widerhall, den die Berichte über das Verhalten der Farbigen besonders im neutralen Ausland und in Amerika gefunden haben. Es ist zu hoffen, daß der Druck der öffentlichen
Meinung fast der ganzen Welt wesentlich dazu beitragen
wird, die französische Regierung zur Zurückziehung ihrer farbigen Truppen aus den besetzten Gebieten zu veranlassen." Wir können nur hoffen, daß der Anruf bei unseren Gegnern Er'ola haben wird. Wir müssen es Gewissen und Ehre der englischen und amerikanischen Nation überlassen, die so gerne ihre üuiitlich-sittlichen Grunosätze betonen, ob die schwarzen Truppen iort bleiben. Die ganze Kulturwelt ist einig in der Bekämpfung der schwarzen Schmach. Die württembergischc Regierung wird fortfahren, auf die furchtbaren Zustände bei der Reichsregicrung hinzuwirken, um ihre Beseitigung zu erreichen. (Beifall.)
Man geht dann über zur zwecken Beratung des Ausführungsgesetzes rzum Landrsfiimergesetz und führt fort bei Artikel 4 (Zusatzstcuer rom cinkommensteuerfreien Mindesteinkommen).
Abg. Ziegler (USP. rechts): Das steuerfreie Minimum müßte auf mindestens 5000 Mark, nicht 1500 Mark festgesetzt werden. Wir beantragen, daß hie Besteuerung des steuerfreien Minimums den Gemeinden nicht gestattet wird.
Minister Licsching: Die Zusatzstcuer zum steuerfreien Minimum trifft all; Einkommensteuerpslichtigen. Ich erkläre namens der Gesamtregierung, daß wir beim Reich für die beschleunigte Erhebung des ReichSno'opsers cintrcten werden. Wir vcrmögen die Verbindung mit einer Zwangsanleihe nicht zu uckligen.
Abg. Keil (S.): Wenn soziale Rücksichten genommen werden, gibt es nichts Selbstverständlicheres als die Besteuerung des Mindesteinkommens.
Abg. Braig (Z.): Wir halten an dem Ausschußantrag fest,- der bei Ledigen bis 10 000 Mk. Einkommen, bei Verheirateten bis 15 000 Mk. den steuerfreien Einkommensteil von 1500 Mk. berücksichtigt.
Abg. Strobel (B.B.): Wir halten den Vorschlag des Re- gierungsentwurfs für den richtigen. Es ist befremdlich und eigenartig, wenn rom Regierungstisch die Regierungsvorlage bekämpft wird. Am 19. Oktober legt die Regierung ihr Gesetz vor, am 8. Dezember bekämpft sie es.
Bei der Abstimmung über Artikel 4 wird die Voraussetzung zur Erhöhung des Gemeindeanteils, die Erhebung einer Gemcindeumlage von 12 Prozent, ohne Abstimmung angenommen,- der Antrag der USP., das Besteuerungsrecht für Mindest- cinkommen den Gemeinden nicht zuzugestehen, gegen die Stimmen der Antragsteller abgesthnt. Abgelehnt wird auch der Antrag der Rechten auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage gegen die Stimmen der Rechten. Angenommen wird der Aus- schußantrag,- der den Genieinden die Erhöhung des Geineindeanteils an der Steuer nur dann zubilligt, wenn die Gemeinden einen Zuschlag zur Grunderwerbssteuer, - eine Bierverbrauchsab- gabe und eine Hundesteuer erheben.
Art. 4 c betr. eine stärkere Berücksichtigung der Kinderzahl wurde samt einem Antrag Braig (Z.) angenommen, das steuerfreie Mindesteinkommen, soweit es sich zugleich auf Kindsanteile bezieht, -freizulassen bis 20 000 Mk- bei einem, bis 25 000 Mk. bei zwetzu nd bis 30 000 Mk. bei drei Kindern.
Bei der Beratung des Art. 7 über die Zusammensetzung des Steuerverteilungsausschufsis sollte nach einem Antrag Miiylber- ger der Städtetag zu einer Art amtlichen Organisation - gestempelt werden, wogegen sich der Minister Graf wendet. Der Antraa Mühlberger wurde abgelehnt, der Ausschußantrag, derbem Ministerium die Bildung des Steucrverteilungsausschusses zuweist, angenommen.
Zu Art. 8 über die Katnstersteucrn hielt Taxis (B.B.) eine geschickte Rede gegen die Ueberbickdung dcr Landwirtschaft und für die Beibehaltung der Sätze, in der Regierungsvorlage.
Württemberg.
Stuttgart, 9. Dez. (80 Jahre.) Hofrat A. Klinckerfuß feiert morgen seinen 80. Geburtstag in voller Frische. Er und fein Vater, der Klavierbauer Bernhard Klinckerfuß, haben die ersten Firmen der Kla- vieriudustrie in Süddeutschland eingeführt. Sein Haus war stets eine Sammelstätte der Künstler, Dichter und Musiker.
Stuttgart, 9. Dez. (C h a m p i g n y feie r.) Der Bezirkskriegerverband Stuttgart hatte am Tag von Champigny die alten Champigny-Kämpfer vou 1870 zu einem Abendessen im Stadtgarten geladen, wozu der Bürgerrat die Mittel gespendet hatte. Der Feier wohnte auch der Präsident des Württ. Kriegerbunds, General v. Gerok bei. Bezirksobmann Abg. Herrn. Hiller begrüßte die Versammlung. Kamerad Roos hielt eine Ansprache. An Herzog Wilhelm von Württemberg wurde ein Begrüßungstelegramm abgesandt.
Stuttgart, 9. Dez. (Vom Tage.) In einer Woche hat die hiesige Polizei bei der Ueberwachung des Fremdenverkehrs eine Reihe schwerer Verbrecher dingfest gemacht. So wurde am 25. November in einem Gasthaus der Altstadt der 40 Jahre alte Taglöhner Friedrich Engel von Hohenerxleben, ein schwer vorbestrafter, gefährlicher Einbrecher, samt seinen Brechwerkzeugen in Gewahrsam genommen. Der Kriminalbeamten wollte er sich, wie bereits einmal in Magdeburg, mit dem Revolver entledigen. In einer PrivatwolMmg wurde der 25 Jahre alte Kaufmann Arno Oggermann entdeckt, in dessen Besitz gestohlene Schmucksachen, Pelzmäntel usw- im Wert von über 30000 Mark gefunden wurden.
Ein Frühlingstraum.
Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne.
35. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Ja, Wolf, ich gestehe es Dir! Nahe war ich daran, mich mit einem Grafen von Meßdorf zu verloben — ich weiß nicht, ob Du ihn kennst — nein? Ta sah ich Dich im Theater — o, ich weiß noch genau, es wurde „Tie versunkene Glocke" gegeben — und Tu warst so vertieft, daß Tu gar keinen Blick fürs Publikum hattest wie war ich eifersüchtig aufs Rautendelein, der Deine ganze Aufmerksamkeit galt — und ich saß doch gegenüber in der Loge! Du gefielst mir so, Tein schönes Gesicht
— ach, wir jungen Mädchen schwärmten alle für Dich; weißt Tu, wie wir Dich nannten? „Hunold Singuf, den Rattenfänger!" Eigentlich dürfte ich Dir das gar nicht sagen, Ihr Männer seid alle so eitel und eingebildet."
Wolf lächelte etwas gezwungen; ihm waren diese Eröffnungen nicht gerade angenehm, da er ein Feind jeglicher Üebertreibungen war, besonders, wenn ihm Schmeicheleien wie diese gesagt wurden.
„Ich könnte nachträglich noch eitel werden, Schatz," sagte er, „daß meiner unbedeutenden Person so viel Beachtung geschenkt worden ist! Aber der Graf, Ella, was ist aus ihm geworden —?"
„Er ist wohl nach Schlesien gegangen, seine Güter zu bewirtschaften! Er war ein hübscher flotter Kerl — ah, Pardon für diesen Ausdruck, Wolf, ich weiß, er ist nicht ladylike und Du liebst so etwas Forciertes nicht
— da siehst Du, wie genau ich alles behalten habe, was Du sagst," lachte sie. — „Ach Tu," sägte sie in leidenschaftlichem Tone, sich wieder fest an ihn schmiegend, ..ach Du, Wolf, ich habe Dich ja zu lieb — ich könnte vor
üiersucht wahnsinnig werden, wenn ich wüßte, daß Du
- h andere außer mir küßtest — Du gehörst doch mir, nur allein! Sag, Du hast doch keine andere außer mir lieb-? Ich weiß, Ihr jungen Herren nehmt das nicht so genau!"
„Aber Ella," erwiderte er ernst auf diesen Erguß, „was muß ich hören! Was für Gedanken hegst Du in Deinem kleinen Kops! Kränke mich nicht durch solches Mißtrauen! Seit dem Tage, daß Du mein geworden, gibt es für mich kein anderes Weib!"
Beschämt senkte sic den Kopf; dann suchte sie leidenschaftlich seinen Mund.
„Vergib, vergib mir, Wolf," flüsterte sie, „nur meine übergroße Liebe —"
Im anstoßenden Zimmer hörten sie Fräulein von Lassens Stimme, die mit dem Stubenmädchen sprach. Hastig glitt Ella von Wolfs Knie. „Sie konnte uns auch no '' ein paar Minuten des Alleinseins gönnen," sagte sie unwillig, wobei ein häßlicher Zug über ihr Gesicht flog. „So, Schatz, nun will ich Dir das Lied fingen — bleib aber dort sitzen, Tu bringst mich sonst aus dem Text," und sie setzte sich ans Klavier und sang:
,.O laß dich halten,' goldne Stunde,
Die nie so schön sich wiederbeutI Schau, wie die Mondnacht in die Runde All ihre weißen Rosen streut!"
Wolf zuckte bei diesen Worten zusammen. Hatte Mary mit ihrer süßen Stimme sie nicht auch gesagt — und hatte er da sein Mädchen nicht stürmisch in die Arme genommen? In greifbarer Deutlichkeit stand jener Abend wieder vor seinen Augen, und die Erinnerung überkam ihn mit Macht. Er hörte nicht darauf, wie und was seine Braut noch sang — er hörte nicht, daß sie geendet und sich ihm wieder zugewandt hatte. Er saß da, das Gesicht von seiner Hand beschattet, in Sinnen verloren.
„Wolf," schreckte ihn die Stimme seiner Braut daraus, „Wolf, Du hörst ja gar nicht zu — Tu bist wieder da, oas Gesicht von seiner Hand beschattet, in Sinnen zerstreut — und erst bittest Tu mich darum!" Er blickte auf und wieder sah er in ihren Augen jenes Flimmern, das auf nichts Gutes deutete. „Au was oder vielmehr
an wen denkst Tu eigentlich? Das möcht ich gerne wissen! Wolf! Tu hast mich nicht lieb!"
Er sah sie an mit einem verlorenen Blick, der gleichsam an ihr vorüberglitt in eine unbekannte Welt; dann trat er auf sie zu und preßte sie an sich, daß ihr der Atem verging. „Was tust Tu, Wolf? Laß mich!" wehrte sie — es war ihr aber nicht ernst damit; ihr Mund sprach es Wohl — doch sonst hielt sie ihn fest umschlossen. Er küßte sie heiß auf die roten Lippen und flüsterte ihr ins Ohr:
„So Brust an Brust, so ganz mein eigen,
So halt ich dich, geliebtes BildI"
Wonnetrunken lag sie an seiner Brust und erwiderte seine Liebkosungen ebenso stürmisch wie er sie gab. Ta war es, als ob er seine Besinnung wieder bekam — er blickte wie suchend, wie aus einem Traum erwachend, um sich, und als sein Auge auf das Gesicht seiner Braut fiel, die an seinem Halse hing, da ließ er sie plötzlich mit einem Gefühl des Widerwillens los. Wie hatte er sich Hinreißen lassen in dem Gedanken, daß es die andere war!
„Man kommt Wohl?" flüsterte Ella. Schnell trat sie vor den Spiegel, ihr Haar zu ordnen; lächelnd schaute sie in das Glas, zu ihrem Verlobten hin, „wie kann man so ungestüm sein — Tu Böser — sieh nur, wie Tu mich zugerichtet hast!"
Er trat zu ihr, ihre Hand küssend. „Verzech', es soll nicht wieder Vorkommen! "
Sie sah ihn verdutzt an, dann lachte sie hellauf, „o, Tu dummer, lieber Mann! Gerade das —" stürmisch warf sie sich wieder um seinen Hals — o. Tu, wie lieb ich Dich — und Tu sollst mich auch so lieben — hörst Tu? Tie paar Minuten, die uns vergönnt werden, will ich auch genießen, Wolf."
Ein Geräusch im Nebenzimmer schreckte sie auf. „Wieder die Lassen."
(Fortsetzung folgt.)