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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Lagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in WUdbad.

Nummei- 288

Fernruf 179.

Milöbsä. fneitag, äeo 10. verember 1920

Fernruf 178.

Z^'jrrlirgrmz

Erschwerung der Einwanderung in Nordamerika.

Bor dem Krieg waren die Vereinigten Staaten froh, wenn sie ans Europa Einwanderer erhielten, die für gewisse Zweige des amerikanischen Wirtschaftslebens un­entbehrlich waren. Ter Bergbau, die Eisen- und Stahls- Industrie, der Wege- und Hänierbau waren auf die bil­ligen und willigen Arbeitskräfte angewiesen, die die Einwanderung stellte. Tie schnelle Entwicklung der nord­amerikanischen Union wäre undenkbar gewesen, hätte Europa nicht während der letzten hundert Jahre etwa 30 Millionen Menschen der kräftigsten Altersklasse an die Neue Welt abgegeben. Tas erste Jahrzehnt des neuen Jahrhundert übertraf alle bisher dagewesenen Zif­fern, da es die Zahl von 8 795 000 Zuwanderern brachte. Ter Krieg brachte einen scharfen Rückgang. Im ersten halben Jahr strebten so viele Angehörige der kriegfüh- renhen Staaten nach Europa zurück, daß die Ziffer der Auswanderung sich bald der d'er Einwanderung näherte. Ter Zuwanderuugsgewinn sank 1915, nach denLeipz. N. N.", auf die Zahl von 50 000 Köpfen. 1916 stieg er zwar wieder auf 126 000 Menschen, 1917 auf 216 000, 1918 aber fiel die Ziffer auf 18600.

Tamit konnten nun eigentlich auch diejenigen Ame­rikaner zufrieden sein, die weiteren Europäern den Avf- entbalt inGottes eigenem Land", wie der Dankee setne Heimat zu nennen liebt, nicht gönnen. Indessen hat der Fremdenhaß vor allem natürlich der Deut­schenhaß während der Kriegsjahre so bedeutend zu­genommen, daß viele Amerikaner überhaupt keine Frem­den mehr ins Land zu lassen wünschen. Seit der ge­waltigen Zunahme des Einwandererstromes, -der sich mit den: letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts er­gab, hatte sich auch die Rassenzusammenset­zung der hereinströmenden Menschenmenge gänzlich ver­ändert- Früher waren es vor allen Tingen Deutsche, Engländer, Iren und Skandinavier gewesen, die die Mehr­zahl der Einwanderung bildeten. Jetzt dagegen waren - es vorwiegend Italiener (namentlich Süditaliener und Sizilianer ohner jede Schulbildung), Balkanslawen aller Schattierungen, und russische und rumänische Juden, die zu Hunderttausenden ins Land strömten. Es mußte da­mit gerechnet werden, daß der Typus des amerikanischen Volks, wenn diese Einwanderung ein paar Jahrzehnte anhielt, ein durchaus anderer würde; daß er nicht mehr vorwiegend germanisch mit einem starken Einschlag des Keltischen, sondern eine Mischung aus südromanischcn und balkanslawischen Typen vorstellen würde. Das ging vielen Amerikanern gegen das Gefühl; und so erhob sich ein heftiger Kampf gegen dieunerwünschte" Ein­wanderung.

Ein Gesetzentwurf nach dem anderen wurde im Kongreß eingebracht, um sie auszuschließen. Nur in gemilderter Form freilich traten einige dieser Einwanderungsbe­schränkungen in Kraft- Sie liefen darauf hinaus, daß der Zuwanderer einer sehr scharfen Gesundheitsprüfung unterworfen wird, und daß er eine erhöhte Einwan- dererstener zu zahlen hat- Einer stärkeren Eindäm­mung des nach Nordamerika fließenden Menschenstroms letzten sich im Land selbst bedeutsame Kräfte entgegen. Vor allem waren es die Arbeitgeber, die auf diese Zuwanderer - nicht verzichten wollten. Mehr und mehr wurde die Frage daher zum Streitapfel zwischen Unternehmertum und' Arbeiterschaft. Tas ist sic jetzt, nach dem Krieg, der die Arbeiterbewegung auch in den Vereinigten Staa­ten wesentlich erstarken ließ, in noch höherem Maß geworden.

Tas Ganze ist nicht zum geringsten Teil eine Lohn­srage geworden. Während des Kriegs stiegen die Löhne, gerade infolge des Ausbleibens einer zureichen­den Einwanderung zu fabelhafter Höhe, namentlich in der Stahl und Eisenindustrie; ihre ungelernten Arbeiter hatten sich zum großen Teil aus den Einwanderern rekrutiert, da der geborene Amerikaner für diese Art von Arbeit geringe Neigung bekundet. Gleichzeitig wuchsen nunmehr die Anforderungen an die Lieserungskraft der Industrie gewaltig. Ter ungeheure Ausfuhrüberschuß, den die Union während der Kriegsjahre erreichte, belief sich während der lehren sechs Jahre auf die Summe von 15 749 Millionen Tollars oder etwa 60 Milliarden Goldmark. Aus dem Süden strömten Tausende von Negern in den Norden ab, um dort Stellungen an­

zunehmen, die von Männern verlassen wurden, um höher besoldete Posten anzunehmen. Tie bekannten Auwrüche des Negerhasses während des Kriegs gehen auf diese in­neren Verschiebungen der Bevölkerung zurück.

Tennoch beschloß der Kongreß im Dezember 1916 ein die Einwanderung hemmendes Gesetz. Tie Haupt- vcstimmungen sind folgende: Tie Einwanderer müs­sen vor den Einwanderungsinspettoren eine Leseprüfung in irgendeiner Sprache, die der Einwanderer zu wählen hat, ablegen. Tie ausgesprochene Absicht ist, einen großen Teil der baltaustawischen, italienischen und rus­sischen Einwanderer auszusch-alten. Mau glaubt, daß die Einwanderung gegenüber den letzten Friedensjahren in­folgedessen um lOOOOO Köpfe jährlich geringer fein werde. Ferner erhöht das Eimvanderungsgesctz von 1915 die Kopfsteuer, die jeder Einwanderer zu zahlen hat, abermals, und 'zwar von 4 auf 8 Tollars; das Ein­wanderungsschiff ist dafür haftbar.

Letzthin hat sich die Einwanderung trotz allem wieder etwas gehoben. Während des ersten Halbjahrs 1920 wanderten in die Vereinigten Staaten 202 956 Menschen ein,, während 152 537 Personen das Land verließen. Ter Ueberschuß der Zuwanderung belief sich somit auf 50 419 Köpfe. Indessen ist nun die Lage stark verändert. An Stelle des Arbeitcrinangels, ver während der Kriegs­jahre herrschte, macht sich jetzt hier und da Arbeits­losigkeit bemerkbar. Mir einem Abbau der Löhne will sich die Arbeiterschaft nicht einverstanden erklären. Andererseits ist nicht daran zu denken, daß die Union an Europa während .der nächsten Jabre auch nur an­nähernd abermals so gewaltige Summen verdienen kann, wie in den verflossenen sechs Jabren. Europa ist heute verarmt. Tas Wirtschaftsleben Nordamerikas treibt da­tier einer Krisis zu. Unter diesen Umständen finden die Männer, die die Union der Einwanderung ganz ver­schließen möchten, ein bedeutend willigeres Ohr als bisher. Ter Kongreß hat zur Untersuchung des Einwan- derungsproblems abermals einen Ausschuß eingesetzt, der jetzt einen Bericht erstatten und einen Gesetzentwurf vor­legen soll. Ter Ausschuß bat beschlossen, Voranschlägen, daß sich die Bereinigten Staaten für mehrere Jahre gegen jede Einwanderung verschließen sollen. Tie Be­gründung stützt sich auf die Annahme, daß das Land von billigen europäischen Arbeitskräften bereits über­flutet sei. Auf die wachsende Arbeitslosigkeit, die einen für das Wirtschaftsleben beängstigenden Umfang an­nimmt, wird nachdrücklich hingewiesen; auch wird be­tont, daß es heiße, den sozialen Frieden des Landes miss Spiel setzen, wolle man die Zuwanderung nicht unterbinden. Unter diesen Umständen ist mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf zu rechnen, daß ein neues, die Einwanderung sehr stark unterbindendes Gesetz in Nordamerika zur Annahme gelangt-

Neues vom Tage.

Neaierirngskrisis.

Berlin, 9. Dez-. Die Forderungen, der Beamten, vor allem des Verkehrswesens, auf Erhöhung der Teu- rungs Zulagen hat plötzlich eine Regierungs­krisis heraufgeführt. Obg'eich der Reicbssinanzminister Wirth wiederholt betont hatte, daß er über die neuer­dings vom Hauplausschnß des Reichstags bewilligten Teurungszulagcn für die Beamten, die das äußerste darstellen, was die Geldverhältnisse des Reichs gestat­ten, nicht hinansgehen werde, sind die einzelnen Par­teien zu einem Entgegenkommen bereit. Tie Deutsch- nationalen brachten im Hauptausschuß den Antrag ein, den Beamten einen Teurungszuschlag von 10 Prozent und in den drei ersten Ortsklassen Kinderbeihilfen von 80, 70 und 60 Prozent, zu bewilligen. Tie Sozial­demokraten dürften sich dem Antrag wohl anschließen, 8er dann im Reichstag eine Mehrheit hätte. Tie Un­abhängigen beantragen auf den Kopf für Beamte und Angestellte einen Teurungsznschlag von 10000 Mark. (Die Höchstforderung der Beamten betrug 8000 Mark in der ersten Ortsklasse.) Zentrum, Demokraten und Deutsche Volkspartei wollen nur, daß die Beamten in denjenigen Orten, die nach den Ermittlungen in eine ) höhere (teurere) Ortsklasse eingestuft werden sollen, die ! daraus sich ergehende höhere Zulage schon jetzt bezahlt ! werden soll. Der Reichssinanzminister soll entschlossen i sein, zurückjutreten, wenn die Anträge der Parteien vom

Retcyslag angenommen Wertteil und der Reichskanzler würde sich, wie man glaubt, dem Lchritt anschließen. Inzwischen soll aber, nach derVoss. Ztg.", eine Ver­ständigung zwischen der Regierung und den Parteien zustande gekommen sein, dergestalt, daß die von der Re­gierung ungeschlagenen Zuschläge je nm25Proz., also aus 150, 120 und 100 Mt. erhöht werden. Tie Mehrbelastung des Reichs betrüge etwa 500 Millionen, während der Antrag der Teusichna Zonalen einen Mehraufwand von 600 Ätillionen ergeben würde. Die Lage ist aber noch keineswegs geklärt.

Streikarrdrohrmg des Berkehrsperfonals.

Berlin, 9. Dez. Die Hauplverbäntte der Post- und Telegraphen-Bediensteten und Arbeiter und der Deut­sche Eisenbahneiverband haben gegen das Streiksverbot des Reichspostministers Widerspruch erhoben und gedroht, von dem Streikrecht mit allen Mitteln Gebrauch zu machen, wenn den Forderungen nicht Rechnung getra­gen werde.

München, 9. Dez. Ter Verband des bayerischen Ver­kehrspersonals warnt seine Mitglieder dringend, sich nicht durch auswärtige Hetzer in den Streik treiben zu lassen.

Essen, 9. Dez. Tie Verhandlungen des Verständi- gungsansschnsses für die Sozialisierung des Bergbau- sind aus 4 Wochen vertagt worden, da keine Einigung zwischen Grubenbesitzern und Arbeitern erzielt werden konnte.

Die Vorkonferenz in Brüssel.

Berlin, 9. Dez. Tie Reichsregierung hat der fran­zösischen Regierung das -Eintreffen der deutschen Sach­verständigen für die, Vorberatung der Wiederherstellung in Brüssel für den 16. Dezember (statt 13.) ange­kündigt.

Ans dem bcst '.l.-n Gebiet.

Saarbrücken, 9. Dez. Der französische Präsident der Regierung des Saargebiets, Rault, hat einer Anzahl von Ausgcwiesetten, die im Saarland geboren sind, die Rück­kehr gestattet.

Die Präsidentenwahl in Oesterreich.

Wien, 9. Dez. Wie die drei Wahtänge am Vor­mittag, blieben auch die beiden Wahlen am Abend er­gebnislos. Ter Ehristlich-Soziale Kienböck erhielt 103^ der Sozialdemokrat Seitz 85 und der Großdeutsche Ding- Hofer 30 Stimmen. Tie absolute Mehrheit beträgt 110. Tie Sitzung wurde vertagt, da eine Einigung unter den Parteien nicht zustande kam.

Krieg im Osten.

Kopenhagen, 9. Dez. Wie derBcrlingske Tidende" aus Warschau telegraphiert wird, ist die ukrainische Re­gierung unter Führung von Pettjura gestern in Kielce eingetroffen, wo sie von den Polen bis auf weiteres inter­niert wurde.

Aus Riga wird berichtet, daß der Waffenstill­stand zwischen Polen und Sowjetrnßland verlängert werden soll, sodaß er erst in 1 i/z Monaten gekündigt werden kann. Dieser Vorschlag wurde von den Bol­schewisten gemacht. Sie sind bereit, für die Annahme dieses Vorschlags den polnischen Wünschen in der Frage der Freigabe der Kriegsgefangenen entgegenznkommen.

Tie Polizei in Riga nahm eine Haussuchung in dem Hotel vor, in dem sich die Sowjetabordnnng be­findet. Es wurden ungeheure Mengen bolschewistischer Propaganda beschlagnahmt. Tie Haussuchung wurde auf Veranlassung des Hotelwirts vorgenommen, der siH darüber beklagte, daß der Bolschewisten-Vertreter Für­stenberg' nicht nur das gesamte Hotelpersonal entlassen, sondern auch den Wirt selbst auf die Straße gesetzt habe.

Ba n Völkerbund.

Genf, 9. Dez. Bei der Ernennung der vier nicht­ständigen Mitglieder 'des Völkerbund? r a t s wurde ans Vorschlag Chinas bestimmt, daß drei Stimmen den europäischen und'amerikanischen Nationen, ein: Stimme Asien und den anderen Erdteilen zustehe (bisher wa­ren die nichlstündigen Mitg'ieder Belgien. Griechenland, Brasilien und das neutrale Spanien. Ständige Mit­glieder sind England, Trankreich, Italien und Japan, wo­zu anfangs noch die Vereinigten Staaten kamen.)

Bei der Beratung dertechnischen Organisationen" sprach Rowell-Kanada scharf gegen den übermäßi-

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