Nummer 285

(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigsnblatt

für das obere Cnztal.

^rlctieint tSgiicv. ausgenommen äonn- u. feiertags, kerugspreis monatücb Mk. 4.30, viecteljälii'Iicp 13.50 frei ins paus geiiclecl: äurck ciic Post bezogen im inneröeutictzeo Verkelic Mk. 13.30 unä 40 vkg. polt- bekleligeiö.

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Druck der Huchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad

Fernruf 179.

öbkiä. Vien5te>g, äen 7. Dezember 1920.

Fernruf 11j>.

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Me A.nwöglichkert des . FrLedensverirags.

Cs unterliegt keinem Zweifel mehr, daß das Teutsche Reich auf dem Weg der Erfüllung des .Vertrags von Versailles seinem Bankerott entgegengeht. Ter 100- Milliarden-Hanshalt für das Rechnungsjahr 1920 ist kaum zu 30 Prozent gedeckt. Dabei kann jetzt schon gesagt werden, das; die Ausgaben 100 Milliarden noch weit überschreiten werden. Allein ans die Erstickung des, Friedensvertrags - entfallen davon 41 Milliarden, die sich auf Ost Milliarden erhöhen werden, wenn die Befürchtung des Reichsministers des Auswärtigen Dr. Simons, daß die Kosten der feindlichen Besatzung im laufenden Rechnungsjahr 30 Milliarden Mk. er­reichen werden, in Erfüllung geht. Mit der zuneh­menden Schuld warbst auch der Z i n se n d ie n st des Reichs. Unerschöpflich ist der E-rfindungsgeist der En- tenre-Vertretungen in immer neuen Zwangslieferungen, die Deutschland zu Lasten des Reichsetats vornehmes soll. Wenn dennoch über die Milliarden-Fehlbeträge des Reichs zur Tagesordnung hinweggegangen wird, so liegt das daran, daß das Reich sich vorläufig noch mit Hilfe der Nvtenpresse die Milliarden für die Erfüllung des Friedensvertrags verschafft. TieS wirkt aber nur so­lange, wie deutsche Banknotenhamsterer und ausländische Markspekulanten immer neues Paviergeld an sich zie­hen., In demselben Augenblick: wo Hamsterer und Spe­kulanten die Lust an der Mark verlieren, haben wir dm Zusammenbruch unserer Währung. Um diese Ent­wicklung aufzuhalten, nullt? Deutschland zunächst einmal seine Friedensansiuhr wieder erreichen. Aber dieses Bestreben' ist aussichtslos. Wenn mau die heutige Aus­fuhr aill Goldmark znrückführt und die Steigerung der Weltmarktpreis? gegenüber der Zeit llor dem Krieg mit berücksichtigt, so haben wir noch nicht den dritten Teil unserer Friedensausfuhr erreicht. Aber selbst, wenn wir in demselben Maste exportierten wie vor dem Krieg, so würde bei Ausrechterhaitung der Bedingungen von Versailles nach der bekannten SchriftValuta-Elend und Friedensvertrag" von Tr. Behnsen und Tr. Genz- mer (Zweites neu bearbeitete Auflage 6. bis 20. Tausend) Verlag Felix Meiner, Leipzig) noch ein Fehlbetrag von 3,5 Milliarden Goldmark auf Grund der Friedenswerte zu überwinden sein. Das zu erreichen, ist natürlich in­folge der Bedingungen von Vergälltes vollkommen un­denkbar und darum ist die Erfüllung des Friedens­vertrags in Wahrheit-unmöglich; *sie würde notwendig zum Staatsbankrott führen.

Ter Reichssinanzminister hat vor einigen Wochen im Reichstage gesagt, der sogenannte Etat des Friedensver­trags wäre das beste Agitatkonsmittel, da-s wir besäßen, man müßte ihn in Millionen über die ganze Welt ver­breiten. Wo bleibt diese Agitation? Man muß der Welt immer wieder sagen, daß wir den'Friedensvertrag auch beim besten Willen nicht erfüllen können.

Tie erste E:-ts-hädjgnN 5 srate>

' Paris, 6. Tez. Nach demMatin" soll Minister­präsident Levgnes' erklärt haben, Deutschland müsse im Jahr 1921 den vollen Betrag an Kriegsentschädigung be­zahlen, der dafür in den französischem Haushaltsplan eingesetzt sei, nämlich 16, Milliarden Franken (nach heutigem Kurs '67'/s Milliarden Mark). Wenn Deutschland darauf nicht einginge, dann würde über die Zwangsmaßnahinen beraten.

Argentiniens Austritt aus dem Völkerbund.

Genf, 6. Dez. Tie ar g e ntiui s ch e Regierung teilte dem Präsident der Völkerkunde-Versammlung mit, daß Argentinien seine Mitarbeit im Völkerbund einstelle.

Der Vertreter Argentiniens Pueyrredon schrieb an den Präsidenten des Völkerbunds: Argentinien sah in dem geplanten Völkerbund die Gebnrt eines neuen, wohl­tätigen Friedenswerkzeugs' Die tiefe Hosinung, an einer Besserung des Völkerschicksals mitzuarbeiten, veranlaßte die argentinische Regierung, eine Reihe von Vorschlägen vorzubereiten, die in den von der Versammlung verlese­nen Erklärungen vom 17. November dargelegt wurden und gleichzeitig Abänderungen des Vertrags waren. Die Annahme oder die Ablehnung der in den Anträgen ent­

haltenen großen Grundsätze, wie sie beim Völkerbund im allgemeinen eingebracht wurden, h.tte.i unserem Land und der öffentlichen Meinung zeigen können, von welchen Regeln der Völkerbund sich leiten lassen will. Nach, der beschlossenen Vertagung müssen die argentinischen Ver­treter ihre Aufgabe als beendigt ansehen.

Der Vorschlag Argentiniens, der von England und Frankreich lebhaft bekämpft und darausvertagt" worden war, bezweckte eine Abänderung der Völle bnndssatzun- f gen nach der Richtung, daß alle selbständigen Staa- ' ten, die von der internationalen'Gemeinschaft anerkannt sind, in den Völkerbund ausgenommen werden sollen, wenn diese Staaten es wünschen. lArgentinien hatte da­bei die Aufnahme Deutschlands im Äuge.)

Die -Vorstandschaft des Völkerbunds wird heute über den Austritt Argentiniens beraten und dann eine Mit­teilung an die Vollversammlung richten. In Ame­rika' hat der Schritt Argentiniens Zustimmung ge­funden. Der Führer der republikanischen Partei im Se­nat, Lodge, sagte:Es scheint,-daß einige in Genf vertretene Nationen die gleichen Einwendungen gegen den j Völkerbund erheben, wie wir sie vor kurzer Zeit er- j hoben haben. Senator Knox erklärte, der unver- s meidliche Zerfall des Völlerbunds habe begonnen.

Der argentinische Gesandte in Paris, Prenza, ist zurückgetreten. §

Valuta und Ausfuhr.

Das Sinken der deutschen Valuta hat eine Steigerung der Ausfuhr und der Beschäftigung der mit ihr zusam­menhängenden Industrie zur Folge gehabt. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen ist bannt in der ersten Novemberhälfte wieder zurückgegangen. Es ist aber eigentlich recht traurig, daß die Ausfuhr eines solchen Tiefstands der Reichsmark von etwa 7 Pfennig bedarf, um die deutschen Jndustrieerzengnisse im Ausland wett- bewerbsfähia zu machen.

In den Vereinigten Staaten ist die Lage ge­rade umgekehrt. Dort versäuft man in den Riesen­vorräten von Waren, weil das Ausland, sie bei dem wahnsinnig hoben Kurs des Dollars nicht mehr ab­nehmen kann. Für viele Millionen Dollar wurden Aus- fuhrbestellnngen rückgängig gemacht, da der Preisunter­schied zwischen der Zeit der Bestellung und der Lie­ferung das Geschäft für die ausländischen Käufer 'un­rentabel oder gar verlustbringend macht. Hunderte von Geschäften in den Vereinigten Staaten sind in den letz­ten zwei Monaten infolge der allgemeinen Geschäfts­stockung in Konkurs geraten. Das ist die Kehrseite von der Weltmachtstellnng des Dollars und der Entwertung der deutschen Mark, die u. cr. es unmöglich macht, daß das warenarme Deutschland, nachdem es zuvor durch den hohen Dollarkurs ansverkauft worden ist, für seinen nötigsten Bedarf in Amerika als Käufer anftritt und von dem Uebersluß der dortigen Lager aufnimmt. Unter ungesunden Währungsverhältnissen leidet eben schließ­lich nicht nur der eine, sondern alle. Die Amerikaner sind nun daran, ihren Dollarkurs etwas' herabzudrücken und den Wert der Mark wieder zu heben, daher haben sie bedeutende Aufkäufe von deutschem Papier gemacht. Das HerabgleiteH de? Markwerts ist ja auch vorerst znm Stillstand gekommen und es ist eine leichte Erholung eingetreten. Wie lange dies anhalten wird, hängt ganz von den Geschäftsinteressen der Amerikaner ab, die wohl nach Deutschland verkaufen wollen, denen aber eine ver­mehrte Ausfuhr ans Deutschland jetzt gerade erst recht nicht paßt.

Neues vom Tage.

Streik der Reichspost?

Berlin, 6. Tez. In einer Versammlung der Be­diensteten der Reichspost wurde gegen die Ab­lehnung der geforderten Teuerungszulagen und das von der Reichspostverwaltung erlassine Streikver­bot Widerspruch erhoben. Tiepassive Resistenz" (stil­ler Widerstand), dsi in Mannheim, Frankfurt a. M., Essen, Düsseldorf und an anderen Orten ansgeübt wird, wurde von einem Vertreter der. Verbandsleitnng als Feigheit" bezeichnet. Ter deutsche Beamtenbund habe beschlossen, an der Teuerungszulage scstzuhalten und sie nötigenfalls durch Streik zu erzwingen. , Ter Neichstzer-

band der Post- und Telegraphcnbeaistten hat eine Sit­zung des Gesamtvorstands angesichts der ernsten Lage eiubernseit, denn es handelt sich, nach derMontags­post", darum, ob. die Stellung als Beamte aufrecht er­halten bleibt. Wenn die Beamten ihre Vorzugsstellung behalten wollen, müssen sie ans das Streikrecht verzich­ten, wollen sie aber alle Rechte und Freiheiten der treten Angestellten, dann sind sie wie diese auf kurz­fristige Kündigung angestcllt. Tie Versammlung lehnre schließlich mit großer Mehrheit denstillen Widerstand" ab. Eine Vertreterversammlung soll am Dienstag gegen das Streikverbot Stellung nehmen. Die Verbandsleitnng nvird mit den Gewerkschaften wegen eines Generalstreiks znm Zweck der Herabsetzung der Lebensmittelpreife in Verhandlung treten.

Eine Versammlung in Frankfurt a. M. verlangte, eine Urabstimmung, ob die Beamtenschaft noch länger den Maßnahmen der Regierung tatenlos znsehen will.

Das Reichspostministerinm gab allen Dienststellen tele­graphisch die Weisung, gegen Beamte, die streiken oder ihrer Unlust zum Dienst Ausdruck geben, das Straf­verfahren mit dem Ziel der Entlassung einzu­leiten. Hilfskräfte si^d ohne Kündigung zu entlassen.

Kommunistischer Parteitag.

Berlin, 6. Dez. Der Parteitag zur Verschmelzung der linken Unabhängigen mit der Kommunistischen Par­tei wurde im Lehrervereinshaus eröffnet. Anwesend wa­ren 349 Vertreter der Unabhängigen und 136 der Kom­munisten. Vorsitzende sind Braß (Unabh.) und Cick (Komm.). Levi und Däumig berichten über die Ar­beitsziele der neuen Partei. In der Aussprache wurde Bayern und Süddeutschland als der Herd der schwär­zesten Reaktion bezeichnet. Der Generalstreik fei nutz­los; nur ein Generalausstand mit bewaffneter Hand sei wirksam. Oberschlesien fei ein nationalistischer Schwin- del, es müsse sich an' Sowjetrußland anschließen. Die Entschließungen für Sowjetrußland und Rate-Ungarn wurden einstimmig angenommen. Das Parteiprogramm soll durch ein Manifest ersetzt werden.

Der Parteitag billigte einstimmig die Verschmelzung der beiden Richtungen und erklärte, daß der Vereinig­ten Kommunistischen Partei alleRechtsansprüche" ge­gen die alle Unabhängige Partei übertragen werden. Als Hauplschriftkeiter derRoten Fahne" wurde Thalhei- mer empfohlen. 4

Die Abstimmung in Oberschlesien.

Breslau, 6. Dez. DerSchief. Ztg." wird-e ^ Pa­ris gemeldet: Der polnische FinanMinister G ebski versucht in Frankreich eine neue Anleihe von 24 Mil­liarden Goldmark aufzunchmen. Die fran ötzlhe Re­gierung wird eine Anleihe nur zulassen, wenn genügende Bürgschaft vorhanden ist. Nur wenn Polen Sie Berg­werke O b e r s ch I e s i e n s aussickute, wprde es in der Lage sein, seine Schulden an Frankreich, die sich jetzt schon aus 43 Milliarden Goldmark belaufen, ab­zutragen. Daher müsse es trachten, in den Besitz Ober­schlesiens zu kommen. Daß hinter den Wühlereien in Oberschlesien das französische Großkapital steckt, ist allerdings nicht unbekannt.

Zittau (Sachsen), 6. Tez. In einer Reihe von Be­ckrieben in Zittau und Umgebung sind zu Gunsten der deutschen Abstimmung in Oberschlesicn Ueberschichten und Ueberstunden gemacht worden und beabsichtigt. Mein bei einer Textilfirma wurden auf diese Weise 26 000 Mark eingebracht.

Polnischer Ueberfall.

Beuthen, 6. Dez. In Pilzendorf tagte gestern der deutsche Bergarbeiterverband. Ms nach Beendigung der Sitzung einige Bergarbeiter noch zusammen saßen, stürz­te plötzlich eine 60 Mann starke mit Pistolen und Knüp­peln bewaffnete Bande in den Saal und begann ohne Ur­sache ans die Versammlung einzuschlagen und zu schie­ßen. Die Ueberfallcnen versuchten, sich zu retten. Der Saal fing in einer Ecke Feuer. Die Bande hauste in dem Saal in der schlimmsten Weise. Soweit bisher festgestellt werden konnte, ist eine große Anzahl Perso­nen schwer' verletzt.

Ein merkwürdiger Borgang.

Swinemiinde, 6. Tez. Im Knrparkviertel haben sich Militärpersonen der Küstenwehrabteilung gegensei­tig beschossen, weil .sie sich im Dunkeln von Zivilisten

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