(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und An-«ig«blatt
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^iläbuä, vonnersterg, äen 2. vereMder 1920.
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Der Selbstmord Europas.
Das Vergangene gehört uns nicht mehr an: die Gegenwart ist trostlos: uns bleibt — als Deutschen, als Vollsganzem — nur noch die Zukunft. Gegen die deutsche Znkunst richten sich darum die giftigsten, niederträchtigsten Ansichten unserer fremde, gegen sie die gefährlichsten Wirkungen des Erwürgnugsvertrags von Versailles. Tie deutsche Vergangenheit ist ermordet, die deutsche Gegenwart ist Ohnmacht: aber vor der deutschen Zukunft fürchtet sich das böse Gewissen unserer Feinde. Darum soll diese Zukunft im Keim erstickt, im Mutterschoß gemordet werden. /
Das . ist die grauenhafteste ^ Ausgeburt des Haßdeliriums der Welt- Tie Sehenden unter unseren Feinden haben das Grauenhafte erkannt und sprechen es auch , aus; . an den Engländer Keynes, an den Engländer Salecby fei erinnert. Aber die Massen in den Feindesländern und ihre derzeitigen Regierungen sind für diese Erkenntnis noch nicht reif. Sie erkennen nicht, daß ' die Auswirkungen von Versailles nicht nur Mord an Deutschland, daß sie, wie die „Leipz. N. Nachr." treffend schreiben, Selbstmord Europas bedeuten. -
Eine fürchterliche Wissenschaft um das Maß dieser Bedrohung über den schon erreichten Grad solcher Vergiftung har uns die Statistik als düstere Vorweihnachtgabe beschert: Eine Zählung der ungekleideten, unterernährten, hungerkranken deutschen Kinder in Stadt und Land. Eine Anklage gegen Europch von der noch in fernsten Jahrhunderten die Ohren gellen werden, ob der den Enkeln der heutigen Engländer glühende Scham .in den Hirnen brennen wird, die für immer ein Denk- 'mal der Schande Frankreichs bleiben wird.
Ein paar Tatsachen nur: In Deutschland sterben heute .'doppelt so viel Minder als vor sechs..Jahren. In Deutschland fehlen heute zwei Drittel der Milch, die vor sechs Jahren für Kinder, Säuglinge und nährende Mütter zur Verfügung stand. In Deutschland fehlt es der Hälfte aller kleinen Kinder und Schulkinder an der notwendigen Kleidung. In Deutschland ist die Hälfte aller klsinen Kinder und Schulkinder an den "Folgen des Hungers erkrankt oder doch mit allen gefährlichen Merkmalen der Unterernährung behaftet. In Hamburg wurden von 11221 Säuglingen 1300, von 57 682 Kleinkindern rund 10 000, von 158 680 Schulkindern 25550 krank befunden. Bei 40 v. H. der Schulkinder zeigten sich die . Merkmale der Unterernährung, in Breslau bei 50 000 .von 108 000 Schulkindern, in Karlsruhe bei 15 000 von 20 300. In Halle wurden stärkere Unterernährung und auffallende Blutarmut bei 90 p. H. der Volksschnlkinder, bei 93 v. H. der Kinder der Mittel- und bei 80 v. Hl der Schüler höherer Schulen . festgestellt: bei einem Drittel dieser sämtlichen Schulkinder war der Scbwächezustand unmittelbar gefahrdrohend. „Etwa ein Viertel aller Kinder" — so der ärztliche Befund — „vermag infolge allgemeiner Schwäche der Rückenmuskulatur die Wirbelsäule nicht mehr aufrecht zu tragen!"
Man versuche sich eine Vorstellung davon zu machen, was diese Zahlen erzählen und bedeuten. Jammer, nicht zu erschöpfen. Ter Tod einer großen Nation. Viag das Elend des Einzelnen durch seine Sinnsälligkeit unmittelbarer an. die Herzen.rühren, das . Schicksal ' des Ganzen, das sich darin ansspricht, ist doch das eigentlich Furchtbare. Was Goethe einmal schreibt: „Wenn man von einein Kinde spricht, spricht man niemals den Geg.»stand, immer nur seine Hoffnungen nlis", das gilt hier n furchtbarer Umkehrung: Wenn wir. in diesem Zusammentwng vom deutschen Kinde sprechen, so sprechen wir von dem schleichenden Elend deutscher Voliszukunst. Ten deutschen'Kindern ist das Urteil gesprochen uno das Gericht hieß — Volker- l> und.
Wehren wir uns! Helsen wir uns! Das" heißt: Helfen wir den deutschen .mindern. Das Vergangene ist verloren, das Gegenwärtige unfruchtbar. Machen wir unsere Kinder gesund. Sorgen wir, daß die. Jahrzehnte vor uns nicht nach dein Willen irrsinnigen Hasses zu einer Gräberwüste' deutscher Kindheit wertsin. Wir haben Krieg geführt und Schlachten geschlagen. Wir hüben den Würger Krieg erwürgt durch einen Frieden, gefräßiger als alle Kriege. Wir haben die Waf
fen fortgeworsen; wir müssen die Entscheidungsschlacht um unser Volisfchickfal mit armen bloßen Händen schlagen, die stumme, waffenlose Schlacht gegen den Hunger deutsch»: Kinder,' furchtbarer, grausamer als jede Schlacht des lauten Kriegs. Wer wagt es, hier zum Drückeberger zu werden? Wer wagt es, hier Steuern zu verweigern? . ,
.. Wenn in - diesen Tagen im ganzen deutschen Land für die deutschen Kinder der Sammelruf durch Häuser und Gassen geht, soll keine Hand die Gabe versagen. Wir wissen, daß unsere Kinder die Zukunft - tragen Müssen. Wir bauen in ihrem Schicksal das Geschick icnseres Volks, Einem um sein Kinderglück betrogenen Geschlechr gilt es bittere, brennende Schuld Hu zahlen. Wir sind alle Schuldner. Jedes Stücklein Habe, jeder Schein Glücks, ist hier tributpflichtig. Wenn wir diese ^cyuld nicht stilgeu, werden wir selber ausgetilgt werden.
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Weizsäcker über die elsaß- lothringische Frage.
i.
Ter frühere Reichsfiuauzminister Erzberger hat in seinem vor einiger Zeit bei der Deutschen Verlagsaust alt in Stuttgart erschienenen Buch: „Erlebnisse im Wcltlsic^" der elsaß^lothringischcn Frage ein besonderes Kapitel gewidmet. Auch die Haltung Württembergs und des früheren württembergischeu Ministerpräsidenten Dr. Frhrn. v. Weizsäcker ist gestreift, von dem er schreibt: -Weizsäcker erklärte mir des öfteren, daß nur über seine Leiche der Weg zur Aufteilung der Reichslande gehe; ehe Bayern ein Stück Elsaß erhalte, sei er lieber dafür, daß Preußen die gesamten Reichslande einstecke. Ter. König von Württemberg sagte unter scharfer Ablehnung der bayerischen Hoffnungen: „Ter Knochen bleibt liegen".
Diese Herein,ziehnug Württembergs ist für Freiherrn v. Weizsäcker Anlaß gewesen, seinerseits — im D>e- zemberhesi der Deutschen Revue-, herausgegeben von Richard Fleischer (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) — einen Beitrag zu der elsaß-lothringischen Frage zu geben. Weizsäcker bestreitet nicht, daß er gesagt haben könne, nur über seine Leiche gehe der Weg zur Aufteilung der Reichslande, nur meint er, mitten im Weltkrieg wäre eine Ministerleiche keine sehr tragische Sache gewesen. Die Aufteilung der Reichs- lande ist bekanntlich schön 1871 ein besonderes bayerisches Anliegen gewesen. Weizsäcker. - teilt nun Mit, daß ihm gegenüber im April 1912, also schon vor dem Krieg, der bayerische Ministerpräsident, nämlich Graf Hertling, auf die Teilung- augespielt habe, „so daß ich erstmals auf diese zarte Andeutung hin für alle Fälle zugunsten Württembergs einen Vorbehalt machen mußte". Vpr dem Krieg und während des Kriegs teilte Weizsäcker keineswegs die Auffassung, daß es >,so nicht bleiben. könne"; er war vielmehr der Meinung, daß es durch eine weise Ordnung sehr wohl möglich sein werde, das völlige Aufgehen der reichsländischen Bevölkerung im Deutschen Reich zu sichern. Während des Kriegs war es vor allem Bayern, das durch seine GebiKswüusche die,elsaß-lothringische Frage aufwarf und, wje sich gezeigt hat, höchst schädliche Erörterungen hervprriei. W-j-s.'-- schreibt darüber u. a.:
„Der Ausgangspunkt der innerdeutschen Erörterungen über die reichsländische Frage im Weltkrieg lag in den alten bayerischen Wünschen nach Gebietsvergrößse- rung, die im August 1914 dem Deutschen Kaiser gegenüber von neuem zum Ausdruck gekommen sind. Ich habe, nachdem sich au-S der Sache inzwischen für Württemberg eine unbequeme Lage ergeben, zwsi Jahre später dem Kaiser gesagt, meines Erachtens führe Deutschland keinen KoalitiouSkrieg der deittschen Bundesfür- stcn - zum Zweck von Laudcsvertciluuo. sondern Gesamtdeutschland führe einen Krieg zur Verteidigung seiner Existenz. Ter Kaiser war damit einverstanden. Er hatte sich wohl zu früh in den ersten Kriegsmonaten auf die Teilungsfrage eingelassen und empfand das cmsgetaucyte Problem als eine lästige Sache. Im Grund hat er'sich als völliger Landesherr der Reichs- laude gefühlt. Man versuchte übrigens in Berlin zu jener Zeit, den dem zweitgrößten Bundesstaat zugedachten Anteil zu beschneiden. . .
Rach einmal aufgeworfener Teilungsfrage meldeten sich noch andere Liebhaber auch außerhalb der Reichslande gelegener Vergrößerungen, Vertreter von wirtschaftlichen, konfessionellen, militärischen Interessen, kurzes war Gefahr vorhanden, daß alte Welt sich meldete, weil niemand zu kurz -kommen wollte. Daß Württemberg beiseite stand, wurde bald bekannt. Wir erhielten Entschädiguugsvorschläge aller Art, Vorschläge zur Milderung unserer Eisenbahn- und sonstigen Verkehrsbeschwerden,-unserer Kohlennot: in München sprach man uns H o h en z o ll ern-Si g m ar in g en zu, ein hoher, übrigens dazu nicht ermächtigter Beamter der reichsländischen Verwaltung empfahl mir ebenfalls die Zolleruschen Laude, weil durch ihren Besitz Württemberg Grenznachbar der Schweiz werde!. Ich hielt mich zurück. Allerdings hat mir Herr v. Bethmann einmal, im Jahr 1915, gesprächsweise gesagt: - „Was würden Sie von einer schwäbischen Pfalz halten?" Ich antwortete scherzend: Eine Pfalz so schön wie die bayerische wäre nicht übel. Näher ist diese Seite des Themas nicht erörtert worden:
Aus den vielfachen Aussprachen mit Bethmann möchte ich eine aus dem Mai 1916 besonders hervorheben. Ich! sagte ihm im Jahr 1916: an der etwas verfahrenen Lage der reichsländischen Frage, wie sie sich vor und nun während des Kriegs entwickelt habe, sei Württemberg unschuldig, seinen einseitigen Machtzuwachs der Nachbarn können wir nicht erlragen. Wenn uns Graf Hertling vor Jahresfrist einen zudem nicht zu Bayern, sondern zu Preußen gehörigen Landesteil vorgeschlagen, so sei meines Erachtens die Vertauschung deutscher Gebiete nach Art der Politik vor hundert Jahren nicht mehr angängig. Ich sehe nicht ein, warum das Kräfteverhältnis unter den süddeutschen Mittelstaaten verschoben und Württemberg in seiner ohnedem schwierigen Lage als kleineres Land zum Dank für seine Leistungen im Krieg geschädigt werden sollte. Der schwäbische Stamm, der württember'gische Einzel- staat haben eine besondere Aüfgabein Deutschland, die ihm nicht genommen werven dürfe. Ob das Zerfallen Deutschlands in zwei Hälften, in eine unter Preußen stehende Nord-, eine unter B.ayern stehende Süd- Hälfte gefördert werden wolle? Die Zukunft sei ungewiß, jedenfalls sei sie sehr ernst. Niemals möchte ich die Verantwortung dafür mit übernehmen, an einer solchen, die deutsche Zukunft gefährdenden Entwicklung mitbeteiligt zu sein." ,
Neues^vom Tage.
Die bayerischen Einwohnerwehren.
Berlin, 1. Dez. Tie Reichsregierung wird die Pole des französischen Generals Nollet vom 2. Oktober (Forderung der Aufhebung der bayerischen Einwohnerwehren) beantworten und dabei aus die Be^chtigung des bayerischen Standpunkts, daß die Einwohnerwehren zurzeit nicht aufgelöst werden können, Hinweisen.
München, 1. Dez. Der Vorsitzenlsi der englischen Misitärkommission in Berlin, Grneral Malcolm, ist in Begleitung seiner Gattin und eines Adjutanten in München eiugetroffen. Er hatte eine Aussprache mit Forstrat Dr. Esch er ich^'iber die Einwohnerwehr und über die „Orgesch". Auch mit dein Ministerpräsidenten v. Kahr soll im Beisein Escherichs eine Unterredung stattgefunden haben.
Paris, l. Dez. ^Echo de Paris" meldet, Frankreich sei geneigt, seinen Widerstand gegen das Fortbestehen der Einwohnerwehren in Bayern fallen zu lassen.
Die Luftschiffe.
Paris, 1. Dez. Havas meldet, die Antwort der Verbündeten auf die deutsche Ciuspruchsnote wegen Ersitzung der zerstörten 7 Marineluftschi sie werde, sein, daß Deutschland eine Frist von 8 Tagen zur Erfüllung der'Verbaudsforderunq gestellt werde, nach deren * Ablauf Z w a n g s m a ß r e! n ergriffen werden.
Gegen die Notenhamsterei.
München, l. Dez. Im Landtag erklärte gestern Finanzmiuister Tr. Krausneck, die Notenhamsterei habe einen gefährlichen Umiang angenommen, man schätze den Betrag auf 10 Milliarden Mark. Die Hamsterer wollen sich der Besteuerung entziehen. Entweder