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(Enztalbote)

für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 267

Fernruf 179.

UjlädKä. Vienstug, äen*16. vovemberMist.

Femruf 1EO.

54. ^skrgsng

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Sozmlisierrrng und Trust.

i.

Tie Sozialisierung des Wirtschastrlebens war seit Jahrzehnten ein Hauptpunkt des sozialistischen Pro­gramms: noch auf dem Parteitag in Erfurt, wo das Programm der sozialdemokratischen Partei eine ge­wisse Umgestaltung erfuhr, stand die Forderung der Sozialisierung obenan. Damals stand die Partei noch ausschließlich in der Opposition und Negation, die Zeit der mitschasienden Arbeit war noch nicht gekom­men und niemand, am wenigsten die sozialdemokrati­schen Führer dachten damals daran, daß sie so bald kommen werde. Als sie dann mit dein 9. November 1918 eben doch cintrat, fand sie die Sozialdemokratie iliworbereitet, die neuen Aufgaben in Angriff zu neh­men. Ein Teil der Arbeiterschaft drangt nun auf die Erfüllung der Versprechen und des Erfurter Programms, wiewohl seinerzeit schon Karl M a rx und Engels, die den SozialisicrunaSgedanken zwar nicht erfunden, ober doch zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Leh­ren gemacht hatten, davor warnen, die Sozialisierung in einer Zeit des niedergehenden Wirtschaftslebens in Anarif? zn neh-pen: sie könne nur ausgefübrt werden, wenn das wirtschaftliche Leben ans der Höhe stehe, las ist auch ganz einleuchtend, denn bei wirtschaft­lichen: Tiefstand ist eine derartige Umwälzung ein riesen­großes Risiko, ein Sprung ins Dunkle.

Eine Reihe der sozialistischen Führer will nun auch das Wagnis nicht- mehr auf sich nehmen. So erklärte der sozialistische Minister des Innern in Preußen, Se­verin g, im Mai d. I.:Wäre ich heute Wirt- schastsdiktator, so würde ich es mir sehr überlegen, ob ich den Bergbau sozialisieren würde. Wie Post und Eisenbahn gezeigt haben, ist Sozialisierung nur möglich, wenn die Rentab ilstät sichergestcllt ist. Heute be­deutet Sozialisierung keine Erleichterung für unser Wirt­schaftsleben, sondern unsere Volksgenossen müssen mit neuen Steuern belastet werden, um die Zuschüs­se zu der Rentabilität der Betriebe zu geben." Tie Kohlen würden, mit andern Worten, statt billiger, viel teurer werden, wie das Postporto und die Eisenbahn­fahrkarten viel teurer geworden sind und noch immer teu­rer werden. Aehnlich haben sich Lensch, Richard Calwer, August Müller, Bernstein, Lautsky- Wissell und andere ausgesprochen.

Das Ziel der Sozialisierung soll doch die Vermeh­rung der Erzeugung und die Verbilligung sein. Laß dieses Ziel durch die Sozialisierung jetzt nicht, zu erreichen ist, die Beteiligun g der Bergarbeiter am Bergbaubetrieb ist etwas anderes und in dieser Richtung werden gegenwärtig bekanntlich Verhandlungen im Reichswirtschaftsrat gepflogen, die hoffentlich bald zu einem befriedigenden Ende führen, darin sind sich, wie bemerkt, die volkswirtschaftlich durchgebildeten Führer der Sozialdemokratie selbst einig. Es ist aber auch von Interesse, auf die bisherigen Leistungen des staatlichen Bergbaus hinzuweisen.

Auf dem Bankiertag, der kürzlich in Berlin statt- sand, hat Tr. Solmßen, der Direktor des Schaaff- hausenschen Bankvereins, beachtenswertes statistisches Material hierfür beigebracht. In den 16 Jahren, in denen der staatliche Bergbau in Westfalen besteht, haben sich die Tinge dort wie folgt entwickelt: Vom Jahr 1908 ab sollten für den Ausbau der im Oberbergwerks- bezirk Dortmund vorgesehenen vier Toppelzechenanlagen keine Zuschüsse mehr zn leisten sein, vmr 1915 ab aber ihre gesamten Ueberschüsse die seit dem Jahr 1902 ver­wendeten Zuschüsse übersteigen. Tie geldliche Entwicklung für die drei in Frage kommenden BergwerkeVerei­nigte Gladbeck",Bergmanns Glück" undWaltrop" sollten sich in der Zeit von 1903 bis 1915 derart ge­stalten, daß. sie insgesamt in dieser Zeit 9 008 000 Mark Ucberschuh erbrachten. In Wirklichkeit haben sie in dieser Zeit mit einem Verlust von 60 630 000 Mark gearbeitet. Dieser steigerte sich im Jahr 1916 um wei­tere 4 Millionen Mark. Das Kapital aber, das in den drei Vergewrken angelegt ist, berechnet sich für 1917 auf 183 Millionen Mark, das ist das Doppelte des von der Regierung in Aussicht genommen gewesenen Kapitals. .Aehnlich wie in Westfalen liegt es in Ober- Wesien und^im Aaargebiet. Ter RechnuMsübexschust

bet den staatlichen Gruden in beiden Revieren iff 'in dauerndem Rückgang begriffen. Auch in den Preisen hat der Privatbergbau stets den Staatsberg­bau geschlagen und viel billiger verkaufen können als -dieser. Anderseits ist der Lohn, den der Staatsberg­ban seinen Arbeitern gibt, nicht so hoch wie derjenige, der in den Privatbergwerken gezahlt wird. Dagegen marschiert der Staatsbergbau in den Materiak- kosten pro Tonne Förderung an der Spitze/

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Fehrenbach und Sirnans iw Rheinland.

DüssclDsrf, 15. Nov. Im Apollo-Theater sprachen gestern vormittag vor Tausenden von Bürgern Düs­seldorfs aller Parteien die hier eingetroffenen Mitglieder der Reichsregierung, Reichskanzler Fehrenbach und Rcichsminister des Auswärtigen Dr. SimonS.

Reichskanzler Fehren.bach wie-S daraus hin, daß der Zweck der Reise in erster Reihe sei, ssitens der Reichs­regierung Fühlung mit dem Rheinland und seiner Be­völkerung zn nehmen. Die deutsche Arbeiterschaft habe sich einen hnvorrau.en Play im deutschen Wirt­schaftsleben gesichert. Es gelte diesen in ernster Ar- s beit auszubrruen. Tör Reichskanzler warnte jedoch vor Ueberspannung, die von Schwärmern, Fanatikern oder / böswilligen Hetzern znm Schaden des Volksganzcn ver- ! nrsacht werde. Er hoffe, daß die jetzt zusammen- ! getretenen Kommission die Sozialisierung einer befrie­digenden Löinna näberbnnaen werde. An die Beam­ten richte die Reichs regiernng die Aufforderung, immer auch an die G cs am ti n tere s s e n zu denken.

Seit den Tagen , von Spa seien merkliche Fortschritte in Deutschland zn verzeichnen. In erster Linie wies er auf die Erfüllung der Koblenver Pflichtun­gen hin nnd dankte den Bergarbeitern, die sich in die­ser Sache in den Dienst des Vaterlands vorbildlich ge­stellt hätten. Der Reichskanzler gedachte sodann der Ein­schränkungen, die das Kohlenabkommen Industrie und Haushaltungen auferlege und betonte die Nvwen-

Ganzen dieses Opfer

d^ikeit, im Interesse des zn bringen. Er erinnerte auch an die Forderung der Entwaffnung nnd Abrüstung, die ohne besondere Schwierigkeiten dnrchgeführt wurden. Durch die Dro­hung unserer Gegner mit dem Einmarsch' werde auch der Verband keineswegs gestützt. Unsere früheren Feinde sollen sich nicht darüber täuschen, daß sie jene Gefahr nicht so leicht in die Wirklichkeiten würden Umsetzen können. Das deutsche Volk habe im Lauf der Jahr­tausende sich immer wieder emporgrrafft. ' ,

Reichsminister des Auswärtigen Dr. SimonS er­innerte an die Erschwerung des Handelsverkehrs mit Holland, die durch' die Valntaschwierigkeiten und da­durch aufs äußerste gefährdet sei, daß uns der Friedens­vertrag die Verpflichtung der Meistbegünstigung fast sämtlicher unserer ehemals 27 Gegner äuferlegt habe. Selbst die Hoffnung, die wir an die Durchführung des uns so belastenden Kohlenabkommens von Spa knüpfen konnten? daß uns die zugesichsrte Goldprämie von fünf Mark für die Tonne unter Vorschuß in Höhe des Unterschieds zwischen Inland- und WeltmarktZpreis für die Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung und insbesondere der Bergarbeiter zur Verfügung stehen sollte, ist zunichte geworden, weil andere finan­zielle Verpflichtungen im Friedensvertrag eine solche Verwendung verhindern. Nicht nur, daß d i ese ci nzi g e Ho fsnu n g vo n Sp a nich t verwirklicht ist, so ergeben sich auch ernste Sorgen für die Kohlenbeliefernng der deutschen Industrie und der Haushaltungen.

Auf Deutschland laste ein doppelter Druck: ein wirt­schaftlicher und ein seelischer. Ter Druck bestehe zu­nächst darin, daß wir noch immer nicht wüßten, wie­viel Lasten nach dem Friedensvertrag zu erfüllen nnd ob das van uns Geforderte auch erfüllbar sei. Ein weiterer Druck bestehe in der dauernden Drohung mitdem Einmarsch in die bisher unbesetzten Gebiete. Die Ausgabe der bevorstehenden Sachverständigen- konferenz in Brüssel sei, die Verhandlungen klarzule- gm. auf Grund deren überhaupt deutscherseits ein Ver­pflichtung:.mg,bot in der WiedergutmachnngSfrage ab­gegeben werden tön.?-'. Tie Voraussetzungen seien:

1. dag, Teutschlands Wirtschaftskörper nicht weiterver- stümmelt, also besonders, daß uns Oberschlesien nicht genommen werde;

2. daß wir nicht länger in unserer wirtschaftlichen Betätigung in der Welt behindert werden:

3. daß die ungeheuren Kosten für die Besatzung ver­ringert werden.

Deutschland werde lieber eine fortdauernde Unsicher­heit als eine Bindung für unsichere Leistungen auf sich nehmen.

Die Drohung mit dem Einmarsch in das Ruhr-" gebiet sei im FriedenZvertrag nicht begründet, sondern auf Frankreichs Veranlassung nach dem bekannten Ein­marsch in Frankfurt und Darmstadt auf der Konferenz von San Remo und in Spa durch die Verbandsmächte zugcstanden worden. Die deutsche Vertretung habe iu Spa nachdrücklich widersprochen und die protokol­larische Festsetzung dnrchgesetzt. Daraus folg', daß «die, deutsche Regierung berechtigt sei, einen weiteren Ein­marsch in deutsches Gebiet als eine feindliche Hand­lung zu betrachten. Bei der Rechtslage halte er aber eine solche Handlung für ausgeschlossen. Jede militärische Gefahr von deutscher Seite sei ausgeschlossen. Wenn noch nicht alle kleinen Waffen ausbeliefert seien, so liege das an unserer inneren Lage. Dre Schwierigkeiten auf diesem Gebier bestehen hauptsächlich in Ostpreußen, das noch vor kurzem durch den Einmarsch fremder Trup­pen bedroht war, und für Bayern, dessen Bevölkerung die Herrschaft der Kommunisten noch nicht vergessen Habel Es sei mit Sicherheit anzunehmen, daß im Lauf der Zeit sich auch diese Schwierigkeiten überwinden ließen, da alle Stellen über die Notwendigkeit einig seien, daß keine Regierung, auf die Dauer den Bestand einer Waf­fenmacht in der Bevölkerung dulden könne, die ihr mit Gewalt zu widerstehen in der Lage sei. Ueberall seien' Zeichen der Besserung bemerkbar. Es werde Deutsch­lands Aufgabe sein, Pen Gedanken der Einigkeit und den wahrhaft sozialen Gedanken, genossenschaftliches Zu­sammenarbeiten der Stände, im Innern und nach außen hin hochzuhalten.

An Frankreich verkaufte Flüchtlinge.

Frankfurt a. M., 15. Nov. Der Bürgerausschuß in Frankfurt a. M. gibt Kenntnis von folgendem un­erhörten Skandal: Am 15. Juni 1919 wurde der deut- - sche Flüchtling aus Lothringen Peter Eichhorn in Frankfurt abends auf der Straße von einer Streif­wache der deutschen Marinesicherheitspolizei unter Führung eines gewissen Stickel mann festgenommen und zunächst auf das Polizeipräsidium und von da zum Marmesicherheitsdienst gebracht. Tort entriß ihm ein anderer Angehöriger der Marinesicherheitswehr namens Peltz die Brieftasche. Die Wohnung Eichhorns wurde durchsticht und dabei ein weiterer Flüchtling, der Stu-p dent Eugen Kirsch, der mit Eichhorn zusammenwohnte,. . ebenfalls verhaftet. Am andern Tag drangen Leute der Marinesicherheitswehr in die Wohnung eines dritten Flüchtlings aus Lothringen, Leonhard Sixt ein und forderten ihn auf, zum Marinesicherheitsdienst zu fol­gen, da "er bei der Feststellung der Personalien von zwei Verhafteten mitzuwirken habe. Als Sixt auf dem Dicnstzimmer ankam, wurde er gleichfalls für verhaftet erklärt. Ans den Papieren der Brieftasche hatten die Marinepolizisten ersehen, daß Sixt ebenfalls deutsch ge­sinnt sei. Nachts 1 Uhr wurden nun die drei Ver­hafteten gefesselt und von Marinepolizeileuten unter Füh­rung Slickelmanns in das von den Franzosen besetzte Gebiet gebracht und dort der französischen Behörde auS- geliefert. Stickelmann und die übrigen Schergen erhiel­ten dafür eine größere Geldsumme 'ausgehändigt/ In schwer gefesseltem Zustand wurden die drei Flüchtlinge in einem Auto nach Mainz überführt, wo sie nach einigen Wochen wegen angeblicher Spionage von dem Untersuchungsrichter Gel in verhört wurden. Um ihnen ein Geständnis zu erpressen, wurden sie, teils mit der Reitpeitsche, schwer mißhandelt. Dann kamen sie vor das Kriegsgericht in Nancy nnd wurden verurteilt, Sixt zu 6 Jahren Festung, Eichhorn und Kirsch zu je 5 Jahren Festung und den Nebenstrafen. Sie legten Be­rufung ein. Es war ihnen auch mitgeteilt worden, daß auf das energische Eingreifen des Frankfurter Bürgcr- ansschnsses die deutsche Botschaft für sie eing treten sei. Am 6. November wurden die drei Opfer nach 17.mona-