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(Enztalbote)
Amtsblatt für WWbad. Chronik und Anreigenblatt
für das obere Enztal.
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Sack in Wildbad.
Nummer 260 Fernruf 17S. ^lläbuä. Monwg, cien 8. November 1920
Fernruf 17S. 54. lunrgung
Der dev
Die Mark ist wieder ins Gleite:» gekommen. Der Kurs begann um die Mit'.e des Oktober langsam abzu'bröckeln, in der vorletzten B-och' bat er scharf nachgegeben. Gemessen an der F-rieoenZ-Lo.'dparitut g lt die Mark jetzt in Neuyork etwas über 5 Pfennig, in Lonoon un'a Amsterdam nicht ganz 7D- Pfennig. Tainit ist der Kurs von dem niedrigsten Stand mit etwa 40/z Pfennig in Neuyork, der Ende Januar zu verzeichnen war, nicht mehr weit entfernt, während um die Mitte des lanfen- fenden Jahrs die Mark sich auf etwa 14 Pfennig gehoben hatte. Für das deutsche Wirtschaftsleben bringt der neue scharfe Rückgang schwere Schädigungen, indem die Einfuhr industrieller Rohstoffe nno Lebensmittel sich beträchtlich verteuert. — Tie Knrsentwickiung der Mark wird durch die nachstehende Tabelle beleuchtet:
FriedcnSParität:
25. Juni:
7. Sept.:
23. Okt.:
jetzt:
Amsterdam
59,23
7,60
6,70
4,75
4,05
Zürich
123,45
15,lO
'12,15
9,15
8,00
Stockholm
88,80
12,45
10,00
7,40
6,50
Kopenhagen
88,80
16,40
14,20
10,20
9,30
Tie Gründe für den neuen Rückgang der Mark sind mannigfaltiger Natur. . Das für Deutschland unbefriedigende Ergebnis der Brüsseler Konferenz, die zahlenmäßigen Angaben über das deutsche Finanzelend nn den deutschen Parlamenten, das starre Festhalten Frankreichs an seiner Forderung einer unsinnigen Entschädigungssumme, dem England nur in theoretischen Betrachtungen, nicht aber durch Tatsachen Widerstand leistet, haben die gewaltigen Markbcträge, die sich im Ausland befinden, von neuem in Bewegung-gesetzt. Die internationale Spekulation verstärkte diese ausländischen Angstverkänfe von Marknoten durch neue scharfe Baisseangriffe auf die Mark. Dazu kommt, daß unter dem Truck der amerikanischen Geldkrise und der internationalen Absatzstok- kung fast alle Länder darauf bedacht sind, ihre Auslandsguthaben einzuziehen. Von Deutschland aus gelangen ferner wieder große Beträge Marknoten im Ausland zum Verkauf, lveil die verschiedenen Reichswirtschaftsund Einsuhrstellen zur Bezahlung von Lebensmitteln und Rohstoffen genötigt sind, Marknoten im Ausland zu
§' vermuten. Neuerdings haben - allerdings diese Lebens- !
mitteleinfnhrgeschäfte nachgelassen, nachdem diese Stellen ! . ihren Bedarf an ausländischen Zahlungsmitteln in überstürztem Tempo für eine Zeitlang eingedeckt hatten., Ferner treibt die Spekulation, nachdem sie sich eine Zeitlang verlustreich nach unten engagiert hatte, die Devisenkurse nach -oben und die De'visenhamsterer, sowie Besorgnisse vor einschneidenden Finanzmaßnahmen tun das Ihre, um die Kurse der Anslandsdevisen immer höher zu treiben. Wäre nicht in der letzten Zeit von Deutschland ans ein gewaltiges Angehot von Marknoten erfolgt, so hätte sich der Markkurs trotz der Baisseattacken einigermaßen gehalten. Vor allem hat im Ausland der Verzicht Englands aus zukünftige Beschlagnahme deutschen Eigentums seinen Einfluß nicht verfehlt. Man erblickt in dieser Maßnahme im Ausland den Wunsch Englands, die Handelsbeziehungen mit Deutschland wieder anzuknüpfen und deutscheWaren zu erhalten. In der Auslandspresse wird ferner immer von neuem daraus hingewiesen, daß nach der amerikanischen Präsidentenwahl, die wohl mit dem baldigen Rücktritt Wilsons noch vor dem Ablauf seiner Präsidentschaft verknüpft sein dürste, die Aussichten für bedeutende deutsche Valntakredite sich bessern dürsten. Das Schicksal der Mark bleibt freilich nach wie vor von der Festsetzung der Wiederher- sstllrn-Mu'prttche auf der Genfer Konferenz abhängig.
Die Lage der Eisenbahnen.
Im Denipkratischen Klub in Berlin machte der Reichsverkehrsminister General Gröner Mitteilungen über die Lage der Eisenbahnen. Der Eisenbahnverkehr ist nach seiner Darlegungen gegenüber der Zeit vor dem Krieg erheblich zurückgegangen, während die Zah. des Personals und die Betriebskosten gegenüber 19l3 sehr bedeutend gestiegen sind. Ter Personalstand, (Beamte und Arbeiter) hat sich gegen 1913 um fast die Hfilfte erhöht, die Arbeitsleistungen stehen hinter denen der Vorkriegszeit j noch weit zurück, obgleich sie sich gegenüber dem Jahr i 1919 merklich gebessert haben. Die geringe Arbeitsleistung ist ein wesentlicher Grund für den Fehlbetrag von 14,37 Milliarden. Die.Beamtcngehälter betrugen 1913 im Durchschnitt 2352 Mark, 1920 14 027 Mark, die Arbeiterlöhne 1913 1321 Mark, 1920 11212 Mark. d.
h. also im Gesamtdurchschnitt trat eine Steigerung der Gehälter und Löhne um etwa das Siebenfache ein. Ferner sind die Materialpreise vielfach gestiegen. Infolge der schlechten Qualität der Kohlen steigerte sich der Mehrverbrauch um 38 Proz., sodaß einem Kohlenverbrauch zum Gesamtpreis von 219 Millionen Mark im Jahr 1913 heute für 1920 ein solcher von 4358 Millionen gegenübersteht. Ter Feh betrag wird durch Eiuschrä n- kung des Personalvestands so weit als möglich zu verringern versucht, außerdem durch Materialersparnisse, sowie durch eine Steigerung des Verkehrs. Man wird auch versuchen müssen, die Einnahmen zu vermehren durch Steigerung der Frachttarife unter Schonung der Personentarife, für deren Neuaufbau man den Staffeltarif in Erwägung ziehen wird.
Neues vom Tage.
Anfragen wegen der Orgefch.
1.. Berlin, 7. Nov. Tie Deutsch-Nationale Voltsparlei hat in der preußischen.Landesversammlung an die Staatsregierung eine Anfrage gerichtet, in der sie das Verbot der Orgesch in Preußen durch den Minister des Innern Severing als gesetzwidrig bezeichnet und vie Staatsregiernng fragt, ob sie bereit sei, die durch die Reichsversassung gewährleistete Vereinssreihcit gegen den Minister zu schützen. — Die Deutsche Vollspartci hat eine ähnlich lautende Anfrage eingebracht.
Tie „Deutsche Allg. Ztg." veröffentlicht den Wortlaut der Note des Chefs der Ueberwachungskommis- sion, Generals Nolllet,' vom 12. O^ober. in der er sich gegen die Selbftschutz-Organisatoinen wendet. Tie Kommission ersucht in der Note, ihr von denjenigen Maßnahmen Mitteilung zu machen, die die deutsche Regierung zu treffen gedenke, 1) um die Entwaffnung ^dcr Selbstschutzorganisationen zu beschleunigen, 2) um deren Auflösung und Beseitigung sicher zu stellen. , Strafanzeige gegen «Lrzberger.
Berlin, 7. Nov. Wie eine Berliner Korrespondenz meldet, ist gegen den früheren Reichssinanzminister Erzberger nunmehr bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet worden wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Begründet wird die Anzeige da-
Ein Frühlingstraum.
Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne.
3. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Ja," sagte er im Gehen, „sie hat sich mal mit ihrem Liebsten hier getroffen; das war ein schmucker Ossizier, dessen Bild wir auch haben. Im Glück der jungen Leute sind wir wieder jung geworden — — und dann das traurige Ende! — Ich möchte mich wohl noch mehr um das Grab kümmern; doch ich habe zu viel zu tun, und ich werde auch immer älter. Den weißen Rosenstock habe ich ihr darauf gepflanzt — sie hatte einmal zu mir gesagt: „Wenn ich sterbe, Berger, möchte ich ein ganz einfaches Grab haben — nur Efeu und weiße Rosen!" — —
In der einfachen, aber blitzsauberen Stube saß seine Frau am Fenster und strickte, während neben ihr auf der Fensterbank behaglich schnurrend, eine graue Katze lag.
„Hier bringe ich Dir Besuch, Frau," rief der Alte, die Frau Doktor Schöne will gern etwas von Deinem ngel hören." '
„Ach Golt," cntgegncte Frau Berger ausstchend, indem c sich mit der Hand über dje Augen fuhr, „ach, ich "MLe immer so traurig, wenn ich an das arme Madien deute, trotzdem sie uns eigentlich gar nichts an- 'ht, und wir gar nichts weö.er von ihr wissen; aber e war so schön und gut!"
Ich setzte mich ans das Sou und nach allerlei alltäg- chen Fragen und allerlei Umstünden holte ne elwlich die wilder, die sorgsam in Seivenpapier g hüllt waren. Ich ahm eins davon zur' Hand, uns mit Blühe untervrückle h einen Ausruf des Erstaunens — das war ja Leutnant ^olf von Wolssburg, der mir da im Bilde, entgegen- -at, so lebenssrisch, wie ich ihn zuletzt gesehen — ein olzes edles Gesicht, ein feing.schnitlener, von einem unklen Bärtchen beschatteter Mund, um o.'ssen Lippen m herzgewinnendes Lächeln lag. Ten feurigen, geist- vühenden Blick, der ihm eigen war, oen konnte der
Photograpb freilich nicht so wiedergeben — überhaupt war das Bild, trotz seiner guten Ausführung, nur ein schwacher Versuch, sein interessantes, edles Gesicht naturgetreu wiederzugkben. — Also er war der „Liebste" von Mary Winters! Ich war aufs höchste neugierig, das Bild derjenigen zu sehen, die es verstanden hatte, sein Herz zu bezwingen. Und wie ich es sah. begriff ich ihn! Ein Gesicht, so wunderhold, war mir nvch nie begegnet: ein wahrhaftes Engelsgesicht mit feinen edlen Zügen, wie man sie in solcher Reinheit selten findet, dazu ein Paar Augen von hinreißendem Ausdruck, ein Mund von entzückendem Liebreiz — ein Mund, der nur zum Küssen geschaffen schien! Lange betrachtete ich die Bilder, aus deren Rückseite geschrieben stand: Z. frdl. Andenken. Aus Dankbarkeit gewidmet von Mary Winters und Wolf von Wolfsburg.
Schweigend legte ich sie endlich aus der Hand, doch so, daß ich sie noch immer betrachten tonnte. Ich habe eine Schwäche für schöne Gesichter, für schöne Menschen, und gar manche. interessante, auffallende Erscheinung habe ich gesehen und kennen gelernt, jedoch noch kein Weib, das so viel Liebreiz in sich vereinte, wie dieses Mädchen hier. Wie berückend muß das Original gewesen sein, wenn schon das Bild einen solchen Eindruck auf mich machte!" —
„Ja," seufzte die alte Frau, „ja, wer hätte das gedacht, solch' junges Blut, daß sie beide schon tot sind!" Endlich kam sie dazu, die Geschichte zu erzählen: ihr Alaun hals ein, wenn ihr der Faden einmal abhanden kam oder wenn sie gar zu weitschwciiig wurde, und so erfuhr ich alles. Aufmerksam hörte ich zu und prägte meinem Gedächtnis alles genau ein. Ich stand aus und bedankte mich. Beim Abschied sagte ich zum allen Berger: „Sie könnten gewiß iwcy manches erzählen — "
„Ja," sagte er, „manches, wenn ich reden wollte! Ach, was ist das Leben!"
„Es ist schon spät, lieber Berger: ich muß eilen! Aber ich komme wieder, und Hann müssen Sie mir auch von
den anderen Gräbern erzählen! — Nochmals meinen Dank; leben Sie wohl!" Ich reichte den freundlichen Leuten die Hand uyd ging.
Das Gehörte beschäftigte mich sehr, um so mehr, da ich den Leutnant Wolfsburg so gut gekannt hatte. Zu Lebzeiten meines Mannes war er ein gerngesehener Gast, ein lieber Freund unseres Hauses, und ich hatte viel für ihn. übrig, da er ein goldtreuer, über alles streng ehrenhafter Charakter war. Da Hab ich sein Wesen gekannt — ernst und tüchtig; doch wenn er aus sich herausging, von herzbetörender Liebenswürdigkeit. Zum Begräbnis meines kleinen Alfred habe, ich ihn zuletzt gesehen — dann verließ ich meine Vaterstadt auf lange Zeit, da mir der Aufenthalt dort vorläufig unmöglich war — ich mußte Abwechslung, Zerstreuung haben, wenn» ich geistig nicht zu Grunde gehen wollte. Nach ungefähr einem Jahr bekam ich nach Jsola bella die Anzeige seiner Verlobung mit einem Fräulein Ulrich nachgeschickt. Ich gratulierte; für mich hatte damals nichts Interesse, so daß mir sogar diese Verlobung gleichgültig war. wenn ich mich auch darüber wunderte, da ihm, wie ich mich genau erinnerte, Fräulein Ulrich früher sehr unsympathisch war, wenigstens hatte er sich mehr als> einmal in diesem Sinne gegen mich geäußert. Jedoch — Sympathien und Antipathien können sich ändern, und wer weiß, was ihn zu jenem Schritt gebracht hatte — er hatte vielleicht Schulden — und sie war eine reiche Erbin-!
Tann kam ich wieder hierher. Einmal besuchte er mich — nicht layge. — Er hatte etwas Zerfahrenes an sim, was ich früher nie Hm ihm bemerkt — doch sieben Jahre sind eine lange Zeit; sie können viel ändern! Er wäre nach seiner Verheiratung einige Jahre in M. in Garnison gewesen, so erzählte er mir, wäre dann wieder nach hier versetzt worden und hätte Aussicht, bald Major zu !verden. Sein Söhuchen wäre ihm auch genommen. '