öder auf den Kopf der Steuerzahler 5 bis 6 Prozent des Gesamteinkommens verausgabt. Weit über ist dagegen Frankreich, das bei einer Bevölkerung von nicht ganz 40 Millionen 6 Milliarden Franken in Alkohol aufgcheu ließ. Großbritannien ver- zeichneic bei seine» 50 Millionen Einwohnern 1919 nach den Veröffentlichungen des König!, statistischen Amts einen Verbrauch von 386 Millionen Pfund Sterling (7720 Millionen Goldmark), also im Verhältnis mehr als doppelt so viel wie in Deutschland.
Ktrchenraub. Bei einem nächtlichen Einbruch in die Elisabeth-Kirche in Marburg a. L. wurde der Sarg der Heiligen Elisabeth seiner Edelsteine beraubt.
Verbrecherische Brandstiftung. Das Großfeuer auf dem Dö- beritzer Uebungsplal; bei Berlin ist auf Brandstiftung zurück- uführen. Die in der Nähe des Proviantamts lagernden gro- m, Heuschober wurden durch Leuchtkugeln, die aus Leucht- istolen abgefeuert wurden, in Brand gesteckt. Die zerstörten Lebensmittel und Bekleidungsstücke haben einen Wert von 30 Millionen; sie waren für eine ganze Division ausreichend.
Die schwarzen Hände vom Kartoffelschäler«. Beim Schälen von Kartoffeln und grünen Nüssen bilden sich an den Händen Verfärbungen. Ueber das Wesen dieser Färbungen wurden, wie Dr. Wilhelm im neuesten Heft der „Umschau", Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik, berichtet, Versuche angestellt, die zu dem Ergebnis führten, daß nicht die oberste Schicht der Haut, sondern eine tiefer gelegene, sogenannte Keimschicht, vom Kartostelsast gefärbt wird. Dies ist der Grund, weshalb sich die häßlichen schwarzen Flecke bet noch so eifriger Benützung von Seife und Bürste nicht entfernen lassen. Die gefärbte Schicht ist nämlich durch die sie bedeckende Oberschicht gegen alle Waschangriffe geschützt. Erschwerend kommt noch hinzu, daß der Farbstoss an die Zellen der Keimschicht durch chemische Bindung besonders fest angelagert ist.
Die Bedeutung des Regenwurms. Der Regenwurm frißt große Mengen von Erde, da die in ihr enthaltenen Reste or- 'aniscker Bestandteile einen Teil seiner Nahrung bilden, und .eine Ausscheidungen bilden eine an Pflanzennührstoffen sehr reiche Erde, eine Art Dünger, der dem Pflanzenwachstum auf dem von den Regenwürmen« bewohnten Boden zugute kommt. Die Menge dicses'Rcgenwurmdüngers ist, wie der „Prometheus" schreibt, 'erheblich größer, als man auf den ersten Blick an- nchmcn sollte. Neuere Untersuchungen im fruchtbaren Tal des Weißen Nils haben ergeben, das; allein die an der Oberfläche de; Bodens feststellbaren Entleerungen der Regcmvür- mcr im Fahr und für ein Hektar ein Gewicht von 5500 Kilo besitzen, wenn, wie auf dem untersuchten Boden, mehr als 100 Regenwürmer auf einen Quadratnieter Bodenfläche entfallen. Die Zahl 100 für einen Quadratmeter scheint nur sehr groß, wer im Garten bei nicht zu trockenem Wetter den Boden nur 25 Zentimeter tief umgräbt und stark zerkleinert, wird erstaunt sein über die große Anzahl von Regenwürmern, die er findet. Wenn aber die Regenwürmer an der Oberfläche schon 5500 Kilo Entleerungen iährlich auf ein Hektar ablegen, dann muß die iin Innern des Bodens abgelegte, der Beobachtung sich entziehende Menge natürlich noch viel größer sein, und es darf angenommen werden, daß in den an Würmern reicheren Böden nur wenige Jahre erforderlich sind, um das ganze für das Pflanzenwachstum in Betracht kommende Erdreich durch den Verdanungsäanal' der Würmer hindurchpassieren zu lassen. Dg die Rcgenwürmer durch ihre, den Boden durchziehenden röhrenförmigen Gänge auch die äußerst wichtige Belüftung des Bodens fördern, kann der Schaden, den sie durch Anfressen von Kleinpflanzen gelegentlich anrichten, gegenüber ihrem Nutzen kaum in Betracht kommen.
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Stuttgart, 4. Nov.
(24. Sitzung. Nüch.:.Atags 5 Uhr.) Strafverfolgung der Abgeordneten Körinr, Emil Schüler, Ehrle und Karl Müller.
In säm.liehen vier Fällen nnrd die verlangte Genehmigung zur Stra'v'rfolgung zu versagen beantragt.
Abg. Nasrr (B.B.) beantragt namens des Abg. Körner die Genehmigung zur Strafverfolgung zu erteilen, da ein öffentliches Interesse vorliege, den gerichtlichen Nachweis dafür zu erbringen, daß der frühere Minister Heymann 28 Pfund Fleisch gehamstert habe. Dieser Antrag wird gegen die Stimmen ber drei sozialdemokratischen Fraktionen (ausschließlich des Abg. Heymann) angenommen. Die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Körner ist damit erteilt. In den drei übrigen Fällen wird die Genehmigung zur Strafverfolgung einstimmig versagt.
In den Staatsgerichtshof werden gewählt die vom Oberlandesgericht aus seiner Mitte vorgeschlagenen Mitglieder: Senatspräsident Dr. v. Elch'zer, Senatspräsident Dr. v. Haid- len, die Oberlandesgerichtsräte Feyerabend und Sarwey, als Stellvertreter die Oherlandesgerichtsräte Heß und Dr. Ensin- ger; ferner die vom Perwaltungsgeriästshof aus seiner Mitte vorgeschlagenen Mitglieder: Oberoerwaltungsgerichtsrat Dr. v. Haller und Prof. Dr. Sarlo.ius in Tübingen, als Stellvertreter: Oberlandcsger.ai.srat K. Schmoiler und Oberverwaltungsgerichtsrat Geier; außerdem als vom Landtag gewählte Mitglieder: Rechtsanwalt Dr. Roth, Rechtsanwalt Dr. Schott.'
Ovcrrcgierungsrat Fezer,- Rechtsanwalt BE, StacitSMstvem a. D. Blos, Regicrnngsrat Mattutat, Geh. Regierungsrat v. Payer, Parteisekretär Schepperle, sowie acht Stellvertreter.
Als Mitglied des Landtags zur Staatsschuldenverwaltung wird der Abo. Friedrich Mütter (B.B.) gewählt.
Stuttgart, 5. Nov. (Das Gehör wieder erlang t.) Ein junger Mann, der durch eine Verschüttung im Feld um das Gehör gekommen und seit 5 Jahren taub war, fiel infolge eines Schwindelansalls die Treppe herunter und schlug mit dem Hinterkopf auf. Das hatte zur Folge, daß, er sein Gehör wieder vollständig erlangte.
Gmimd, 5. Nov. (Ehrlicher Finder.) Ein Landwirt verlor auf dein Marktplatz feine Brieftasche mit 800 Mark. Ein 13jähriger Knabe fand das Geld und lieferte es sofort auf dem Fundbüro ab.
Nürtingen,' 5. Nov. (Auch ein Zeichen der Zeit.) Franz Eigenhäuser hier gibt im „Nürtinger Tagblatt" bekannt, öaß er sich ein für allemal den Besuch von Frauen und Mädchen in diskreten Angelegenheiten verbitte.
Schramberg, 5. Nov. (Verunglückte Hamster- fahrt.) Eine hiesige Gffeuschaft machte eine Hamster- tur nach dem benachbarten Ort Secdorf. Die Ausbeute war keine geringe, weshalb auf das gute Gestagen noch ein Gläschen Wein getrunken wurde. Während die Hamsterer sich aber im „Hirsch" gütlich taten, wurde ihr Auto vollständig ausgeräumt.
Schramöerg, 5. Nov. (Aus der Uhrenindu- strie.)' Der Vorsitzende des Verbands der Uhrenindustrie und verwandten Industrien des Schwarzwalds, Dr. Junghans-Schramberg, ist von der Leitung des Verbandes zurückgetreten, um einem geschästsführenden Vorsitzenden im Hauptausschuß Platz zu machen. Hierzu wurde Rechtsanwalt Dr. Tienst-Triverg gewählt, der in den nächsten Tagen seine neue Stelle mit dem Sitz in Vil- lingen übernehmen wird. Der Verband der Uhrmindu- strie beabsichtigt, in Villingen ein eigenes Verbandshaus zu errichten.
Biberach, 5. Nov. (Brand.) Die Malzfabrik von Heinrich Hardtmann zum Biber ist in letzter Nacht abgebrannt. Die Fabrik sollte erst in den nächsten Tagen in Betrieb genommen werden. Zu diesem Zweck waren mehrere hundert Zentner Gerste dort untergebracht.
Leutkirch, 5. Nov. (Auto verbrannt.) Aus der Straße Leutkirch—Urlau ist das O. Saurer gehörige schöne Auto verbrannt-
Aus -er Heimat.
Wildbad. den 6. Nov.
Von den Linden-Lichtspielen. Noch stehen die Licht- spiekbesücher im Banne des am letzten Sonntag gegebenen Sensationsdramas „Gepeitscht" und schon wieder kann die Direktion mit einem neuen Schlager aufwarten. Dieser führt uns diesmal in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und führt den Titel „Die geheimnisvolle Kugel. Das Drama behandelt'die Geschichte eines Wucherers und seines Sohnes. Nachdem sein Sohn, die in ihm wohnende hypnotische Kraft in Europa durch eifrige Studien vervollkommnet hat, kehrt er in seine Heimat zurück, trifft seinen Vater aber nicht mehr lebend an. Durch das vom Vater geerbte große Vermögen erwirbt er sich eine große Macht, ist aber trotzdem genau so verhaßt wie sein Vater. Wie er durch seine großen Geldmittel und seine Kunst der Hypnose andere ins Verderben zu stürzen sucht, selbst aber dabei umkommt, zeigt uns der Film weiter. Die Handlung ist von Anfang bis Ende eine derart spannende, daß man aus dem Staunen nicht herauskommt. Zu erwähnen wären noch die einzig schönen landschaftlichen Original-Aufnahmen aus Las Palma». Als zweiter Film kommt eines der bekannten Karlchen-Lustspiele zur Vorführung und zwar „Karlchen auf der Fliegenjagd", wobei die Lachmuskeln überhaupt nicht zur Ruhe kommen.
Fußballsport. Die bei allen Fußballsportfreunden in ! Ealmbach und Wildbad herrschende fieberhafte Spannung s über den Ausgang de« Wettspiels zwischen diesen beiden i Lokalgegnern erreicht mit dem kommenden Sonntag ihren Höhepunkt und Abschluß. Nach der Terminliste ist der f Sportsplatz in Calmbach zum Austrag dieses Wettstreits bestimmt und beginnt das Spiel der 3. Mannschaft um ! 12 Uhr, das Spiel der 2. Mannschaft um (st2 Uhr, l während das Spiel der ersten Elf um 3 Uhr seinen An- ! fang nehmen wird. Da beide Vereine bei gleicher Spiel- j zahl auch- die gleiche Punktzahl aufweisen können, wird s es um den Vorsprung einen hartnäckigen Kampf geben, j Daher dürfte die Mahnung, daß sowohl von den Spielern : wie aber auch von den Zuschauern der Sportcharakter ge- ! wahrt bleiben möge, diesmal nicht ganz verworfen werden.
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l Zur Notiz! Der heutigen Aufläge ist eine Unter- i Haltungsbeilage beigegeben, die vorerst in zwangloser Folge erscheint. Die Beilage soll rein lokal ausgestaltet werden ^ und bitten wir um gütige Mitarbeit.
! — Tie Strafregister. Nach einem Erlaß des würkt.
! Ministeriums des Innern wird die Führung der Slraf- f register vom 1. Februar 1921 ab den Gemeinden abge-- , nominell und den Justizbehörden übertragen. Das l bisherige Strafregister des Wohnorts kommt künftig in ! Wegfall. Dagegen wird noch ein Strafregister des Ge- i burtsorts geführt werden.
! — Reuausprügttng von Reichsmimzen. Der
> Neichsrat hat der Ausprägung von weiteren 50 Millio- i neu Mark in Fünfzigvfennigstücken aus Aluminium zu- i gestimmt.
— Einigung im Buchsruckergewerbe. Tie Taris- ! rcrhandlungen im deutschen Buchdruckergewerbe über i eine neue Teuerungszulage haben zu einer Einigung ? geführt, ohne daß das Reichsarbeitsministerium in An- i spruch genommen zu werden brauchte. Ter Tarifausschuß ! der deutschen Buchdrucker beschloß, daß an neuer wöchentlicher Teuerungszulage den Gehilfen an allen Orten in Lohuklasse I (unter 21 Jahre) 10 Mark, in Lohnklasse k (21—24 Jahre) 15 Mark und in Lohnklasse 0 (über 24 Jahre) 20 Mark zu zahlen sind. Diese Beträge sind zu zahlen mit Wirkung ab. 1. November. Tie Teuerungszulage hat Gültigleit bis 31. März, kündbar mit vierwöchiger Frist. Seit dem 15. September d. I. be- triebSwcise oder örtlich gewährte Sonderzulagen können mit der neuen Teuerungszulage verrechnet werden. Entsprechend der Staffelung der Teuerungszulage für Buchdruckergehilfen ist eine Teuerungszulage für Hilssar- beiterinnen beschlossen worden. Weibliche Hilfsarbeiter bis zu 21 Jahren erhalten 6 Mark, über 21—24 Jahre 9 Mark und über 24 Jahre 12 Mark; männliche Hilfsarbeiter erhalten in denselben Altersgruppen 8, 13 und 17 Mark. Zum Ausgleich für die erhöhte Teuerungszulage werden die derzeitigen Preise für Herstellung von Drucksachen um 5 Prozent erhöht.
— Die öffentliche Bewirtschaftung von kalzinierter Soda, Kristallsoda, Aetznatron, Aetzkali und Pottasche ist ab 1. Novemfer ausgehoben worden. Kettenhandel und Verkauf zu wucherischen Preisen werden aber streng bestraft. Die Ausfuhr bleibt an Erlaubnisscheine gebunden.
— Preisermäßigung' Die Handelspreise für Draht und Drahtstifte sind von der Vereinigung der Trahthänd- ler, Berlin W. 8., Friedrichsstraße 71, die darüber Auskunft erteilt, ermäßigt worden.
— Anerkannte Feiertage. Ter Sonntag und die > staatlich anerkannten Feiertage werden durch Artikel 139 der Reichsverfassung als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erholung gesetzlich geschützt. Der Reichsar- bcitsminister hat jetzt dir Hauptversorgungsämter beauftragt, im Benehmen mit der örtlichen obersten Regierungsbehörde festzustellen, welche Feiertage innerhalb ihres Bezirks als Tage der Arbeitsrnhe gelten. Maß^ gebend ist hier sowohl eine l - ' he Anordnung als die
örtliche Gepflogenheit.
Eine Erzählung« aus t.in Leben von Fr. Lehne.
2. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Wie hat sie mir leid getan, die Frau, der das Schicksal ebenso wie mir mitgespiclt — die 'henfalls ihr Liebstes hat hingeben müssen — wie mu re sie leiden beim Anblick der beiden Gräber, besonders des letzteren, das noch so unheimlich frisch ist. — So waren meine Gedanken, und ich war begierig, die Frau jenes Mannes zu sehen, den auch ich gekannt als den schönsten schneidigsten Offizier seines Regimentes.
Und ich habe sie vor einigen Wochen gesehen!
Eine große, volle, fast zu üppige Erscheinung, der die hochelegante Trauertoilette sehr gut zu dem weißblonden Haar und der rosigen Gesichtsfarbe steht. Ich habe sie beobachtet, wie sie auf jedes Grab einen Kranz legte, den ihr der Diener reichte, wie sie sich dann in graziöser Haltung ans der Ruhebank niederließ - — niiü nach einer kleinen Weile einen Taschenspiegel in die Hand nahm, vor dem sie sich die. Stirnlöckchen zurechtzupfte. — Was mochte in ihrer Seele Vorgehen? — Mich faßte ein förmlicher Haß gegen dieses üpvige, so gesund anssehende Weib — nein,' sie hatte das Mitleid fremder Leute bei dieser Seichtheit des Empfindens nicht nötig, und da begriff ich auch, wie der Mann mit dem großen und edeldenlenden Herzen unmgölich an der Seite eines solchen Wesens glücklich werden konnte. Was mag in ihm vorgegangen sein, was muß er gelitten haben, ehe dieser Hügel seine sterbliche Hülle deckte! — Ta ruht er nun, der Herrlichsten einer — dereinst geachtet und geehrt von seinen Vorgesetzten, geliebt von seinen Kameraden und vergöttert von seinen Untergebenen! Oft bleibe ich stehen an dem kunstvoll getriebenen Gitter und blicke auf das frische Grab, das stets mit den herrlichsten Blumen geschmückt ist. Vergilbte Lorbeerkränze mit halb vermoderten Schleifen
und ehrenvollen Widmungen liegen noch da; doch was hast du davon, du armer Mann! Du verlangst sicher nicht danach — was du suchtest, war Ruhe, und die hast du ja endlich gefunden, du und jenes junge Weib, das da hinten an der großen Linde schlummert unter dem einfachen schmucklosen Grabhügel. — — — — —
— — Die Luft halte mich müde gemacht; ich suchte mein Lieblingsplützchen aus — eine schlechte Bank unter jener alten schönen Linde — vor mir meine beiden Gräber und nicht weit davon das von Mary Winters! Da sitze ich nun und denke — die laue Lust umschmeichelt mich kosend, warmer Sonnenschein liegt auf all' den Gräbern, daß die weißen und schwarzen vergoldeten Kreuze flimmern, so daß ich> davon geblendet, die Augen schließe. Ueber mir rauscht es so geheimnisvoll in den Zweigen des Baumes, und mich überkommt eine süße Mattigkeit — es ist hier auch ein so weltverlorenes einsames Plätzchen, wohin sich selten jemand verirrt. Eine eigene Stiinmung bemächtigte sich meiner
— es rauscht stärker, geheimnisvoller über mir, und mir ist, als hörte ich eine sanfte, unendlich süße Stimme, und ich sehe auch d"? Wesen, dem diese Stimme angehört
— ein wunderholdes, blondes Mädchen mit unergründlich tiefen Augen,- aus denen eine Welt von Schwerz und Leid spricht. Sie hebt die schmalen, kinderkleinen Hände
— doch als ich genauer nach ihr blicke, zerfließt cs in weichen Nebel. Die alte Linde aber raunt mir zu: Höre, ich will Dir von jenem Grabe erzählen; ich weiß alles. Aufmerksam lausche ich den Worten — es war eine ergreifende Geschichte von zweien, die nicht zueinander kommen konnten.
— — — Da fühlte ich mich am Arme gepackt. Erschreckt sprang ich aus. Vor mir stand der alte Berger, der Friedhofswärter, verlegen seine Mütze in der Hand haltend.
„Entschuldigen Sie nur," sagte er, „aber ich meine, es wird zu kühl, und die Frau Doktor könnten sich leicht etwaL holen. Sie haben nämlich lange geschlafen!"
„Wahrhaftig, Alter," entgegnete ich, einen Blick nach oer Sonne werfend, die schon tief am Horizonte stand/ „wahrhaftig, ich glaube, ich habe geschlafen! Und denken Sie, was mir Sonderbares im Schlafe begegnet ist — jene Mary Winters ist mir erschienen und hat zu mir gesprochen." Ungläubig schüttelte er den Kopf. l
„Ja, ja, Berger, Sie können es mir glauben! Uebri- gens, wollen Sie mir denn nicht die Geschichte von ihrem Leben erzählen?" bat ich. ; .
„Ich weiß nichts," beharrte er. '
„O doch," erwiderte ich, „wenn Sie nur Wollen, könnten Sie mir sicher erzählen! Ich verspreche Ihnen, zu schweigen — und ich sollte meinen, daß Sie mich genügend kennen, Berger!"
„Ja, Frau Doktor, das tue ich, — und Sic haben recht, ich weiß alles. Nur spreche ich nicht gern darüber, weil es gar zu traurig ist."
„Ach, Sie haben Mary Winters gekannt?"
„Ja, und ein schöneres Mädchen gab es wohl nicht; wie ein wirklicher Engel sah sie aus mit ihren blonden Locken und dem weihen Gesicht. Sie hat mir auch ihr Bild gegeben!"
„Darf ich das Bild sehen?" fragte ich.
„Dann müssen Sie sich schon zu mir bemühen," entgegnete er, „meine Alte hat es in Verwahrung, und dann wollen wir Ihnen auch erzählen, was wir wissen — aber nicht darüber sprechen!"
So ging ich mit ihm nach seinem schmucken Häuschen, das gar lauschig inmitten hochragender Bäume lag. Wir beide kannten uns schon lange. Damals vor sieben. Jahren hat er meinen Mann und mein Kind begraben und mich manchmal durch seine schlichten Worte getröstet, wenn mich der Schmerz an den frischen Gräbern zu übermannen drohte. Während der langen Zeit meiner Abwesenheit aber hat er gar treulich für die Gräber meiner Lieben gesorgt, und so etwas bringt die Herzen einander näher, als manches andere.
(Fortsetzung folgt.) "