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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 233

Fernruf 179.

Wilöbaci, Zgmstgg. äen 30 Oktober 1^20.

Fernruf 179. 34. InbrgSNg

Zum Reformationsfest.

Unsere Zuversicht.

Er will und kamst euch lassen nicht,

fetzt ihr auf ihn euer Zuversicht; !

es mögen viel euch fechten an:

dem fei Trotz, der's nicht lassen kann.

Zuletzt müßt ihr doch haben recht, ihr seid nun worden Gott's Geschlecht: das danket Gott in Ewigkeit geduldig, fröhlich allezeit!

Luther.

Wochenrundschau.

Im Reichstag hat am Mittwoch Reichskanzler Feh­ren b ach, bevor das Haus in die Beratung des Reichs­haushaltsplans für 1920 eintrat, einleitende Worte über die allgemeine Lage vorausgeschickt. Nüchtern, fast trol­len, war das, was er vortrug. Der Abgeordnete Schei­demann sprach sogar von Resignation, von müder Entsagung, die den Morten des Reichskanzlers das Ge­präge gebe. Der Ausdruck ist nicht ganz unzutreffend. Wir sind militärisch gebrochen, politisch stillgelegt und ringen wirtschaftlich mit dem kärgsten Leben." Auf den Don dieser Worte waren die ganzen Ausführungen Feh- renbachs abgestimmt. Er erhob Anklage vor dem Welt­gewissen gegen Frankreichs erbarmungslosen Haß, der alle Versuche Deutschlands, wieder auf die Beine zu kom­men, durch immer neue Erpressungen zunichte macht. JHer wir müssen unser Geschick mit Würde zu tragen suchen, so schwer es unS auch gemacht wird. Jedenfalls, .meinte der Reichskanzler, seien wir gut beraten gewesen, daß wir uns nicht in den russisch-polnischen Streit hin­einziehen ließen, obgleich es an Versuchen innen und außen nicht gefehlt hat. Er warne davor, dem Bol­schewismus in Deutschland den Boden zu bereiten und die bestehenden gesetzlichen Schranken zu verletzen. Tie -Negierung werde den Gesetzen Achtung zu verschaf­fen wissen. Diese an die Kommunisten und Unabhängi­gen gerichtete Mahnung, die alsbald heftigen Wider­spruch auf der äußersten Linken auslöste, war umso be­merkenswerter, als der Reichskanzler sonst streng jedes Wort vermied, wodurch der Parteistreit irgendwie hätte angereizt werden können.

Der Reichsfinanzminister Tr. Wirth hatte darauf die schmerzliche Pflicht, den Reichshaushaltplan im ein­zelnen darzulegen und zu begründen. Es würbe ihm nicht .leicht; betragen doch die Reichslasten nach sei­nen Angaben rund 320 Milliarden Mark. Der Frie­densvertrag von Versailles belastet unseren Haushalt al­lein mit 41 Milliarden und das wird noch viele Jahre so weitergehen, vielleicht noch schlimmer werden, denn wir wissen immer noch nicht, was der feindliche Ver­band uns für eine Kriegsentschädigung auferlegen wi.d.

- Unter dieser Unsicherheit leiden nicht wir allein, sondern das ganze wirtschaftliche Weibgetriebe. Die Hoffnun­gen auf Brüssel sind vollkommen gescheitert, sagte Dr. Wirth mir allem Nachdruck. Das Blutsaugcr- system des Verbands spottet aller Finanztechnik. Reichen doch alle Steuern des Reichs, der Bundesstaaten und der Gemeinden noch nicht aus, um nur die Bcsatzungskoften von 15^2 Milliarden im Jahr 1920 zu bestreiten. So weiden eben immer neue Steuern kommen müssen und fürs nächste . Jahr kündigte der Minister bereits eine solche von 4V» Milliarden an. Das mit Recht so beliebte Reichs--- notopfer abzuschaffen, daran ist gar nicht zu denken; im Gegenteil, es wird ein Rei chsnv top f er N r. 2 geben, mittels dessen versucht werden soll,die außerordentlich hohen Gewinne", die auf einigen Gebieten des Erwerbs­lebens in den letzten Monaten gemacht worden sein sol­len, zur Tilgung der Reichsschulden flüssig zu machen, ^-natürlich soweit diese fabelhaften Gewinne noch erreich­bar sein sollten. Im übrigen müsse der Fricdmsver- trag durch Waren und Arbeit abgearbeitet werden, wofür vom Reichswirtschaftsministeüum ein Plan ausgearbeitet wird, der auch die vielberusene Ar.beits- dienstpf licht enthält. Wir selbst müssen sparen, sparen bis zum äußersten, im Privatleben wie in der Staatsverwaltung. Darum ermahnt Tr. Wirth auch die Beamten, den Bogen der Göldsorderungen nicht zu überspannen. Mit dem Sparen ist es aber gegenwärtig ein eigen Ding. Daß ganz mächtig gespart werden sollle.

darüber besteht so leidlich Einigtest; sobald man aber die Frage aufwirft, wo man mit dem Sparen anfangen soll, da gehen die Meinungen gleich himmelweit aus­einander, 'gerade so wie bei den: berühmten Preis­abbau. Soviel darüber schon geschrieben, geredet und mehr oder minder sanftgehande.t" wurde, der Zok- kele mit den langen Spesen: will sich nicht zeigen. G nz natürlich:mit der Notenprcs se kann man dem Voll kein Brot aus dem Ausland schaffen", sagte der Reichs­finanzminister sehr rim ig. Und die Nutzanwendung: So­lange man im ganze,: Volk nicht m e h r arbeitet und so­lange die Notenpresse nicht weniger oder besser gar nicht mehr arbeitet, solange kann es auch keinen wirk­lichen Preisabbau geben. Aber von dieser Binsenwahr­heit will man nicht gerne hören.

Zwei Opfer des berüchtigtenKampfes für Frei­heit und Recht" und des Selbstbestimmungsrechts der kleinen Völker", jener verlogenen politischen Kunstkrmse der Entente, sind in dieser Woche ins frühe Grab ge­sunken. Ter jugendliche König Alexander von Griechenl and starb an dem Biß eines durch ver­brecherische Gifteitlimpsung tollwütig gemachten Affen, wie sein Arzt, der Pariser Professor Vidal, behängtet. Warum sollte man diesem unverdächtigen Zeugnis nicht Glauben beimessen? An der Zahl der Blutzeugen kann sich uns. re von den Redensarten wie Humanität, Pazifis­mus, Völkerverbrüderung usw. nur so triefende Zeit mir jedem. Abschnitt desfinsteren Mittelalters" oder desgrauen. Altertums" kecklich messen. In Griechen­land selbst sind die politischen Morde nichts Ungewöhn­liches. Auf den Vater Alexanders, den König Kon­stantin, war der vergiftete Dolch gezückt woären, ehe er Mitte 1916 durch die Umtriebe seines gewissenlosen Ministerpräsidenten Venizelos auf Befehl der Entente alsTeutschfreund" Konstantin ist bekanntlich mit der Schwester des Kaisers, Sofie, vermählt vom Throp gestoßen und mit seinem ältesten Sohn des Landes verwiesen wurde. Vor kurzem wurde ein An­hänger des Königs, der frühere griechische Gesandte in Petersburg, Tragumis, in Athen auf der Straße von Leibgardisten des Venizelos ermordet. Nach der Tat fuhren die Mörder in einem bcMtstehenden Auto, ^das das Wappen des Ad.mirals Konduriotis, des .Helfershelfers Venizelos', trug, davon; die einzigen Zeugen der Bluttat, eine Krankenpflegerin und ein Straßenverkäufer sind seitdem verschwunden.

In London starb als Märtyrer des irischen Freiheits- kampses der Bürgermeister Norm Cork, Mac SWi­lli ey, per von der englischen* Negierung unter per Beschuldigung, an einex eigenen irischen Regierung mit­gewirkt zu haben, mik^ einer Reihe hervorragender Ir­länder ins Londoner Gefängnis geworfen worden war. Vierundsiebzig Tage hat Swiney freiwillig gehungert, bis der Tod ihn von seinen Qualen erlöste. Auch Fitz­gerald und ein Dritter der Gefangenen sind fast gleichzeitig mit ihm den Hungertod gestorben, die übri­gen werden Nachfolgen, wenn sie nicht noch in letzter Stunde freigegeben werdem Es wird bei Swiney und seine:: Leidensgenossen gehen, wie bei ihrem Landsmann, den: deutschfreundlichen Roger Casement, der 1914 in Christiania auf Betreiben des dortigen englischen Gesandten ermordet werden sollte. Er floh nach Deutsch­land, wurde aber, als er wahrend des Kriegs nach Ir­land zurückkehrte, verhaftet und wegen Hochverrats in London hingerichtet. Damals wurde prophezeit, der tote Casemem werde für England viel unbequemer wer­den, als der lebend: je gewesen sei. Das hat sich be­stätigt. Die. irischen Nationalisten, die S: nn - F e iner, kennet: in ihren: Haß gegen das knechtende England keine Grenzen mehr und sie führen de:: ungleichen Kampf mit einen: verzweifelten Opfermut, der Bewunderung verdient, man mag über ihre Kampfesmittel sonst denken, wie man will. 50 000 Soldaten und ein Heer von Poli­zisten muß England aufbieten, und der Kampf wird nur immer wilder. Die Iren der ganzen Welt, besonders in Amerika nehmen leidenschaftlich Partei für ihre Volks­genossen im Mutterland und unterstützen sie mit Geld, von dem die englische Regierung erst dieser Tage durch Haussuchungeü große Summen in Irland hat beschlag­nahmen lassen. Wie stark die Bewegung in Amerika geworden ist, geht daraus hervor, daß der demo­kratische Präsidentschaftskandidat in den Vereinigten Staa­ten, Cox, in seinen Wahlreden sich offen für die irischie Sache eingesetzt und erklärt hat, ,er würde im Fall

keiner B?ahl unbedingt für du- Unabhängigkeit Irlands eintreten: Ist di.ses Programm auch in erster Linie daraus angelegt, die mächtige Erregung über den Tod Swineys anszunüpen und die irischen Waht- stimmen in Amerika einzusangen, so hcch der Vorgang doch auch seine politische Bedeutung und :n England ist * man darob mächtig verschnupft. Der tote Swiney ist für England viel gefährlicher, als es der lebende warst

Lloyd George macht die größten Anstrengungen, aus seiner verzwickten Lage mit einem mäßig blauen Auge herauszukommen. Ten Irländern gegenüber will er nicht nachgeben, er will vielmehr dem Unterhaus beweisen, daß. im Jahr 1918 zwischen den Iren und Deutschland ein gemeinsamer Angriff auf England verab­redet gewesen sei.' Aber den nicht minder gefährlichen Streik der Bergarbeiter möchte er vom Halse haben, um freiere Hand zu bekommen. Er hat sich zu neuen Verhandlungen mit den Gewerkschaftsvertretern be­reit finden und die geforderte-Lohnerhöhung zugestehen' müssen. Um den Rückzug zu verdecken, sollte die Gegen­bedingung der Steigerung der Kohlenförderung wenig­stens der Form nach angenommen werden. Tie Ge­neigtheit zum Frieden ist auch aus Seiten der Bergarbeiter vorhanden, denn sie finden in England selbst nicht die Untex/tütznng aller Gewerkschaften und das.' Unterhaus hat das Ausnahmegesetz gegen den Streik mit großer Mehrheit angenommen. Aber bezeich­nend für den englischer: Arbeiter ist M, daß er die Unterstützung des Auslands stolz ablehnt.- Ais aus Deutschland ein Sympathiestreik angebotcn'wur­de, erklärten die englischen Arbeiterführer, sie haben gar nicht daran gedacht, um die Unterstützung der Deutschen zu bitten. Nach den letzten Meldungen ist ein Uebereinkommen getroffen worden, das beiden Teilen Recht gibt. Die Arbeit soll am 8. November in den Gruben, die erst wieder instand gesetzt werden müssen/ allgemein ausgenommen werden.

Es war hohe Zeit, doch der wirtschaftliche Frieden wie-, derhergestellt wurde. Tie Schädigung Englands durch . de:: Streik geht nach deutschem Geld schon in die Mil­liarden. Tie Franzosen aber nützten die Verlegen­heit der Engländer zu ihren Gunsten weidlich aus. Durch allerlei Winkelzüge, mit Konfcrcn'en, Zwischenkonseren- zen und anderer: Jnstan' er: will Millerand die Deut- schen doch aus der Milwirkung bei der Festsetzung der Kriegsentschädigung hinausdrängen; diese soll der unter französischer Bevormundung stehenden Wiederherstellungskommisston und dem Obersten Rat Vor­behalten bleiben. Daneben hält Millerand an denStraf­bestimmungen" fest, für den Fall, daß die Leistungen Deutschlands nicht auss genaueste eingehalten werden.; Eingroßes Ercignis" nämlich die Besetzung des Ruhrgebiets soll jetzt schon in Vorbereitung sein. In Polen und Lithanen, in Oberschlesien schaltet und waltet der französische Einfluß nach Gutdünken und so wenig im Sinne der Engländer, daß selbst die Polen schon gegen England sich erheben und mit dem Aussagen der Freundschaft drohen. Daß vollends die englische Regie­rung durch einen schlauen Schachzug nämlich durch den Verzicht, mittels Beschlagnahme von deutschen Wa­ren oder Forderungen, die nach dem Waffenstillstand von 1918 in England ausgelaufen sind, für etwaige Nicht­erfüllung von Verpflichtungen des Friedensvertrags Strafe zg üben mit Deutschland eher ins Geschäft zu kommen sucht, als es Per französischen Säbelherr­schaft gelingen will, das hat die französische Galle auf­gerührt. So muß Lloyd George viel daran gelegen sein,' der inneken Schwierigkeiren sich möglichst bald zu entledigen, svnst ist Gefahr in Verzug, daß die franzö­sische Vorherrschaft auf dem Festland zum dauernden Schaden der englischen Interesse,» sich! zu einer euro­päischen Despotie entwickelt, gegen die es kein aus­reichendes Gegengewicht mehr gäbe, wenn Deutschland ihrer Willkür vollends ganz preisgegeben würde.

Reichstag.

Berlin,' 28. Okt.

Arg. Tr r>.dorn ('onsahrenof: Das Hauptziel der Diplomatie müsst- die Wieoerherstellung der Beziehungen unter den Mäch­ten Europa sei». Dann würden die Amerikaner bereit sein, dem geeinten Europa wieder anfzi,helfen. Leider komme bei der Besetzung der diplomatischen Posten im Ausland das Ira- tholischc Element nicht entsprechend zur Geltung. '-Der FchP