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Amtstlatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

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E«mmer 252 Fernruf 179.

Die rechte Arbeit.

- Wir kranken heute alle an dem Mangel einer rrch- kigen inneren Einstellung zu unserer Ar­beit Alle VockSschichten beharren in Gleichgültigkeit ge­genüber dieser Forderung, die uns einzig und allein wieder zu einem werteschassenden, rechtschaffenen und ehrlichen Arbeitsvolk machen kann. Tie Folgen der unseligen Verblendung machen sich allerorten geltend. Tas Schie- bertum ist nachgerade trotz aller Drohungen von oben fast die Regel des Erwerbslebens geworden. Wo man geht und steht, macht sich das widerliche Gezücht, das von Betrug und Diebstahl lebt, breit und verseucht die öffentliche Moral. Was helfen alle Dekrete der Regie­rung, was alle Steuermaßnahmen, wenn für ihre Durch>- sührunH nicht gesorgt und den Schiebern Zeit gelassen wird, rhre Beute dem Griff der Behörde zu entziehen. Anstand und Ehrlichkeit lassen siel) nicht dekretieren, auch Strafen treffen das klebet nicht an der Wurzel. Der Gcsundungsprozeß muß von innen heraus, beim Einzelnen, einsetzent Mag fein, daß durch eine scharfe Betonung des berufsständischen Prinzips, das nicht Stan­desdünkel und -Vorurteile nähren, sondern die beruf­liche Qualität der einzelnen arbeitenden Schichten er­höhen will, manchem abgeholfen werden kann. ^ Der einzelne Berufsstand hat feine zünftige Lauterkeit und Ehre und'wird immer berstebt sein,/sich unlautere Ele­mente vom Leibe zu halten. Aber eine wirklich alle Er­werbstätigen des Volkss ergreifende Wandlung zum Bessern muß immer Sache des Einzelnen bleiben. So selbstverständlich die Forderung auch fein mag, wieder ehrlich und anständig im geschäftlichen Leben zu werden, so unermüdlich muh sie durch Wort und Beispiel wie­derholt werden.

Tie richtige sittliche Einstellung zur Arbeit» die sie in erster Linie um des Werteschaffens, in zweiter um des Lohnes willen verrichten läßt/ wird dann ganz von selbst alle jene Antriebe auslösen, die eine Erhöhung der Leistung, eine Verfeinerung der geschaffenen Werte, «ine organische Neuordnung des gesamten Arbeitspro­zesses in sozialem Sinne und mit ihr jene seelischen Werte, die Glück und Freude des Werktätigen bedin­gen, wieder herbeiführen. Wir sollten endlich einsehen lernen, daß die materialistische Grundauschauung der Vorkriegszeit den inneren Zusammenbruch herbeige- führt hat, der dann in und nach der Revolution unauf- s hültsam auf alle Lebensäußerungen unseres Volks Über­griff und im Lohnkampf, in der Lebenshaltung und im "gesteigerten Genußleben an den Tag trat. ,

Arbeit ist und bleibt in erster Linie die Freude «m Schaffen und Äerteerzeugen, in weiter Linie *i» Mittel zum Lebensunterhalt. Das heißt beileibe dicht, sie hätte mit der Selbstverleugnung, die die gei­stigen Arbeiter bisher geübt haben, und mithin unter den Schlitten gekommen sind, sich der berechtigten Forderung nach Entgelt zu enthalten. Sie soll v'elwehc unter allen Umständen dem Werktätigen ein sicheres, sorgen­freies Dasein verbü gen: a ber sie mu gelohnt wer­den nach materiellen nno sittlichen Gehalt, der durch sie erzeugten Werte. Die Arbeit kann noch so automatisch «mgsordnet sein, irgendwo greift der denkende und der . fühlende Mensch in ihren Eiang ein. Es ist,' um grob stnnlich zu reden, als ob die Willens- und Gesühlsrcgun- tzen des Erfinders oder Konstrukteurs sich der roten Ma­terie der Maschine einverleibt hätten. Der Arbe.ter dreht «inen Bolzen, von dem er weiß, daß er an einem be­sonders wichtigen Punkt in das Getriebe eingesetzt wird und von seiner pünktlichen Ausführung unter Umständen das Leben von Mitmenschen.abhängt. Das Gefühl der Mitverantwortung wird der mechanischen Arbeit des Drc- h«ns doch einen ganz anderen sitt ichen Gehalt verleihen ulS der Gedanke, man dreht um des Lohns willen.

Maurer, der an einer Talsperre arbeitet, sollte uicht übersehen, daß niit jedem Stein, den er fügt, Land upd Menschen von Wassersnot befreit oder bewegende Kräfte wachgerufen und Tausenden Arbeit und Brot ge- geben werden. Und wenn die Lokomotive die Werl all ^Uäßt, das Schiff vom,Stapel gleitet, darf jeder ,Land­hunger das Bewußtsein haben, daß seine persönliche Lei- wmg auch in Arbeit und Verdienst für unzählige von Volksgenossen sich umsetzt.

§ine derartige innere Anteilnahme am Werk der Hände Wd des Geistes bringt gerade mit dem Bewußtsein der

W >' 1 äbsä, fieiwg, äen 29. Oktober 1920. Fernruf 179. 64. Kbrgemg

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Verantwortung Glück und Freude an der Leistung mit sich und hebt sic weit hinaus'übcr die enge Schranke der reinen Lohnmache, in die Welt der sittlichen Tat. Arbeit wird erst dann wieder die Menschen adeln, wenn sie sie um ihrer selbst und der durch sie erzeugten Werte willen tun. Damit werden dann auch die engenden. Schranken, die Standesdünkel und Klassenbewußtsein auf­gerichtet haben, verschwinden und der Geist der Zu­sammen g e h ö r i g k e i c aller Werktätigen, Kopf- und Handarbeiter, "zusammenführen in einer auf sozia­lem Denken und Schaffen beruhenden Arbeitsdemvkratie. Führer muß es immer g^ben, und die Kopfarbeit wird in ihren Wirkungen stets gegenüber mechanischer Leistung einen höheren Wert besitzen; aber beide sollten im Ge­fühl gegenseitiger Zusammengehörigkeit als Organe der werteschaffenden Arbeit sich die Hände reichen. Ihr Ver­hältnis darf nicht nur auf den Geist der lieber- und Un­terordnung aufgebaut, sondern muß von hem sozialen Gedanken der Einordnung in das gemeinsam ver­richtete Werk durchdrungen fein.

Mit solcher Verinnerlichung der Arbeit wird auch wie­der die Ehrlichkeit znrüclkehcen, denn die Arbeit er­fordert ein gutes Gewissen. Heute allerdings ist das Diebsgewerbe ein.starker Faktor im Erwerbsleben geworden. Wer aber das Schieber- und Schlelchhändler- tum dadurch fördert, daß er es in Nahrung setzt, um eini­gen Entbehrungen oft ia nur Ui'llegüenuis ke en zu entgehen, macht ficb mistchnld'g an der sittlichen Ver­kommenheit unseres Bocks. Aran wende nicht ein, das sei wirtschaftliches Muckertum. Tie kaufmännische Ehre, die dem unbeschriebenen Gesetzbuch des läuft simplen An­stands angcyörte, ist kein loser Begriff, der in der Praxis jeweils selbstsüchtigen Zwecken langepaßt werden darf, son­dern sie stellt einen Faktor von sehrn realem Wert dar. Sie ist nicht zuletzt ein "Gradmesser für unsere nationale Einschätzung-im Ausland, und die Klagen, die in letz­ter Zeit über Unzuverlässigkeit der deutschen Lieferan­ten aus dem Ausland eintrafen, sollten uns die Augen hierüber öffnen. ... / . -- ..' z.-

lp ' Das deutsche Eigentum in England.

. Die Mitteilung eines Berliner Korrespondenten, daß eilte Londoner Erklärung bevorstehe, wonach England auf das im Versailler Vertrag erhaltene Recht verzichte, im Fäll einer absichtlichen Nichterfüllung der Entschä­digungspflicht, sich an deutschem Privateigentum schad­los zu halten, entspricht, wie dieFranks. Ztg." aus London erführst mit starken Einschränkungen den Tat­sachen. Der Schritt bedeutet ein tcilweises Anfgeben der bekannten Zusatzbestimmung des Friedensvertrags, jedoch ist die wichtige Erläuterung Notwendig, daß nur das nach Wiederaufnahme das Handelsver­kehrs von deutscher Seite exportierte Eigen­tum oder neu entstand ellr^ . B änkgnthab e n in Betracht kommen. Ausgeschlossen von dem Ver­zicht bleibt das im Krieg beschlagnahmte Privatgut. Die dringend erforderliche Freigabe des letzteren steht leider anscheinend nicht in nächster Aus­sicht. Der Zweck des obengenannten Verzichts ist die Erleichterung des Handelsverkehrs, der durch die Gefahr der Konfiskation ständig beunruhigt würde. ''

Die französische Regierung erhebt in einer halbamtlichen Erklärung imJournal des Tebats" gegen den Beschluß der englischen Rigicrung Müderspruch. Tas Londoner Kabinett habe den-Bvtschaftnrrat durch sei­nen Vertreter in Paris von der getroffenen Entschei­dung und der der . deutschen Regierung gemachten Mit­teilung in Kenntnis gesetzt. Es sei deshalb sehr wahr­scheinlich, daß der Botschafterrat in einer seiner näch­sten Sitzungen mit der Frage befaßt werde. Er werde zu prüfen haben, ob her Schritt der britischen Regie­rung rechtlich begrünoet sei und er werde auch die Folgsn dieser Entscheidung, indem er sie in den allge- meinen«Rahmen des Friedensvertrags und in das durch den Friedensvertrag vorgesehene Sysücm der Zwangs­maßnahmen stelle, abzuwägen haben.

DerMatin" sagt, der Beschluß b>edeute einen' Ver­zicht auf gewisse durch den Frieden-Vertrag sestgelegte Zwangsmanßahmen gegen Deutschland ohne Zustimmung der Verbündeten und sei geeignet, England zum Schaden der übrigen Verbündeten Handelsvorrechte mit Deutsch­land, zu schassen. Das war ja allerdings die eng­lische Absicht,ImTen,rps".wird,, wohl auch ans amt-.

'liche Veranlassung, daraus hingcwies'cn, daß man in Deutschland das englische Vorgehen als eine Absch.oächnng des Versailler Friedensvertrags betrachten werde, die eine Aenderung des Vertrags überhaupt ermögliche. Und das zu gleicher Stunde, wo in Berlin die deutsche Bankiertagung Pättsinde, aus de,, betont wurde, daß der Frieden, so wir er heute ist, auf die Tauer nicht, bleiben tönne; zur gleichen ScuUda, wo in Hannover auf der Tagung der Deutschnationalen Velkspartei.dw Revision des Friedensvertrags gefordert wird!

DerPetit Parisien" schreibt, da- Vorgehen Englands sei eine Verletzung ves Friedensvertrags, weil es ohne Mickcilung an die anderen Unterzeichner auf einen Teil der vorgesehenen Zwang-mastnahmen ver­zichtet hat. Andererseits sei das Abkommen von San Remo verletzt worden, das bestimme, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausführung des Friedensvertrags sicher zu stellen; nur unter dieser. Bedingung habe sich. Frankreich bewegen lasten, vor der festgesetzten Frist die von Deutschland zu zahlende Entschädigungssumme fest-, setzen zu lassen. Das Bmtt glaubt, daß durch das eng-, lisch« Vorgehen die anderen Alliierten zu einem gleichen Vorgehen veranlaßt werden könnten. Wenn man den, " Handel und die englische Schiffahrt keine Vorz.g-stellnng Deutschland gegenüber einnehmen lassen wolle, so müsse - man schon diesem Beispiel folgen. " i ch

' Ter LondonerEvcniug Stand" hebt demgegenüber hervor, die englische Regierung habe bereits im De- I zember v. Js. bekänntgegeben, daß deutsche Eigentums-, rechte, die nach Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen erworben worden seien, der Beschlagnahme nicht unter-, liegen. Tie neueste Entschließung der englischen Regit-, i rung gehe noch weiter. ^ Tas -sei hauptsächlich auf die, immer dringender werdenden Vorstellungen der eng­lischen Jntercssenkeclse zurückzuführen. Daß die Be-, ftimmnngen des Versailler Vertrags, soweit, sie sich auf England bezogen, aufgehoben worden seien, sei Haupt-, sächlich geschehen, um die Räder des englischen Han-, dels zu ölen. Einsichtige Persönlichkeiten des franzö-, fischen Handels würden es gerne sehen, wenn die fran­zösische Regierung in dieser Beziehung dem Beispiel! Englands folgen würde, das xin Scheit, vorwärts auf dem Weg der Wiederherstellung normaler Wirtschafts­beziehungen in Europa sei. s

Neues vom Tage.

Verhinderung des deutsch.« Flugdienstes durch, Frankreich. »

Berlin, 28. Okl. LautBerliner Tageblatt" ist eine neuerliche Verzögerung des Luftdienstes Frankl rtBa­sel eingetreten, da, einer Erk.ärung der Badiz m Luft­schiffahrtsgesellschaft -in denBaseler. Nachricht.m". zu­folge, die französische Negierung jede Landung deutscyer Flugzeuge verboten hat. Auch der Deutschen Luftree- derxi, die während der Frankfurter Messe Reiseflüge ans­geführt hat, wurden von den französischen, Behördenf- Landungen verboten. . ll . ll

Lerond amtet wieder.

Benthen, 28. Okt. Ter- französische General Le- rvnd hat die von deutscher Seite gewählten Ver­treter für den paritätischen Beirat in Oppeln, den Land­rat Brockhansen-Tarnowitz (Deutsch-National) und den Schulrat Schcponik-Myslowitz (Zentrum), mit der Be­gründung ab gelehnt, daß sie Beamte seien.

Dienstentlassung von Offizieren./

Dresden, 28. Okt. Ter Minister des Innern hat zwei Offiziere der Landessirhcrheitspolizei sofort entlas­sen, weil sie angeblich in Verbindung mit der Organi­sation Escherich in Chemnitz stehen. Die Untersuchung soll sich anscheinend auch gegen reu General Senfft v.-Pilsach richten.

Kampf gegen das Vuchcrturn in Bahern.

München, 28. Ott. Tie bayerische Regierung-gibt in einem Aufruf an das bayerische Volk bekannt, daß sic sich gezwungen sehe, die Strafen gegen Schieber und Wucherer bis "znm Erlaß cnlsprechendcr reichsgesetz- liche.r Vorschriften durch einstweilige .Anordnung be­trächtlich zu eryöhen. Derjenige, der sich schnöder Ge­winnsucht schuldig oder aus dieser Straftat ein Ge­werbe macht, oder die Versorgung der Bevölkerung mit Gegenständen des täglichen Bctzarfs erheblich gefährdest