(Enztalbote)

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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

N

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 233

Fernruf 179.

Die Wirkungen von Spa aus die deutsche Wirtschaft. .

lieber die Wirkung des Abkommens von Spa für den Monat August lieipm jetzt amtliche Zahlen vor, die dent-'- lich erkennen lassen, daß, wenn auch infolge davon, daß die Industrie in der Zwangslage in großem Umfang zur Verwendung von minderwertigem Ersatz für die Stein­kohlen übergegangen ist, rein mengenmäßig eine große Aenderung nicht ersichtlich ist, doch diese Umstellung des Betriebs ans minderwertige Ersatzbrennstoffe fich in den kommenden Wochen in empfindlichster Weise fühlbar ma­chen wird. Vielfach hat sich die Industrie mit Vorräten ans früheren Zeiten behelfen können. Auch die sinken­den Wirtschaftsverhältnisse haben ein Sinken des Koh­lenbedarfs zur Folge. Aber diejenigen Industrien, die nicht einfach Holz, Torf und Rohbraunkohle verfeuern können, sondern auf hochwertige Kohle angewiesen find, sind übel daralp weil die Menge dieser Kohlen, die ans nach den Lieferungen an die Entente verbleiben, in erster Linie für Eisenbahn und Schiffahrt, Gas- und Elektrizitätswerke Vorbehalten werden muß.

Tie Eisenbahn hat im August knapp das erhalten können, was sie braucht: 1191000 Tonnen. Bunker­kohle syr^dic Binnenschiffahrt und die Seefischerei konnte nur in geringem Maße gcliefe-t werden, fodaß viele Dampfer still liegen. Dampfer nach Amerika müssen von dort die. Kohle für die'Fahrt nach Deutschland and die halbe zurück mitbringen. Tie Gasanstalten sind niit 7580 Prozent ihres Kontingents beliefert worden; die größten haben nur 30 bis 60 Prozent er­halten können, was zum Teil auf die Unruhen in Ober­schlesien zurückzuführen ist. Tie Folge ist, daß die Re­servebestände bereits in großem Umfang haben ange­griffen werden müssen. Die Elektrizitätswerke hatten viel mit Betriebsschwierigkeiten zu kämpfen. Selbst Kraftwerke, die nahezu auf der Kohle liegen, haben vor­übergehend den Betrieb einstellen oder Sparstunden ein- iuhren müssen. Tie Stickstoffindustrie hat eine Einbuße von 14 Prozent Steinkohlen, die Farbwerke und Sodafabriken von 30 Prozt. Steinkohlen und 14 Prozt. Koks, die Holzverkohlungsindustrie von 28 Prozent Stein­kohlen und die Mineralölindustrie von 41 Prozent Stein­kohlen und 29 Prozent Koks zu verzeichnen. 19 Betriebe haben den ganzen Monat stillgelegen, 62 mehr als 8 Tags», 11 Betriebe weniger.

Das Fehlen der Kohle hat auch bereits eine starke Ver­sandung des Nordost fee kan als Zur Folge, was bereits Schiffe mit 8 Meter Tiefgang (im Frieden über 11 Meter) (zwingt, zu leichtern. Aus diesem Grunde liegt in Hamburg ein amerikanischer Sechsmastsegler seit Wo­chen schon mit Koks für Skandinavien fest. Tie In­dustrien von Stein und Erde haben einen Ausfall von 20 Prozent erlitten, wobei die Zement- und Kalr- lndustrie und die Ziegeleien bereits vielfach minderwertige Steinkohle verbrauchen. Tie Glasindustrie ist nur mit 50 Prozent gegenüber Mai beliefert worden, die Scha­motte-Industrie mit 60 Prozent, die Porzellanindustrie mit 50 Prozent. Tabei wurden diese Industrien bereits auf 30 bis 60 Prozent ihres Friedensverbranchs kontin­gentiert. ^ ,

Besonders schwer leidet die Textilindustrie, die genügend Rohstoffe hat und deren Erzeugnisse dringend, gebraucht werden. Sie ist im August mit 21,3 Prozent Rnhrkohle, 10,7 Prozent schlesische Kohle und 18 Pro­zent böhmische Kohle geringer gegen Mai beliefert wor­den, Tie Hamburger Lederindustrie erhielt 30 Prozent weniger Steinkohle'und 36 Prozent weniger Koks. Die mitteldeutsche Papierindustrie ist bereits vorwie­gend auf Braunkohle eingestellt. Sie erhielt im August 295 Tonnen Steinkohle gegen 1570 Tonnen im Mai. Die in: westlichen Kohlenrerncr liegenden Papierfabriken muß­ten dagegen zum Teil wochenlang stilliegen ^odcr den Betrieb einschränken. Tic K a lii ndn stri e ist mit 40 Prozent weniger beliefert worden.

Sehr trübe sieht die Zukunft in der Eisenindu­strie ans. Tie Stahlwerke haben 12 bis 15 Prozent weniger Kohle erhalten und den Betrieb stark einschrän- ,keu wüssen. Tie Kupferhütten, die Gasflammkohle brau­chen, haben einen Ausfall von 46 Prozent erlitten, die Siegerländcr Eisengrnben von 30 Prozent. Lebenswich­tige Betriebe der weiterverarbeitenden Eisenindustrie, für die eine VorLuasanweifuna aeaeben war. konnten nur

Milädscj, vonnerslsg, äen 7. Oktober 1920.

mit 47,7 Prozent beliefert werden, gegenüber 82,3 Pvo> zent im Mai. Selbstverständlich muß mit dem sorten- mäßigen Rückgang in der Belieferung der Industrie auch eine solche der Leistungsfähigkeit Hand in Hand gehen, und da damit auch die Erzeugung sinkt, so wiro auch dw Möglichkeit der durch den Friesen von Versailles geforderten Wiederherstellung stark in Frage gestellt.

, Tie Minderbeliefernng im August 1920 gegenüber Juli 1920 (Koks auf Kohle nmgerechnet) verteilt sich nach der Franks. Ztg." wie folgt:

Reine Industrie rund 312 300 Tonnen

Elektrizitätswerke «und 43 600 Tonnen

Gaswerke rund 107 400 Tonnen

Nichtstaatlichc Bahnen rund 2 600 Tonnen

Staatsbahnen rund 318100 Tonnen

Hausbrand (geschützt!) rund 100000 Tonnen

Zusammen: 884 OM Tonnen. ,

Fernruf 173.

54. Isbrgsng

Das Ergebnis der beiden letzten Jahre.

In derFranks. Ztg." schreibt der Abgeordnete Kon- rad Hanßmann n. a.:

Ten Mißständen, die uns in die Mißwirtschaft zu drängen drohen, müssen wie offen ins Auge sehen. Tu Negierungsgewalt ist aufs äußerste geschwächt. Tie Fi­nanz- und Währungswirtschaft ist anarchisch. Das Heei ist aufgelöst. Von Zwangslage in Zwangslage gezwängt, hat die Autorität moralisch bis heute noch nicht neu aufgebaut werden können. Mit der äußeren Macht fehlt vielen Behörden das Vertrauen. Tie Zentralgewalt hat :s schwer, di? einzelnen Länder zu führen, und Bayern, >em Frankreich schmeichelt, leistet einer unklaren Neu- stiederungstendenz moralischen Vorschub, Preußen konnte in diesen Jahren zu keiner Dezentralisation kommen und Ampft mit dem Reich einen stillen Kampf um die Macht rnd die Verwaltung. Tie Bestechlichkeit hat in den be­setzten Gebieten bei den fremden Funktionären, aber auch n Deutschland Angenommen. Ter Handel arbeitet zu :in,cm Bruchteil mit Schmiergeldern. Tie Industrie hat ach vielfach von ihren soliden Gebräuchen entwöhnt,, in- )em sie nicht mehr kalkuliert, sondern multipliziert, wozu )as plötzliche Emporschnellen aller Preise verführte. Tie virtfchaftliche Unsicherheit, welche die Arbeit entwertet ind die Spekulation auspeitfcht, ist das Kennzeichen der Nachkriegszeit in allen Ländern geworden. Wertlose Ver- iandskonferenzen, Warschau und Oberschlesien erhöhten wn katastrophalen Druck, und die ruinierte deutsche Va­luta registrierte den unerhörten Tiefstand.

Aber es wäre trotz alledem das Verderblichste, dem Fatalismus untätig das Feld zu räumen. Manches ist n Deutschland weniger schlimm geworden, als es zu verden schien: Tie Arbeitslust hat sich wieder erhöht. Die Welle des Bolschewismus hat sich abgeschwächt. Der Aberglauben des Rätesystems läßt nach. Ein Teil der iozialcn Aenderungen hat sich eingelebt. Das Belriebs- Rtegesetz hat nicht ruinierend gewirkt. Tie deutsche Han- velsbilanz war ttn April und Mai 1920 aktiv (aber rur dadurch, daß man die Leistungen an den Verband ln die Ausfuhr einrechnete, bemerkt dazu dieFranks. Ztg."). In Brüssel haben einige fremde Finanzpoliti- !cr lichte Augenblicke. Deutschland hat im ersten Jahr ine Verfassung geschaffen, die sich im zweiten einlebte. Deutschland hatte die Energie,. Steuergcsetze zu schaffen. Die nationalem Abstimmungen im prenßif'hen Osten ind in Schleswig haben auf den bedrohtesten Posten >ie Kraft des deutschen Nationalbewusstseins erhärtet. Tas iieich selbst hat diese Zeit überstanden, ohne zu zer­rissen. Tie deutschenNaturschätze" der angewandten Wissenschaft und Technik und der ansdau.rvden Arbeits- ntelligenz sind unverloren.

Aber eine Führung des öffentlichen Geistes muß in )en nächsten zwei Jahren stärker einsetzen, alH es in wm zweijährigen Chaos der .Hoffnungen, Traditionen, Enttäuschungen und Leiden möglich war. Führung auch von den Sachverständigen. Industrie und Hendel haben widerspruchsvoll operiert. Bank und Finanzwelt haben in der Wirtschaftskrise vielfach alle Steuerung vermissen lassen. Tie Führung durch die Regierung muß ver­langt und ermöglicht werden. Deutschland braucht eine stnheitliche Einstellung seiner Staatsmänner. Tie näch­sten Forderungen sind: Handelsverträge und in ernatio- naler Patentschutz. Abschnürung der Abwickelnngsämtei und Kricasaesellschasten ohne Hinterlassung neuer Brut­

stätten. Befreiung von der Zwangswirtschaft mit Aus­nahme von Getreide und Milch. Erweiterung der Aus­fuhr und Einfuhr unter einer Aufsicht von Selbstver- cvaltungskörpern und Oberaufsicht des Staats. Rasche Durchführung der Steuergesetze unter teilweiser Verein­fachung und Milderung von Zweckwidrigkeiten. Ein-, schränknng der Valutaschwankungen. Zu den Mitteln gehört auch die öffentliche Aechtung der Spekulation aus den Tiefstand unserer Währung und das Verbot dieser Spekulation von seiten deutscher Banken.

Tie auswärtigen Beziehungen müssen in den Mittel­punkt der Politik, aber nicht der Diskussion gestellt wer­den. Ter Völkerbund ist ohne Deutschland ein lebender Leichnam. Für uns ist die größte Aufgabe der nächste^ Ereignisse die Abstimmung in Oberschlesien. Die Sucht Frankreichs nach einem Vorwand, das Ruhrgebiet zu besetzen, zwingt zur höchsten Wachsamkeit der deutschen Politik. Untersozial arbeiten" müssen wir verstehen: die Existenzbedingungen der Arbeiter zum Ausgangs­punkt der Wirtschaft und industriellen Kalkulation zu ma­chen. Eine weitere Stufe der Sozialisierung ist ohne Schädigung der Produktivität in den Jahren der Not nicht erreichbar. »

Zur Geschäftslage. ^

Tie Leitung der Boschwerke in Stuttgart teilt in der letzten Nummer ihrer WerkzcitungDer Bosch- Zünder" ihren Arbeitern mit, daß sjch die allgemeine Geschäftslage allgemein verschlechtert hat. lieber die Wirkung auf den Betrieb sagt sie u. a.: So viel können wir jetzt schon sagen, daß erstens neue Aufträge auch nicht annähernd mehr in dem Umfang eingehen, um unsere Werke damit weiterhin voll beschäftigen zu kön­nen, und daß ferner von unseren Kunden, die alle unter der gleichen Absatzstockung leiden (wie z. B. die Daimler-Motoren-Gesellschaft), aus diesem Grund die Zahlungen für unsere Lieferungen nur sehr langsam eingehen und vielfach ganz stocken. In gleichen: Mäß müssen auch wir unsere Lieferer Hinhalten, die mir zudem erst befriedigen können, wenn wir die laufend zur Lohn-, Gehalts- und Unkostenzahlung nötigen großen Beträge zurückgestellt haben. Ties hat selbstverständlich zur Folge; daß damit auch wir unsere Lieferer, die doch ebenfalls ihre Betriebsangehörigen laufend auszahlen müssen, in die gleichen Schwierigkeiten bringen, in die wir von unseren Kunden gebracht werden. Daß. die allgemeine Absatzstockung bei uns, unseren Kunden und der ganzen übrigen Industrie, besonders auch im Weltmarkt, von den zu hohen, nicht mehr wettbewerbsfähigen Preisen rührt, das ist schon so oft gesagt und belegt worden, daß es darüber nichts Neues mehr zu sagen gibt. Um nicht zur Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitern schreiten zu müssen, soll, wie berlli^ mitge­teilt, bei Bosch die wöchentliche Arbeitszeit ans 32 Sinn, den verringert werden. 1

Neues vom Tage.

Betriebseinstellnng. ^

Berlin, 6. Okt. Sämtlichen Angestellten und Ar­beitern der zum Verein der Westdeutschen Eisenbahn- gesellschaft zugehörigen Unternehmungen ist ans 1. Ja­nuar 1921 gekündigt worden, weil die Betriebe wegen Unremabilität nicht mehr dnrchgehaltcn werden können. München, 6. Okt. Hier verlautet, der französische .Gesandte Tard, der sich zurzeit in Paris befindet,! werde durch eine andere Persönlichkeit ersetzt werden.;

In München soll eine Volksabstimmung über' Gemeiudeneiiwablen cnigelcitet werden, um die sozial­demokratische Nathausmehrheit, die trotz der entgegen­gesetzten Ergebnisse der letzten Landtagswahlen nicht zu- rnckgetreten ist, zu beseitigen.

Wahlvorbereitung in Oesterreich.

Wien, 6. Okt. Tie kommunistische Partei in Deutsch- Oesterreich hat beschlossen, für die Neuwahlen zur Na­tionalversammlung an: 17. Oktober keine Inden und keine Studierten als Kandidaten ausznstelscn.'

Kein Schutz in Kärnten. ,

Wien, 6. Okt. Die Botschafterkoinerenz in Paris hat den Antrag Oesterreichs, zum Schutz der Abstim- muvq in Kärnten Verbandstrnppen zu verwenden, alM-