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(Enztalbote)

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Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 221

Fernrrpf 179.

Wilöbud, vonnerstug. 6en 23. Septemder 1920.

Fernruf 179.

34. lellu-MNC!

Frankreichs Kohleuüberflntz.

I» Spa wurden alle übrigen Fragen auf Frankreichs Wunsch und Druck zurückgcstcllt, weil Frankreich zunächst die deutschen Kohlenlieferungen erpressen wollte, ohne die es nach seiner Behauptung sein Wirtschaftsleben nicht auf­recht erhalten konnte? Diese Erpressung ist unter den bekannten Begleitumständen geglückt. Die Deutschen wur­den bezüglich der- übrigen Vereinbarungen auf die Kon­ferenz von Genf verwiesen, deren Zustandekommen Frank­reich dann unter offenem Wortbruch vereitelt hat.

Inzwischen hat sich schnell herausgestellt, daß Frank­reich in Spa seine Verbündeten und uns Deutschen mit seiner Kohlcnrechnung hinters Licht geführt hat, so­wohl was den Gesamtbedarf wie auch was die Einzel- Posten betrifft, von denen z. B. Frankreich kurz nach seiner Beteuerung in Spa, die nordfranzösischen Gruben seien auf lange Jahre hinaus noch betriebsunfähig, selbst bekannt gegeben hat, daß diese Gruben bereits wieder in befriedigendein Maße zu fordern begonnen haben. Was aber Frankreichs angebliche Gesamtkohlennot betrifft, so war derPetit Parisien" vor einigen Tagen in der Lage, geradezu verblüffende Ziffern über den Kohlen­überfluß mitzuteilen, dessen sich Frankreich als einziges europäisches Land inmitten einer allgemeinen, teilweise sogar wirtschastsgefährlichcn Kohlennot erfreut. DerPe­tit Parisien" verdankt diese Ziffern dem am besten, unterrichteten Mann, hlem französischen Arbeitsmini­ster Trocgue. Sie sind inzwischen auch von anderer Seite bestätigt worden und können nicht bezweifelt werden.

Während in Deutschland, Oesterreich und Italien und auch in neutralen Ländern kein Tag vergeht, ohne daß große Jndustriewerke wegen Kohlenmangels geschlossen und täglich erneut Tausende von Arbeitswilligen arbeitslos werden, während in Deutschland wegen Kohlenmangels auf 20 Ziegeleien des Jahrs 1914 nur noch etwa eine in Betrieb erhalten werden kann und die übrigen ans Abbruch verkauft werden, während dadurch bei uns das Gespenst der Wohnungsnot noch auf Jahrzehnte hinaus alle Möglichkeiten der Entwicklung bedroht und keine Hoffnung auf die Wiederkehr geordneter Aufwärtsent­wicklung aufkommen läßt, füllt inzwischen Frankreich seine Hamsterlager mit Kohlenmassen, die das menschenarme Land nicht braucht und nicht verbrauchen kann. Einige Ziffern sind dafür bezeichnend. Während die französi­schen Eisenbahnen im Januar ein Kohlenreservelager von 180 000 Tonnen besaßen, hatten sie Ende August den riesigen Ueberschuß von 800 000 Tonnen aufgestapelt. In Deutschland müssen inzwischen die wichtigsten Züge wegen Kohlenmangels aus dem Fahrplan gestrichen wer­den. Während bei uns selbst in den Kohlenbezirkcn Gas­sperrstunden und polizeiliche Lichtbeschränkungen beibe­halten werden müssen, beträgt die Kohlenreserve der Pariser Gasanstalten, die 1919, ohne dasft man^ den Verbrauchern Beschränkungen vorschreibcn mußte, 2.1000 Tonnen betrug, plötzlich jetzt mehr als 900 000 Tonnen! Die Seinepräfektnr hat ihre Kohlenreserve von 60 000 Tonnen im Vorjahr jetzt fast verdreifacht. Während bei uns bei den Zuwendungen an die Dreschmaschinen in ver­hängnisvoller Weise mit jedem Zentner gefeilscht und ge­spart werden mußs könnte die französische Regierung der Landwirtschaft schon im August 370 000 Druschkohle zuweisen.

Tie Frage, warum Frankreich Kohlen hamstert, unter­sucht nun der frühere Reichsschatzminister Gothein. Er geht von der Feststellung aus, daß Frankreich diesen Koh- lenüberschnß, dem es dein darbenden Deutschland ent­zieht, nicht verbrauchen kann. Er übertrifft den Vor­kriegsbedarf des Landes, und Frankreich kann nicht damit rechnen, seine Industrie auf die Vorkriegsbeschäf- tigung wieder zu erheben. Denn dem schon früher men­schenarmen Land fehlen 1400 000 Kriegsgcfallene und es hat eine nach Hnnderttansende zählende Schar von Kriegsbeschädigten. Dazu unterhält es unter allen Mäch­ten weitaus das stärkste Heer und entzieht durch dieses abermals Hunderttausend« der werteschafsenden Arbeit. Außerdem hat sich während des Kriegs die Arbeitslust in Frankreich ebenso wenig wie anderwärts gehoben, sondern der französische Arbeiter ist noch fauler ge­worden, als er im Vergleich mit andern Ländern schon früher war. Kohlen ans längere Frist zu lagern, ist nn teures Geschäft, denn abgesehen von Zinsvcrlust und Transportkosten büßt die Kohle, namentlich die Gas-

- kohle, durch das Liegen an Wert ein. Daher ist es Grundsatz, nur eine bestimmte, nach dem Bedarf berech­nete Kohlenreserve auf Lager zu halten. Wenn'Frankreich diesen Grundsatz so offensichtlich verläßt, so muH kK be­sondere und zweifellos nicht durch Nnrtschaftliche, son­dern durch politische Erwägungen gebotene Gründe haben.

Gothein kommt zu dem Schluß, zu dem auch sehr... andere Sachverständige gelangt sind: Diesx Kohlenauf- hänfung gehört (wie auch die Heeresvermehrung statt Abrüstung) zu den französischen Kriegsvorberei­tungen. Frankreich sucht es in Oberschlesien zum Auf­stand zu treiben. Wird uns die oberschlcsische Kohlen- zusuhr gesperrt oder auch nur empfindlich verhindert, so schwillt bei uns die Arbeitslosigkeit zur Katastrophe. Dann sind wir außerstande, das SPa-Abkommen zu erfüllen. Auf diesen Augenblick lauert Frankreich, um das Ruhrgebiet au sich zu reißen.

Besetzt Frankreich das Rnhrgcbiet, so wird der Ge­neralstreik der Bergleute die Antwort, sein und ihm würde der Streik im Saarbecken, vielleicht sogar der Sympathiestreik der englischen Bergarbeiter folgen. Frank­reich aber glaubt, der europäischen-Wirtschaftszerrüttung, die dann folgen würde, umringt von den Bajonetten seines verstärkten .Heers und thronend auf dem Haufen der von Deutschland erpreßten Kohle, eine Weile beruhigt und vielleicht gebi-'end zu ' n zu können.

Die Auffassung Gotheine begegnet sich mit der eng­lischer, und italienischer Beurteiler. Gerade die Weige­rung der Franzosen, über die Kohlenverteilung mit sich! reden zu lassen, hat in Italien den Franzosenhah schüren helfen, den das Abkomm m zwischen Millerand und Gio- ^ litti nicht aus der Welt geschafft hat. ' s

! Eupen und Malmedy.

j Im westlichen Test des Regierungsbezirks Aachen lie- l gen zwei kleine Vecwaltungskreise, auf die Belgien schon v lange ein begehrliches Auge geworfen hatte, weil ihr ) Waldreichtum der belgischen Kohlenherren ein willkomme- ' ncr Ausbeutunosgegenstand zu sein dünkte: Eupen

> und Malmedy, an deren Zugehörigkeit zum Reich nur verbissene Raublust haßerfüllter Feinde einen Zwei­fel hegen kann. Ter Kreis Eupen gehörte bis zum Frieden von Luneville zum österreichischen Herzogtum

^Lixrburg, die ehemalige Benediktinerabtei Malmedy war reichsunmikelbar; infolgedessen war es ein- geschichtlich wohlbcaründete Entscheidung, daß diese Kreise in den beiden Pariser Frieden von 1814 und 1815 dem preu­ßischen Staat'zugesprochen wurden. Diese Verbindung soll nur: durch den Versailler Schandvertrag dnrchschnit- j len werden. Nach Artikel 34 dieses berüchtigten Schrift­stücks hat Deutschland zugunsten Belgiens auf alle Rechte und Ansprüche, auf das gesamte Gebiet von Eupen und k Malmedy Verzicht leisten müssen. Aber die Herren Frie- j densmacher wollten beileibe keineVergewaltigung" der i 60 000 Bewohner dieser Kreise. Der schnöde Raub an ? deutschem Land sollte verbrämt werden durch eine feier- ; lieheAbstimmung". Ten Kreiseingescssenen wurde- s tigst gestattet, sich schriftlich darüber zu äußern, ob sie l freiwillig Deutsche bleiben oder zwangsweise Belgier wer- j den wollen. Indes dieses scheinbar freundliche Ent- s gegencommcn wurde in sein Gegenteil verkehrt, indem ! die Entente der belgischen Regierung dft Leitung j der Befragung der Bevölkerung in die Hände legte. Belgien "als Leiter der Abstimmung hat nun alsbald nach Unterzeichnung des FriedenZvertrags dieBewirt­schaftung" von Eupen und Malmedy vorgmommen. Mit welcher planmäßigen Rücksichtslosigkeit, mit welcher Nie­dertracht es dabei verfahren ist, darüber legen die No­ten der deutschen Regierung an den Rat der Entente Zeugnis ab, davon klingt es auch aus Seiten des deut­schen Weißbuchs heraus, das dem Völkerbund kürzlich c überreicht wurde, darüber wird im Reichstag beweg- j lichc Klage geführt. Tie Bewohner der beiden Kreise ; haben eine fürchterliche Leidenszeit durchgemacht. Jeder, 1 der sich deutscher Gesinnung verdächtig machte, wurde ? aufs elendeste schikaniert. Entziehungen von Lebensmit- . telkartcn waren an der Tagesordnung. Leute, die offen ; ihr Deutschtum bekannten, wurden ausgewiesen. Ms die

> schwer gepeinigte Bevölkerung gegen die Vergewaltignn,, ihres völkischen Daseins im April in den Generalstreik eintrak, erfolgten Aussperrungen und Verhaftungen durch die belgischen Besatzungsbehörden. Und als alle dixse

Gewaltmittel, die einem Alba- Ehre geinacht ten, nichts fruchteten, wurden die Bcsatzungstrnpven.verstärkt. wur­den von den Belgiern neue Maschineugewehrabtellnngen in die beiden Kreise gelegt. Trotz all dieser bitteren ' Drangsale war aber der gesunde deutsche Geist der Be­völkerung nicht unterzukriegen. Ter Kreistag von Mal- , medy hat einmüllg die Losreißung von Deutschland ver­urteilt. Bei einer voic deutscher Seite bewerkstelligten Umfrage erklärten sich, im Kreise Malmedy, aus den Dörfern 7000, in der Stadt 12 OM Personen für Deutsch­land, während nur kümmerliche 400 für Belgien stimm­ten. Aber die belgische Wut.raste weiter und erzeugte ühlicßlich durch die unheimliche Tauer ihrer Tätig .eit eine dumpfe Gleichgültigkeit, eine gefühlslose Ab­gestumpftheit, und so erreichte es schließlich die heldische Regierung, daß sich von den 30000 Stimmberechtigten der beiden Kreise nur 272 in' die Abstimmunbslisten eintragen ließen. Bon diesen 272 aufrecht gebliebenen hat aber dann die Mehrheit die Heimat verlassen, weit eben die Quälerei der Belgier unerträglich geworden war.

Mit diesen: Ergebnis glaubte Belgien vor dem Völker­bund seine Ansprüche ans die beiden deutschen Kreise rechtfertigen und begründen zu können. Tie deutsche Regierung versuchte es mit dem letzten Mittel, mit einem eindringlichen Anruf an den Völkerbund selbst. Ter hatte ja nach dem Friedensvertrag das letzte Wort zu sprechen und seinem Urteil hatte sich auch Belgien zu fügen. Air die früheren zehn Noten anknüpfend, hatte sich die Reichsleitung in einer elften Note über die vollkom­mene Vertragswidrigkeit der Art und Form der Volks­befragung energisch beschwert; gleichsam zur eingehenden Begründung dieses Notschreis gegen völkische Vergewal­tigung hatte sie in einem Weißbuch siebzig Zeugenaus­sagen und Zuschriften zusammen gestellt und beim Völker­bund gleichfalls eingereicht.

Ter Macht dieser erdrückenden Beweise hat sich der Rat des Völkerbunds nicht zu entziehen vermocht. Er hat die von der belgischen Regierung aufgemachte Volks­befragung nicht anerkannt, er hat vielmehr angeordnet, daß ein besonderer Ausschuß den deutschen Beschwerden nachgeht und seststellt, ob das Recht der Selbstbestimmung nicht irgendwo durch belgische Eingriffe verkümmert wor­den ist. Tie belgischen und französischen Blätter waren über dieses allerdings überraschende Zeichen von Sach­lichkeit und Objektivität beim Völkerbund derart vor den Kopf geschlagen, daß sie fürs erste dessen Entscheidung ihren Lesern glatt unterschlagen haben. Tie erste Kennt­nis von dem uns günstigen Urteil des Völkerbunds ver­mittelte derNew Port' Herald".

Wenn mau aber d u Pariser Meldungen glauben darf, so hat der Völker, aiwsrat unter Vorsitz des Franzosen Leon Bourgeois doch noch dem Raub von Eupeil und Malmedy zu ge stimmt; er nahm, wie die Mel­dung besagt,von-dem Ergebnis der Abstimmung end­gültig Kenntnis". So konnte -auch die belgische Re­gierung die Beflaggung der öffentlichen Gebäude im Land anordnen. Das Unglaubliche, Unerhörte wäre dennoch wahr geworden? Tann wird es wohl niemand mehr in Deutschland gelüsten, einem solchen Völkerbund anzngehören.

Paris, 21. Sept. Havas meldet: In-seiner gestri­gen öffentlichen Schlußsitzung wies der Völkerbundsrat die deutschen Proteste wegen der Volksabstimmung in Eupen und Malmedy zurück und anerkannte endgültig den Uebergang dieser Bezirke an Belgien. Sollte derNeu Uork Herald" wirklich seine Meldung erfun­den haben, oder ist im Völkerbundsrat etwas vorgegangen, daß er seinen ersten Beschluß wieder umstieß?

Das Programm der Bayer. Volkspartei.

' Auf der Tagung in Würzburg hat die Bayer. Volks- Partei (Bayer. Zentrum), die unter Führung des Dr. Heim steht, folgendes Programm ausgestellt: t ' Die Partei hält am Deutschen Reich unverbrüchlich fest. Sie erblickt in der söderalisti s ch en Verfassung, wie sie vor der Revolution bestand, die einzige Bürg­schaft des Wiederaufbaus.. Sie fordert daher u. a.:

Die bundesstaatliche Darin des Reichs und ^>ic Wie­dereinführung eines dem früheren Bundesrat gleichwertigen Or­gans der Staaten. f

Das Recht der einzelnen Staaten.; ihre Staatsform und Staatsverfas'fung selbst zu bestimmen.

Keine weitere Beeinflussung der Selbständigkeit der Staaten durch neue Gesetze und Verordnungen.