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Nummer 216
(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
für das obere Enztal.
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad
Fernruf 179.
Deutschlands wirtschaftliche Zukunft.
Ter Vorsitzende des Reicbswirtschaftsrats Edler Von Braun veröffentlicht über dieses Thema im letzten Aeft des „Grenzboten" beachtenswerte Darlegungen. Er betont, daß wir seit Jahr und Tag von dem Kapital des Volksvermögens gelebt haben und daß eine Wirtschaft, die fortlaufend steigende Verschuldung bringt, nicht weiter gehen kann; zugleich aber, daß volle, rücksichtslose -Offenheit und Klarheit die Voraussetzung einer Besserung ist. Vor allem müsse Deutschland sich die Staatsverwaltung so einrichten, wie es einem völlig verarmten Volk geziemt. ,,Davor kann uns das Gebäude der jetzigen Steuergesetzgebung nicht schützen, die Einnahmen vorzaubert, die im Dauerzustand nie zu erzielen fein würden, wenn auch überall beste Steuerwilligkeit bestände, weil sie durch Vernichtung der Betriebsvermögen die solide Wirtschaft selbst unterbindet und nur das Schie- bertum leben läßt. Man muß also vor allem entschlossen an die Umgestaltung dieser Steucrgesetze Herangehen."
Neben dieser Wahrhaftigkeit gegenüber uns selbst sei aber die gleiche Haltung auch gegen unsere Feinde notwendig:
„Ich" sage init Vorbedacht Feinde, weil ich den Vertrag von Versailles niemals als einen Friedensvertrag ansehcn kann, sondern mir als ein Dokument der Sklaverei. Unsere Regierungen versichern, daß sie den Vertrag von Versailles erfüllen wollen. Ich halte das nicht für richtig. Der Vertrag kann nicht erfüllt werden,: weil »'Unmögliches verlangt. Und selbst das an sich Mögliche könnte nur erreicht werden, wenn man das deutsche Volk in dauernder Schuldknechtschast hält. Kann eine deutsche Regierung ernsthast erklären, daß das ihre Absicht ist? Nein, man muß endlich mit diesen Fiktionen,', die man der Kriegswut unserer Gegner zulieb aufgerichtet hat, Schluß machen. Man muß in voller Offenheit und Klarheit zum Ausdruck bringen, daß wir diesen Vertrag nicht erfüllen können.
Unter Bezugnahme auf das Zeugnis des englischen Gelehrten Kehn es, mit dem Braun als Vertreter der Regierung in Spa und Brüssel oft verhandelte, bezeichnet er den Vertrag von Versailles als eine ,.rechtswidrige Nötigung, weil sie sich gegen einen Vertragschließenden richtete, der sich im Vertrauen auf feierliche Abmachungen wehrlos gemacht hatte". Braun fordert, daß die Bestimmungen des -Versailler Vertrags weit mehr bekannt werden, um die Ueberzengung von seiner sittlichen und wirtschaftlichen Unmöglichkeit allgemein zum Durchbruch zu bringen.
Tie Forderung, den Vertrag von Versailles so abzu- ändcrn, daß er wirtschaftlich für uns erträglich wird, setzt freilich voraus, 'daß das deutsche Volk auch in der eigenen Wirtschaft die Folgerungen ans der Lage zieht, und nicht ein Scheinleben weitcrsührt, das allem anderem eher als dem Dasein eines Verarmten gleicht. Unser Aufwand im öffentlichen undchrivat.m kleben.stehe im schreienden Gegensatz zu der wirklichen Klage und setzte uns dem Vorwurf unserer Gegner aus, wir wollten uns absichtlich in die Unmöglichkeit versetzen, unsere Schulden zu bezahlen. Das sei zwar im Hinblick auf den Schciuwert des Papiergelds, mit dein wir unser kleben fristen, nur ein Trugschluß, aber trotzdem müssen wir auch diesen Schein' vermeiden, wenn wir unfern berechtigten Ansprüchen Gehör verschaffen wollen. Und wir müssen vor allem auf ihn verzichten, wenn wir zur inneren Gesundung unserer Wirtschaft kommen wollen.
Dafür die Wege zu finden, müßte die erste Aufgabe aller wirtschaftlich Einsichtigen, vor al.em d's Reichswirtschaftsrats sein. - Finanzkrife und Wirtschaftskrise seien so eng ursächlich verflochten, daß sie nur im Zusammenhang lösbar seien. Solange nicht untere Währung auf eine haltbare, unveränder.ichc Grundlage gestellt sei und der Staat sich ein Steuersystem schaffe, das einen klaren Ueberblick der Belastung gestatte und den Betrieben die Existenzmöglichkeit lasse, sec jeder Versuch einer Gesundmachung unseres Wirtschaftslebens v.er- -gebens.
Die Zwangsanleihe.
Wie Berliner Blätter zu berichten wissen, soll für die Zwangsanleihe zur Befestigung der schwebenden Reichsschuldcn ein Betrag von mindestens 50 bis 60 Milliarden in Aussicht genommen sein. Nach dem Fach
Milähsä, freilsg.. äen 17. September 1920.
Fernruf -179.
54. ^gbrgsng
blatt „Bank" betrug Ende des lebten Geschäftsjahrs 191.9 die Summe der bei Banken hinterlegten privaten Gelder (Depositen) 35 Milliarden Mark (Ende 1913 4 Milliarden), wovon 17 bis 18 Milliarden, nach anderer Schätzung 25 Milliarden allein bei den siebeil Berliner Großbanken in Neichsschatzwechseln angelegt waren. Tie amtliche Denischrist über die Zahlungsfähigkeit Deutschlands für die Wiedergutmachung (veröffentlicht in dem Buch „Was kann Deutschland leisten?", Verlag von Reimar Hobbing in Berlin) sagt, daß'" am 31. März 1920 fast 50 Milliarden Schatzanweisuugen des Reichs in anderen Händen als denen der Reichsbank waren. Das Privatkapital ist also für die Unterbringung der schwebenden Schulden des Reichs benutzt worden. Nicht allein die Depositengelder bei den Großbanken sind in dieser Weise zinsbar angelegt worden, sondern auch die bei den vielen Provinzbaukeu, Sparkassen, Genossenschaften, Versicherungsgesellschaften usw. Was von diesen Stellen an schwebender Schuld nicht ausgenommen werden konnte, ist in der Form von Banknoten und Darlehnskasscnscheinen als.z insloses Darlehen beim Volk untergebracht. Diese Reichsschatzwechsel wären nun in erster Linie zu der Zwangsanleihe heranznziehen, was zunächst zur Folge hätte, daß die Banken sich wieder ganz ihrem.eig-nt!ichen Tätigkeitsgebiet znwen- den könnten. Das gesamte Wirtschaftsleben hätte den Vorteil davon. Allerdings wäre damit auch eine Verminderung der Zinscinnahmen der Banken verbunden,
die sich für die Banken und die Angestellten zunächst unangenehm bemerkbar machen würde. Mein aus den 17 oder 18 Milliarden Depositengeldern in Reichsschatz- wechfeln fließen den sieben Berliner Großbanken bei einem Zinssatz von rund 4 i/z Prozent 750—800 Millionen Marl zu, wovon ein Drittel den Depbsitengläubigern zusällt. Um ihren Besoldungsetat aufrechtzuerhalten, wären die Banken gezwungen, sich anderweitige Einnahmen zu verschaffen, was aber wohl schwierig sein dürste, wenn man berücksichtigt, daß die Unkosten 1919 sich ans rund 420 Millionen und die Dividenden auf rund l20 Millionen, zusammen also 540 Millionen Mark beliefen, das ist soviel wie der auf die Banken entfallende Zinsanteil aus den Reichsschatzwechseln. Im Jahr 1920 werden die Unkosten erheblich höher sein.
Diese Rücksicht darf natürlich nicht hindern, die Zwangsanseihe dnrchzuführen, wenn daraus für das Reich ein besonderer Vorteil herausspringt. Tie Frage, ob die Zwangsanleihe für die Reichsfinanzen einen tatsächlichen Gewinn bringt, Niird von dem Zinsfuß abhängen, mit dem sie ausgestattet wird. Bei 5prozeutiger Verzinsung, wie sie die Prämienanleihe hat, dürfte für das Reich selbst nach Abzug der lOprozen- tigcn Kapitalcrtragssteuer durch die Umwandlung der bei den Banken und anderen Geldinstituten ruhenden Neichsschatzwechjel in eine Zwangsanleihe kein großer Vorteil mehr sich ergeben.
Der polnische Geheimplan.
Berlin, 16. Sept.
Ter deutsche Bevollmächtigte für den Abstimmungsbezirk Oberschlesicn hat dem Vorsitzenden der Verbands- kvwmissron in Oppeln, General Lerond, am 14. September eine Note überreicht, in der gesagt wird, daß die deutsche Regierung im Besitz von polnischen Operatious- pläneu und organisatorischen Anordnungen sei, die einen neuen Beweis für die Absicht einer gewaltsamen Besetzung O b ers ch les i en s durch eine geheime polnische Kampforgnuisation erbringen. Darnach sei. das gesamte Abstimmungsgebiet in Bezirke gegliedert, die 74 Kreise umfassen. Jeder Kreis verfügt mindestens, über eine Sturm- und eine Maschinengewehr-Zehnerschaft, an die sich Jufauterie-Zehnerschaften gruppieren. Am 11. Juli 192.0 zählte diese Organisation 11 736 Köpfe. Daneben bestehen als in die Kreise eingegliederte Hilfsorganisationen, die sogenannten Sokols. Zu ihnen gehört auch der Verband der Haller-Truppen, der anfangs Juli bereits 2000 Mann umfaßte. Tie Leitung der gesamten Organisation befindet sich bei dem obersten Kommando, das auf polnischem Boden in Sosno- wice seinen Sitz hat und dem die Verständigung mit den polnischen höberen Behörden obliegt. Ausgabe der Organisation ist, sich des Hauptindustriebezirks mit den Kreisest Tarnowitz, Beutheu, Hindenburg, Kattowitz und Pleß zu bemächtigen-. Insgesamt wurde Mine Juli
hierfür rund 10000 ""kann gerechnet. In enger Verbindung hiermit steht ein Aufmarschplan, nach dem auf polnischem Boden bereitgestellte Streitkräfte sich zu gegebener Zeit des gesamten Abstimmungsgebiets bemächtigen sollen. Zum Schluß weist die Note darauf hin, daß ein schweres Verhängnis, für das die Verbandskommission die Verantwortung tragen würde, von dem Abstimmungsgebiet nicht mehr abzuwenden sei, wenn die polnischen Vorbereitungen nicht unterdrückt würden. Bei der Polnischen Regierung, der Friedenskonferenz und dem Heiligen Stuhl, den Kabinetten in London, Paris und Rom seien die erforderlichen Schritte unternommen worden. _
Neues vom Tage.
Das sozialistische Agrarprogramm-
Berlin, 16. Sept. Das vor Jahren schon in Angriff genommene Landwirtschaftsprogramm der Sozialdemokratischen Partei soll dem Parteitag in Kassel nunmehr vorgelegt werden. Als Ziel wird in dem Programm die Sozialisierung der „reifen" land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verlangt.
Kassel, 16. Sept. Oberbürgermeister Scheidemann sprach sich in Wer sozialdemokratischen Versammlung gegen den Wiedereintritt der Sozialdemokratie in die Regierung aus. Die kommenden Monate werden Lebensmittelnot, Wohnnngselend, Frost im Hanse, Arbeitslosigkeit und Elend auf unabsehbare Zeit bringen. Tie Sozialisierung des Bergbaus müsse bald durchge- sührt werden.
Gegen den deutschen Eisenbahnerverband.
Berlin, 16. Sept. Nach dem „Lokalanzeiger" werden die Reichsgewerkschaft der Eisenbahner und der Allgemeine Eisenbahnerverband der Kontrollkommission betr. die Munitionstransporte beitreten, um der Diktatur des Deutschen Eisenbahnerverbands und den radikalen Elementen unter den Eisenbahnarbeitern entgegen- zwvirlen. ' '
Die Knappschaften!
Nürnberg, 16. Sept. Gestern fand hier der Ge-, nossenschaftstag der deutschen Knappschaften statt. Es wurden 2 2/4 Millionen Mark Darlehen zur Erweiterung von Krankenhäusern bewilligt. Ter Bctriebsstock wurde um 15 Millionen erhöht: die Rücklage hat den Betrag von 111 Millionen erreicht. Die Versicherungspflicht für Betriebsbeamte wurde bis zur Gehaltsgrenze von 35 000 Marl erhöht. Aus der Versammlung wurden Bedenken gegen die Sozialisierung des Bergbaus ausgesprochen. Arbeit ohne Nutzen.
München, 16. Sept. Die Fürtyer Industriellen haben sich nach dem „Munch. N. Nachr." bereit erklärt, für die Dauer der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit ohne Nutzen zu arbeiten, ihre Unkostensätzc ans das denkbar niedrigste Maß zurückzuschrauben. für acht bis zehn Wochen Entlassungen hintanzuhalten und die beschränkten Arbeitstags nicht auszudehnen; und zwar, was die Berechnung be« trifft, unter Ueberwachung von Unterausschüssen, in de« wen Arbeitnehmer und Verbraucher.sitzen. Dafür fov« dcrn die Industriellen u. a. billigeres Nutzholz aus! Staatsforsten, billigere und mehr Kohlen, sofortigen Preisabbau für Leim, Erwerbslosenfürsorge zugunsten; der örtlichen Industriellen. ^
Verhaftung. !
Halle a. S., 16. Sept. Der Gründer der Ortsgruppe, der U. S. P. D. in Themar (Meiningen), Wolf, ist verhaftet worden. Er befand sich bereits im Besitz eines Auslandspasses, um fliehen zu können. ;
Streik. z
Saarbrücken, 16. Sept. Infolge von Lohnstreitig- keiten sind die Belegschaften der Gruben Altenwald und-' Jägersreude in den Ausstand getreten. ,
Die Abstimmung in Kärnten.
Laibach, 16. Sept. Die Volksabstimmnngskommission für .Kärnten hat entschieden, daß die Gendarmerie und die jugoslawischen Truppen, die die Abstimmung zugunsten der Slawen beeinflussen sollten, ans dem ersten Abstimmungsgebiet entfernt werden müssen. Die flowe- nisthe Landesregierung hat beschlossen, zum Protest zn- rückzntretcn.
Das neue Ministerium in Tschechien.
Prag, 16. Sept. Das nme Ministerium ist bereits
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