UM

(Enztalhote)

MN

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

WM

kricbeint tSglicb, ausgenommen 5onn- u. feiertags, kerugspreis monatlicti Mk. 4.S0, vicrteljäbrlick I3.Z0 krei ins Haus geiietert; äurck die polt bezogen im innerdeuticben Verkebr Mk. 13.S0 und 90 k>kg. k>olt- bekteilgeid.

Anzeigenpreis: äie einspaltige petitreile oder deren kaum 50 pfg., auswärts 60 pfg., keklamereüen 1.50 Mk., bei größeren /iuflrägen kabatt nacb Larik. äcbiuö der ^tnreigenannabme: täglicti 8 Ubr vor­mittags.

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 211

Fernruf 179.

Miläbsd, ZäM5sgg, äen II. Zeptemben 1920.

Fernruf 179.

54. )x>firggng

Sonntagsgedarrken.

Herbsttage.

Nun kommen jene stillen, klaren Tage: kleine weiße Wolken am Himmel, siesgrüne weite Wiesen und Hügel­höhen in der Ferne mit braunrotem Schimmer in den Bäumen . . . die Gärten alle aber noch im Sommer- festschmuck roter Rosen und bunter Astern, umhütet von großen bienumflogenen Sonnenblumen. Tie Schwalben nur, die noch vor ein paar Tagen so laut die Luft durchzwitschert und so froh, sind fort, und da und dort steht halb verdorrt ein Strauch am Weg. Wir aber wollen, wenn es nun kalt wird und rauh, was uns der Sommer gab an Schönem, still mit. nach Hause nehmen und uns dran freuen und es hüten, damit es durch die Wintertage uns einen neuen Mai entgegentrage!

' Flaischlen.

Wochenrundschau.

Ter Generalstreik in Württemberg ist am 5. Sep^- tember nach lOtägiger Tauer beendet worden. Er war rein politischer Natur, eineEtappe in der großen pro­letarischen Revolution", wie der kommunistische Führer des Aktionsausschusses Hörnle sich ausdrückte. Schon aus diesem Grunde war der Generalstreik von Anfang an verloren, zumal em großer Teil der Arbeiterschaft selbst dem Streik interesselos gegenüberstan5. Tie Re­gierung wußte die große Mehrheit des Volks hinter sich, wenn sietem Streik entschieden entgegentrat, dabei aber klug sich nur auf die kräftige Abwehr des Angriffs beschränkte. Der Streit ist vorüber, er soll vergessen sein. Er wäre von großem Nutzen und kannte zur Wiedervereinigung viel beitragen, wenn seine Lehren be­herzigt wurden auf beiden Seite». Materiell hat er freilich nicht wenig Schaden gebracht. Ten Lohnaus­fall wird man im ganzen auf mindestens 20 Millionen Mark veranschlagen können und den Wert dessen, was nicht erzeugt wurde, also auch verloren ging, vielleicht auf ebenso viel.

Auch derSteuerabzugsstreik" in Hanau und T üs- teldori ist für die Streikenden verloren. Auch dort, ist die Lehre teuer erkauft. .Es muß aber sestgestellt werden, daß Ausschreitungen, von einzelnen unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, weder in Württemberg noch in Hanau vorgekommen sind, woraus man wohl schließen darf, daß die durch den langen Krieg, die Hungerjahre und die Aufregung der Staatsumwälzung -bedingte Ge- Aütserschütterung unseres Volks wieder einem normalen Zustand Platz zu machen beginnt.

Man hat in der letzten Zeit von einer Nebenre­gierung gesprochen, die sich aus Anlaß der Ueber­wach ungd er Waffentransp-orte durch Deutsch­land einzurichten getrachtet habe. Gemeint sind die For­derungen der Eisenbahner, jeden Transport von Waffen oder Munition zu überwachen und, sofern der Verdacht bestünde, daß die Sendung für Polen als ein kriegführendes Land bestimmt sei, im Sinne der deut­schen Neutralität zu verhindern. Sofern sich die Ueberwachung in diesen Grenzen hielt, ist gewiß nichts dagegen einzuwenden, denn die Eisenbahner sind am ehe­sten in der Lage, von verdächtigen Sendungen Kennt­nis zu bekommen: nur darf die Ueberwachung nicht bis zur eigenmächtigen Transportverhinderung oder gar Zerstörung der Sendung gehen, wie es z. B. in Erfurt geschehen ist, wo eine Million Gewehrpatronen der Ver­bündeten in die Lust gejagt wurden, Von verdächtigen Sendungen soll vielmehr der Regierung Kenntnis ge­geben werden, die die Entscheidung zu treffen und die Verantwortung zu tragen hat. Tie Reichsregierung hat doch allemal, wenn der Uebereifer für dieNeutralität"

, zu Verwicklungen mit dem Verband führt was so häufig der Fall gewesen ist in letzter Zeit, die Suppe auszulöffeln. Und sie sagt nicht mit Unrecht, daß es auch eine Neutralitätsverletzung ist, wenn Waffentrans­porte verhindert werden, damit man Rußland nütze. Ter Reichsverkehrsminister Grüner hat nun mit den Eisenbahnern bestimmte Vereinbarungen über ihre Ueber- wachungsbefugnisse getroffen; die. Beteiligung politischer Parteien als solcher ist- dabei unter allen Umständen ausgeschlossen. Damit ist aber auch jeder Schein der Nebenregierung" beseitigt und die Ueberwachung in den Rahmen eingesügt, der für die Durchführung der Neu­tr alität Linsi cbtlich der Waffentranspo rte wünschenswer t

ist. Auf diese Weise werden sich am'ehesten die uns nur immer neuen Schaden bringenden Reibungen mit dem Verband beseitigen lassen. An der überaus demütigen­denSühne" für den leidigen Zwischenfall in Bres­lau könnten wir für lange Zeit genug haben; zwar hät die französische Regierung ans der langen Reihe ihrer Bedingungen wipngstens die fallen lassen, daß der Reichskanzler selber in persönlichew Besuch beim französischen Botschafter um Verzeihung bitte, aber der Reichsminister des Aeuhern Simons und der preu­ßische Minister des Innern Severing mußten ihren Knix machen.

Aus der Sozialisierungskommission wurde mitg.Wilt, daß es mit der Sozialisierung des Kohlen­bergbaus nunmehr ernst wird. Ein Gesetzentwurf ist in diesem oder im Anfang des nächsten Jahrs zu er­warten. Tie Kohlengruben sollen innerhalb 30 Jahren um einen verhältnismäßig billigen Preis von den bis­herigen Besitzern abgelöst werden und in das Eigentum der Allgemeinheit, die durch einen Kohlenrat ver­treten wird, übergehen. Nach den Vorschlägen der Kom­mission wird der Grubenbesitzervereinignng (Syndikat) der Kohlenverkauf und die Preisbestimmung entzogen, die Besitzer werden nur noch die obersten Betriebsleiter unter Aufsicht des Kohlenrats sein. Ob die Vorschläge der Sozialisierungskommifsiou im Einzelnen das Nichtige treffen, wird tue Zukunft leb-m, wenn die Koh­len und aus. das muß die 'Sozialisierung hinaus- laufcn billiger Wörden oder nicht. Jedenfalls muß verhütet werden, daß statt des Unternehmers der Händ­ler obenauf kommt. Sonst kämen die Verbraucher vom Regen in die Dachtraufe.

Auch die Zwangsanleihe ist angekündigt, die seinerzeit statt der mißglückten Prämienanleihe schon vor­geschlagen war. Der Reichsfinanzminister braucht das Gelo rasch, sonst muß er immer mehr Papiergeld druk- ken lassen und die Teuerung müßte znnehmen, trotz allen Preisabbaus". Denn die hohen Preise sind die un­mittelbaren Folgen der Riesenmengen wertlosen Papier­gelds. Die Vermögensabgabe durch das Reichsnotopfer wiro bei der Veranlagung zur Zwangsanleihe bis zu einem gewissen Maß berücksichtigt und zur Beteiligung an der Anleihe wird außerdem niemand gezwungen sein, dessen Vermögen nicht eine bestimmte Höhe hat. Es wurde davon gesprochen, daß nur Vermögen von 20 000 Mark an aufwärts in steigendem Prozentsatz! herangezogen werden sollen, doch läßt sich etwas Siche­res noch nicht sagen, da die Regierung sich.vorläufig in Schweigen hüllt und es Noch ungewiß ist, wie der Reichs­tag, der das entscheidende Wort Hai, sich dazu stellt. Im übrigen ist die Zwangsanleihe harmloser, als^ ihr Name, jedenfalls besteht ein großer Unterschied zwischen ihr und dem Reichsnotopfer. Denn beim Reichsnot­opfer wird das Vermögen weggeholt, auf Nimmerwieder­sehen, bei der Zwangsanleihe wird die Abgabe vom Reich verzinst und spater wieder heimbczahlt. Durch Kursrück­gang können ja in der Zwischenzeit ebenso wie bei der' Kriegsanleihe Verluste entstehen, die im Interesse des Ganzen hinzunehmen sind. Ans diesem Grund wird allerdings bei der Veranlagung zur Zwangsanleihe mit großer Vorsicht und Umsicht vorzugchen sein und es werden alle sozialen und wirtschaftlichen Momente wohl erwogen werden müssen. Man denke nur an die Re n t- ner, die nach früheren Begriffen vielleicht ein ganz respektables Vermögen besitzen, die aber bei der durch die heillose Papierwirtschaft verschuldeten Geldentwertung tatsächlich verarmt sind.

Wenn also das Reich nicht etwa Bankrott machen sollte, dann ist die Zwangsanleihe wohl noch das beste Mittel, dem Geldbedarf abzuhclfen und der Notcndrucke- rei Grenzen zu setzen. Ten Bankrott zu vermeiden, hat aber das deutsche Volk zum großen Teil selbst in der Hand. Wir müssen akb eiten, Werte schaffen, und wir müssen sparsam sein. Keinesfalls dürfen bei uns Experimente gemacht werden, wie sie gegenwärtig die M etal larbeiter inItalien probieren. Schon vor dem Krieg hatte man in Italien, obgleich dieses Land weder Eisen noch Kohlen besitzt, die Metallindustrie künstlich großgezogen aus rein kapitalistischen Grün­den. Während des Kriegs war sie vollends über­mäßig entwickelt worden und die Arbeitslöhne erreichten eine außerordentliche Höhe. Bald nach Kriegsende kam der Rückschlag. Kohlen und Eisen sind knapp und teuer, ohaleiL Italien nach dem FllLdenZLett.ran fünf Jahre

<«

lang eine ganz errlcaucye ;uvywnmeng'e von Teutfch- land erhält.' Die italienische Metallindustrie kann auf dem Weltmarkt nicht mehr mitkommen. Die Industriellen wollten miun ihre Betriebe einschränken und einen Teil der Arbeiter entlassen. Diese wehrten sich dagegen und triebenObstrurtiock", d. h. sie behinderten die Be­triebe planmäßig. Als dann die Industriellen Aussper­rungen Vornahmen, besetzten dje Arbeiter die Fabriken, umgaben sie mit Stacheidraht und stellten Wachposten mit Maschinengewehren usw. auf. Die Betriebe sollten nach bolschewistischem Muster von Betriebsräten ge­leitet werden. Beinahe alle Metallsabriken in ganz Italien sindkommunisiert", die Bewegung hat auch auf* andere Gebiete wie Schiffswerften, Eisenbahnbetriebs­werkstätten usw. übergearifseii, Aber bald zeigte es sich, daß diese Betriebsweise unmöglich ist. Zwar wurden die anfangs weggejagten Betriebsleiter und Ingenieure wieder beßgeholt und zur Mitarbeit geznmngen, um we­nigstens technisch die Betriebe sortsühren zu können, aber die Rohstoffe und die Betriebsmittel gingen ans, auch wurden bei der zunehmenden Arbcitsunlnß die Lei­stungen immer gering-r und jetzt steht die ganze Metall­industrie Jkdlieus vor dem Zusammenbruch. Tie Judustrielleu wollen nur unterhandeln, wenn die Fabri­ken zuerst freigegsben sind, die Arbeiter machen eine weitere Lohnerhöhung zur Bedingung. Die Regierung istneutral", d. h. sie tut nichts, in der Annahme, daß die Entscheidung in diesem Kampf zwischen Kapital und Arbeit von selbst so falten werde, wie es recht und natürlich sei. Sie wäre bereit, ans Metallwaren so hohe Einfuhrzölle zu legen, daß dabei die 'geforderte Lohnerhöhung herausspringen würde, die- bekannte Politik, ein Loch zu verstopfen, indem man ein anderes aufreißt, denn die anderen Staaten würden die ita­lienischen Zollerhöhungen natürlich mit Gegenmaßregeln beantworten. So steht Italien, das sich noch nicht von den Landarbeiterunruhen erholt hat, in einer neuen wirtschaftlichen Erschütterung schwerster Art,'die seine ohnehin kranke Valuta bedenklich beeinflußt, die Be­schaffung von Kohlen und Eisen vom Ausland dadurch noch teurer macht und den Wettbewerb aus dem Welt­markt erst recht gefährdet. Zudem wurde das Land in den letzten Tagen wieder durch ein starkes Erd weben, besonders in der Provinz Toskana, heimge- sncht, das viele Tausende des Obdachs beraubt hat und die auch in Italien herrschende Wohnungsnot noch empfindlicher macht. Ein Unglück kommt selten allein.

Die englischen Gewerkschaften tagen in Portsmouth. Sie stehen mit der Regierung ^lohd Georg es auf Kriegsfuß. Obgleich die Gewerkschaften in England ihrer Bestimmung nach ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen der m ihnen vertretenen Ar­beiterschaft wahrzunehmen haben, während die politische Vertretung der Arbeiterpartei nnällt bisher ist die Scheidung ziemlich- streng eingehaltcn worden, hat sich der Gewerkschaftskongreß diesmal eingehend mit der inneren und äußeren Negierungspolitik beschäftigt, und kaum ein gutes Haar an ihr gelassen. Vor allem wurde die schwankende, im Grund feindselige Haltung gegen Sowjetrnßland und die brutale Unterdrückung Irlands angegriffen. Ter beabsichtigte Streik der Bergarbeiter, der zunächst noch verschoben worden ist, würde bei dieser Sachla,ge wohl auch bald ein politisches Gesicht be­kommen, wenn er zur Tatsache würde. Vermittlungsver- handlnngen mit der Regierung haben sich zerschlagen. Die innere Lage in England scheint kritisch zu sein; nach außen ist sie es nicht weniger. Trotz, aller gegen­teiligen Beteuerungen ist das V e r h ä l t n i s z u F r a n k- reich gespannt. Die ewige Wandlung Zloyd Georges ..ringt die englische Politik in eine schiefe Lage und festigt die Stellung Millerands. Das Verhalten der Franzosen in Oberschlesicn verletzt schließlich auch? das englische Gefühl und die würdelose Opferung To­wers, des Oberkommissars von Danzig, dem französi­schen Polrnrappel zuliebe, kann man in England nicht verschmerzen. Sowjetrußland gegenüber steht die eng­lische Politik mindestens nicht imponierend da, die Bol­schewisten lassen sich auch von Lloyd George nicht im­ponieren. Sie suchen nach Kräften aus ihrer kVer- legcnheit ans dem polnischen Kriegsschauplatz heranszu- tommen; an Frieden denken jetzt weder sie noch diq Polen, und da den Bolschewisten vielleicht ist den von den Polen herausgeforderten Litauern ein beachtenswer­ter Bundesgenosse ersticht, io können sie.Lin.8iveslcn.ihr

.'X

X