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(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad. ^X

Nummen 208

Fernruf 179.

Wi!cjb6(j, Mittwocki, c!en 8. 5epkembek-1920.

Fernruf 179.

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Internationale Kontrolle über Deutschlands Finanzen?

Von großem Interesse ist für uns Deutsche ein Ar­tikel, den der Berliner Mitarbeiter der einflußreichen englischen Fachzeitschrift für Börsen- und Finanzwesen, derFinancial News", in diesem Blatt veröffentlicht. Interessant nicht etwa deshalb, weil die Ausführungen Tatsächliches von Wert beibrächten, alles Gesagte ist vielmehr.so entstellt wie nur möglich, sondern weil der Artikel uns wieder einen Blick tun läßt in die Seele unserer Feinde, die die ganze Schwere unserer Lago nicht verstehen können, weil man sie nicht verste­hen will. Im Lager der Entente soll der Glaube befestigt werden, daß Deutschland nicht nur die ihm auferlegten Lasten, sondern noch viel mehr zu tragen im Stande sei. Die Wiedergutmachungskonserenz in Gens brauche deshalb in ihren Forderungen an Deutschland nicht von Mitleid sich beengen zu lassen. Zum Be­weis führt der Artikel an, haß die Auslagen von Spa anstandslos von Deutschland erfüllt werden, er ver­schweigt aber arglistig, daß die' Lieferung der 2 Mil­lionen Donnen Kohlen nur unter schwerster Schädigung der deutschen Wirtschaft, also doch auch unserer Zahlungs­fähigkeit möglich ist. Im .Hinblick auf Genf ist der Ar­tikel daher gefährlich, ganz zu schweigen davon, daß er Deutschland die Schmach zumutet, sich unter die Fi­nanzkontrolle der feindlichen Mächte zu beugen.

In dem Artikel heißt es u. a.:

Trotz der regelmäßig sich wiederholenden trostlosen Ausführungen des deutschen Finauzministers, nach de- i i die gegenwärtige Schuldsumme des Reichs sich auf 265 Milliarden Mark beläuft, findet man in Deutsch­land vielleicht mehr als in irgend einem Land der Erde Anzeichen eines großen Wohlstands. Wenn die Reichs­finanzen sich tatsächlich in einem derartig jämmerlichen Zustand befinden, so liegt das einzig und allein an dem verschwenderischen Gebühren der Regierung. Keine Sum­me ist für die Regierung zu groß- um sie nicht für irgend einen Zweck zu bewilligen. Um hunderttausend kor­rumpierte Beamte im Dienst zu halten, wird die Ra­tionierung der Vorräte, die sich längst als zwecklos her- ausgestellt hat, aufrecht erhalten. Die Fleischkarte ha! sich längst als Humbug ertviesen. Trotzdem gab Groß- Berlin vergangene Woche 800000 Mark für die Her­stellung neuer Fleischkarten aus. Bei jeder von der Re- gierung v-orgenvmmenen Rationierung ist das Resultat geradezu kläglich gewesen; die rationierten Nahrungs­mittel wurden stets teuer und schlecht, häufig geradezu ungenießbar. Dagegen war alles in bester Qualität vom Schieber und Schleichhändler zu beziehen. Tie sofortig»' Aufhebung der Zwangswirtschaft würde mit einem Schlag die Sachlage vereinfachen und Milliarden ersparen welch letztere Deutschland zur Bezahlung seiner Schul­den verwenden könnte.

Die folgende Zusammenstellung liefert einen Ueber- blick über die von dem neuen Regiment in Deutschland be­triebene Verschwendung, deren Ende gar nicht abzu­sehen ist. Die Ziffern geben das Gesamteinkommen und die Gesamtausgaben von 1913 bis 1919 in Millio­nen Mark an:

> Einnahmen: Ausgaben:

1913: 2217,9 2537,9

1914: 2 350,8 8 653,8

1915: 1735,2 25 708,4

1916: 2029,4 27740,9

1917: 7 830,3 52015,4

1918: 6 795,0 44030,7

1.919: 8 833,8 74 405,4

In diesem Jahr ist allein in der inneren Verwaltung des Landes infolge der Verschwendung der sozialdemo kratischen Regierung ein Defizit von mindestens 30 Mil liarden zu decken, ganz abgesehen von den Wiedergut machungssummen, die auf Grund des Gutachtens der Ententevertrcter in Genf zu zahlen sein werden.

Nachdem so der Boden durch die eingangs erwähnten Aeußerungen des Finanzministers vorbereitet ist, wer­den die deutschen Vertreter in Genf ohne Zweifel an! die vollständige Erschöpfung der Staatskasse Hinweisen um damit nach ihrer Ansicht zur Genüge dar Zutun, daß Deutschland unmöglich Zahlungen leisten kön­ne. Bei dem Mangel an logischem Verständnis,' den

die Deutschen in letzter Zeit an den Tag legen, scheinen sie nicht imstande, den selbstverständlichen Geschäfts - grundsatz zu begreifen, daß Verschwendung die Nicht­bezahlung der Schulden ebensowenig seitens der Nationen N-ie seitens der Einzelpersonen rechtfertigt.

Die selbstverständliche Entscheidung eines jeden Rich­ters in solch einem Falle würde lauten:Tn darfst diese Ausgaben nicht machen, bevor du nicht deine Schul­den beglichen hast." Die Richter, die in Sachen Deutsch­lands und seiner Gläubiger eine Entscheidung zu fällen haben werden, ist die Kommission der Entente­mächte auf der Genfer Konferenz. Ihre Mit­glieder werden voll unterrichtet sein hinsichtlich der Grün­de, warum die deutsche Rcichskasse so leer ist- Sie werden darauf hinzuweiscn haben, ,daß die Banken in Deutschland mit Depositengeldern überhäuft sind, haß die Sparkassen zehnmal größere ('?'?) Einlagen anfzu- wcisen haben als zu irgend einer Zeit vor dem Krieg. Sie werden den Deutschen Vorhalten, welch unglaublich hohen Dividenden die größeren industriellen Unterneh­mungen ihren Aktionären auszahlen. (Die starke Geld­entwertung übergeht der Artikel vollständig. D. Schr.)

Die Börse spiegelt genau die wahre Lage wieder. -Ihre Haltung neigte zur Schwäche ans Grund der Nach­richten aus Spa. Kohlen- und Jndustrieaktien gaben nach. Die Finanzmagnaten jedoch, die die wahren Ver­hältnisse des Landes kontrollierten, brockten mit einem Schlag das hysterische Gerede der Politiker znm Schwei­gen und straften ihre Ausführungen Lüaen. Die Börse erholte sich- und es hat sich seitdem ja auch gezeigt, daß mit einiger Energie und einigem guten Willen Deutschland die übernommenen Verpflichtungen erfüllen kann.

Die Entsendung des Lord d'Ab er non nach Ber­lin war ohne Zweifel ein kluger Schritt der (engli­schen) Regierung. Der neue Gesandte hat in Konstanti­nopel als Verwalter der Staatsschulden während vie­ler Jahre beiviesen, daß er einer der fähigsten inter­nationalen Finanzmänner ist. Augenscheinüch hat die britische Regierung eingesehen, daß früher oder später daran gedacht werden muß, in irgend einer Form eine internationale Kontrolle über Deuts chland aus zu üben, um die Deutschen vsr sich selbst zu ret­ten vor der Lodderivirtschast, unter der die Staats­kasse geleert, gewisse > Taschen aber bis zum Bersten ge­füllt wurden.

Lord d'Abernon kennt alle diese Verhältnisse genau und ist von der Notwendigkeit der internationalen Kon­trolle Deutschlands durchdrungen."

DLe Kirchenkonferenzsn.

In Genf haben in letzter Zeit internationale Kir­chenkonferenzen stattgefunden, die einen engeren Zusam­menschluß der christlichen Kirchen herbeiführen wollen, nm insbesondere auch die Kräfte des Christentums für den Wiederaufbau der Welt zusammenzufassen. In Be­tracht kommen zunächst die Tagung, die eineAllgemeine Kirchenkonferenz der christlichen Kirchen" vorzubreiten hatte, und der Kongreßfür Glauben und Verfassung". Aehnliche Tagungen hat es schon früher gegeben, aber sie waren privater Natur; diesmal waren auf der vorbe­reitenden Konferenz die Vertreter von ihren Kirchen ent­sandt, mit Ausnahme der deutschen, die keinen offi­ziellen Auftrag hatten. Die Angelsachsen überwogen, eine bedeutende Rolle spielte aber auch der Erzbischof der protestantischen Kirche Schwedens, Söderblom, der für die Einigung der evangelischen Kirchen eifrig tätig ist. Söderblom befürwortet einen ökumenischen ° Kirchenrat, die ganze Christenheit vertretend und so eingerichtet, daß er im Namen der Christenheit redet. Er meint, daß die Zeit gekommen sei, diesen Gedanken zu praktischer Gel­tung zn bringen. Der erste Schritt dazu wäre ein Bund der in Frage kommenden Kirchen. Eine starke Nei­gung zu Vereinigung besteht schon seit längerer Zeit sin mehreren Ländern und hat in den Vereinigten Staaten von Amerika zu dem Ergebnis geführt, daß derFederal Council" geschaffen wurde, ein Kirchenbund, der etwa 50 Millionen Seelen umfaßt. Die Genfer Vorkonferenz beschloß;, für 1922 eine allgemeine Kirchenkonferenz ein­zuberufen. Diese Weltkonserenz soll konfessionell nicht begrenzt sein.

Einen konservativeren Charakter als die Vorkonferenz hatte der Kongreßfür Glauben und Verfasspiig", auf

! dem die anglikanische Kirche vorherrschte. Auch in Eng- j land machen sich Einigungsbestrebungen geltend. Kurz vor den Schweizer Konferenzen hatten sich 252 Bischöfe der anglikanischen Kirche in London versammelt, um einen Änfruf zu einer Vereinigung mit den Freikirchen zu erlassen. Die Anglikaner wenden sich zunächst an die englischen Freikirchen und befürworten die Annahme gewisser Glaubensgrundsätze, sonne die Anerkennung der bischöflichen Ordnung, derart, daß die nicht bischöflich ordinierten Geistlichen sich noch einmal, vom Bischof,

, ordinieren lassen sollen. Ob dieser Appell Erfolg haben ! werde, läßt sich noch nicht beurteilen. Bemerkenswert ist, daß auch eine Reihe von Metropoliten und Erzbischö­fen der griechisch-katholischen Kirche aus dem Kongreß anwesend war.

Die römisch-katholische Kirche hat sich an diesen Kon­ferenzen nicht beteiligt. Am 4. Juli 1919 hat der Vatikan einen Erlaß herausgegeben, der den Katholiken verbietet, an Kongressen und Vereinigungen teilzunehmen, die die Christenheit organisatorisch wiedervereinen wollen. Wenn sich die Gedanken Söderbloms einmal verwirklichten, würde cs also im günstigsten Falle zweiKatholizitäten" geben: die römische und die evangelische. Daß der evange­lischen große Schwierigkeiren erwüchsen, ist nicht zu ver­kennen, zumal man noch nicht weiß- lvie sich manche Kirchen dazu stellen würden, daß die Angelsachsen in einem solchen Weltbund führend wären.

Neues vom Tage.

Die Kanfmannsgerichle.

Berlin, 7. Sept. Der Gewerkschastsbund der An­gestellten hat in einer Eingabe an den Reichstag gegen die Verordnung vom 12. Mai d. I. über die Kauf­mannsgerichte Einspruch erhoben. Er fordert u. a. eine Erhöhung der Einkommensgrenze guf 30000 Mark, Her­absetzung der Wählbarkeit aus 25 Lebensjahre und Aus- dehnuna aus weibliche Angestellte.

Die Spaltung der Unabhängigen.

V«G."li,u, 7. Sept. In politischen Kreisen glaubt man, daß die Scheckung der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei in nächster Zeit vollzogen wird. Die bolsche- wistcnfreundliche Minderheit wird sich den Kommuni­sten anschließen.

Der Gewaltstreich in Erfurt.

Berlin, 7. Sept. Der Rcichsvcrkehrsminister hat die Eisenbahndircktion Erfurt angewiesen, alle Arbei­ter, die sich an der Vernichtung der für das franzö­sische Militär, in Oberschlesien bestimmten Gewehrpatro­nen (1 Million) beteiligt haben, sofort zu entlassen und sie der Staatsanwaltschaft zur gerichtlichen Verfol­gung zn übergeben. '

DerVorwärts" schreibt, die Eisenbahner in Erfurt stehen fast ganz unter dem Einfluß der Unabhängigen und Kommunisten, von denen einer kürzlich in einer Versammlung der Ünabhäugigcn erklärte, man müsse zum Krieg mit der Entente treiben. Wahrscheinlich werde die Entlassung der Schuldigen wieder zu einemGe­neralstreik" benützt werden, es sei aber zu hoffen, daß die Mehrheit der Arbeiter sich nicht in eine Bewegung bineintreiben lasse, die zn einer Niederlage wie in Stuttgart führen müßte. DerVorwärts" fragt, ob inan damit rechnen dürfe, daß die württembergische Arbeiterschaft aus dein Verlauf und dem Ergebnis ihres Generalstreiks die richtige Lehre ziehe oder ob es den s überradikalen Maulhelden in kurzer Zeit wieder ge­lingen werde, aufs neue weite Kreise in Not und Elend zu stürzen. s

Wegen Beleidigung der Schwarzen.

Mainz» 7. Sept. , Der Herausgeber einer Platten- korrcsvondenz für kleinere Zeitungen, Berger, wurde vom französischen Militärgericht Mainz wegen angeb­licher Beleidigung der farbigen französischen Soldaten zu 3 Monaten Gefängnis und 6000 Mk. Geldstrafe ver­urteilt. Er wurde sofort in Hast genommen.

Die Sclbstrcgierung Oberschlesiens.

Berlin, 7. Sept. Als der Reichstagsausschuh für auswärtige Angelegenheiten in seiner letzten Tagung sich für die Gewährung der Selbstregierung an Obergchle- sien aussprach, erklärte Minister Simons, die Selbst­regierung dürfe nicht auf Kosten des Reichs und Preu­ßens, gehen,. Nun bat sich wie derLokLlauzeigeiG