(Enztalbote)

für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Enztal.

krlckieint tSglicki, ausgenommen 5onn- u. keiertsgs. kerugspreis monsilick Mk. 4.30, vierteljSliriicki 13.50 krei ins kjuus geliefert; Ourcii ciie polt bezogen im innercleutictien Verkekr Mk. 13.50 unä tzü pfg. pnlt- beltellgelcl.

Anzeigenpreis: Oie einlpsirige petiweile oOer Oeren ksum 50 pfg., nusveörts 60 pkg., keklsmereilen 1.50 Mk., bei größeren Aufträgen ksbutt ngcli dsrif. 5cvl»8 Oer Anreigensnnskmc: tüglicb 8 Ukr vor- mittsgs.

Law

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Fernruf 179.

Nummer 171

Das Ende der geistige« Kultur.

2in Engländer, der Deutschland grimmig haßt, hat seiner Schadenfreude über unseren Zusammenbruch mit folgenden Worten Ansdruck gegeben:Laßt nur Eure deijtigen Arbeiter verhungern, Eure wissenschaftlichen In­stitute entgehen, Eure Bücher ausgehen, dann sind wir andern oben in alle Ewigkeit. Das einzige, was Euch geblieben ist, Euer geistiger Vorsprung vor aller Welt, den holen wir jetzt ein, und Ihr sinkt zurück in das verdiente Nichts!"

Selber mit den bittersten Sorgen ringend, hat die Masse unseres Volks es übersehen, daß wir in demPro­zeß des Verhungerns der geistigen Arbeiter" mitten darin sind. Die Oeffentlichkeit und der außerhalb dieser Kreise Stehende merkt-davon freilich nicht viel; weil die geistigen Arbeiter ihre Not nicht jedermann in die Ohren schreien. Man vergißt es nur zu schnell wie­der, wie eigenartig gealtert und von Sorgen zerfurcht jetzt die Gesichter aller der geistigen Arbeiter aussehen, die heute noch auf ihrem Posten aushalten, und sich unter unerhörten Entbehrungen und Anstrengungen noch mühsam über Wasser halten. Man liest wohl, daß sich der Staat und die städtischeil Verwaltungen bei ihrer Finanznot gezwungen sehen, alle Beiträge für wissenschaft­liche und Forschungsinstitute, für Museen und Sammlun­gen zu streichen. Daß damit auch die die gewiß nicht hohen^, Gehälter für ihre wissenschaftlichen Angestellten und Mit­arbeiter fortfallen, und damit künftig der breite Unterbau für einen wichtigen Faktor deutscher Kulturarbeit auf der ganzen Erde fehlen wird, darüber gibt man sich heute noch keine Rechenschaft.

Ein deutscher Hochschulprofessor warnt davor, an den bisherigen Bestimmungen festzuhalten, die für den Stu­denten bestimmte gesellschaftliche Kleidung vorschreiben in einer Zeit, da ein schwarzer Anzug 3000 Mark koste. ^Wollen wir uns wirklich, so heißt es dann, noch dem Vorurteil hingeben, daß der gutangezogene Schieber­sohn überall erscheinen darf, der arme Student aber, der seinen Anzug immer wieder flicken läßt, nur ein Mensch zweiter Ordnung sei?" Damit werden freilich «rst Anfänge einer Entwicklung angedeutet, in der man an anderen Orten bereits mitten drin steckt. Es ist «ine Tatsache, daß heute anscheinend der überwiegende Teil .der deutschen Studentenschaft insoweit amerikani­siert ist, als er die Mittel zum Studium, die ihm das Elternhaus nicht mehr bieten kann, durch eigene Ar­beit erwirbt, nur mit dem Unterschied, daß sich der deutsche Student nicht wie sein amerikanischer Kollege nur in den Universitätsfericn als Erntearbeiter oder als Kell­ner verdingt, sondern daß er täglich eine Lohnarbeit verrichtet, von deren Ertrag er die Kosten seines Stu­diums bestreitet.

Was der an der Universität Berlin gegründete Kriegsteilnehmer verband über die wirtschaft­liche Lage der Berliner Studentenschaft in einer Denk­schrift an Tatsachen mitteilt, läßt erkennen, wie groß der Idealismus der geistigen Jungmannschaft Deutsch­lands heute noch ist, daß er im Kampfe gegen Hunger und Erniedrigung überhaupt noch aushält. In dieser Denkschrift wird festgestellt, daß schon im November vorigen Jahres ein Drittel der Berliner Studentenschaft berufstätig war. Ein Philologe, der bis dahin versucht hatte, mit den 200 Mark, die ihm sein Vater, Direktor eines städtischen Krankenhauses, allerhöchstens senden konnte, anszukommen, war unter die städtischen Straßen­reiniger gegangen und erklärte:Jetzt arbeite ich so weine acht Stunden herunter, habe keine Sorgen, kann wir sogar gelegentlich etwas leisten, und vor allem, ich komme niit meinem Studium voran, ohne daß ich dauernd wit den: dicken Kopf dasitzc. Meinen Idealismus und wein wissenschaftliches Ziel lasse ich mir nicht nehmen." Ungenügende Ernähning ist das Hauptelend", heißt es weiter,und dabei soll geistige Arbeit geleistet werden." Tie Privatdozenten der Universität Halle haben fest- Sestellt, daß das höchste Einkommen, das ein Privat­dozent hatte, 5000 Mark betrug, das zweithöchste 332? Mark und das niedrigste 50 Mark. Und das zu einer Zeit, da die Bergarbeiterverbände in Westfalen fest- stellen, daß ein kinderreicher Bergarbeiter heute mit einem Schichtlohn von täglich 55 Mark nur noch schwer aüskommen könne, selbst wenn die wöchentliche Ueberschicht doppelt gezahlt werde. Wie wenig verlockend das medizinische Studium heute ist, lassen die Gehalts- Verhältnisse am Charlottenbui.gcr städtischen

Miläbsä, vienslsg, äen 27. suli 1920.

Westend erkennen. Dort erhält der Heizer jährlich über 18 000 Mark Gehalt, der Gärtner fast 12000, die Hausdiener nur rund 300 Mark weniger, selbst die Küchenmädchen werden mit 8560 Mark bezahlt. Ein Arzt dagegen erhält monatlich 541 Mark, wovon 225 Mark für Wohnung und Essen abgehen, also bare 316 Mark.

Es ist anznnehmen, daß, wenn die heute aus unseren Universitäten und Hochschulen studierende Jugend den Abschluß ihres Studiums erreicht hat, der Zustrom zu den akademischen Berufen in steil abstürzender Kurve plötz­lich Nachlassen wird. Der Mittelstand wird seine Söhne nicht mehr studieren lassen können, und die Folge wird nicht nur eine- Verödung unserer geistigen Bildungs- anstalien und unseres wissenschaftlichen und Kultur­lebens sein. Denn da die Bezahlung der geistigen Arbeit in Deutschland weit hinter der Entwicklung der Lohne der Arbeiterschaft zurückgeblieben ist, da man in Deutschland auch je länger, je weniger daran denkt, der AeMsch geistigen Arbeit grundsätzlich die Entlohnung KtMMligen, die man bei kaufmännischen und Verwal- P>«M«sten ohne weiteres als selbstverständlich ansieht, DM sich der Ertrag der Tätigkeit der Inhaber solcher ßkrellen leichter in Dlark und Pfennig umrechnen läßt, werden wir sehr bald mit einer starren Abwan- erung deutscher Wisse nschaft und Tech­nik ins Ausland zu rechnen Haben. Dann erst beginnt vor aller Augen der letzte geistige Kehraus Deutsch­lands. Mit der Abwanderung der Vertreter der prak­tischen Wissenschaft, Kultur und Technik ist dann auch das Todesurteil über unsere rein geistige Kultur gespro­chen. Für das, was dann im deutschen Vaterland an geistigen Bedürfnissen noch zurückbleibt, mag der Sensationsfilm und die seichteste Unterhaltnngsliteratnr als Lesefntter genügen.

Llkrxwische BruermdeweHuxg.

Eine in der Ukraine sich immer mehr ausbreitende Bauernbewegung macht den Bolschewisten viel zu schaffen. Tie Bauern hatten anfänglich die Bolschewisten in ihrem Kampf gegen den General Denikin unterstützt, wandten sich dann aber nach der Besiegung Denikins von ihnen ab and stehen ihnen jetzt feindselig gegenüber. In der Bewegung spielen religiöse Gründe die Hauptrolle; sie verabscheuen die Religionsfeindlichkeit der Bolschewi­sten, wenden sich aber auch gegen die russische (griechisch orthodoxe) Kirche. Sie bekennen sich zum StundpunR Tolstois und ihr Ideal ist die Herstellung eiwes Christentums der ersten Christen", wie sie es sich vor- stellcn. Sie bekämpfen ferner die blutige Gewaltherrschaft der Moskauer Sowjetregierung, die sich nicht aus den Willen der Volksmehrheit stütze, sondern nur von einem gewissen Kreis angemaßt sei und Durch die verwerflichste Tyrannei noch ausrechterhalten werde. Die Blutherr­schaft habe alles Bestehende zerstört und sei nicht im­stand e, dem hungernden Volk Brot und Arbeit zu geben. Die Bauern verlangen freie Abstimmung des Volks über die Art, wie cs sich zu regieren wünscht. Daß die Sowjetregierung die ukrainische Bauernbewegung als eine ernste Bedrohung des Bolschewismus betrachtet, geht daraus hervor, daß sie auf den Kopf des Führers I Machno einen Preis von 10 Millionen Rubeln ge- § setzt hat. Mit der Beseitigung Machnos wäre aber die ! Bewegung noch lange nicht unterdrückt, denn sie ist in der Ukraine bereits weit verbreitet und gut organisiert und «er religiöse Grnndcharakter läßt sie bei dem ausge­sprochen religiösen Sinn des südrussischen Volks tiefe Wur­zeln fassen. -

Reue- v»m Tage.

Ltttschli! ßunK des ReichswirtschastsratS.

Berlin, 26. Juli. Ter Reichswirtschaftsrat nahm eine Entschließung an, die den Vertrag von Spa als eine überaus schwere Belastung des deutschen Wirt­schaftslebens bezeichnet. Der Plan der Kohlenvertei- lnng müsst gründlich dnrchgearbeitet werden. Die Le­benshaltung der Bergleute müsst gehoben werden. An das deutsche Volk wird der Aufruf gerichtet, an der Erfüllung des Abkommens mitznwirken. Die Anberau­mung der nächsten Sitzung hängt von dein Znsam- menireten der Konferenz in Gens oder Brüssel ab.

Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit im Bäuge­ln e . b e trotz der großen Wohnungsnot wird die Reichs- rcüstuwL (ordert, zur HcrMeWilg tzcL.MrmW-

Fernruf 179.

iLtkrgemZ

gen Banstoffpreist neue Mittet für Nanzuschnsse zu be­schaffen und dadurch die Höhe der Mieten in alten und neuen Häusern in ein richtiges Verh'il.-niS zu bringen. Ferner wird eine Gesetzesvorlage über eine zweckentspre­chende Wohnst euer verlangt.

Das rheinisch- w estsäli f ch « K o h l e n s y ndika t beschloß, daß bei den Kohlenliefernngeu in erster Linie der Verband zu berücksichtigen sei, dann: folgen Süd­deutsch lau d, das HaiuLü aer G Met, Eisenbahn, Schiffahrt, Gas- und Elektrizul-Iswerke, Hausbrand und das besetzte Gebiet.

Errischkk'Lmrg der Bergarl-riter.

Bochum, 26. Juli. In einer Bergacüeiterversamm- lnng, in der Hu e sprach, wurde eine Entschließung an­genommen, worin die Bergarbeiter aussprechen, daß sie sich gegen die angedrohte Gewaltpolitik der Verbün­deten, in der die Absicht der Versklavung der Arbeiter zu erblicken sei, zur Wehr setzen werden. Sie seien aber gewillt, wenn ihre Lebenshaltung ge,oben würde, im Verein mit der Eisenbahn und dem Wassertransport die Kohlenförderung so zu steigern, daß neben der Abliefe­rung an Frankreich der Bedarf Deutschlands und die für Holland und die Schweiz bestimmten Kohlenmengen geliefert werden können. Landesteile, die sich vom Reich loSlösen wollen, sollen keine Kohlen erhalten.

Ungarn verlangt die AnsN-:?srmrg Kuhns.

Berlin, 26. Juli. Die von Oesterreich mit dem Ge­fangenentransport nach Swinemünde geschmuggelten Kom­munisten Bela Kuhn und Moses Gabor sind in ein Lager bei Berlin gebracht worden. Tie ungarische Re­gierung verlangt von Oesterreich, und Deutschland die Auslieferung der beiden; Bela Kuhn wird die Verant­wortung von 337 Mordtaten zur Last gelegt. Eine Protestversammlung der Unabhängigen gegen die Aus­lieferung war schwach besucht.

Dorten verhaftet.

Mainz, 26. Juli. (Havas.) DasEcho du Rhin" u et, daß Tr. Dorten, der die Gründling einer rheini- sd.-cn Republik betreibt, am Samstag nachmittag vor seiner Wohnung in Wiesbaden von drei mir Revolvern be­waffneten Männern verhaftet und im Automobil ins unbesetzte Deutschland übergesührt worden sei. Die Ver­haftung sei aus Anordnung des Reichsgerichts in Leip­zig durch Polizeilcute ans Frankfurt am Main erfolgt.

Nach demBerl. Lokalanzeiger" ist Torten auf Ver­anlassung der Reichsrcgierung bereits wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Paris, 26. Juli. Wie derMatin" meldet, hat die Oberste alliierte Kommission in Koblen'- ' rantragt, gegen die Verhaftung des Tr. Torten nach Par M des Frie­densvertrags Einsvrnch zu erheben. Tie Om,.sie alliierte Kommission Verla, seine Freilassung und Znrückschas- fung nach Wie

Die bisherige» Leistungen an den Verband."

Berlin, 26. Juli. Dem Reichstag ist ein Weißbuch über Spa zugegangen. Dem 4. Absc.snitt der Denk« schrift über die Wiedergutmachung sind die Fi­nanzvorschläge der deutschen Abordnung und Pläne für die Sachleistungen und die Anregungen für die Durch­führung des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete und eine Zusammenstellung der bereits gctä.igten Lieferun­gen und Leistungen beigesügt. Darnach beträgt der, Ge­samtwert der abgetretenen Saar gruben nach vor­sichtiger Schätzung 1 Milliarde Goldmark, der Wert deg anrechnungsfähigen Reichs- und Staatseigentums in dem Abtretungsgebiet etwa 6.8 Milliarden Goldmark. Dazu kommt als eigentliche Wiedergutmachung die ab­gelieferte Handelsflotte im Wert von mindestens 4 Milliarden, die in Ablieferung begriffenen TierL mit mindestens 180 Millionen (diese Zahl wird sich nach dem Weltmarktpreis noch bedeutend erhöhend, die strafweise abgelieferten landwirtschaftlichen Maschinen mit 12 Millionen, die bis 1. Juli 20 gelieferten 5 650000 Tonnen Kohle mit 280 Millionen, die Farbstoffe mit 8 Millionen, der Wert der ausgelieferten ^Kabel na'. Abzug der Regierungskabel mit 61.65 Millionen, daS E i s e ; ' a h n m a t er i a l mit rund 1.25 Milliarden Goll mark. Für die verschiedenen Ueberwachungekommis' sionen der Verbündeten sind bisher bezahlt worden rund 9 Millionen Goldmark. Ter Wert der Nücklastengütcr ist mit 6,5 Milliarden Goldmark anznsetzen. Das gibt zusammen eine Summe von 20103 650000 Goldmark. Art.. 23P deH FnedensvertraLs so,sieg nys Heu