(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anreigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack iy Wildbad.

Nummer- 169

Fernruf 179.

Milöbaä, Zumstag, öeu 24. )u!r 1920.

Fernruf 179.

54. )alu-gang

Sonntagsgedanken.

Gel- allein »nacht s nicht.

Reich ist inan nicht durch das, was inan besitzt, son­dern mehr noch durch das, was man mit Würde zu ent­behren weiß. Und es könnte sein, daß die Menschheit reicher wird, ijndem sie ärmer wird, daß sie gewinnt, indem sie. verliert. Kant.

ß'.. !

Wochenrnndschau»

Die Konferenz von Spa steht immer noch im Mittelpunkt der politischen Erörterungen. Man ist jetzt in der Lage, den aufgezwnngenen Vertrag mit mehr Ruhe und sachlich zu prüfen, da die sehr lückenhaften amt­lichen Meldungen während der Konferenz mehr und mehr ergapzt werden durch mündliche Berichte, die der Reichs­minister Dr. Simons, der deutsche Wortführer in Spa, freigebig dem Reichstagsaüsschuß, den in Berlin versammelten Ministerpräsidenten, dem Reichswirtschafts­rat, den Vertretern, der Presse und einzelnen Ausfra­gern gegeben hat.

An der Ent waffnung ist nichts mehr zu ändern; wir sind durch das erste Protokoll in Spa wehrlos geworden in des Wortes vollster Bedeutung. Und drüben iin Osten horch! der Wilde tobt schon an den Mau­ein. Ein rassisches Heer ist kann» noch etwa 10 -Kilo­meter von der der deutschen Grenze entfernt. Das Kohlenabkommen hat Simonsrein natürlich betrach-' tet nicht unmöglich, aber kolossal schwer" genannt. Die Erfüllung liegt zunächst bei den Bergleuten und den Grubenbesitzern, deren Vertreter Stinnes und Hue eine erfreuliche und hoffnungerweckende Ein­mütigkeit gezeigt haben, und die Erfüllung hängt ab von riner bedeutenden Vermehrung der Arbeiterzahl und au­ßerdem von der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Zweimal in der Woche haben die Berg­leute in den letzten Monaten freiwillig Ueberschichten von je 31/2 Stunden gemacht; an diesen beiden Tagen wurde der Arbeitstag von 7 auf 10 ftz Stunden ein­schließlich Ein- und Ausfahrt usw. verlängert. Diese Ausnahme wünscht Lloyd George als Dauerzustand. Ob die Bergleute darauf eingehen werden, ist eine an­dere Frage. In verschiedenen Versammlungen haben sie «klärt, daß sie zur Erfüllung der Verpflichtungen ihr Teil beitragen wollen, daß sie sich aber nicht zu Loh n- sklaven des Auslands machen lassen. Die Steige­rung der Arbeitsleistung im Kohlengebiet ist aber wieder­um bedingt durch den Wohnungsbau für die neuen Arbeiter und vor allem durch die Beschaffung erhöh--- ter , Leb es mittelzu fuhren. Aber wenn es auch schließlich gelingen könnte, die verlangten 3 Mil­lionen Tonnen Kohlen monatlich für die Franzosen aus- den Gruben herauszukratzen, so ginge die deutsche Wirt­schaft immer noch leer aus. Und was soll man zu der erpresserischen Bezahlung unserer Kohlen sagen! Deutsch­land muß für amerikanische Kohlen derzeit 1200 bis 1300 Mark die Tonne bezahlen, Frankreich zieht uns 200 Mark für die beste deutsche Kohle an der Kriegsentschädigung ab und gibt dann noch großartig ein Trinkgeld von 42 Mark.^ Das ist der Vertrag von Spa,-und Spa ist nur die Einleitung von Genf, wo in 45 Wochen die Wiedergutmachung" aufs Tapet kommt.

Die Ministerpräsidenten der deutschen Ein­zelstaaten haben zu dem Bericht des Ministers Simons ernste Gesichter gemacht; aus den Beratungen, in denen wohl allerlei Meinungen zutage traten, wird nur mitge­teilt, daß schließlich allseitig anerkannt wurde, es sei nichts anderes übrig geblieben, als die Protokolle zu unterzeichnen, und was unterschrieben sei, müsse mft allen Mitteln durchgeführt werden.

Im Reich sw ir tsch aftsr at, dem deutschen Wirt- schastsparlament, ist man etwas verschnupft, daß die Regierung vor dem Gang nach Spa nicht das Gutachten des Reichswirtschaftsrats eingeholt hat, der doch zu die­sem Zweck eingesetzt sei. Die deutsche Abordnung hätte in Spa besser vorbereitet auftreten können. Jetzt sei nichts mehr zu machen und man müsse nun sehen, wie man den unterschriebenen Forderungen gerecht werden könne. Reichsminister Scholz betonte die wuchtige Schwere der feindlichen 'Forderungen; Hätte man aber dis Unterschrift verweigert, so wäre Pas Ruhrgebiet besetzt worden und die Bestimmung des Friede nsvertrags, nach der Monatlich 3,3 Millionen Tonnen zu liefern wären, in

Kraft gesetzt worden. Reichsarbeitsminister Dr. Brauns wies aus die Erregung unter der Berga rbeiter? s ch a ft hin, die wegen der unbefriedigenden Ernährungs­verhältnisse und besonders wegen der schlechtenBe- schasfenheit des Brots das Abkommen über die Ueberschichten kündigen wolle.- Tie dringendste Aufgabe der zuständigen Reichsstellen sei cs, hier Wandel zu schaf­fen, wofür bereits Schritte getan seien. Am Samstag wird in einer weiteren Sitzung des Wirtschaftsrats den ein­zelnen Mitgliedern und Gruppen Gelegenheit gegeben, sich über den Vertrag von Spä auszusprechen und dieser Sitzung - kommt schon deshalb große Bedeutung' zu, weil es das erste Mal ist, daß Regierungshandlungen von einem verfassungsmäßigen Parlament von Be­rufsvertretern geprüft werden, wobei parteipolitische Neigungen und Abneigungen so viel als möglich ausge­schaltet sein sollen. Wenn auch die erste Feuerprobe in dieser Hinsicht noch nicht ganz befriedigen sollte, so ist das nicht schlimm; es wird einer längeren Selbster­ziehung bedürfen, um neben dem Reichstag eine Kör­perschaft herauszukristallisieren, wo die Fragen der Volks­wirtschaft nach rein sachlichen Gesichtspunkten be­handelt" werden. Daß eine solche Ergänzung des Partei­parlaments im'Reichswirtschaftsrat geschaffen wurde, dys ist ein ^Fortschritt von größter -Bedeutung. Am Mon­tag, den 26. Juli, wird der Reichstag in der An­gelegenheit von Spa das letzte Wort spreche und dann r^e,j-r iS pch vu,bereuen aus Gen?. '

Mit Hilfe, einer listigen Ueberrnmpelung haben die Franzosen die Einsetzung einer Spnd er gesandt--'

? cha ft in M ünche n serriggebracht. Ein gewisser Herr T ard wird dafür wirken, daß die süddeutschen Staaten nicht von Preußen tyrannisierst werden, wie Millerand in der französischen Kammer meinte. Eine solche Hilfe hat in Deutschland niemand gewünscht und sie war auch niemals nötig. Es heißt, daß auch England und Italien solcheHilfs"-Gesandte nach. München schicken werden. Das kann ja recht nett werden.

In seiner Villa Liegnitz, die in dem berühmten Park Sanssouci, dem Lieblingsaufenthalt Friedrichs des Gro­ßen, liegt, hat der jüngste Sohn des Kaisers, Prinz Joachim, seinem Leben ein Ende gemacht. Die ge­waltige Veränderung seit der Revolution von 1918 ver- mochteher nicht zu tragen. Er verfiel in Schwermut, die sich bis zuni Verfolgungswahn steigerte.

Mit den Polen geht es schlecht. Wie eine gro^e, un­widerstehliche Walze rücken die russischen Heere von Nordosten,, Osten und Südosten ^ gegen das, eigentliche Polen, Kongreßpolen genannt, vor und sie stehen zum Teil schön in bedenklicher Nähe von Warschau. Tie russischen Heere muß man jetzt sagen, denn zum Kampf gegen den polnischem Einfall sind auch die na­tionalen oder weißen Russen, wie sie von den Bolschewisten genannt werden, zu Tausenden zu den Waffen geeilt., Lloyd George hatte sich-in hoch­trabendem Ton zum Friedensvermittler zwischen Ruß? land und Polen angcbotcn. Die Moskauer Regierung nahm das Angebot an, aber in einem solch spöttischen Ton, daß Lloyd George der Blamierte war. Moskau lehnte vor allem (nach der,Times") eine Konferenz in London ab, denn England sei nicht unparteiisch. Für die Verhandlungen mir Lithauen, Esthland und Kur­land, den sogenannten Randstaaten, bedürfe es über­haupt kdintr Vermittlung mehr;. Rußland sei init die­sen Ländern bereits einig geworden. Ueberhanpt lassen sich die' Russen in ihren Handel mit Polen nicht drein­reden. Ter^ Oberste Rat er hatte soeben seinen Sieg" über die Deutschen in Spa errungen ver­suchte es wieder mit Drohungen. Jetzt sei es des grau­samen Spiels genug. Tie Polen sollten sich auf eine bestimmte Linie ihres eigentliches Gebiets zürückziehen und die Russen 50 Kilometer davon entfernt bleiben. Danil werde der Oberste Rat mit seinen Friedensvor­schlägen kommen. Sollten die Russen aber aus pol­nisches Gebiet treten, so werde der Verband zur hö­heren Ehre, des Vöstkerbunds, von dem Polen er? /schassen sei, einschrcitcu und dann! ,

Die Pussen haben keinen Pfifferling auf die Dro-- Hungen des Obersten Rats gegeben; sie wissen sie zu nehmen. Schnurgeräde sind sie weiter marschiert und stehen tief ans polnischem Boden. Im Verband wird nun furchtbar mit den» Säbel gerasselt und Deutschland soll an's.qchoröert, d. h. gezwungen werden, das Hilfs- pe.r des Verbands narb Voten zu befördern. Aber ge­

rade zwei Tage vorcher hat Reichspräsident Ebert die volle Neutralität Deutschlands in dem russisch-polnischen Streit amtlich erklärt. Entweder muß das Ansinnen des Verbands abgelehnt werden und dann bekämen wir es wahrscheinlich mit dem Verband zu tun, oder die Reichserklärnng wird umgestoßen, dann haben wir die Russen auf dem Hals, denn die Neutralität ist dann tat­sächlich zu ungunsten der Russen ausgehoben. Der Ab« geordnete Schisser meinte daher im Hauptausschuß des Reichstags, die Neutralitätserklärung sei unnötig gewesen und sie könne Folgen haben, die man sorgfältig beachten müsse.

Dem Verband geht es mit seinem Kunstwerk, dem' Friedensvertrag und dem Völkerbund, überhaupt nicht nach Wunsch. Die Irländ e r, haben von dem berühm­tenSelbstbestimmungsrecht der Völker" Gebrauch ge­macht und für sich eineirische Republik^ errichtet. Es geht ganz toll zu auf der grünen Insel und England muß immer neue Truppen hinüberschicken und bringt doch keine Ordnung zustande. In Mesopotamien sind 80000 englische und indische Truppen von den Arabern schwer bedrängt, ja, sogar nach Indien mußte England dieser. Tage eine große Truppenmacht einschif- sen, da dort eine furchtbare Revolution ausznbrechen droht. In Syrien haben die Eingeborenen sich unter dem Emir Feissal gegen die Franzosen erhoben, denen die Konferenz von San Renu 1920 dasMandat" über Syrien übertragen hat, während England den Arabern schon früher die volle Selbständigkeit undFreiheit von türkischen Joch" versprochen hatte. In Albanien und in Dalmatien liegen sich Italiener^ und Jugoslaven in den Haaren überall Krieg und Streit, wo der menschheitsbesreiende Verband gewirkt hat. Kein Wun­der: die Liga füreinen freien Völkerbund weist auf Grund von Dokumenten nach, daß die be­rüchtigten 14P unkte Wilsons eine bestellteAr- beit, veranlaßt und telegraphisch bestellt am 3. Ja­nuar 1918 durch den englischen Agenten , in Petersburg Edgar Sisson, seien, zu dem Zweck, das bolsche­wistische Rußland und die Deutschen zu betören und in die Friedenssalle zu locken. Am 8. Januar 1918 hielt dann der Weltapostel Wilsvn seine bekannte Rede ün Kongreß, die in Millionen von Exemplaren gedruckt wurde, uman das gewöhnliche -Volk" in Rußland und Deutschland verbreitet zu werden, wie Sisson sich aus­drückt.>Es ist nichts so fein gesponnen.

Neues vom Tage.

Verbilligung -er Lebens nittel.

Berlin, 23. Juli. Nach deinLoialanzeiger" hofft die Reichsrcgicrung mittels der von» Verband zugesag­ten Vorschüsse die vom Ausland eingeführten Lebens­mittel verbilligen und dadurch- auch eine Senkung der inländischen Lebensmirtelvreise herbeiführen zu können.

Preisabbau.

Halle a. S-, 23. Juli. In. Schierke bei Werni­gerode (an» Brocken) haben die Hotelbesitzer 'und Pen­sionsinhaber die Preise beträchtlich herabgesetzt, da die Kürgäste geschlossen drohten, sie werden wegziehen.

Die verweigerte Zurücknahme des cnssift eu Gefangenentransports.

Berlin, 23. Juli. Ueber die Verweigerung des Türchzugs eines Transports russischer Kriegsgefangenen durch Oesterreich wird noch gemeldet: Tie ungarische Regierung hatte schon lange von der österreichischen Re­gierung die Auslieferung der Kommunisten verlangt, die nach der Niederwerfung der Räteherrschast in Ungarn nach Wien geflohen waren. Staatssekretär Renner hatte in den Unterhandlungen wegen der Rücksendung der Kriegsgefangenen die Forderung der Bolschewisten in Moskau, die geflohenen Kommunisten nach Rußland freiznlassen, angenommen. Ms nun der erste Trans­port von russischen Kriegsgefangenen aus Oesterreich nach Rußland befördert werden sollte, der über deutsches Ge­biet nach Swinemünde (Pommern) ging, von wo' die Gefangenen auf dem Seeweg nach Rußland gebracht werden sollten, wurden in Wien in den militärischen Transport 11 der Kommunisten, 6 Frauen und 5 Män­ner, darunter Bela Kuhn, gemischt. Tre deutsche See­behörde in Swinemünde entdeckte aber den Schmuggel und sie verhinderte die Abfahrt des Schiffs. Bela Kühn versuch te ans dem Achiss ohne Lpsolg Me Meuterei