Enztalbote)

für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Enztal.

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Druck der Vuchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 166

Fernruf 179.

Miläbuä, Vienstug, äen 20. luli 1920.

Fernruf 179.

54. ^sNrgrms

Das KohLenadkommeu.

Tie deutsche Presse ist fast einstimmig in dem Urteil: l Wir haben in Spa eine Niederlag e erlit­ten. Daß der französische Arbeitsminister T ocquer zufrieden ist, bestätigt dieses Urteil noch mehr als das Lob, das Miller and seiner eigenen Arbeit einigen Zeitungsvertretern gegenüber spendete. Erhält doch Frankreich von der Monatslieserung von 2 Millionen Tonnen Kohlen nicht weniger als 1,6 Millionen oder vier Fünftel, während aus Italien 250 000 und auf Belgien 150000 Tonnen fallen. >

In der Entw affnun g s fra g e ist das erste Dik­tat bedingungslos angenommen worden. Die Reichswehr wird aus die Stärke von 100 000 Mann herabgesetzt; Einwohner- und Polizeiwehr werden aufgelöst und durch eine mit Gummiknüppeln ausgerüstete Ortspolizei ersetzt; die im Besitz der Zivilbevölkerung befindlichen Waffen und Munition ist restlos beizutreiben und ausznliefern oder zu vernichten. Das einzige, war der Oberste Rat zugestand, war eine Fristverlängerung um 6 Monate.

Man kann im Zweifel sein, welches der beiden Dik­tate von Spa politisch das gefährlichere sei, das Entwaffnungsdiktat oder das Kohlendiktat; wirtschaft­lich läuft das letztere auf die Herabdrückung Deutsch­lands zum Lohnsklaven des Verbands und zur ruinösen Einschnürung seiner Volkswirtschaft hinaus. Eine kurze Auslegung des zum Teil nur schwer verständlichen amt­lichen Berichts über das Kohlenabkommen möge dies verdeutlichen.

Vom 1. August ds. Js. ab sind vorläufig auf 6 Monate, nach deren Ablauf die Menge vermindert oder er­höht werden kann, an den Verband monatlich 2 Mill. Tonnen Kohlen guter Beschaffenheit zu liefern oder ein ein Drittel dessen, was in Deutschland nach Deckung des Eigenbedarfs der Gruben, der Eisenbahnen, Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke für Industrie, Landwirt­schaft und Hausbrand noch übrig bleiben. Und zwar ein Drittel des jetzt schon bis zur äußersten Grenze einge­schränkten Verbrauchs! Diese 2 Millionen Tonnen sind mehr als das Doppelte von dem, was wir bisher in dem günstigsten Monat Mai, nämlich 962000 Ton­nen, mit wöchentlich 2 Ueberschichten von je 3 1/2 Stun­den an den Verband geliefert haben. Gelänge es nun wirklich mit Ausbietung der äußersten Mittel Lloyd George wies u. a. auf den lOstiindigen Arbeits­tag hin, die Kohlenförderung günstigstenfalls um stark eine Million Tonnen zu heben, so würde unser e Wirt­schaft davon noch um kein Loth Kohlen bereichert werden, die gegenwärtige Einschränkung würde also mindestens in gleichem Maß'fortbestehen. Da aber die Steigerung der Kohlenförderung um eine Millione Tonnen monat­lich höchst unwahrscheinlich ist und nach dem Diktat bei Gefahr der sofortigen Besetzung des Ruhrgebiets 2 Millionen abzuliefern sind, so muß das Fehlende, wie bemerkt, dem bisherigen Eigenverbrauch entnommen wer­ben, die Kohchneinschränkung wird also für Industrie, Landwirtschaft und Hausbrand verschärft werden, es wer­den weitere Arbeiterentlassungen stattfinden, Milliarden werden für Erwerbslose aufzubringen sein, damit unbe­rechtigte Ansprüche Frankreichs erfüllt werden, und unsere Gemeinwirtschaft wird, statt sich zu erholen, einen neuen Stoß erleiden.

Bei den bisherigen Lieferungen und Berechnungen > war immer die oberschlesische Kohle eingerechnet, k Aber seit April d. I. ist uns tatsächlich die Verfügung darüber genommen. Die Abstimmungskommission hat einfach diktiert: Von der oberschlesischen Kohle sind zu-- nächst Polen, Oesterreich, Italien, die Eisenbahnen und ^-berschlesien selbst zu beliefern. Erst an sechster Stelle kommt Deutschland, dem der etwa noch vorhandene Rest Msällt. Die deutsche Vertretung in Spa verlangte, daß Deutschland die Verfügung über die oberschlesische Kohle ganz zurückgegeben oder doch ein monatlicher Mindest­bezug von I 1/2 Millionen Tonnen um so viel über­steigt die Förderung durchschnittlich den oberschlesischen Bedarf gewährleistet werde. Die Verbündeten enrp- sanden das gewiß berechtigte Verlangen, ohne dessen Er­st» lung die Lieferung der 2 Millionen Tonnen ja ganz Ausgeschlossen ist, als eine Anmaßung und ließen st») schließlich herbei, eine Koimnission zuzugestehen, die wstzusetzen haben wird, wie viel bei der Verteilung per oberschlesischen Kohle Deutschland überhassen wer­

den könne. Wir weirden also absichtlich wieder in Un­gewißheit über unsere Hilfsmittel gelassen, die uns zur Erfüllung der feindlichen Foderungen dienen sollen.

Von einschneidender Bedeutung ist ferner die Preis- bemessung bzw'. die Anrechnung der Kohlen auf die Wiedergntmachungssumme. Die Erhöhung der Förderung wird wegen der Ueberschichten, der Heranziehung von vie­len Tausenden weiterer Arbeiter, der deshalb notwendig werdenden Bauten von Wohnhäusern, des Bezugs aus­ländischer Lebensmittel usw. die Unkosten ganz bedeu­tend steigern. Von deutscher Seite.wurde deshalb vorge- fchlagen, daß für die Kohlen der Weltmarktpreis berechnet werde, der sich zurzeit acks 80 bis 100 Gold­mark die Tonne beläuft. Davon sollte der Inlands­preis d. h. 30 Goldmark uns auf die Wiedergut­machung angerechnet, der Rest mit 50 bis 70 Goldmark uns in bar zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollte der Verband uns Vorschüsse zur Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen gewähren, um uns für die ungeheuren Opfer leistungsfähiger zu machen. Die Antwort des Verbands war aber der reinste Hohn. Er bezahlt oder verrechnet vielmehr nur den deutschen In­landspreis mit 30 Goldmark und gibt allergnädigst für jede Tonne der abgelieferten Kohlen einePrämie" oder Trinkgeld von 5 Goldmark in bar. Auch den noch ver­bleibenden Unterschied zwischen Inlands- und Weltmarkt- Preis, ruick> 60 Goldmark für die Tonne, sollen «N haben, aber nur als Vorschuß, der natürlich späte,' an den Verband znrnckzuzahlen ist. Dieser Vor­schuß wird bei 2 Millionen Tonnen monatlich rund 120 Millionen Goldmark monatlich, also für die nächsten 6 Monate 720 Millionen Goldmark oder etwa 6200* Millionen Papiermark ausmachen. Obendrein ist die Summe ganz ungenügend. Hat doch allein das Reichs- 'ernährnngsministerinm für den allgemeinen Bedarf für ausländische Lebens- und Futtermittel für die nächsten 12 Monate einen Aufwand von 3,4 Milliarden Gold­mark oder rund 29 Milliarden Papiermark für notwen­dig erklärt. Die Mehrkosten für die an den Verband abzuliefernden Kohlen, die dieser zu tragen sich somit weigerte, müßten nun natürlich! auf den Inlands­preis, auf die für den Jnlandsverbrauch noch übPg bleibende Kohle geschlagen werden, gerade jetzt, wo wir den Abbau der Preise so dringend brauchen und ihn all­mählich in Fluß gebracht zu haben glaubten. Die wei­teren-Folgen für die Finanzen hes Reichs, unsere Wäh­rung nsw. ergeben sich von selbst.

In dem zweiten Protokoll von Spa isst! ferner die Einrichtung einer sehr kostspieligen und mit weitgehenden M achtbesngnissen ausgestatteten feindlichen Kohlen- üb er w ach un g s ko mmissio n, die der Miedergut--- machnngslommission angegliedert wird, beibehalten. End­lich ist chdie Strafbestimmung der Besetzung des Ruhrgebiets im Protokoll verewigt. Die deutsche Unterzeichnung geschah mit der ausdrücklichen Betonung, daß die feindliche Besetznngsbefngnis bei unabsichtlicher iNchterfüllung der Bedingungen nicht anerkannt werde. Praktisch ist dieser Vorbehalt aber, wie wir bereits ans- gcsührt haben, ohne Belang; die Besetzung ist aufge- schjobeü, nicht aufgehoben. Die Machit'fchafft das Recht.

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Berlin, 19. Juli- Ein amtlicher Bericht gibt eine kurze Darstellung des Verlaufs der Verhandlungen in Spa. Von den vier Punkten der Tagesordnung ivuroen drei erledigt: die Entwaffnung, die Kriegsvergehen (über die von der gemischten Kommission von Sachverständigen eine Einigung bezüglich des einzuschlagenden Wegs er­zielt wurde) und die Köhlensrage. Die Wiedergurmachung bleibt einer weiteren Konferenz Vorbehalten. Wäre man bei dem ersten und dritten Gcgenstano so Verfahren wie bei den Kriegsbeschnldigten, so wäre eine Einigung ra- , scher und leichter erzielt worden. Leider wurden die Verhandlungen mit einem Verhör der angeklagtendeut­schen Regierung begonnen und mit einer einseitigen Ent- ' schcidung geschlossen. Tie unterschriebenen Protokolle blei­ben eine außerordentlich schwere Belastung unseres innerpolitischen und wirtschaftlichen Lebens und erhalten einen besonders gehässigen Charakter da­durch, daß die Entscheidung ausgezwungen wurde. Im Lauf der Verhandlungen habe sich die Stellung der deutschen Vertreter dem normalen Zustand immer inehr genähert, wenn sie ihn auch keineswegs erreichte. Es > sei zu Hessen, daß die Frage der Wicdergutma -

chung in Genf in einem weniger mißtrauischen Sinn geregelt werde.

Paris, 19. Juli- DerTemPs" meldet, für die Kon­ferenz in Genf liegen bereits Mindestforderun­gen der Verbündeten vor, unter die nicht herabgegangen werde.

Selbstmord des Prinzen Joachim.

WTB. meldet: In einem Anfall von schwerer see­lischer Störung, hervorgerufen durch den Truck- allge­meiner und persönlicher Schwierigkeiten, hat Prinz Joachim von Preußen, der jüngste Sohn hes vor-'' maligen Kaiserpaars, in Villa Liegnitz die Waffe gegen sich gerichtet. Tie Verletzung war so schwer, daß der Prinz in der Nacht znm Sonntag ihr erlegen ist.

Prinz Joachim wurde, wie die BerlinerMontags- vost" erfährt, am Samstag morgen gegen 8 Uhr von seinem Diener in seiner im Park von Sanssouci lie­genden Villa Liegnitz bewußtlos aufgefunden. Tie Klei­der waren mit Blut befleckt. Tie linke Brustseite des Prinzen wies eine Wunde auf. Der Prinz hatte sich währcnd der Nacht, der genaue Zeitpunkt konnte bisher noch nicht festgesteut werden, mit einem Revolver in die Brust geschossen und sich dabei sehr schwer verletzt. Sofort wurde Prinz Eitel Friedrich, sein Bru­der, von dem Vorfall benachrichtigt, der aus seiner Woh­nung, Villa Jngenhim, nach der Villa' Liegnitz kam. Auf Veranlassung des Prinzen Eitel Friedrich wurde Prinz Joachim nach dem dicht neben der Villa Liegnitz liegenden Krankenhaus überführt. Er konnte sich- dort mit seinem Bruder mehrfach unterhalten. Am Abend hat sich der Zustand des Prinzen sehr verschlechtert. Nachts gegen 1 Uhr ist dann der Prinz verschieden. Prinz Eitel Friedrich hat dem Kaiser und seinen Brüdern Mitteilung von dem Vorfall gemacht. Prinz Joachim hat keine Auszeichnungen hinterlassen. Er har auch dem Prinzen Eitel Friedrich in der Unterhaltung kein Wort über den Beweggrund zum Selbstmord geäußert. Man

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mußte wiederholt seinen Dienst anssetzen. Als die Re­volution ihn überraschte, brach er seelisch zusammen. Prinz Eitel Friedrich, der dam-lls die Regelung der An­gelegenheiten der kaiserlichen Familie in die Hand ge­nommen hatte, hat mit dem Prinzen Joachim einen schwe­reil Stand gehabt. Tie Wahn-Ideen zerrütteten auch das Eheleben des Prinzen. Prinzessin Joachim, eine geborene Prinzessin Marie von Anhalt, mit der er wah- rend des Kriegs 1916 in einer Kriegstrauung die Ehe euigegangen war, hob die eheliche Gemeinschaft auf und verließ vor etwa Jahresfrist das Haus. Das Kind, bas ans der Ehe entsprossen ist, der jetzt vier Iah« e.9e Prinz Karl Friedrich, blieb beim Vater. Er wurde nach der jetzigen Katastrophe von dem Prinzen Eitel Friedrich nach der Villa Jngenheim mitgenommen.

Der Zustand des Prinzen hatte sich in den letzten Wochen ständig verschlechtert. Man hatte ihm als Vorstand sei­nes sehr eingeschränkten Haushalts den früheren Kome mandeur des Militärwaisenhauses, Oberst von Steu- ben, zugeteilt und gehofft, daß der Einfluß dieses äl­teren Herrn günstig ans des Prinzen Zustand wirken - könne. Cs schien auch, als ob sich eine Besserung ein­stellen würde. Als sich aber die Auseinandersetzungen zwischen Krone und Staat immer schwieriger gestalteten, verschlechterte sich auch der Zustand des Prinzen. Ter Prinz hatte die Idee, daß man ihn aus seiner Villa Liegnitz vertreiben wolle. In den letzten Tagen zeigte der Prinz eine große Niedergeschlagenheit. Tie Bei­setzung des Prinzen Joachim findet Dienstag früh neun Uhr in der Friedrichkirche in Potsdam statt. Sie wirb, im engsten Kreise stattfinden.

Neues vsm Tage.

Beratungen des Reichskabinetts. ^

Berlin, 19. Juli. (Amtlich.) Das Kabinett trat gestern nachmittag zu einer Sitzung zusammen, an der ^ die aus Spa zurückgekehrten Minister teilnahmen. Am Montag und Dienstag wird das Kabinett die Beschlüsse von Spa entgegennehmen. Für Dienstag abend ist eine Sitzung des Reichstagsansschusses für au sw ärtige An-