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Nummer 153

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nztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Ehronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Fernruf 179.

MilHbaä, Vienstug, äen 6. Wi 1920.

Fernruf 179.

54. sjglirgang

Der Reichsernährungsminisicr Dr. .H ermcs geht allen Ernstes daran, die Zwangswirtschaft Schritt für Schritt «us der Welt zu schaffen. -Für das neue Erntejahr wird nur noch die öffentliche Bewirtschaftung der wich­tigsten Lebensmittel, wie des Getreides, der Kartoffeln, der Milch, des Zuckers beibehalten. Die Zwangsiv-irtichaft mag ruhig dahingehen, niemand wird ihr Verschwinden bedauern; .sie hat die Hoffnungen nicht erfüllt und konnte sie nicht erfüllen, die viele nuf sie gesetzt hatten. Ge­wiß war es gut und notwendig, die'vorhandenen Vor­räte an Lebensmitteln zu erfassen und möglichst gleich­mäßig zu verteilen, um die Verschwendung und den zu starken Verbrauch durch die wohlhabenden Schichten zu verhüten, aber es war ein Unding, auch solche Lebens­mittel der Zwangsbenurtschaftung durch die Höchst­preise zu unterwerfen, die noch gar nicht da waren, me erst angebaut werkten sollten. Mindestens hätte bei den Höchstpreisen mit den Preissteigerungen auf anderen Gebieten, wie sie durch die Steuern, die Verteuerung der Kohlen, der Eisenbahnsrachten, durch die Steigerung der städtischen Arbeitslöhne usw. herbeigcsührt wurden, gleicher Schritt gehalten werden müssen. Wie schwer die Landwirtschaft davon betroffen wurde, davon hat man in den Städten doch wohl nicht die richtige Vorstel­lung gehabt und hat sie vielfach heute noch nicht: In der 6. Sitzung des.Reichstags vom 2. Juli d. I. hat der^Reichsminister Hermes' mitgeteilt, daß nach den Ermittlungen der Prüfungskommission, die aus Angehö-, ÄHen der verschiedenen Jnteressentengruppen zusammen^ tzewtzt war, die Kosten der landwirtschaftlichen Erzeugung Allein in den ersten fünf Monaten dieses ,Jahres um etwa 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Bei der Preisfestsetzung für die kommende Ernte hat Reichsernährungsministerimn daher eine durchschnitt­liche Preissteigerung von ungefähr 55 Prozent zur Grund­lage genommen. Nebenbei bemerkt, werden als Preise für die noch der Zwangswirtschaft unterliegenden Le­bensmittel vorgesehen: für Haber, 75. Mk., für Roggen »7.50 Mk., Weizen 85.25 Mk., Kartoffeln 25 Mk.' der Zentner, wobei eure nachträglich Preiserhöhung aus­geschlossen sein soll, während im Interesse einer mög­lichst raschen und reichlichen Ablieferung der neuen Ernte wiederum Frühdruschprämien gewühlt werden.

. Die Wirkungslosigkeit der Zwangswirtschaft, um nicht tztradezu von ihrer Schädlichkeit zu reden, bestand nun iber darin, daß sie neben der wirtschaftspolitisch ^enklichen Koritrolliernnq der Erzeugung, die in ihrer Ungeschickten Ausübung oft so unerträglich wurde der Landwirtschaft znmutete, die wichtigsten Erzeugnisse un- «r den eigenen Gestehungskosten abzuliefern. Was war die Folge? Nach der Reichsstatistik für Äbbau und Ernte, 2ie im Frühjahr 1920 erschien, ist inr Jahr 1919 die Anbaufläche für Brotgetreide gegenüber dem Jahr 1913 «m 1300000 Hektar, diejenige für Kartoffeln um §60000 Hektar und diejenige für Zuckerrüben um 1-0000 Hektar zürückgegangen, wobei die von Deutsch­land abgetrennten Provinzen in beiden Jahren abge­wogen stnd. Dafür haben die Kleeäckctt um 330 000 Pektar, die Felder mit Futterban uni 280000 Hektar -nd die Wiesen, die am wenigsten Arbeit beanspruchen, Üar uin 730000 Hektar Angenommen. Während also ver Anbau von menschlichen Nahrungsmitteln um -080000 Hektar gesunken ist, hat der Futtcranban »ine Vermehrung um 1340 000 Hektar erfahren, der Pest, nänflich 740 000 Hektar, ist von der Anbaufläche Pollstjändig verschwunden. Dafür hat das Reich -ereits mehr als 10 Milliarden Mark für die Beschaf- Ang ausländischer Lebensmittel ansgeben müssen. Auch Ai der früheren Anbaufläche wären rvir um die Nach­hilfe aus dem Ausland natürlich nicht hcrumgekom-^ Men , wie wir denn ja auch schon in.Fviekstnszeiten «bvirrde Einfuhr brauchten, um für etwa 10 Miltionen Ah den 64 Millionen der damaligen Bewohner des AichS das Brot zu schaffen. Nach dem Ernteergebnis 1919 aber fehlt uns die Ernährungsmöglichkeit für «va 20 Millionen so wie Clemcncean cs haben wollte, cha sollte kein Quadratmeter Boden unbearbeitet bleiben. ^ ist- das Zeichen einer verkehrten Wirtschaftspolitik, ^obnn Hnnderttausende von Hektar, zumal nach dem Ver­lust der besten Ueberschus,gebiete und angesichts der Aus- ücwgenheit unserer Felder, in Wiesen und Weiden sich

verwandeln und weitere Hnnderttausende einfach brach .liegen.

Tie Zwangswirtschaft hat sich btmüht, die Lebens­rnittel zu erfassen und 'zu verrcilen, aber sie hat darob das piel Wichtigere versäumt: die Erzeugung zu heben. Wirkung: gewaltiger Rückgang des Getreide­baus, Milliardenkäufe im Ausland und obendrein sort- ' während steigende Lebensmitlelpreise. Es ist höchste Zeit, daß darin nun Wandel geschaffen wirb. Zwar werden die Lebensmittelpreise zunächst nicht sinken, eher noch steigen- aber die Erzeugung wird wieder znnehmen, und das ist es, worauf es vor allem ankommt. Wir können doch nicht alljährlich 6 bis ' 7 Milliarden nur für die allcrnotwendigsten Lebensmittel inZ Ausland wandern las­sen, es ist sowieso noch ein tief verschleiertes Geheim­nis, wie wir aus unserer Schuldenlast von derzeit 216 Milliarden sie vergrößert sich noch täglich und wird durch die Konferenz in Spa fast ins Unermeßliche stei-^ gen nur so leidlich wieder hcranskommen sollen.

Mit dem Abbau der Zwangswirtschaft allein ist es also nicht getan. Jetzt müssen alle Hebel in Bewegung kommen, die Erzeugung zu steigern. Dazu gehört aber auch, daß der Landwirtschaft billigere Düngemittel, und Zwar stetig, zur Verfügung gestellt werden. Es war ein verhängnisvoller Fehler, eine große Reichseinnahme durch eine unsinnig hohe Abgabe aus Kali zu schassen. Je teurer das Kali, desto weniger oder desto teurer das Brot. Auch die Finanzpolitik der Eisenbahnen war

eine unglückliche. Das Miliiardendesizit durch fortwäh­rend steigende Eisenbahntarife zu heilen, führt sicher zur unerträglichen Preisverteuerung' der Waren, aber nie und nimmer zur Tilgung des Defizits. Auch hier wird man mit Abbau beginnen müssen, indem man die Verwaltung und. den Betrieb wieder billiger und einfacher macht. Es' stehen einem ja gerade die Haare zu Berge, wenn man aus den Reden in der Reichstags­sitzung voln 2. Juli erfuhr, daß die Zahl der Beamten im Meichswirtschafrsministerium in den letzten 2 Jahren von 40 auf 1600 gestiegen ist. Bei den heutigen Ge­hältern! Da muß abgebaut,werden, sind zwar ganz gewaltig, sonst bekommen wir in Ewigkeit kein billigeres Brot. Den Kriegsgefellsch asten will der Mi­nister Hermes an den Kragen gehen; die Reichsstelle für Gemüse und Obst, die Z.EG. schlimmen Angeden­ken (Zentraleinkanfsgenossenschaft), die Reichsstelle für Oele und- Fette, vor allem die Viehhandelsverbände sol­len nach Hermesmit größter Beschleunigung" verschwin­den. Ein kräftigesGott sei Dank" war im Reichstag die Antwort.- Gott sei Dank sagen wir alle. Dem deutschen Volk werden die Kriegsgesellschasten unvergeß­lich bleiben.

Die Konferenz in Spa.

Am 5. Juli trat die vielbesprochene Konferenz in Spa zusammen, auf der endgültig über den wesentlichen In­halt und Umfang des Friedensvertrags Beschluß gefaßt werden soll. Nach dem Vertrag von Versailles sollten die feindlichen Ansprüche für die sogenannteWieder­gutmachung", die man aber trotz der berüchtigten 14 Punkte Wilsons richtiger als Kriegsentschädigung zu be­zeichnen hat nach dem ersten Punkt Wilsons sollte es ja keine Kriegsentschädigung geben, bis zum Mai 1921 festgesetzt werden. Aus verschiedenen Gründen ist es aber für Deutschland wie für die Gegenseite unmög­lich, bis dahin zu warten; beide Teile müssen endlich wissen, woran sie sind. Es muß Klarheit geschaffen werden, ob die Forderungen des Verbands überhaupt erfüllbar sind. In diesem Sinne ist die Konferenz von Spa der Abschluß des Vertrags von Versailles, zwei­einhalb Jahre nach Beendigung des Kriegs und ein volles Jahr nach Unterzeichnung des Friedensvertrags, ein einzig dastehender Fall, der das ganzeFrie- denswerk" so recht kennzeichnet. /

Man erhofft vom der Konferenz vielfach Erleichte­rungen. Aber gerade günstig scheinen die Aussichten da­für nicht zu sein. Jedenfalls, wenn es nach dem Sinn der Franzosen und Belgier, nach Fach, Poincare, Mil- lcrand usw. ginge, dann würde von einer Milderung des Vertrags von Versailles gewiß nicht die Re.de sein können, eher wäre eine VersckMfuug zu erwarten. Auf der anderen Seite wäre es aber wohl verfehlt, von den übrigen Verbündeten. England und Italien, eine ivirk- same Umerstützunk des deutschen-(Standpunkts zu er-.

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hoffen. Lie Konferenz.in San Remo hat ja deui.ich genug gezeigt, daß, Millerand es versteht, Engländ in- bezng aus die französischen Absichten gegen Deutschland immer wieder gefügig zu machen. Die gefährliche Lage im Orient, die Englands Interessen.vor allem berührt, ist ein Trumpf, den MilleraNd noch stets mit Erfolg . ausgespielt hat. So sind denn die deutschen Vertreter, die in Spa, wie sie und wir hoffen, zum ersten Mal wieder mit den feindlichen Mächten in persönliche Ver­handlungen einzutreten Gelegenheit haben, auf sich selbst und die Beweiskraft ihrer Sache angewiesen. Sie gin­gen nach Spa in dem festen Willen, eine Einigung zu­stande zu bringen und von den Friedensbedingungen zu übernehmen, was sich mit der Leistungsfähigkeit Deutsch­lands vereinen läßt. In einem wichtigen Punkt wird sich aber die Stellung der jetzigen Regierungsvertreter doch von dem Standpunkt der früheren Regierung, die über den Friedensabschluß zu befinden hätten unterscheiden. Wie der Reichsminister des Auswärtigen Tr. Simons ^ vor seiner Abreise zu einem Pressevertreter sagte, wird von deutscher Seite in Dva keine Summe genannt werden, die Deutschland unter allen Umständen als. Kriegsent­schädigung zu bezahlen sich erböte. (Die damalige Re­gierung hatte bekanntlich in unvorsichtiger Weise 100 Milliarden Goldmark angeboten.) Voraussetzung für ein deutsches Angebot wäre vielmehr, daß vorher durch freimütige mündliche Verhandlungen ein Voltes Ein­verständnis über gewisse Grundbedingungen erlangt wür­de. Dr. Simons erklärte, er werde nur ein Abkommen unterschreiben, das nach seiner Ansicht von Deutschland erfüllt werden könnte. Die Möglichkeit ist also gegeben, daß die deutsche Vertretung den Vertrag von Spa nicht unterzeichnet und ein Nein ausspricht. Und die­ses .Nein würde, wie Tr. Simons andeutete, erfolgen, wenn der Verband selbst die Vertragserfüllung dadurch unmöglich machte, daß er Deutschland nicht tK Mög­lichkeit gebe, zu arbeiten, denn die Erfüllung» müßte in erster Linie in der Arbeit bestehen. Tie Arbeit aber " hänge von drei Bedingungen abz Rohstoffe, Le­bensmittel und Friede im-Jnnern. Ter in­nere Friede aber kann nicht aufrecht erhalten werden, wenn die französische Militärpartei darauf besteht, die Reichs­wehr bis 10. Juli aus IM OM Mann herabzusetzen und die Einwohner- und Sicherheitswehren aufznlösen.

Bedingungen für die Annahme des Vertrags von Spa von deutscher Seite scheinen demnach zu sein, daß die deutschen Vertreter als gleichberechtigte Unterhändler aus­genommen und daß ihre Grundsorderungen als berech- . tigte Voraussetzungen für freie Vertragserfüllung, die fernere Zwangsmaßnahmen wie Besetzungserweiterungen usw. ausschließt, anerkannt werden. Gelänge es den deutschen Ministern, ihren Standpunkt durchzusetzen, dann könnten wir wieder von Frieden und Friedenszeit reden, denn bisher haben wir noch keinen Frieden gehabt. Wir Svürden wieder atmen können, und wenn die Last dieses Friedens auch riesengroß ist, so wären wir doch wieder nach außen ein unabhängiges Ba'k, das frei über seine Geschicke verfügt.

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Spa, 4. Juli. Die deutsche Vertretung ist heute nach­mittag 2 Uhr mit Soirderzug hier eingetroffen. Sie- wurde nach dem außerhalb der Stadt gelegenen Hotel Annette de Lonvain geführt. Der Reichskanzler und Dr. Simons bezogen ein in her Nähe gelegenes Landhaus. Millerand und Lloyd George traf/n um 4 Uhr ein; sie wurden von der Volksmenge begeistert begrüßt.

Das wirtschaftliche Gutachten für Spa.

Das Gutachten der deutschen wirtschaftlichen ^Sach­verständigen über Deutschlands wirtschaftliche Leistungs­fähigkeit, das deni Obersten Rat als Grundlage für die Verhandlungen in Spa überreicht worden ist, ent­hält eine Darstellung der wirtschaftlichen Lage Deutsch­lands. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Voraus­setzungen zur Feststellung des Wiedergutmachungsbetrags.

Bei der Kohlenlieferung sei den feindlichen Staaten zwar ein Vorzugsrecht auf bestimmte Kohlen- mengen zu gewähren, jedoch unter der Voraussetzung, daß die Lieferungen auf Grund-der im freien Wettbeiocrb sich! bildenden deutschen bzw. englischen Ausfuhrpreise tatsächlich bezahlt werden. > Weiter ist erforderlich, daß Deutschland, da es nicht genügend ausführen kann, ei­nen Teil seiner lebendigen Kraft ins Ausland sendet, um durch werbende Arbeit einen weiteren Betrag aus

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